T 0996/17 () of 26.8.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T099617.20200826
Datum der Entscheidung: 26 August 2020
Aktenzeichen: T 0996/17
Anmeldenummer: 07016524.6
IPC-Klasse: G01D21/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 622 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum drahtlosen Austausch von Daten und Funksystem
Name des Anmelders: ista International GmbH
Name des Einsprechenden: Aechter, Bernd
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 1924119 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das Patent in gesamtem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit den Artikeln 54 (1) und 56 EPÜ 1973, Artikel 100 b) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ 1973, sowie Artikel 100 c) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 123 (2) EPÜ angegriffen worden.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem damaligen Hauptantrag, aufweisend die mit Schreiben vom 20. Juli 2015 eingereichten Ansprüche 1 bis 8, das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügten.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020, die als Anlage einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mit.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 26. August 2020 statt.

VI. Der Einsprechende (Beschwerdeführer) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1924119.

VII. Die Patentinhaberin ist Verfahrensbeteiligte in dem Beschwerdeverfahren (Artikel 107 Satz 2 EPÜ 1973) und somit Beschwerdegegnerin. In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung des Einsprechenden beantragte die Patentinhaberin die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrags, beide eingereicht mit Schriftsatz vom 8. November 2017, aufrechtzuerhalten.

VIII. Die vorliegende Entscheidung nimmt Bezug auf die folgenden, aus dem erstinstanzlichen Verfahren bereits bekannten Druckschriften:

D1: EP 1705620 A1

D6: EP 0784387 A2

D7: WO 00/70572

D8: WO 94/05131

Es wird mit M1 bis M7 auf die von den Parteien und der Einspruchsabteilung benutzte Gliederung der Merkmale der Ansprüche 1 und 8 des Patents in Merkmale 1 bis 7 Bezug genommen (siehe z.B. Punkt 12 der angefochtenen Entscheidung).

IX. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet (die Nummerierung 1) bis 7) ist dem eigentlichen Wortlaut der jeweiligen Merkmale vorangestellt):

"1) Verfahren zum drahtlosen Austausch von Daten von mehreren Datenquellen zu wenigstens einem Empfänger,

2) bei dem kommunikationseinleitende Funktelegramme von den Datenquellen im Wesentlichen periodisch auf einem hierfür bestimmten Kommunikationskanal ausgesendet werden und

3) ein Empfänger nach Empfang eines kommunikationseinleitenden Funktelegramms mit einer der Datenquellen kommuniziert, zumindest um Daten mit der Datenquelle auszutauschen und

4) eine Datenquelle nach erfolgtem Austausch der Daten die weitere Aussendung periodischer kommunikationseinleitender Funktelegramme (B) auf dem hierfür bestimmten Kommunikationskanal (1) für ein vorbestimmtes Zeitintervall unterbricht,

dadurch gekennzeichnet, dass

5) mit fortschreitender Abfrage von Datenquellen nach kollisionsfreiem Empfang eines kommunikationseinleitenden Funktelegramms sich die Anzahl vorhandener Datenquellen reduziert, die noch nicht abgefragt wurden und die weiterhin ihre für die Abfrage bestimmten kommunikationseinleitenden Funktelegramme aussenden und

6) zum Schluss die zur Verfügung stehenden Daten von der letzten alleinig ihre Funktelegramme aussendenden Datenquelle vom Empfänger abgefragt werden,

7) wobei das vorbestimmte Zeitintervall so bemessen ist, dass innerhalb dieses Zeitintervalls die Abfrage sämtlicher zur Verfügung stehender Datenquellen vollständig abgeschlossen wird."

Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 8 gemäß Hauptantrag lautet (die Nummerierung 1) bis 7) ist dem eigentlichen Wortlaut der jeweiligen Merkmale vorangestellt):

1) Funksystem mit mehreren Datenquellen und wenigstens einem Empfänger, zum drahtlosen Austausch von Daten von den mehreren Datenquellen zu dem wenigstens einen Empfänger,

2) wofür die Datenquellen eingerichtet sind, kommunikationseinleitende Funktelegramme im Wesentlichen periodisch auf einem hierfür bestimmten Kommunikationskanal auszusenden und

3) ein Empfänger eingerichtet ist, nach Empfang eines kommunikationseinleitenden Funktelegramms mit einer der Datenquellen zu kommunizieren, zumindest um Daten mit der Datenquelle auszutauschen,

4) wobei eine Datenquelle eingerichtet ist, nach erfolgtem Austausch der Daten die weitere Aussendung periodischer kommunikationseinleitender Funktelegramme (B) auf dem hierfür bestimmten Kommunikationskanal (1) für ein vorbestimmtes Zeitintervall zu unterbrechen,

dadurch gekennzeichnet, dass

5) mit fortschreitender Abfrage von Datenquellen nach kollisionsfreiem Empfang eines kommunikationseinleitenden Funktelegramms sich die Anzahl vorhandener Datenquellen reduziert, die noch nicht abgefragt wurden und die weiterhin ihre für die Abfrage bestimmten kommunikationseinleitenden Funktelegramme aussenden und

6) das System eingerichtet ist, zum Schluss die zur Verfügung stehenden Daten von der letzten alleinig ihre Funktelegramme aussendenden Datenquelle vom Empfänger abzufragen,

7) wobei das vorbestimmte Zeitintervall so bemessen ist, dass innerhalb dieses Zeitintervalls die Abfrage sämtlicher zur Verfügung stehender Datenquellen vollständig abgeschlossen ist.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen - Artikel 100 c) EPÜ 1973, 123 (2) EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).

1.1 Gemäß dem Einsprechenden, Beschwerdebegründung, Punkt 1, ist das Merkmal M7 "wobei das vorbestimmte Zeitintervall so bemessen ist, dass innerhalb dieses Zeitintervalls die Abfrage sämtlicher zur Verfügung stehender Datenquellen vollständig abgeschlossen wird" des Anspruchs 1 nicht in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, insbesondere nicht auf Seite 5, zweiter Absatz, der ursprünglichen Beschreibung, offenbart.

Die angebliche Offenbarungsstelle beziehe sich nämlich ausschließlich auf den Normalfall, in dem die Abfrage sämtlicher Datenquellen innerhalb des Zeitintervalls abgeschlossen ist, wohingegen Anspruch 1 auch den Sonderfall einschließe, in dem eine Datenquelle dauerhaft ausfalle und in dem vorbestimmten Zeitintervall nicht senden kann. Da die ursprüngliche Anmeldung jedoch nicht offenbare, dass die Abfrage sämtlicher Datenquellen innerhalb des Zeitintervalls auch im Sonderfall gewährleistet sei, verstoße das Merkmal M7 gegen das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.

1.2 Die Kammer kann diesem Einwand nicht folgen. Wie von der Patentinhaberin überzeugend vorgetragen (Beschwerdeerwiderung, Seiten 2 bis 4), entspricht Merkmal M7 dem auf Seite 5, zweiten Absatz der ursprünglichen Beschreibung beschriebenen Sachverhalt mit der Einschränkung auf eine Situation, in der die Abfrage sämtlicher Datenquellen innerhalb des vorbestimmten Zeitintervalls gewährleistet ist.

2. Ausführbarkeit - Artikel 100 b) EPÜ 1973

Die im Anspruch 1 definierte Erfindung ist ausreichend deutlich und vollständig offenbart, so dass ein Fachmann sie ausführen kann.

2.1 Der Einsprechende trägt vor (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 2.1), dass der Patentschrift "weder eine konkrete Lehre noch ein sonstiger brauchbarer Hinweis zu entnehmen [ist], wie der Fachmann das Zeitintervall bemessen kann, um sicherzustellen, dass die Abfrage sämtlicher zur Verfügung stehender Datenquellen abgeschlossen ist".

Die Kammer teilt die Meinung der Patentinhaberin (siehe Beschwerdeerwiderung, Seiten 4 und 5), dass dem Fachmann das Funkprotokoll, anhand dessen die Kommunikation zwischen Datenquellen und Empfänger stattfindet, bekannt ist und somit ebenfalls die Mindestdauer für das in Merkmal M7 des Anspruchs 1 definierte Zeitintervall. Um vorhersehbaren bzw. üblichen Problemen bei der Kommunikation ausreichend Rechnung zu tragen, würde der Fachmann sich an Versuchswerten orientieren und ein entsprechend großzügiges Zeitintervall festlegen. Wie weiter von der Patentinhaberin vorgetragen, handelt es sich "beim Eintreten eines vom Einsprechenden schon zuvor benannten Sonderfalles des Datenquellendefekts" nicht um eine Nichtausführbarkeit der Erfindung, sondern um einen Sachverhalt, der nicht unter den beanspruchten Gegenstand fällt. Daher ist die Kammer der Meinung, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1, insbesondere das Merkmal M7, ausführbar ist.

2.2 Des Weiteren rechtfertigt der Einsprechende den Einwand der unzureichenden Offenbarung der Erfindung damit, dass "die Datenquellen nicht wissen, ob die Daten wirklich am Empfänger angekommen sind" und folglich das Aussenden der Funktelegramme gar nicht unterbrechen könnten, wie es in Merkmal M4 des Anspruchs 1 verlangt wird.

Die Kammer ist der Meinung, dass die Beschreibung des Patents ausreichend Hinweise enthält, wie die Datenquellen durch den Empfänger aufgefordert werden, das Aussenden der Funktelegramme zu unterbrechen. Siehe beispielsweise die Absätze der Patentbeschreibung [0006] (Antworttelegramme des Empfängers), [0028] (Initiierung durch einen Befehl des Empfängers) und [0034] (Quittierung durch den Empfänger), aus denen hervorgeht, dass die Datenquellen wissen, ob die Daten wirklich am Empfänger angekommen sind. Daher ist das Verfahren gemäß Anspruch 1, insbesondere das Merkmal M4, ausführbar.

3. Neuheit - Artikel 100 a) EPÜ 1973

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik (Artikel 54 (1) EPÜ 1973).

3.1 Neuheit gegenüber D1

Wenigstens das Merkmal M4 ist nicht in dem Dokument D1 offenbart.

3.1.1 Gemäß der Beschwerdebegründung des Einsprechenden, Seite 6, letzter Satz, "wird durch die Erholungsphase nach den Synchronisationstelegrammen eine Unterbrechung vom Aussenden der Funktelegramme realisiert, wodurch Merkmal 4 realisiert ist". Der Einsprechende gründet seine Meinung u.a. auf die folgenden Annahmen (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 3.1.2):

a) Anspruch 1 fordert keine aktive Unterbrechung.

b) Merkmal M4 erfordert nur einen erfolgten Datenaustausch, jedoch keinen erfolgreichen Datenaustausch.

c) Der erfolgte Datenaustausch ist nicht ursächlich für das Unterbrechen des Aussendens der Funktelegramme.

d) Aus D1, Absatz [0046], ist ableitbar, dass Synchronisationssignale "außerhalb der Regel" Messdaten aufweisen können.

e) Merkmal M4 erfordert nicht, dass spezifische Messdaten übertragen werden, sondern nur allgemeine Daten, deren genaue Natur unerheblich für die Realisierung des Merkmals M4 ist.

f) Merkmal M4 erfordert nicht, dass zwischen dem Aussenden der Funktelegramme und der anschließenden Kommunikation eine Pause liegt.

3.1.2 Diese Argumentationslinie des Einsprechenden überzeugt die Kammer nicht. Zunächst ist es zweifelhaft, ob die Aussage in D1, Absatz [0046], "Synchronisationssignale (...) weisen in der Regel keine Messdaten auf", überhaupt als eindeutige Offenbarung gewertet werden kann, dass die Synchronisationssignale in D1 Messdaten aufweisen. Aber auch unter Berücksichtigung der ausdrücklicheren Offenbarung in D1, Absatz [0084], demgemäß "Synchronisationstelegrammpakete (...) mit einer Information versehen sind", nimmt das auf einen Zeitraum TSP begrenzte Synchronisationstelegrammpaket mit einer Vielzahl von Synchronisationstelegrammen und mit der darauffolgenden Erholungsphase (siehe D1, Figur 2b, T1 - TSP) die Neuheit des Merkmals M4 nicht vorweg. Anspruch 1 unterscheidet nämlich zwischen zwei von den Datenquellen ausgesendeten Signalen grundsätzlich unterschiedlicher Natur: einerseits den periodisch ausgesendeten, kommunikationseinleitenden Funktelegrammen (Merkmal M2) und, andererseits, den von dem Empfänger abgefragten Daten (Merkmale M5 und M6). In D1 sind die Daten aufweisende Synchronisationstelegramme im Synchronisationstelegrammpaket keine von dem Empfänger abgefragte Daten. Somit stellt die Erholungsphase (T1 - TSP; Figur 2b) nach dem Aussenden der Synchronisationstelegramme (TSP) keine Unterbrechung der Aussendung der Funktelegramme im Sinne des Merkmals M4, in Kombination mit den Merkmalen M5 und M6, dar.

3.1.3 D1, Absatz [0084], offenbart, dass Informationen anhand der Synchronisationstelegrammpakete ausgetauscht werden können. Darüber hinaus offenbart D1 die Übertragung der eigentlichen Verbrauchsmessdaten zwischen Sensoren (Datenquellen) und einem Empfänger (siehe beispielsweise Absätze [0001] und [0086]). Hinsichtlich dieses nach erfolgreicher Synchronisation stattfindenden Datenaustauschs der eigentlichen Verbrauchsmessdaten offenbart D1, insbesondere Absatz [0086], keine Details, sondern lediglich allgemein, dass während der anschließenden Kommunikation Verbrauchsmessdaten von den Datenquellen zu dem Empfänger versendet werden. Vor allem offenbart D1 keine Details hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Kommunikation, z.B. den genauen Zeitpunkt des Beginns der Synchronisation anhand des Synchronisationstelegrammpakets, den genauen Zeitpunkt des Beginns des Datenaustauschs oder die genaue Dauer des Datenaustauschs. Daher ist das Zeitintervall zwischen dem Ende des Datenaustauschs und dem Wiedereinsetzen der periodischen Aussendung von Funktelegrammen, d.h. das Zeitintervall der Unterbrechung der weiteren Aussendung periodischer kommunikationseinleitender Funktelegramme in D1 kein vorbestimmtes Zeitintervall wie in Merkmal M4 beansprucht, sondern ein unbestimmtes bzw. variables Zeitintervall.

3.1.4 Abschließende Meinung der Kammer

In D1 werden einerseits Informationsdaten ausgetauscht, die nicht vom Empfänger abgefragt werden (siehe oben Punkt 3.1.2), andererseits ist die weitere Aussendung von Funktelegrammen nicht für ein vorbestimmtes Zeitintervall unterbrochen (siehe oben Punkt 3.1.3). Hieraus folgt, dass das Merkmal M4 neu gegenüber D1 ist.

3.2 Neuheit gegenüber D6

Das Dokument D6 offenbart weder das Merkmal M5 noch das Merkmal M6.

3.2.1 Auslegung der Merkmale M5 und M6

Merkmal M5 definiert, dass mit fortschreitender Abfrage von Datenquellen sich die Anzahl vorhandener Datenquellen reduziert, die noch nicht abgefragt wurden und die weiterhin ihre kommunikationseinleitenden Funktelegramme aussenden. Dies impliziert, in Verbindung mit dem Merkmal M6, dass die abzufragenden Datenquellen des Anspruchs 1 ihre kommunikationseinleitenden Funktelegramme bis zu deren Abfrage durch den Empfänger weiterhin aussenden, d.h. es handelt sich hier um ein bis zur Abfrage fortwährendes Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen. Nach erfolgtem Datenaustausch wird das Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen abgebrochen (Merkmal M4). Dieser Ablauf bewirkt, wie im Merkmal M6 definiert, dass Daten von einer letzten alleinig noch ihre Funktelegramme aussendenden Datenquelle abgefragt werden.

3.2.2 Offenbarung von D6

Die Datenquellen [remote units 6] in D6 senden eingangs ihre kommunikationseinleitenden Funktelegramme [poll request] in einem sogenannten CSMA-Modus periodisch aus (Spalte 3, Zeilen 38 bis 41).

Der darauffolgende Austausch der Daten zwischen den Datenquellen und dem Empfänger [base station 2] erfolgt während eines bestimmten Zeitfensters zwischen zwei Befragungsperioden des Empfängers [poll 600; next poll 602; Figur 4], in dem die Datenquellen und der Empfänger sich in einem sogenannten TDMA-Modus befinden (siehe Spalte 10, Zeile 44 bis Spalte 12, Zeilen 44; Figur 4). Während eines bestimmten Zeitfensters (604, 608) innerhalb des TDMA-Modus halten die Datenquellen beständig Antwortsignale mit zu übertragenden Daten bereit. Der eigentliche Sender (32) der Datenquelle (6) wird jedoch erst in einem von dem Empfänger vorgegebenen Zeitschlitz [typical response slots; Figur 4] angeschaltet. Daraus folgt, dass während dieses ersten Zeitfensters im TDMA-Modus die Datenquellen keine kommunikationseinleitenden Funktelegramme aussenden, sondern nur die zu übertragenden Nutzdaten.

Anschließend, nachdem alle sich in der Befragungsliste des Empfängers befindenden Datenquellen abgefragt wurden, wartet der Empfänger auf das nächste Zeitfenster [next poll 602; Figur 4] für einen weiteren Austausch von Daten. Während dieser Periode schalten die Datenquellen und der Empfänger wieder in einen normalen CSMA-Modus (Spalte 12, Zeilen 39 bis 44), d.h. die Datenquellen nehmen die Aussendung ihrer periodischen, kommunikationseinleitenden Funktelegramme im anschließenden CSMA-Modus wieder auf.

D6 offenbart nicht, dass die bereits abgefragten Datenquellen das Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegramme im anschließenden CSMA-Modus unterlassen.

Schlussfolgernd stellt die Kammer fest, dass in D6 alle abzufragenden Datenquellen ab Beginn der ersten Befragungsperiode in einen TDMA-Modus wechseln und dabei das Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen abstellen. Dieses Aussenden der kommunikationseinleitenden Funktelegramme durch die Datenquellen stellt sich erst wieder nach erfolgtem Datenaustausch im anschließenden CSMA-Modus ein, ohne dass in D6 bereits abgefragte Datenquellen von der allgemeinen Wiederaufnahme des Aussendens von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen ausgeschlossen werden.

3.2.3 Argumente des Einsprechenden

a) Während der mündlichen Verhandlung wurde von dem Einsprechenden eine Situation beschrieben, in der ein Datenaustausch im TDMA-Modus zwischen den Datenquellen und dem Empfänger stattfindet und in der eine einzige Datenquelle ohne erfolgten Datenaustausch am Ende der Befragungsperiode übrigbleibt. In dem anschließenden Zeitintervall, vor der nächsten Befragungsperiode [next poll 602; Figur 4], befinde sich diese einzig übriggebliebene Datenquelle im CSMA-Modus (Spalte 12, Zeilen 42 bis 44) und sende als einzige Datenquelle wieder kommunikationseinleitende Funktelegramme aus. Die bereits abgefragten Datenquellen blieben hingegen stumm geschaltet.

Ähnlich verhalte es sich in einer Situation, in der eine neue, letzte, kommunikationseinleitende Funktelegramme aussendende Datenquelle hinzukäme, so dass der Empfänger seine Befragungsliste mit der Eintragung dieser neuen Datenquelle aktualisiere und eine neue Befragungsperiode starte [next poll 602; Figur 4], in der die neue Datenquelle als letzte alleinig ihre Funktelegramme aussendende Datenquelle von dem Empfänger befragt werde. Der Einsprechende verwies dabei auf die Figur 6 und deren Beschreibung, insbesondere auf die Verfahrensschritte 154 bis 168. Somit seien die Merkmale M5 und M6 in den beiden geschilderten Situationen aus D6 bekannt.

Die Kammer ist von diesem Vortrag nicht überzeugt, weil er davon ausgeht, dass in D6 eine Stummschaltung der bereits abgefragten Datenquellen offenbart sei. Der Einsprechende hat keinen Beleg in D6 für diese Annahme geliefert. Im Gegenteil, in seinem Schreiben vom 24. Juli 2020, Seite 8, dritter Absatz, trägt der Einsprechende vor, dass auch die bereits registrierten Datenquellen Funktelegramme aussenden.

b) In dem Schreiben vom 24. Juli 2020, Seiten 7 bis 10, wurde von dem Einsprechenden eine weitere Situation beschrieben, in der "nicht nur neu hinzugekommene remote units sondern auch die bereits registrierten remote units (...) zwischen den Poll Intervalls ihre CSMA transmissions mit ihrer ID und dem gewünschten Polling Intervall [senden]" (Seite 8, dritter Absatz). Der Einsprechende schlussfolgert: "Folglich reduziert sich die Anzahl der Datenquellen, die noch nicht abgefragt wurden, so dass am Schluss gemäß Merkmal M5 und M6, nur noch eine Datenquelle abgefragt werden muss" (Seite 10, dritter Absatz).

Ähnliche Argumentationen hinsichtlich fehlender Neuheit der Merkmale wurden in der Beschwerdebegründung, Seite 9, zweiter Absatz, und Seite 10, vierter Absatz, vorgetragen.

Die Kammer kann auch diesen Argumentationen des Einsprechenden nicht folgen, weil die Schlussfolgerung, dass "nur noch eine Datenquelle abgefragt werden muss", die alleinig Funktelegramme aussendet, sich nicht aus den vorangegangenen Argumenten des Einsprechenden ergibt. Es fehlt somit eine überzeugende Begründung, wieso alle Datenquellen hinsichtlich der Aussendung von Funktelegrammen stumm geschaltet sein sollten - ausgenommen einer letzten alleinigen Datenquelle.

3.2.4 Abschließende Meinung der Kammer

Die Kammer gelangt daher, wie die Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Punkte 18.2 und 18.3) und die Patentinhaberin (Vortrag in der mündlichen Verhandlung), zur Ansicht, dass D6 keine "letzte alleinig ihre Funktelegramme aussendende Datenquelle" offenbart, deren zur Verfügung stehenden Daten zum Schluss vom Empfänger abgefragt werden.

3.3 Neuheit gegenüber D7

Der Neuheitseinwand wird nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).

3.3.1 In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Absicht mit, "den ohne Rechtfertigung verspätet vorgebrachten Einwand fehlender Neuheit auf Basis des Dokuments D7 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007)". Der beanspruchte Gegenstand blieb während des gesamten Einspruchsverfahrens unverändert und der Einsprechende hatte daher ausreichend Gelegenheit alle seine Einwände während des erstinstanzlichen Verfahrens vorzutragen. Insbesondere hätte der Einsprechende den Neuheitseinwand aufgrund von D7 bereits vor der Einspruchsabteilung erheben können und müssen.

3.3.2 Der Einsprechende argumentierte, dass D7 hoch relevant sei. Diese hohe Relevanz von D7 sei erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung aufgrund unterschiedlicher Auslegungsmöglichkeiten des Anspruchs 1 erkannt worden.

3.3.3 Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht. D7 wurde mit der Einspruchsschrift eingereicht. Gleichzeitig erhob der Einsprechende zwei Einwände erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die Lehren von D1 bzw. D6 jeweils in Kombination mit D7. Die Relevanz von D7 sowie die Auslegungsmöglichkeiten des Anspruchs 1 des Streitpatents wurden somit seit Beginn des Einspruchsverfahrens ausgiebig von den Parteien und der Einspruchsabteilung diskutiert. Ein Neuheitseinwand aufgrund von D7 hätte daher im erstinstanzlichen Verfahren erhoben werden können und müssen.

Darüber hinaus sieht die Kammer keinen Grund, den Einwand fehlender Neuheit gegenüber Dokument D7 ausnahmsweise aufgrund dessen behaupteter prima-facie Relevanz in das Verfahren zuzulassen. D7 offenbart nämlich keine kommunikationseinleitenden Funktelegramme (Merkmal M2; siehe Punkt 4.1.2 b) unten).

3.4 Neuheit gegenüber D8

Wenigstens das Merkmal M2 ist nicht in dem Dokument D8 offenbart.

3.4.1 Wie von der Patentinhaberin überzeugend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen (siehe auch angefochtene Entscheidung, Punkt 19, und Beschwerdeerwiderung, Seite 7, zweiter Absatz), wird die Kommunikation zwischen dem Empfänger [mobile unit] und den Datenquellen [remote units] durch das Aussenden von Abfragesignalen [Poll Packet Signal 32] durch den Empfänger eingeleitet (siehe D8, beispielsweise Seite 9, Zeilen 13 bis 19; Figur 1; Seite 12, Zeilen 1 bis 4). Die Datenquellen antworten ihrerseits auf diese kommunikationseinleitenden Signale des Empfängers durch das Aussenden von Antwortsignalen [Poll Response Packet Signal 34] in zufälligen Zeitabständen (siehe D8, Seite 6, Zeilen 16 bis 18; Seite 10, Zeilen 1 bis 18; Seite 12, Zeilen 20 bis 22; Figur 1). Entgegen dem Merkmal M2 des beanspruchten Verfahrens senden nicht die Datenquellen kommunikationseinleitende Funktelegramme, sondern der Empfänger. Gleichermaßen ist festzustellen, dass entgegen dem Merkmal M2 des beanspruchten Verfahrens die von den Datenquellen ausgesendeten Signale nicht periodisch ausgesendet werden, sondern gemäß zufällig ausgewählten Zeitschlitzen. Die Kammer schließt sich daher der Meinung der Patentinhaberin und der Einspruchsabteilung an, wonach wenigstens das Merkmal M2 nicht in D8 offenbart ist.

3.4.2 Für den Einsprechenden (Beschwerdebegründung, Seiten 14 und 15) stellen die Abfragesignale [Poll Packet Signal 32] des Empfängers lediglich eine Art "Wecknachricht" dar, ähnlich einem manuellen Einschalten der Datenquellen. Die Antwortsignale [Poll Response Packet Signal 34] der Datenquellen bildeten, von den Datenquellen aus gesehen, die eigentlichen kommunikationseinleitenden Funktelegramme. In der Tat spezifiziere Anspruch 1 nicht, ob die Funktelegramme aus der Richtung der Datenquellen oder des Empfängers aus gesehen eine kommunikationseinleitende Funktion ausübten. Anspruch 1 spezifiziere ebenfalls nicht den genauen Inhalt der Funktelegramme. In diesem Sinne müsse "als Funktelegramm (...) jede Übertragung vom Sensor zur mobilen Einheit betrachtet werden". Der Einsprechende argumentierte weiter, dass die Datenquellen Antwortsignale (34) auf periodische Abfragesignale (32) des Empfängers aussendeten und in diesem Sinne eine "übergeordnete (überlagerte) Periodizität" aufwiesen, die unter den breiten Begriff "periodisch" des Merkmals M2 fielen.

Die Kammer kann sich der Ansicht des Einsprechenden nicht anschließen. Anspruch 1 definiert ein Verfahren zum drahtlosen Austausch von Daten von Datenquellen zu einem Empfänger (Merkmal M1), wobei es ganz eindeutig die Datenquellen sind, welche diese Kommunikation einleiten (Merkmal M2) und der Empfänger erst nach Empfang der kommunikationseinleitenden Funktelegrammen mit den Datenquellen kommuniziert (Merkmal M3). Hinsichtlich der Periodizität offenbart D8 mehrmals ausdrücklich, dass die Datenquellen die Antwortsignale (34) auf zufälliger anstatt periodischer Basis aussenden, um Kollisionen mit anderen Antwortsignalen zu vermeiden.

4. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100 a) EPÜ 1973

Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird nicht durch den vorliegenden Stand der Technik nahegelegt (Artikel 56 EPÜ 1973).

4.1 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 und D7

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D1 in Kombination mit D7.

4.1.1 Argumente des Einsprechenden

Gemäß der angefochtenen Entscheidung, Punkt 20.5.1, begründete der Einsprechende die fehlende erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands wie folgt:

- Ausgehend von D1 bestehe das zu lösende Problem in der Vermeidung von Kollisionen.

- Unter anderem sei das Merkmal M4 in D7 offenbart (Seite 7, Zeilen 7 bis 13), weil ein Mastergerät Sensoren in einen Schlafmodus versetze, in dem die Sensoren keine Daten mehr aussendeten.

- Dem Fachmann bereite es keinerlei Schwierigkeiten, die in D1 fehlenden Merkmale mithilfe der in D7 offenbarten Lehre zu ergänzen und somit zur beanspruchten Lösung des Anspruchs 1 zu gelangen.

In der Beschwerdebegründung, Seiten 20 und 21, wiederholte der Einsprechende lediglich seine Meinung, dass das Merkmal M4 in D7 offenbart sei. Er verwies erneut auf D7, Seite 7, Zeilen 12 und 13, "wonach die remote Unit auf ein ACK wartet und danach wieder in den low power Modus schaltet, in dem weder Senden noch Empfangen möglich ist - also auch kein Versenden von Funktelegrammen". Da somit das Merkmal M4 in D7 offenbart sei, "würde der Fachmann bei einer Kombination von D1 und D7 ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 gelangen".

Während der mündlichen Verhandlung trug der Einsprechende zwei Argumentationslinien vor, bei denen die auszutauschenden Daten in D1 entweder der Information des Synchronisationstelegrammpakets oder den eigentlichen Verbrauchsmessdaten entsprächen. Hinsichtlich der zweiten Argumentationslinie erklärte der Einsprechende im Wesentlichen, dass die in D7 von den Datenquellen ("remote units") periodisch ausgesendeten Zustandsdaten ("health data") stumm geschaltet werden könnten und somit der Unterbrechung der Aussendung von Funktelegrammen des Merkmals M4 entsprächen. Das Zeitintervall der Unterbrechung sei auf vorbestimmte Weise so vom Fachmann bemessen, dass keine Kollisionen von Signalen stattfänden, nämlich dergestalt, dass alle auszutauschenden Daten von allen Datenquellen innerhalb dieses Zeitintervalls ausgetauscht würden (Merkmal M7). Somit käme der Fachmann aufgrund der Kombination der Lehren von D1 und D7 auf naheliegende Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.

4.1.2 Die Kammer ist nicht überzeugt von den Argumenten des Einsprechenden

a) D1, [0084], offenbart ein Synchronisationstelegrammpaket welches Informationen aufweist. Jedoch werden diese Informationsdaten nicht vom Empfänger abgefragt und stellen somit keine abgefragten Daten im Sinne des Anspruchs 1 dar. Die Kammer sieht keine Veranlassung für den Fachmann, das Verfahren von D1 so zu verändern, dass die Information in dem Synchronisationstelegrammpaket durch den Empfänger abgefragt wird. Zudem wäre dies nicht mit D1 kompatibel, weil eine Kommunikation zwischen Datenquelle und Empfänger in D1 erst nach erfolgreicher Synchronisation möglich ist. Die erste, in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argumentationslinie des Einsprechenden kann folglich nicht überzeugen.

b) D1, [0086], offenbart weiterhin den Austausch von Verbrauchsmessdaten nach erfolgreicher Synchronisation zwischen Datenquelle und Empfänger. Während des Zeitintervalls T1 - TSP findet eine Unterbrechung der Aussendung der Funktelegramme statt (D1, Figur 2b), wobei das Zeitintervall zwischen dem Ende des Datenaustauschs und dem Wiedereinsetzen der Aussendung der Funktelegramme jedoch unbestimmt, bzw. variabel ist (siehe oben Punkt 3.1.3).

Die Kammer teilt die Meinung der Patentinhaberin, dass, ausgehend von D1, die von dem Einsprechenden vorgetragene technische Aufgabe der Vermeidung von Kollisionen sich nicht stellt. Die Lehre von D1 betrifft ein Verfahren zur Synchronisation von Datenquellen und Empfänger, ohne dabei ein Kollisionsproblem anzusprechen. Im Hinblick auf die hierarchische Struktur der Sensorknoten im Netzwerk von D1 (siehe D1, [0081], [0082]), ist es fraglich, ob ein solches Kollisionsproblem überhaupt in D1 auftauchen könnte.

Auch wenn das von dem Einsprechenden vorgetragene Problem auftauchen würde, ist es nicht naheliegend D7 zu konsultieren, weil D7 ein ganz anderes Verfahren zum Datenaustausch anwendet als D1. Insbesondere erfolgt der Datenaustausch in D7 nicht wie in D1, nachdem Datenquellen kommunikationseinleitende Funktelegramme ausgesendet haben, sondern nach einem von dem Empfänger, oder "Master", erstellten Zeitplan. D1 und D7 offenbaren jeweils komplette, voneinander unabhängige und unterschiedliche Lösungen. Es ist daher nicht naheliegend, Teile aus dem Verfahren von D7 herauszulösen und in das Verfahren von D1 einzubauen.

In der Annahme, dass der Fachmann D7 trotzdem zu Rate ziehen würde, um das von dem Einsprechenden vorgetragene Problem zu lösen, schließt sich die Kammer der Meinung der Einspruchsabteilung und der Patentinhaberin an, wonach der Fachmann nicht zu dem beanspruchten Verfahren gelangt, weil "die Lösung in D7 zumindest nicht das Merkmal 4 enthält" (angefochtene Entscheidung, Punkt 20.5.2, zweiter Absatz): D7 offenbart weder kommunikationseinleitende Funktelegramme (Merkmal M2; die Zustandsdaten "health data" in D7 leiten keinen Datenaustausch ein), noch eine Unterbrechung der Aussendung von Funktelegrammen für ein vorbestimmtes Zeitintervall (Merkmal M4), welches so bemessen ist, dass innerhalb dieses Zeitintervalls die Abfrage aller Datenquellen vollständig abgeschlossen wird (Merkmal M7).

4.1.3 Abschließende Meinung der Kammer

Die Kammer gelangt daher, wie die Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 20.5.2) und die Patentinhaberin (siehe Beschwerdeerwiderung, Seite 7; Argumente vorgetragen in der mündlichen Verhandlung), zur Ansicht, dass D1 in Kombination mit D7 das beanspruchte Verfahren nicht nahelegt.

4.2 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 und D8

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D1 in Kombination mit D8.

4.2.1 Gemäß der vorläufigen Meinung der Kammer war "nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Fachmann, ausgehend von D1 in Verbindung (...) mit D8 auf offensichtliche Weise zu den Merkmalen M4, M6 und M7 kommen würde. Insbesondere ist der Aufgabe-Lösungs-Ansatz nicht angewandt" (siehe Mitteilung der Beschwerdekammer, Punkt 10.2). Während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat der Einsprechende lediglich auf seine schriftlichen Ausführungen verwiesen, ohne zusätzliche Argumente vorzutragen.

4.2.2 Aufgrund der vorangegangenen Diskussionen während der mündlichen Verhandlung hinsichtlich Neuheit gegenüber D1 (siehe oben Punkt 3.1) und erfinderischer Tätigkeit gegenüber D1 in Kombination mit D7 (siehe oben Punkt 4.1) bleibt die Kammer abschließend bei ihrer vorläufigen Meinung. Insbesondere ist die Kammer der Meinung, dass, erstens, ausgehend von D1, die von dem Einsprechenden vorgetragene technische Aufgabe der Vermeidung von Kollisionen sich nicht stellt. Zweitens ist die Kammer der Meinung, dass D8 keine von den Datenquellen ausgesendeten, kommunikationseinleitenden Funktelegramme offenbart und somit nicht auf naheliegende Weise mit der Lehre von D1 kombinierbar ist.

4.3 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D6 und Fachwissen

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D6 in Kombination mit Fachwissen.

4.3.1 Erste Argumentationslinie des Einsprechenden

Der mit den Unterscheidungsmerkmalen M5 und M6 verbundene technische Effekt bestehe, wie von dem Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, in dem ständigen, nämlich bis zum Datenaustausch dauernden Aussenden von Funktelegrammen mit dem Ziel, nicht von dem Empfänger "vergessen" zu werden. Der Einsprechende leitet hieraus die objektive technische Aufgabe ab, sicherzustellen, dass alle Datenquellen kollisionsfrei von dem Empfänger abgefragt werden. Mit Verweis auf den in D6, Figur 6, insbesondere Spalte 5 bis 18, beschriebenen Ablauf des Datenaustauschs und dem periodischen Aussenden der Funktelegramme in Spalte 3, Zeilen 38 bis 41, kam der Einsprechende zum Schluss, dass es für den Fachmann naheliegend sei, diese technische Aufgabe durch ständiges, bis zum tatsächlichen Datenaustausch dauerndes Aussenden von Funktelegrammen an den Empfänger zu lösen und somit, ohne erfinderisch tätig zu werden, zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 zu kommen.

Die Kammer ist nicht überzeugt von dieser Argumentationslinie. Wie von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, stellt sich dieses Problem in dem Verfahren von D6 nicht, weil die Abfrage aller in der Befragungsliste des Empfängers registrierten Datenquellen gemäß dem in D6, Figur 4, gezeigten Ablauf getrennt, aber zeitlich eng aufeinander folgend erfolgt (siehe die für jede abzufragende Datenquelle fest zugeordneten Zeitschlitze time slots 604 und 608). Darüber hinaus ist das Aussenden von Funktelegrammen von allen registrierten und nicht registrierten Datenquellen während dieses Zeitabschnitts im TDMA-Modus unterbunden (Spalte 12, Zeilen 24 bis 28). Diese Art des Ablaufs des Datenaustauschs vermeidet jegliches Risiko, dass abzufragende Datenquellen "verloren" gehen, sowie von Kollisionen zwischen unterschiedlichen Signalen, weil jeweils nur eine einzige Datenquelle Signale aussendet. Daher hat der Fachmann keine offensichtliche Veranlassung die Datenquellen in D6, entgegen der grundlegenden Lehre von D6, während des Zeitabschnitts im TDMA-Modus ständig bis zum erfolgten Datenaustausch Funktelegramme aussenden zu lassen.

4.3.2 Zweite Argumentationslinie des Einsprechenden

Laut der Beschwerdebegründung, Seite 16, fünfter Absatz, "wiederspricht [sic] es jedem fachmännischem [sic] Handeln, nach erfolgtem Datenaustausch und dem Absenden eines ACKs [acknowledgment signal] an die remote Unit, ein weiteres Aussenden von Funktelegrammen zuzulassen", und "D6 lehrt nicht, dass eine remote Unit auch weiter ihre poll request absendet, nachdem die Daten abgeliefert wurden" (Beschwerdebegründung, Seite 17, sechster Absatz). Es sei daher naheliegend für den Fachmann, das Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen durch bereits abgefragte Datenquellen während des anschließenden Zeitabschnitts im CSMA-Modus zu unterbinden. Somit bestehe die Möglichkeit, dass eine wie im Punkt 3.2.3 a) oben beschriebene Situation zustande käme, in der eine einzige, letzte, Datenquelle kommunikationseinleitende Funktelegramme aussende und in der der Datenaustausch gemäß den Merkmalen M5 und M6 erfolge.

Auch diese zweite Argumentationslinie des Einsprechenden überzeugt die Kammer nicht. Wie bereits oben im Punkt 3.2.3 a) ausgeführt, offenbart D6 nicht, dass bereits abgefragte Datenquellen nach erfolgtem Datenaustausch stumm geschaltet werden. Im Gegenteil, D6 lehrt in Spalte 3, Zeilen 38 bis 41, das periodische Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen durch die Datenquellen zur Aktualisierung der Befragungssequenz [poll response sequence] des Empfängers. Weiterhin lehrt D6 in Spalte 7, Zeilen 40 bis 42, dass der Empfänger anhand der Befragungstabelle [polling table] den Überblick über die Datenquellen behält. Dies ist nur möglich, wenn die Datenquellen auch nach erfolgtem Datenaustausch weiterhin kommunikationseinleitende Funktelegramme aussenden. Es ist übrigens anzumerken, dass der Einsprechende in seinem Schreiben vom 24. Juli 2020, Seite 8, zweiter Absatz, ähnlich argumentierte: "Nachdem ein Polling Prozess abgeschlossen ist, beginnen die remote units wieder mit den normalen CSMA-Übertragungen, um sich entsprechend bei den Basisstationen zu melden bzw. registrieren, um ein time-out und somit ein Streichen von der Polling Table zu verhindern". Somit ist die von dem Einsprechenden beschriebene Möglichkeit einer Situation, in der eine einzige, letzte, Datenquelle kommunikationseinleitende Funktelegramme aussendet, nicht in D6 gegeben und auch nicht nahegelegt.

4.3.3 Abschließende Meinung der Kammer

Die Kammer gelangt daher, wie die Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 20.1.1) und die Patentinhaberin (siehe Beschwerdeerwiderung, Seite 8, Absätze 1 bis 3; Argumente vorgetragen in der mündlichen Verhandlung), zur Ansicht, dass ausgehend von D6 in Kombination mit dem Fachwissen die Merkmale M5 und M6 nicht naheliegend sind.

4.4 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D6 und D7

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D6 in Kombination mit D7.

4.4.1 Die Kombination D6 und D7 ist nicht naheliegend

Die Kammer teilt die Meinung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung, Punkt 20.2.2) und der Patentinhaberin (Beschwerdeerwiderung, Seite 8, vierter Absatz), dass aufgrund der Unterschiedlichkeit der in D6 und D7 offenbarten Verfahren der Fachmann die beiden Lehren nicht kombinieren würde. Im Gegensatz zu D6 senden die Datenquellen in D7 keine kommunikationseinleitenden Funktelegramme aus, um dem Empfänger anzukündigen, dass Nutzdaten auszutauschen sind, sondern warten gemäß einem von dem Empfänger ausgesandten Zeitplan [master schedule] auf einen vorbestimmten Zeitpunkt. Die von den Datenquellen in D7 periodisch ausgesendeten Zustandsdaten "health data" leiten nicht den Datenaustausch im Sinne des Anspruchs 1 ein und sind daher keine kommunikationseinleitenden Funktelegramme im Sinne des Anspruchs 1.

4.4.2 Auch im Falle einer Kombination von D6 und D7 gelangt der Fachmann nicht auf naheliegende Weise zu den Merkmalen M5 und M6

Auch im Falle einer Kombination der beiden Dokumente D6 und D7 konnte der Einsprechende nicht überzeugend darlegen, welches in D6 vorhandene, technische Problem mit Hilfe der Lehre von D7 gelöst werden und zu den Merkmalen M5 und M6 führen sollte. Die Kammer stimmt zwar mit dem Einsprechenden überein, dass D7 lehrt, Datenquellen nach erfolgtem Datenaustausch und Erhalt eines Bestätigungssignals vom Empfänger in einen Schlafmodus zurückzuversetzen (D7, Seite 7, Zeilen 7 bis 20). Diese Lehre von D7 ist bereits in D6 in dem TDMA-Modus umgesetzt: Die Datenquellen in D6 senden nämlich in dem Abfragungszeitintervall (604, 608; Figur 4) keine anderen Signale aus als die Nutzdaten in den jeweiligen Zeitschlitzen [typical response slots 404, 608; Figur 4]. Die Anwendung dieser Lehre von D7 in D6 in dem anschließenden Zeitintervall, in dem die Datenquellen in dem CSMA-Modus wieder kommunikationseinleitende Funktelegramme aussenden, ist für den Fachmann aus den in Punkt 4.3.2 oben angegebenen Gründen nicht naheliegend. Die Datenquellen in einen Schlafmodus zu versetzen, widerspricht der grundsätzlichen Lehre von D6, den Überblick über die Datenquellen nicht zu verlieren und die Befragungsliste zu aktualisieren.

4.5 Erfinderische Tätigkeit gegenüber D6 und D8

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D6 in Kombination mit D8.

4.5.1 Eine Kombination der Lehren von D6 und D8 ist nicht naheliegend, und zwar aus ähnlichen Gründen wie oben, Punkt 4.4.1, mit Bezug auf die Kombination D6 und D7 erläutert. Wie von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vorgetragen, bestehen wesentliche Unterschiede zwischen den Verfahrensabläufen in D6 und D8, die einer naheliegenden Kombination im Wege stehen, darin, dass in D8 die Datenquellen keine kommunikationseinleitenden Funktelegramme aussenden, sondern dies der Empfänger mit dem Aussenden der Befragungssignale tut [Poll Packet signal 32; siehe D8, Figur 1; Seite 13, Zeilen 21 bis 25; Spalte 14, Zeilen 5 bis 7]. Auch werden die Datenquellen in D8 individuell abgefragt (siehe D8, Seite 14, Zeilen 13 und 14), wohingegen in D6 alle Datenquellen gleichzeitig das Abfragungssignal [poll 600; siehe D6, Figur 4] vom Empfänger erhalten. Des Weiteren bemerkte die Patentinhaberin, dass die Antwortsignale [Poll Response signals 34] der Datenquellen in D8, entgegen dem Merkmal M2 des Anspruchs 1, ohnehin nicht periodisch ausgesendet werden.

Die Kammer schließt sich ebenfalls der in der angefochtenen Entscheidung, Punkt 20.3.2, vorgetragenen Ansicht und Begründung der Einspruchsabteilung an, gemäß der "die Einspruchsabteilung grundlegende Unterschiede in den Verfahren gemäß D6 und D8 [sieht], so dass seitens der Einspruchsabteilung nicht von einer Ergänzung der D6 durch D8 ausgegangen wird. (...) [Es wäre] für den Fachmann (höchstens) denkbar, dass die gesamte Lösung von D8 direkt übernommen werden kann, (...) [aber nicht], dass der Fachmann ohne ex-post-facto Analyse einzelne Elemente der D7 oder D8 auswählen würde".

4.5.2 Der Einsprechende argumentierte (Beschwerdebegründung, Seiten 19 und 20, und während der mündlichen Verhandlung), dass ein wesentlicher Aspekt der Lehre von D8 darin bestehe, dass die Datenquellen nach erfolgtem Datenaustausch und Erhalt eines Bestätigungssignals vom Empfänger für eine vorbestimmte Zeit in einen Warte-Modus versetzt werden (D8, Seite 14, Zeile 22 bis Seite 15, Zeile 6). Diese Lehre von D8 würde der Fachmann auf das Verfahren von D6 übertragen, nämlich auf das Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen der Datenquellen nach erfolgtem Datenaustausch in der zweiten Periode des CSMA-Modus. Angeleitet durch D8 würde der Fachmann die bereits abgefragten Datenquellen stumm schalten, so dass die Anzahl abzufragender Datenquellen, die weiterhin Funktelegramme aussenden, abnimmt (Merkmal M5) und zum Schluss die zur Verfügung stehenden Daten von einer letzten alleinig ihre Funktelegramme aussendenden Datenquelle vom Empfänger abgefragt werden (Merkmal M6). Der Einsprechende betonte, dass einerseits in D6 das kontinuierliche Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen in der zweiten CSMA-Periode nicht ausdrücklich offenbart sei, andererseits in D8 das grundsätzliche Stummschalten der Datenquellen ausdrücklich offenbart sei.

4.5.3 Die Kammer ist aus den folgenden Gründen von den Argumenten des Einsprechenden nicht überzeugt:

- Der Fachmann würde einzelne, von der gesamten Offenbarung losgelöste Aspekte aus D8 nicht auf naheliegende Weise mit dem Verfahren von D6 kombinieren (siehe Punkt 4.5.1 oben).

- Ausgehend von D6 als nächstliegendem Stand der Technik ist das kontinuierliche Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen auch nach erfolgtem Datenaustausch ein wesentlicher Teil des Verfahrens, den der Fachmann nicht auf naheliegende Weise aufgeben würde.

- In D8 wird nicht das Aussenden von kommunikationseinleitenden Funktelegrammen der Datenquellen abgeschaltet, sondern das Aussenden von Antwortsignalen mit den Nutzdaten der Datenquellen.

5. Unabhängiger Anspruch 8

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 8 weist die gleichen, einer Vorrichtung angepassten Merkmale M1 bis M7 auf wie der Verfahrensanspruch 1. Daher gelten die in den obigen Punkten 1 bis 4 gemachten Ausführungen der Kammer hinsichtlich des Anspruchs 1 gleichermaßen für Anspruch 8.

6. Es folgt, dass die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 die Erfordernisse des EPÜ erfüllen und ein Patent auf deren Basis aufrechterhalten werden kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation