T 1043/17 () of 9.3.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T104317.20210309
Datum der Entscheidung: 09 März 2021
Aktenzeichen: T 1043/17
Anmeldenummer: 10195797.5
IPC-Klasse: E04B 5/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bauelement mit Rohrleitungen und Verfahren zur Herstellung eines Bauelementes
Name des Anmelders: Roth Werke GmbH
Gebr. Lotter KG
Name des Einsprechenden: KE KELIT Kunststoffwerke Gesellschaft mbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 11
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (ja)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Zurückverweisung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0198/88
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 2 466 028 (im Folgenden: Patent) betrifft ein Bauelement, vorzugsweise flächiges Bauelement, insbesondere flächiges Deckenelement oder Wandelement.

II. Gegen das Patent wurde Einspruch eingelegt und Widerruf beantragt. Als Einspruchsgründe wurden mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht (Artikel 100 a) EPÜ).

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ist diese zu folgenden Feststellungen gekommen:

- der Gegenstand der geänderten Ansprüche 1 und 14 gemäß den damals geltenden Haupt- und Hilfsanträgen 1 und 5 sei nicht neu; und

- der Gegenstand der geänderten Ansprüche 1 und 14 gemäß den damals geltenden Hilfsanträgen 4 und 6 beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Die Einspruchsabteilung hat daher entschieden, das Patent zu widerrufen.

IV. Die Patentinhaberinnen (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) haben gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.

V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) vom 18. Mai 2020 teilte die Kammer den Verfahrensbeteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

VI. Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 beantragte die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdegegnerin), die anberaumte mündliche Verhandlung als Videokonferenz durchzuführen. Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 beantragten auch die Beschwerdeführerinnen die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz.

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 9. März 2021 ohne Einwände seitens der Verfahrensbeteiligten in Form einer Videokonferenz statt. Zum Ablauf der mündlichen Verhandlung, insbesondere zur Stellung von Anträgen bzw. deren Rücknahme durch die Beschwerdeführerinnen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Gegenstand dieser Entscheidung ist nach Rücknahme der übrigen Anträge nur noch der in dem Schlussantrag der Beschwerdeführerinnen genannte Hilfsantrag 1.

VIII. Antragslage am Ende der Verhandlung:

Die Patentinhaberinnen (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der geänderten Ansprüche 1 bis 13 gemäß dem mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 eingereichten Hilfsantrag 1 mit der daran angepassten, in der mündlichen Verhandlung eingereichten Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Wortlaut der Ansprüche 1 und 13 des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrags 1

Der unabhängige Sachanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet folgendermaßen (Nummerierung der Merkmale durch die Kammer hinzugefügt; Einfügungen gegenüber Anspruch 1 in der erteilten Fassung sind fett gedruckt, Auslassungen durchgestrichen):

1.1) Bauelement, vorzugsweise flächiges Bauelement,

insbesondere flächiges Deckenelement oder

Wandelement, wobei das Bauelement zumindest eine

flächige Schicht aus einer erhärteten

Vergussmasse, insbesondere aus Beton (1)

aufweist,

1.2) wobei im Bereich der vorderseitigen Oberfläche

(2) des Bauelementes zumindest ein Heizungsrohr

und/oder Kühlrohr für die Durchleitung eines

fluiden Mediums in die erhärtete Vergussmasse

eingebettet ist, wobei das zumindest eine Rohr

(3) in Rohraufnahmen (4) aufgenommen ist, die in

einer Mehrzahl von Aufnahmeschienen, insbesondere

linearen Aufnahmeschienen (5) vorgesehen sind,

1.3) wobei eine Aufnahmeschiene (5) eine Mehrzahl

solcher Rohraufnahmen (4) aufweist, wobei an eine

Aufnahmeschiene (5) zumindest ein Abstandshalter

(7) angeschlossen ist, der den Abstand a des

zumindest einen Rohres (3) zu der vorderseitigen

Oberfläche (2) des Bauelementes vorgibt und wobei

zwischen dem zumindest einen Rohr (3) und der

vorderseitigen Oberfläche (2) eine

Oberflächenschicht (8) aus der erhärteten

Vergussmasse angeordnet ist

1.4) und wobei eine Aufnahmeschiene (5) einen

Basissteg (15) [deleted: aufweist, gekennzeichnet durch] und

zumindest einen an den Basissteg (15)

angeschlossenen und quer zum Basissteg (15)

angeordneten Quersteg (16) aufweist und

wobei eine Mehrzahl von Rohraufnahmen (4) in dem

zumindest einen Quersteg (16) vorgesehen ist,

1.5) wobei die Aufnahmeschiene (5) lediglich

Rohraufnahmen (4) aufweist, welche zur Rückseite

des Bauelementes hin für die Einführung von

Rohren (3) offen ausgebildet sind,

1.6) wobei die Aufnahmeschiene (5) einstückig

ausgebildet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.7) zumindest ein Bewehrungselement (9) an der

Oberseite bzw. Oberkante der Aufnahmeschienen (5)

anliegt.

1.1 Der unabhängige Verfahrensanspruch 13 gemäß Hilfsantrag 1 lautet folgendermaßen (Nummerierung der Merkmale durch die Kammer hinzugefügt; Einfügungen gegenüber Anspruch 14 in der erteilten Fassung sind fett gedruckt, Auslassungen durchgestrichen):

14.1) Verfahren zur Herstellung eines Bauelementes

insbesondere nach einem der Ansprüche 1 bis 13,

wobei eine Mehrzahl von Aufnahmeschienen (5) mit

Rohraufnahmen (4) auf den Boden einer

Schalungseinrichtung (11) aufgebracht wird, so

dass an den Aufnahmeschienen (5) angeschlossene

Abstandshalter (7) auf dem Boden aufliegen,

14.2) wobei die Aufnahmeschienen (5) jeweils einen

Basissteg (15) [deleted: aufweisen, gekennzeichnet durch]

und zumindest einen an den Basissteg (15)

angeschlossenen und quer zum Basissteg (15) an

geordneten Quersteg (16) aufweisen und wobei eine

Mehrzahl von Rohraufnahmen (4) in dem zumindest

einen Quersteg (16) vorgesehen ist,

14.3) wobei die Aufnahmeschiene (5) einstückig

ausgebildet ist,

14.4) wobei in die Rohraufnahmen (4) der

Aufnahmeschienen (5) zumindest ein Heizungsrohr

und/oder Kühlrohr eingebracht wird, wobei

zumindest ein Bewehrungselement oberhalb der

Aufnahmeschienen (5) angeordnet wird

14.5) und wobei Vergussmasse in die

Schalungseinrichtung (11) eingebracht wird, so

dass zumindest die Aufnahmeschienen (5) und das

zumindest eine Rohr (3) zumindest über einen Teil

ihrer Höhe in die Vergussmasse eingebettet sind,

14.6) wobei die Aufnahmeschiene (5) lediglich

Rohraufnahmen (4) aufweist, welche zur Rückseite

des Bauelementes hin für die Einführung von

Rohren (3) offen ausgebildet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

14.7) zumindest ein Bewehrungselement (9) an der

Oberseite bzw. Oberkante der Aufnahmeschienen (5)

anliegt.

2. Stand der Technik

In der Beschwerdebegründung und in der Beschwerdeerwiderung haben die Beteiligten auf folgende bereits in der angefochtenen Entscheidung genannte Druckschrift Bezug genommen:

D1: EP 1 207 354 A2

Die Beschwerdegegnerin hat unter anderem folgende Beweismittel zum ersten Mal mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht:

J: DE 80 28 930 U1;

K: EP 1 619 005 A2.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2019 hat die Beschwerdegegnerin noch folgende Druckschrift eingereicht:

N: AT 502 685 B1.

X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerinnen lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Zulassung des Hilfsantrags 1 in das Verfahren

Hilfsantrag 1 sei in unmittelbarer Reaktion auf die späte Einreichung des Dokuments N eingereicht worden.

b) Zulassung der Dokumente J, K und N in das Verfahren

Die Dokumente J und K, die nun auch gegen den noch verfahrensgegenständlichen Hilfsantrag 1 verwendet würden, seien nicht in das Verfahren zuzulassen, denn mit Einreichung der Anträge der Beschwerdebegründung, auf die diese Dokumente eingereicht worden waren, sei kein neuer Sachverhalt seitens der Beschwerdeführerinnen vorgetragen worden, so dass es auch für die Beschwerdegegnerin keine Veranlassung für die Einführung weiterer Dokumente des Standes der Technik gegeben habe. K sei zwar Bestandteil des Prüfungsverfahrens gewesen, es sei dort als "D1" bezeichnet worden. Es sei jedoch zu keiner Zeit offiziell in das Einspruchsverfahren eingeführt worden und damit im Beschwerdeverfahren verspätet. Schließlich seien diese Dokumente auch nicht prima-facie relevant. Das Dokument J betreffe eine Fußbodenheizung in Estrich, so dass Rohraufnahmen 15 einer Aufnahmeschiene 1 nach oben (siehe vorletzter Absatz von Seite 9) und damit zur Vorderseite hin offen ausgebildet seien. Ferner offenbare Dokument J unstreitig auch keinen Abstandshalter, welcher den Abstand zur vorderseitigen Oberfläche definiere.

Ferner sei das Dokument N nicht in das Verfahren zuzulassen, denn es sei nicht prima-facie neuheitsschädlich. Außerdem habe die Beschwerdegegnerin keinen einzigen, validen Grund für die späte Einreichung des Dokuments N vorgebracht. Dies gelte umso mehr, als Dokument N das Dokument D1 ausdrücklich als Stand der Technik benenne. Damit hätte Dokument N über eine äußerst einfache Zitationsrecherche ausgehend von D1 wesentlich früher aufgefunden werden können. Ebenso hätte eine Inhaberrecherche mit dem Suchausdruck ,,Wavin" zum Ziel geführt.

a) Hilfsantrag 1 - Zulässigkeit der Änderungen

Hilfsantrag 1 sei gegenüber dem - im Laufe des Verfahrens zurückgenommenen - Hauptantrag aus der Beschwerdebegründung in den unabhängigen Ansprüchen um die Merkmale 1.6) und 1.7) ergänzt worden. Merkmal 1.6) sei in Absatz 14 der veröffentlichten Anmeldung offenbart. Demzufolge werde eine Aufnahmeschiene einstückig durch Extrusion oder Spritzgießen erzeugt. Somit seien die Herstellungsarten Extrusion bzw. Spritzgießen eindeutig als fakultativ gegenüber der einstückigen Herstellung offenbart, so dass einstückige Aufnahmeschienen bereits in Absatz 14 unmittelbar und eindeutig beschrieben seien. Die Einstückigkeit der Aufnahmeschiene gehe beispielsweise auch aus Figur 5 sowie der dazugehörigen Figurenbeschreibung hervor. Ebenso sei die Einstückigkeit beispielsweise noch in Figur 11 zu sehen, so dass die Einstückigkeit ersichtlich nicht auf ein bestimmtes Ausführungsbeispiel beschränkt sei. Merkmal 1.7) sei direkt dem ursprünglich eingereichten Anspruch 5 entnommen.

b) Hilfsantrag 1 - Neuheit

Die Merkmale 1.1), 1.6) und 1.7) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 trügen zur Neuheit des beanspruchten Gegenstands gegenüber Dokument N bei.

Der in Merkmal 1.1) des Anspruchs 1 verwendete Begriff "Bauelement" sei in der Bautechnik ein feststehender Begriff und bezeichne eine teilgefertigte Betonplatte, welche im Werk vorgefertigt werde und dann aufgrund ihrer Elementeigenschaft transportierbar sei und vor Ort verbaut werde (siehe Wikipedia Eintrag zum Stichwort "Elementdecke"). Das Dokument N betreffe kein Bauelement in diesem fachüblichen Sinne, sondern Ortbetondecken (Seite 3, Zeile 31).

Je nach Auslegung sei eines der beiden Merkmale 1.6) und 1.7) in Dokument N nicht offenbart. Denn werde unter dem Begriff "Aufnahmeschiene" eine Kombination der Schienen 3 und 7 oder 4 aus Dokument N verstanden, so liege zwar ein Bewehrungselement 8 unmittelbar an der Oberseite der Aufnahmeschienen 3, 7 bzw. 3, 4 an, doch seien die Aufnahmeschienen 3, 7 dann nicht einstückig, weil sie die Teile 3 und 7 bzw. 3 und 4 aufwiesen. Umgekehrt könne der Begriff ,,Aufnahmeschiene" auch so verstanden werden, dass er nur die eigentliche Schiene 3 umfasse, welche dann auch einstückig sei. Dann allerdings sei ein Anliegen der Bewehrung an der Oberseite der Aufnahmeschiene 3 zu verneinen, weil sich dazwischen noch die Abdeckschiene 7 bzw. die Deckschiene 4 befinde.

c) Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass die erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebrachten Angriffslinien mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen Anspruch 1 aufgrund ihrer mangelnden Relevanz nicht in das Verfahren zuzulassen und nicht zu berücksichtigen seien (Artikel 13 (1) VOBK 2007).

Der Fachmann sei von der zweiten Ausführungsform aus Absatz 13 von D1 ausgehend mit der objektiven technischen Aufgabe betraut, das "Temperierleistungs-Statik-Optimum" zu erreichen. Die Lösung hierzu finde er unmittelbar in der ersten, hauptsächlichen Ausführungsform von D1, wie sie in sämtlichen Figuren und in der gesamten Figurenbeschreibung offenbart sei. Hier sei lediglich eine Rohrlage offenbart, welche sich in größtmöglicher Nähe zur vorderseitigen Oberfläche befinde. Damit müsse der Fachmann nicht einmal nach weiteren Dokumenten suchen, um zu einer Lösung der objektiven technischen Aufgabe zu gelangen. Er werde direkt in der anderen Ausführungsform von D1 fündig und löse so zwar die objektive technische Aufgabe. Diese Lösung aber führe den Fachmann von dem Gegenstand des Anspruchs 1 weg, weil sie zur Vorderseite hin offene Rohraufnahmen empfehle.

Entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin würde der Fachmann ausgehend von D1 das Dokument J nicht heranziehen, denn weder in D1 noch in Dokument J sei irgendein Anlass zu finden, von der Ausführungsform aus D1 im Sinne der Lehre von Dokument J abzuweichen. Insbesondere betreffe Dokument D1 vorgefertigte Filigrandecken aus Beton, wohingegen Dokument J lediglich Fußbodenheizungen in Estrich betreffe. Die Dokumente D1 und J seien somit unabhängig voneinander und offenbarten jeweils eine in sich geschlossene Lehre betreffend Decken einerseits und Fußböden andererseits. Für Decken würde der Fachmann eine Vorrichtung gemäß D1 wählen, wohingegen er für Fußböden Vorrichtungen gemäß Dokument J wählen würde. Die Beschwerdegegnerin behauptet zwar, dass sich bzgl. Decke und Böden eine "völlig gleiche Installationssituation" ergebe. Dies könne aber nicht nachvollzogen werden. Denn gemäß Zeile 34 bis 39 von Spalte 7 aus D1 sei die geringe Auflagefläche der Querstege 4 wichtig, weil sich hierdurch eine schalreine Oberfläche ergebe. Dies aber sei mit Blick auf die Aufnahmeschiene 1 gemäß Dokument J nicht der Fall, denn diese Schiene weise eine sehr große Auflagefläche 12 auf. Dies sei bei Fußböden auch unproblematisch, weil die Auflagefläche nach Estrichverlegung vollständig eingeschlossen sei. Ganz besonders sei darauf hinzuweisen, dass die Aufnahmeschiene aus Dokument J nicht für die Aufnahme von Bewehrungen ausgelegt sei. Auch enthalte Beton oft gesteinsartige Zuschläge (z. B. kleine Kieselsteine), so dass Beton zähflüssiger sei als Estrich. Dies rechtfertige die Ausschnitte 5 aus D1, welche bei der Aufnahmeschiene gemäß Dokument J nicht erforderlich seien. Auch sei die Betonsäule unter den Rohren im Bereich weniger Millimeter einzuschätzen (entsprechend der Wandstärke der Schiene aus Dokument J). Dies sei aber aus brandschutzrechtlichen Gründen unzulässig, weswegen der Fachmann die Schiene gemäß Dokument J nicht für vorgefertigte Filigrandecken verwenden würde. Von einer "völlig gleichen Installationssituation" könne daher keine Rede sein.

XI. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

a) Zulassung der Beweismittel J, K und N in das Verfahren

Dokument K sei bereits aus dem Prüfungsverfahren bekannt (dort "D1"). Dokument J dokumentiere nur allgemeines Fachwissen.

Dokument N sei prima-facie hochrelevant für die Frage der Neuheit und in unmittelbarer Reaktion auf die nicht mehr verfahrensgegenständlichen, mit Schriftsatz vom 9. Mai 2018 neu vorgelegten Hilfsanträge 8 bis 23 eingereicht worden.

b) Hilfsantrag 1 - Neuheit

Dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 fehle im Lichte der Offenbarung in Dokument N die erforderliche Neuheit. Das dort offenbarte Deckenelement stelle ein "Bauelement" im Sinne des Anspruchs 1 dar. Das Wort "Bauelement" habe in der Bautechnik die Bedeutung eines vorgefertigten Teilstücks für den Bau von Häusern, oder eines Bauteils, d. h. eines Bestandteils eines Bauwerks. Die Beschreibung des Patents lehre explizit (Absatz 9), dass "die erfindungsgemäßen flächigen Bauelemente ... als vorgefertigte Fertigelemente zum Montageort transportiert werden" können, dass "es ... aber auch möglich" sei, "dass die Bauelemente gleichsam in situ bzw. am Montageort hergestellt bzw. vergossen werden". In der Zusammenschau ergebe sich für den Fachmann also, dass das beanspruchte Bauelement ein vorgefertigtes Bauteil sei, oder alternativ erst an dem vorgesehenen Einbauort hergestellt worden sei. Die in Dokument N offenbarte Ortbetondecke stelle ein solches Bauelement dar. Ferner weise die Ortbetondecke eine Bewehrung auf, die an der Aufnahmeschiene anliege.

c) Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

Die in D1 offenbarte Filigrandecke aus Beton stelle einen möglichen nächstliegenden Stand der Technik dar. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheide sich davon durch Merkmal 1.5). Ausgehend von D1 könne die vom Bauelement gemäß Hilfsantrag 1 objektiv zu lösende technische Aufgabe darin gesehen werden, das Einbringen der Rohre zu erleichtern. Es sei für den Fachmann schon allein auf Basis seines allgemeinen Fachwissens, das in Dokument J dokumentiert sei, naheliegend, zur Lösung dieser Aufgabe Merkmal 1.5) vorzusehen. Aus Dokument J seien nämlich Aufnahmeschienen für Heizungsrohre bekannt, die lediglich Rohraufnahmen aufweisen, welche zu einer Seite der Aufnahmeschiene hin für die Aufnahme von Rohren offen ausgebildet seien. Da bei Verlegearbeiten die Rohre lediglich in die nach oben offenen Aussparungen der Aufnahmeschienen einzudrücken seien, sei eine schnelle Montage bei einfacher Handhabung gewährleistet. Solche Aufnahmeschienen würden zur Verlegung von Fußbodenheizungen verwendet und nach dem Verlegen in einer Estrichschicht eingebettet werden. Nachdem der Fachmann auf dem Gebiet von Heizungssystemen regelmäßig nicht nur Fußbodenheizungen, sondern auch Wand- oder Deckenheizungen installiere, sei es für ihn naheliegend, eine solche bekannte Aufnahmeschiene auch zur Installation einer Deckenheizung in vorgefertigten Filigrandecken gemäß D1 einzusetzen, um das Einbringen der Rohre zu erleichtern. Hierbei ergebe sich für den Fachmann eine völlig gleiche Installationssituation, da er bei der Installation einer Deckenheizung analog zur Fußbodenheizung auf der die Standfläche bildende Verschalung stehe und auf dieser die Aufnahmeschienen mit nach oben offenen Rohraufnahmen verlege. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrages 1 beruhe somit gegenüber D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Gehe der Fachmann alternativ von dem aus dem Prüfungsverfahren bekannten Dokument K als nächstliegendem Stand der Technik aus, so unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 davon dadurch, dass eine Mehrzahl von Rohraufnahmen in dem zumindest einen Quersteg vorgesehen sei (Merkmal 1.4)), und dass die Aufnahmeschiene einstückig ausgebildet sei (Merkmal 1.7)). Abgesehen davon, dass es sich hierbei um eine naheliegende Maßnahme handele, um eine einfache Herstellung der Aufnahmeschiene durch Extrusion oder Spritzgießen zu ermöglichen, sei das Vorsehen mehrerer Rohraufnahmen im Quersteg eines Profils hinlänglich bekannt, insbesondere aus Dokument J (Seite 8, Absatz 1). Der Gegenstand des Hilfsantrags 1 beruhe aus diesem Grund auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (Artikel 25 VOBK 2020) ist die revidierte Fassung auch auf am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden anwendbar. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdebegründung vor dem 1. Januar 2020 und die Erwiderung darauf fristgerecht eingereicht. Daher ist Artikel 12 (4)-(6) VOBK 2020 nicht anzuwenden. Stattdessen ist Artikel 12 (4) VOBK 2007 sowohl auf die Beschwerdebegründung als auch auf die Erwiderung anzuwenden (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

Die Zustellung der Ladung erfolgte im Dezember 2019, d.h. vor Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung, so dass bezüglich der Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten Artikel 13 (1) VOBK 2007, nicht aber Artikel 13 (2) VOBK 2020 anzuwenden ist (Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020).

2. Zulassung des Hilfsantrags 1 in das Verfahren

2.1 Die Zulassung eines erst später im Verfahren gestellten Antrags ist in Hinblick auf die vorangegangenen Ereignisse im Einspruchsverfahren und daran anschließenden Beschwerdeverfahren zu beurteilen.

2.2 Die Beschwerdeführerinnen haben Hilfsantrag 1 mit Schriftsatz vom 11. August 2020 als "Hauptantrag (bezüglich Beilage N)" und erneut wortgleich mit Schreiben vom 8. Februar 2021 als "Hilfsantrag 1 (bezüglich Beilage N)" eingereicht, und zwar in direkter Reaktion auf das seinerseits späte Vorbringen des Dokuments N durch die Beschwerdegegnerin.

2.3 Das Einreichen des Hilfsantrags 1 stellt somit eine zulässige Reaktion auf die Ereignisse im Beschwerdeverfahren dar. Zudem waren die Anspruchsänderungen gemäß Hilfsantrag 1 prima-facie dazu geeignet, den Einwand der mangelnden Neuheit betreffend den damals noch geltenden Hauptantrag im Hinblick auf Dokument N auszuräumen, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung für überzeugend gehalten hat.

2.4 Aus diesen Gründen hat die Kammer entschieden, den neuen Hilfsantrag 1 im Verfahren zu berücksichtigen (Artikel 13 (1) VOBK 2007).

2.5 Im Übrigen hat sich die Beschwerdegegnerin nicht gegen die Berücksichtigung des Hilfsantrags 1 ausgesprochen.

3. Zulassung der Beweismittel J und K in das Verfahren

3.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin, die eine Zulassung nicht für erforderlich gehalten hatte, ist das im Prüfungsverfahren berücksichtigte Dokument K (dort "D1") nicht automatisch Gegenstand des Einspruchsverfahrens, geschweige denn des Einspruchsbeschwerdeverfahrens, da das Einspruchsverfahren ein selbstständiges, dem Erteilungsverfahren nachgeschaltetes Verfahren ist (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage, 2019, Kapitel IV.C.1, Seite 1202, dort T 198/88).

3.2 Die Dokumente J und K wurden von der Beschwerdegegnerin in direkter Reaktion auf den neuen Hauptantrag eingereicht, der seinerseits erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurde und bei dem ein Merkmal aus den Figuren des Patents in Anspruch 1 aufgenommen worden war.

3.3 Aus diesen Gründen und zur Gewährleistung der verfahrensrechtlichen Fairness hat die Kammer entschieden, diese Beweismittel im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, und zwar ungeachtet ihrer möglichen Relevanz. Artikel 12 (4) VOBK 2007 steht dem nicht entgegen.

4. Keine Zurückverweisung

4.1 Die angefochtene Entscheidung stützte sich nur auf mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D1. Die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die neu zitierten Entgegenhaltungen J, K und N wurde von der Einspruchsabteilung noch nicht erörtert.

4.2 Im Hinblick auf den vollständigen Gesamtvortrag der Beteiligten, die gebotene Verfahrensökonomie und die bisherige lange Verfahrensdauer hielt es die Kammer für sachdienlich und sinnvoll, die Frage der Neuheit bzw. der erfinderischen Tätigkeit selbst abschließend zu beurteilen (Artikel 111 (1), Satz 2 EPÜ und Artikel 11 (2) VOBK 2020).

5. Die Kammer teilt die Ansicht der Beschwerdeführerinnen, dass die vorgenommenen Anspruchsänderungen des einzig verbleibenden Antrags die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ und des Artikels 84 EPÜ erfüllen. Im Übrigen hat die Beschwerdegegnerin zu den Anspruchsänderungen keinen Einwand nach Artikel 123 bzw. 84 EPÜ erhoben.| |

6. Hilfsantrag 1 - Neuheit

6.1 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass der Gegenstand von Anspruch 1 im Hinblick auf Dokument N nicht neu sei.

6.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerinnen, dass im Unterschied zum Bauelement gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Dokument N das Bewehrungselement 8 nicht an der Oberseite bzw. Oberkante der einstückigen Aufnahmeschienen 3 anliegt (Merkmal 1.7) von Anspruch 1), sondern an der Oberseite der Deckschienen 4. Deshalb kann die Entgegenhaltung N den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen. Gleiches gilt für den Gegenstand von Anspruch 13 (Merkmal 14.7)).

7. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

7.1 Die Beschwerdegegnerin machte erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend, der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf

a) Dokument D1 in Kombination mit allgemeinen Fachkenntnissen, wie sie in Dokument J dokumentiert seien;

b) Dokument K in Kombination mit allgemeinen Fachkenntnissen, wie sie in Dokument J dokumentiert seien.

7.2 Angriffslinie a) - Zulassung in das Beschwerdeverfahren unter Artikel 13 (1) VOBK 2007

Die Kammer hatte hier keine durchgreifenden Bedenken.

7.3 Es ist zum einen zwischen den Beteiligten unstreitig, dass Dokument D1 einen geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bildet und dass Merkmal 1.5) dort nicht offenbart ist.

7.4 Zu berücksichtigen ist auch, dass die Antragslage, die von den Beschwerdeführerinnen bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung kontinuierlich verändert wurde, bis zuletzt unklar war. Außerdem hatte die Beschwerdegegnerin bereits in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung argumentiert, dass ausgehend von Dokument D1 der Fachmann aufgrund der Lehre von Dokument J in naheliegender Weise das Merkmal 1.5) vorsehen und mithin zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde. Aus diesen Gründen kam die Kammer zu dem Schluss, die spät vorgebrachte Angriffslinie a) aus Gründen der Waffengleichheit in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) VOBK 2007).

7.5 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, welche objektive technische Aufgabe sich der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung ausgehend von D1 stellen würde.

7.6 Für die Beschwerdeführerinnen soll diese Aufgabe darin liegen, die statischen Eigenschaften des Bauelements zu verbessern bzw. ein "Temperierleistungs-Statik-Optimum" zu erreichen.

7.7 Die Beschwerdegegnerin führt dagegen aus, diese Formulierung der zu lösenden Aufgabe sei unzulässig, weil sie Lösungsansätze enthalte und aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung nicht abgeleitet werden könne.

7.8 Die Kammer teilt die Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass die Formulierung der Aufgabe inkorrekt ist, da sie sich auf eine technische Wirkung stützt, die für den maßgeblichen Fachmann im Gebiet des Bauwesens aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung selbst unter Berücksichtigung seiner allgemeinen Fachkenntnisse nicht ohne weiteres ableitbar ist. Soweit die Beschwerdeführerinnen argumentieren, das erfindungsgemäße Bauelement unterscheide sich von dem in Dokument D1 offenbarten Bauelement darin, dass es lediglich eine Rohrlage und mithin bessere statische Eigenschaften aufweise, überzeugt dies nicht. Selbst wenn Dokument D1 entnommen werden kann (Absätze 13 und 26), dass die in Figur 1 dargestellten oberen Klemmstellen 10 der Schiene 1 als Rohraufnahmen dienen können, ist in Figur 2 von D1 eine Ausführungsform offenbart, bei welcher die Rohrleitungen 8 nur in den unteren Klemmstellen 7 angeordnet sind und das Bauelement daher eine einzige Rohrlage aufweist.

7.9 In der Regel ist bei der Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe zunächst von der im Patent formulierten Aufgabe auszugehen. Auf die in Absatz 4 der Patentschrift erwähnte Aufgabe kann jedoch nicht zurückgegriffen werden, weil sie in D1 bereits gelöst ist.

7.10 Ausgehend von Dokument D1 bewirkt Merkmal 1.7) offensichtlich, dass alle Rohraufnahmen oberhalb der Abstandshalter angeordnet sind. Aus Absatz 23 der Patentschrift geht hervor, dass dank dieser Maßnahme das Verlegen der Rohre erleichtert wird. Unter Berücksichtigung dieser Lehre kann die Aufgabe, die sich objektiv gegenüber D1 ergibt, darin gesehen werden, die Montage der Rohrleitungen 8 zu erleichtern.

7.11 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Fachmann zur Lösung dieser Aufgabe aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnisse, die in Dokument J dokumentiert seien, in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde.

7.12 Diesbezüglich teilt die Kammer jedoch die Ansicht der Beschwerdeführerinnen, dass, wie allgemein für Patentdokumente anerkannt ist, das Dokument J als ein solches Patentdokument kein allgemeines Fachwissen wiedergibt. Außerdem besteht für den mit der unter Punkt 7.10 genannten Aufgabe befassten Fachmann keine Veranlassung, das Dokument J heranzuziehen, denn im Unterschied zum Dokument D1 beschäftigt es sich nicht mit werksseitig vorgefertigten Filigrandecken aus Beton, sondern lediglich mit der Verlegung von Kunststoffrohren für Fußbodenflächenheizungen in Estrich. Die Dokumente D1 und J offenbaren jeweils eine in sich geschlossene Lehre betreffend Decken einerseits und Fußböden andererseits und bieten keine Veranlassung für eine Kombination der Lehren und damit für eine Weiterentwicklung der in Dokument D1 offenbarten Filigrandecken im Lichte der Lehre von Dokument J. Soweit die Beschwerdegegnerin behauptet, dass sich bzgl. Decken- und Fußbodenheizungen eine "völlig gleiche Installationssituation" ergebe, überzeugt das die Kammer aus den von den Beschwerdeführerinnen genannten Gründen nicht.

7.13 Zusammenfassend kann die Kammer also nicht feststellen, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ausgehend von Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik entgegen Artikel 56 EPÜ in naheliegender Weise aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik ergibt.

7.14 Diese Schlussfolgerung gilt mutatis mutandis für den Verfahrensanspruch 13 gemäß Hilfsantrag 1.

7.15 Angriffslinie b) - Zulassung in das Beschwerdeverfahren unter Artikel 13 (1) VOBK 2007

7.16 Die alternative Angriffslinie b) wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen. Diese Angriffslinie basiert auf einer neuen Verknüpfung bereits im Verfahren befindlicher Tatsachen, nämlich konkreter Offenbarungsstellen von K und J, und stellt eine Änderung des Tatsachenvorbringens der Beschwerdegegnerin zum spätestmöglichen Zeitpunkt dar, deren Zulassung in das Verfahren im Ermessen der Kammer lag (Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 13 (1) VOBK 2007).

7.17 Im Hinblick auf diese alternative Angriffslinie hat die Beschwerdegegnerin nicht dargelegt, weshalb Dokument K einen geeigneteren Ausgangspunkt als D1 bei der Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes bilden sollte, und dies, obwohl sie darauf bereits in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 hingewiesen worden war (Punkt 11.10). Die Kammer teilt diesbezüglich die Meinung der Beschwerdeführerinnen, dass diese Angriffslinie weniger erfolgversprechend als die alternative Angriffslinie ausgehend von Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik ist. Dokument K betrifft ein vorgefertigtes stahlbewehrtes Bauelement, insbesondere ein Decken- oder Wandelement, mit wenigstens einer Rohrleitung zur Raumtemperierung und wenigstens einer Halteschiene mit Clipvorrichtungen auf ihrer Ober- und Unterseite zum Einclipsen der Rohrleitung bzw. der Bewehrung. Dort ist aber weder Merkmal 1.4) (kein Quersteg mit einer Mehrzahl von Rohraufnahmen sondern Clipvorrichtungen 8a, 8b zum Einclipsen der Rohrleitungen 9) noch Merkmal 1.6) (keine einstückige Aufnahmeschiene sondern mehrteilige Aufnahmeschiene 7) noch Merkmal 1.7) (die Bewehrungselemente 10 befinden sich unterhalb der Aufnahmeschienen 7) offenbart. Die alternative Angriffslinie b) ausgehend von Dokument K ist mithin prima facie weniger relevant als die Angriffslinie a). Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung der gebotenen Verfahrensökonomie kam die Kammer zu dem Schluss, diese spät vorgebrachte alternative Angriffslinie b) nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) VOBK 2007).

8. Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents in der geänderten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 nicht entgegenstehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Spalten 1 bis 13 der Beschreibung, eingereicht

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