European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T120217.20190718 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 Juli 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1202/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11735995.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | C03C 3/087 C03C 3/097 C03C 10/12 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | GLASKERAMIK ALS KOCHFLÄCHE FÜR INDUKTIONSBEHEIZUNG MIT VERBESSERTER FARBIGER ANZEIGEFÄHIGKEIT UND WÄRMEABSCHIRMUNG, VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINER SOLCHEN KOCHFLÄCHE UND IHRE VERWENDUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Schott AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichter Antrag - Antrag eindeutig gewährbar (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 11 735 995.0 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf D1 (DE 10 2008 050 263 A1) oder D1 in Kombination mit D2 (US 2005/0252503 A1) zurückzuweisen. Zudem wurden im Verfahren unter anderem folgende Dokumente zitiert:
D4: EP 2 226 303 A2
D5: WO 2010 137000 A2
D6: WO 2011 089220 A1
II. Mit der Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin (Anmelderin) den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Antrag als Hauptantrag aufrecht und reichte Hilfsanträge 1 bis 3 ein.
III. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK, war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei.
IV. Am 15. Juli 2019 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3 ein.
V. Die mündliche Verhandlung fand am 18. Juli 2019 statt. Darin reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag ein und nahm alle vorherigen Anträge zurück.
Der unabhängige Anspruch 1 ist wie folgt:
"1. Glaskeramik-Kochfläche für Induktionsbeheizung mit verbesserter farbiger Anzeigefähigkeit und Wärmeabschirmung, bestehend aus einer transparenten, eingefärbten Glaskeramikplatte, deren Dicke zwischen 2,5 mm und 6 mm beträgt, mit Hochquarz-Mischkristallen als vorherrschender Kristallphase, wobei die Glaskeramik, bis auf Verunreinigungen in Gehalten von weniger als 0,05 Gew.%, keines der chemischen Läutermittel Arsenoxid und Antimonoxid enthält, gekennzeichnet durch Transmissionswerte der Kochfläche von:> 0,4 % bei mindestens einer Wellenlänge im Blauen zwischen 380 und 500 nm,> 2 % - < 12% bei 630 nm,< 45 % bei 1600 nm, bevorzugt < 40%und eine Lichttransmission im Sichtbaren von 0,5 - 2%,> 0,1 % im Bereich des sichtbaren Lichtes im gesamten Wellenlängenbereich > 500 nm,im nahen Infrarot bei 950 nm > 30 % und dadurch, dass die Zusammensetzung der Glaskeramik (in Gew. % auf Oxidbasis) als Hauptbestandteile enthält:Li2O 1,5-4,2Sigma Na2O+K2O 0,2-1,5MgO 0-3Sigma CaO+SrO+BaO 0-4ZnO 0-3B2O3 0-2Al2O3 19-23SiO2 60-69TiO2 1,5-6ZrO2 0,5-2P2O5 0-3SnO2 0,1-< 0,6Sigma TiO2 +ZrO2 +SnO2 3,8-6und Fe2O3 0,03-0,3 in Kombination mit
CoO 0,05-0,3
NiO 0,05-0,3,Manganverbindungen >0-2V2O5 0-0,06Cr2O3 0-0,3"Anspruch 2 stellt eine bevorzugte Ausführungsform dar, während Ansprüche 3 und 4 Verfahren zur Herstellung der Glaskeramik-Kochfläche gemäß Anspruch 1 betreffen.
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin spiegeln sich in der unten angegebenen Begründung wieder.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis des Hauptantrags eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2019 zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Artikel 13(1) VOBK
Der Antrag wurde erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Da er alle vorherigen Einwände behob und aus den unten angegebenen Gründen eindeutig gewährbar ist, wurde er in das Verfahren zugelassen.
2. Artikel 123(2) EPÜ
Die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ sind aus folgenden Gründen erfüllt:
Anspruch 1 geht unmittelbar und eindeutig aus Ansprüchen 1 bis 3, dem die Seiten 17 und 18 überbrückenden Absatz, dem zweiten Absatz auf Seite 18, sowie der allgemeinen Offenbarung entsprechend dem letzten Absatz auf Seite 12 und dem zweiten Absatz auf Seite 13 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung hervor. Zudem ist aus den Beispielen ersichtlich, dass die Kombination von Fe2O3 mit NiO, CoO und MnO2 die bevorzugte Ausführungsform darstellt.
Ansprüche 2 bis 4 basieren auf Ansprüchen 5, 7 und 8 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.
3. Artikel 84 EPÜ
Da die Kombination von Fe2O3 mit NiO, CoO und Mn-Verbindungen jetzt ein wesentliches Merkmal von Anspruch 1 ist, ist der Einwand unter Artikel 84 EPÜ, der von der Kammer in der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK erhoben wurde, behoben.
Die erwähnten Transmissionswerte sind Standard, sodass der Fachmann weiß, wie sie für eine Dicke der Kochfläche, die zwischen 2,5 und 6 mm betragen kann, bestimmt werden müssen.
4. Artikel 54 EPÜ
D1 beschreibt Transmissionswerte im Infrarot bei 1600 nm von 45 - 85% (Anspruch 1).
Die beanspruchte Kombination von Fe2O3, CoO und NiO in den beanspruchten Mengen kann in D2 nicht gefunden werden, die Transmission bei 1600 nm soll größer als 70% sein (Absatz [0055]).
Die Priorität ist gültig, sodass D4-D6 Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ sind.
D4 offenbart z.B. kein CoO und keine Transmission bei 950 nm.
D5 offenbart z.B. eine Transmission bei 1600 nm von > 50% (Anspruch 1). NiO ist auf 0.02% begrenzt (Absätze [0032] und [0033]).
D6 offenbart z.B. keine Transmission bei 1600 und 950 nm. Zudem ist NiO auf 0.02% begrenzt (Absatz [0039]).
Die Bedingungen des Artikels 54 EPÜ sind erfüllt.
5. Artikel 56 EPÜ
5.1 Die Anmeldung betrifft eine Glaskeramik als Kochfläche für Induktionsbeheizung.
5.2 D1 ist nächstliegender Stand der Technik, da es auch eine Glaskeramikplatte mit Hochquarz-Mischkristallen betrifft (siehe Anspruch 1). Die Glaskeramik gemäß Beispiel 3 hat eine Transmission bei 500 nm von 0,61, bei 630 nm von 6,65, bei 1600 nm von 69,6 und eine Lichttransmission von 2,2.
5.3 Die zu lösende Aufgabe besteht darin, Kochflächen für Induktionsbeheizung mit verbesserter farbiger Anzeigefähigkeit und Wärmeabschirmung bereitzustellen (Seite 10, zweiter Absatz).
5.4 Die Aufgabe wird durch eine Glaskeramik-Kochfläche gemäß Anspruch 1 gelöst, dadurch gekennzeichnet, dass die Transmissionswerte < 45% bei 1600 nm und im nahen Infrarot bei 950 nm > 30% sind, die Lichttransmission im Sichtbaren von 0,5 - 2% beträgt und die Glaskeramik 0,05-0,3 Gew.% CoO und 0,05-0,3 Gew.% NiO enthält.
5.5 Angesichts der Beispiele (siehe Tabellen 1 und 2) gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Aufgabe erfolgreich gelöst wurde.
5.6 Die Lösung ist aus folgenden Gründen nicht naheliegend:
Keines der Ausgangsgläser aus Tabelle 1 enthält sowohl CoO als auch NiO in Mengen größer als 0,5 Gew.%.
Selbst wenn berücksichtigt wird, dass D2, das sich mit Kochflächen mit Keatit als Hauptkristallphase befasst, im Absatz [0055] erwähnt, dass die infrarote Transmission bei 1600 nm durch das Vorhandensein von Infrarot absorbierenden Oxiden wie CoO, Fe2O3 und NiO beeinflusst wird, so geht daraus nicht hervor, dass diese drei Oxide gleichzeitig vorhanden sein sollen, um die infrarote Transmission bei 1600 nm zu begrenzen, da D2 sich nicht mit einer Begrenzung der Transmission befasst, sondern eine Transmission größer 70% wünscht.
Eine gleichzeitige Zugabe von diesen Oxiden zu dem Beispiel 3 (Glas 2) aus D1 würde der Fachmann angesichts der Lehre aus Absatz [0037] aus D1 auch nicht vornehmen, da Auswirkungen auf die Transmission bei anderen Wellenlängen zu befürchten wären. In diesem Absatz wird zwar erwähnt, dass Kobalt und Nickelverbindungen die Transmission im Infrarot absenken können, jedoch wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass diese polyvalenten Verbindungen die gewünschte Einstellung der Transmission erschweren.
Zudem enthalten weder D1 noch D2 Informationen zur Transmission im nahen Infrarot bei 950 nm. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass der Fachmann wüsste, dass zur Lösung der gestellten Aufgabe die Transmissionen bei 1600 und 950 nm des Beispiels 3 (Glas 2) aus D1 zu ändern wäre, so ginge trotzdem aus dem Stand der Technik die gezielte Zugabe von den 0,05-0,3 Gew.% CoO und 0,05-0,3 Gew.% NiO zu den im Beispiel 3 aus D1 bereits vorhandenen Oxiden nicht aus dem Stand der Technik hervor.
5.7 Diese Argumentation gilt auch für die Ansprüche 2 bis 4, die sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1 beziehen.
5.8 Die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ sind somit ebenfalls erfüllt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die erste Instanz zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2019, und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.