European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T088717.20190315 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 März 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0887/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 12753060.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B62D 1/06 B62D 1/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | LENKRAD FÜR EIN KRAFTFAHRZEUG UND VERFAHREN ZUM FERTIGEN EINES LENKRADS | ||||||||
Name des Anmelders: | Schipek GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Takata AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent zu widerrufen.
II. Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 c) EPÜ als Einspruchsgründe angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht neu gegenüber D5 sei.
IV. Die vorliegende Entscheidung berücksichtigt die folgenden Dokumente:
D5: EP 1 939 063 A1
D6: DE 89 06 358 U1
D9: DE 10 2005 061697 A1
V. Am 15. März 2019 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des mit Schreiben vom 19. April 2018 eingereichten Hilfsantrags 2a, der in der mündlichen Verhandlung nach Rücknahme der restlichen Anträge zum Hauptantrag erklärt wurde.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
Lenkrad für ein Kraftfahrzeug, mit
- einem Lenkradgrundkörper (12, 14) und
- einer Ummantelung (16),
- welche wenigstens zwei den Lenkradgrundkörper (12, 14) außenumfangsseitig umgebende Streifen (18, 20) umfasst,
wobei
- ein erstes freies Ende (22, 24) der wenigstens zwei Streifen (18, 20) in einer ersten Nut (28), welche in dem Lenkradgrundkörper (12, 14) ausgebildet ist, und
- ein zweites freies Ende (32, 34) der wenigstens zwei Streifen (18, 20) ebenfalls in einer in dem Lenkradgrundkörper (12, 14) ausgebildeten zweiten Nut (36) lagegesichert aufgenommen sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die in der gemeinsamen ersten Nut (28) aufgenommenen freien Enden (22, 24) der beiden Streifen (18, 20) mit wenigstens einer maschinell vor dem Einbringen in die Nut (28) gefertigten Ziernaht (44, 46) versehen und zusätzlich die in der gemeinsamen ersten Nut (28) aufgenommen freien Enden (22, 24) der beiden Streifen (18, 20) mit wenigstens einer in der gemeinsamen Nut (28) angeordneten Paspel (26) maschinell vernäht sind.
VIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Zulassung des Hauptantrags
Der Hauptantrag sollte zugelassen werden, denn Anspruch 1 des Hauptantrags sei eine Kombination aus den erteilten Ansprüchen 1 und 2. Eine formale Nichtzulassung nur wegen zu spätem Vorbringen sei nicht gerechtfertigt, da der Antrag keine wesentliche Neuerung ("fresh case") für die Einsprechende darstelle. Darüber hinaus sei erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Einspruchverfahren bekannt gewesen, dass das Patent wegen Neuheit widerrufen würde. Daher sei die Einreichung eines neuen Antrags erst im Beschwerdeverfahren gerechtfertigt.
Zurückverweisung an die erste Instanz
Die Angelegenheit sollte nicht an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden, denn dies würde zu einer Verzögerung des gesamten Verfahrens führen. Darüber hinaus sei der neue Antrag auch kein "fresh case", der eine Zurückverweisung erforderlich mache.
Unzulässige Erweiterung des Anspruchs 1
Der Einwand der unzulässigen Erweiterung seitens der Einsprechenden sei unbegründet, da er auf einer falschen Interpretation des Anspruchs 1 basiere, wonach nämlich lediglich ein zweites freies Ende der Streifen in der zweiten Nut aufgenommen sei. Soweit im ursprünglichen Anspruch 3 unter Rückbezug auf Anspruch 1 von "die ersten freien Enden" und "die zweiten freien Enden" gesprochen werde, handele es sich um eine sprachliche Ungenauigkeit, die zum einen insofern sachlich unzutreffend sei, da ein Streifen bekanntlich nur über zwei freien Enden verfüge, und zum anderen im Widerspruch zu der Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 17-26 der ursprünglichen Offenbarung stehe.
Erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei erfinderisch, da weder D5 noch D9 oder D6 ein maschinelles Vernähen einer Paspel mit dem Ende der beiden Streifen offenbare. D5 zeige in Figur 8, dass die Enden in einer Nut mittels eines Montagerings eingeklemmt würden. Diese Funktion könne eine Paspel als reines Zierteil nicht erfüllen. Darüber hinaus sei in D5 und D9 ein solches maschinelles Vernähen mit der Paspel am Lenkrad nicht ausführbar.
IX. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) erwiderte die Argumente wie folgt:
Zulassung des Hauptantrags
Der Hauptantrag sei deutlich nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist mit neuem Inhalt zum Gegenstand der Beschwerde gemacht worden und sollte aus diesem Grund gemäß Artikel 13(1) VOBK nicht in das Verfahren zugelassen werden.
Da mit dem neuen Hauptantrag ein neuer Streitstoff im Beschwerdeverfahren unterbreitet werde, würde einerseits die Zulassung des Hauptantrags dem Hauptzweck des Beschwerdeverfahrens, nämlich der Überprüfung der Entscheidung der Einspruchsabteilung widersprechen. Der Fall würde komplett in nur einer Instanz entschieden. Anderseits würde eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung eine Verzögerung des Verfahrens bedeuten.
Schließlich habe für die Patentinhaberin alle Veranlassung bestanden, den Hauptantrag bereits in der ersten Instanz zu stellen, da sämtliche Argumente und Druckschriften bereits mit dem Einspruchsschriftsatz eingeführt worden seien. Der Hauptantrag sollte daher im Beschwerdeverfahren gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht zugelassen werden (siehe Entscheidung T 0438/12).
Zurückverweisung an die erste Instanz
Sollte der Hauptantrag zugelassen werden, sollte die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden, damit eine Prüfung durch zwei Instanzen erfolgen könne. Darüber hinaus sei es nicht Zweck einer Beschwerde, einen neuen Fall, der sich aus einem neuen in das Verfahren zugelassenen Antrag ergebe, zu prüfen und darüber zu entscheiden.
Unzulässige Erweiterung des Anspruchs 1
Anspruch 1 des Hauptantrags gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Gemäß Anspruch 1 sei lediglich ein zweites freies Ende der Streifen in der zweiten Nut aufgenommen, während gemäß dem in Anspruch 1 aufgenommenen ursprünglich eingereichten Anspruch 3 die zweiten freien Enden (Plural) der beiden Streifen in einer zweiten Nut aufgenommen seien. Dies führe zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.
Erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1
Ausgehend von D5 in Kombination mit dem Fachwissen oder mit der Lehre des D9 (ähnlich: D6) beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In D5 seien die freien Enden durch "welting", gemäß Figur 8, am Lenkrad befestigt und eine Paspel 27 gezeigt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich somit von D5 dadurch, dass die freien Enden der zwei Streifen mit einer Paspel vernäht seien.
Um das Fixieren der beiden Streifen zu sichern, würde der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit die Enden der Streifen mit der Paspel maschinell vernähen.
Alternativ könne der Fachmann die Lehre des Dokuments D9 (insbesondere Figur 5 und Absatz [0029]) heranziehen und anstelle des Rings 27 aus D5 ein Lederband mit den Enden der beiden Streifen für ein sicheres Fixieren vernähen. Die in Absatz [0046] der D5 beschriebene Reihenfolge bei der Montage sei im Übrigen nicht zwingend und könne auch umgekehrt erfolgen. Würden auf der äußeren Umfangseite des Lenkrades die Enden der Streifen mittels "welting" verbunden, ermögliche dies, zuerst die freien Enden der Streifen auf der Innenseite des Lenkrades zu fixieren. Dann könne auch das Lederband mit den Enden vernäht sein.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung des Hauptantrags
Die Kammer sieht keinen Grund, den Hauptantrag unter Anwendung von Artikel 13(1) VOBK, auch in Verbindung mit Artikel 12(4) VOBK, nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Mit Schreiben vom 19. April 2018, d.h. erst nach Einreichung der Beschwerdebegründung, hat die Beschwerdeführerin einen geänderten Anspruchsatz als Hilfsantrag 2a eingereicht, der später zum vorliegenden Hauptantrag erklärt wurde.
Der Zulassung dieses Antrags hat die Beschwerdegegnerin unter Berufung auf Artikel 13(1) und 12(4) VOBK widersprochen.
Gemäß Artikel 13(1) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens der Beschwerdeführerin nach Einreichung ihrer Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung dieses Ermessens sind insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen. Nach T 361/08 (Gründe für die Entscheidung, Punkt 13) und T 144/09 (Gründe für die Entscheidung, Punkt 1.17) kann die Kammer Artikel 12(4) VOBK bei der Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13(1) VOBK berücksichtigen.
Gemäß Artikel 12(4) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung werden Änderungen, einschließlich geänderter Anträge, in der Regel in das Beschwerdeverfahren zugelassen, sofern sie durch die normale Entwicklung des Verfahrens gerechtfertigt oder unter den gegebenen Umständen als normale Reaktion einer unterlegenen Partei zu betrachten sind.
Im vorliegendem Fall stellt die Einreichung des vorliegenden Hauptantrags eine legitime und normale Reaktion sowohl auf die Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin dar, die behauptete, dass die mit der Beschwerdebegründung eingereichten neuen Anträge unzulässig seien, als auch auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einspruchsabteilung ihre Meinung während der mündlichen Verhandlung gegenüber ihrer vorläufigen Auffassung geändert hat, da die Einspruchsabteilung in ihrer Ladung zur mündlichen Verhandlung noch der vorläufigen Meinung war, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu und erfinderisch ist.
Darüber hinaus ist Anspruch 1 des Hauptantrags eine reine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2 (siehe unten Nr. 3 der Gründe).
In T 0438/12 hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK keinen der Anträge in das Beschwerdeverfahren zugelassen. Im Unterschied zum vorliegenden Fall sind in T 0438/12 aber alle Anträge mit Merkmalen aus der Beschreibung ergänzt worden. Das führte zu einer unvorsehbaren Entwicklung des Verfahrens, wobei weder die Einspruchabteilung noch die Einsprechende zuvor Gelegenheit oder Veranlassung hatten, sich mit der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit der Anträge zu befassen. Dies ist im vorliegenden Fall anders. Anspruch 1 des Hauptantrags wurde ausgehend vom erteilten Anspruch 1 durch Aufnahme der Merkmale des erteilten abhängigen Anspruchs 2 weiter eingeschränkt. Anspruch 1 des Hauptantrags stellt insofern eine weitere Detaillierung bzw. Einschränkung gegenüber dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren zugrundeliegenden Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 (identisch zum erteilten Anspruch 1) dar. Der Einspruch war gerichtet gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang, wobei im Einspruchsschriftsatz (siehe Seite 9) bezüglich des erteilten Anspruchs 2 ausgeführt wurde, dass der Gegenstand des Anspruchs nicht patentfähig sei. Nach Auffassung der Kammer werden damit neben der im Verfahren schon immer diskutierten Frage der unzulässigen Erweiterung keine neuen Fragen aufgeworfen, deren Behandlung der Beschwerdegegnerin nicht zuzumuten wäre, da der Streitstoff des Verfahrens nicht grundlegend geändert wurde. Daher kann das Argument der Beschwerdegegnerin, dass in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nun erstmals im Beschwerdeverfahren ein neuer Gegenstand beansprucht werde und damit ein gänzlich neuer Fall im Beschwerdeverfahren geschaffen wurde, nicht gefolgt werden. Da auch die Komplexität des Vorbringens nicht gegen eine Berücksichtigung sprach, ließ die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK den Hauptantrag in das Verfahren zu.
2. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Die Kammer ist der Meinung, dass die Zulassung des Hauptantrags ins Beschwerdeverfahren kein hinreichender Grund ist, die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern haben die Parteien keinen absoluten Anspruch, dass jede einzelne Frage von zwei Instanzen geprüft wird, denn Artikel 111(1) EPÜ stellt es in das Ermessen der Kammer, entweder im Rahmen der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Organs tätig zu werden oder die Angelegenheit an dieses Organ zurückzuverweisen.
Im vorliegenden Fall ist der Gegenstand des Anspruchs 1 eine Kombination aus Anspruch 1 und Anspruch 2 des Patents wie erteilt. Nachdem die Einspruchsabteilung den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 für nicht neu hielt, ist die Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2 eine vorsehbare Reaktion und ändert nicht den Rahmen des Verfahrens, da diese Kombination bereits in der Einspruchsschrift angegriffen wurde. Darüber hinaus hat die Einsprechende mit ihrem Schreiben vom 18. Februar 2019 (letzter Absatz) auf die Patentfähigkeit des erteilten Anspruchs 2 unter Bezugnahme auf die Einspruchsschrift Stellung genommen.
3. Keine unzulässige Erweiterung
Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents wurde im Laufe des Prüfungsverfahrens beschränkt auf ein Lenkrad mit wenigstens zwei Streifen, wobei ein erstes freies Ende (22, 24) der wenigstens zwei Streifen (18, 20) in einer ersten Nut (28), welche in dem Lenkradgrundkörper (12, 14) ausgebildet ist, und ein zweites freies Ende (32, 34) der wenigstens zwei Streifen (18, 20) ebenfalls in einer in dem Lenkradgrundkörper ausgebildeten zweiten Nut lagegesichert aufgenommen sind.
Der Auslegung der Einsprechenden, dass gemäß Anspruch 1 nur ein zweites freies Ende eines der beiden Streifen in der zweiten Nut erforderlich sei, so dass Anspruch 1 auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung beruhe und die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfülle, kann nicht gefolgt werden.
Die Formulierung im Oberbegriff "wobei ein erstes freies Ende der wenigsten zwei Streifen in einer ersten Nut (...) lagegesichert aufgenommen sind" ist so auszulegen, dass das erste freie Ende der jeweiligen Streifen in einer ersten Nut aufgenommen ist.
Denn das Merkmal im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1, dass "die in der gemeinsamen ersten Nut (28) aufgenommenen freien Enden (22, 24) der beiden Streifen (18, 20) mit wenigstens einer maschinell vor dem Einbringen in die Nut (28) gefertigten Ziernaht (44, 46) versehen sind", bezieht sich aufgrund der Formulierung im Plural ("freien Enden") auf eine Mehrzahl von freien Enden in der ersten Nut und zeigt damit eindeutig, dass das erste freie Ende der jeweiligen Streifen in der ersten Nut aufgenommen ist.
Die vergleichbare Formulierung im Oberbegriff "wobei (...) ein zweites freies Ende (32, 34) der wenigstens zwei Streifen (18, 20) ebenfalls in einer (...) zweiten Nut lagegesichert aufgenommen sind" ist nach Auffassung der Kammer in entsprechender Weise auszulegen. Das heißt, dass das zweite freie Ende der jeweiligen Streifen in der zweiten Nut aufgenommen ist.
4. Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
In Übereinstimmung mit der Auffassung der Beschwerdegegnerin wird D5 als nächstliegender Stand der Technik gegenüber dem Gegenstand des Anspruchs 1 angesehen.
Anspruch 1 unterscheidet sich von der Lehre des Dokuments D5 dadurch, dass die Ziernaht maschinell hergestellt wird und die in der gemeinsamen ersten Nut aufgenommenen freien Enden der beiden Streifen mit wenigstens einer in der gemeinsamen Nut angeordneten Paspel maschinell vernäht sind.
Die aus diesen Unterschiedsmerkmalen resultierende Wirkung ist eine aufwandsarme Herstellung des Lenkrads mit dekorativen Elementen.
Die mit der vorliegenden Erfindung zu lösende Aufgabe kann somit darin gesehen werden, ein Lenkrad mit dekorativen Elementen bereitzustellen, welches aufwandsarm in der Fertigung ist (siehe Streitpatent Spalte 2, Absatz [0006]).
In D5 sind die ersten Enden der zwei Streifen durch "welting" (gemäß Figur 8) in einer ersten Nut aufgenommen und die ersten Enden der zwei Streifen mit einer Ziernaht vorgesehen (gemäß Abbildung 15 oder 16), wobei der ringartige Stopfen 27 zum Fixieren der Streifen in der Nut allerdings nicht als Zierteil im Sinne einer Paspel anzusehen ist. Angesichts dieser Ausführungen in D5 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahgelegt.
- Erstens müsste der Fachmann die Ziernähte maschinell herstellen.
- Zweitens müsste er den ringartigen "welt" ersetzen durch eine Paspel und die Breite der Nut anpassen, die in D5 für den ringartigen Fixierungsring breiter gemacht worden ist.
- Drittens müsste er die beiden Enden der Streifen mit der Paspel maschinell vernähen.
Darüber hinaus sieht D5 gemäß Absatz [0046] vor, dass zuerst die Enden der Lederstreifen am Außenumfang des Lenkrads befestigt werden und dann die Enden der Lederstreifen am Innenumfang.
Diese Reihenfolge, in der die Enden in D5 befestigt werden, bedeutet, dass das Vernähen der Enden der beiden Streifen mit der Paspel am Innenumfang direkt am Lenkrad ausgeführt werden müsste. Ein maschinelles Vernähen direkt am Lenkrad ist aber nicht ausführbar.
Der Fachmann müsste daher noch zusätzlich die Reihenfolge der Prozessschritte ändern, um die beiden Enden der Streifen und die Paspel am Innenumfang des Lenkrads maschinell vernähen zu können.
Für den Fachmann gibt es ausgehend von D5 keine Anregung, all die oben genannten Änderungen vorzunehmen.
D9, Abbildung 5 und Absatz [0029], offenbart die Einführung eines Montagerings 40 in eine Ausnehmung 23 zur Festklemmung einer Ummantelung, nachdem zuvor ein Lederstoffüberzug 50 in diese Ausnehmung 23 eingeführt wurde. Dieser Montagering kann gemäß D9, Absatz [0029] auch ein Lederband sein.
D9 zeigt allerdings nicht, dass die freien Enden des Lederstoffüberzugs 50 mit dem Montagering 40 in der Ausnehmung 23 maschinell vernäht sind. In D9 Figur 5 ist ein maschinelles Vernähen direkt am Lenkrad auch nicht ausführbar.
Ausgehend von D5, und unter Berücksichtigung der objektiven Aufgabe, hat der Fachmann keine Veranlassung, das Dokument D9 heranzuziehen und dessen Lehre auf die Vorrichtung des Dokuments D5 anzuwenden. Aber unabhängig davon führt die Kombination der Lehre von D5 mit dem Dokument D9 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Selbst wenn man den gemäß D9 als Lederband ausführbaren Montagering als Zierteil oder Paspel ansehen würde, wären wie weiter oben ausgeführt noch weitere Änderungen erforderlich, wie beispielsweise ein Vertauschen der in D5 offenbarten Reihenfolge von Prozessschritten und ein maschinelles Vernähen der Enden der Streifen mit der Paspel bzw. dem Lederband. Diese Änderungen sind für den Fachmann ohne weitere Anregung im Stand der Technik nicht naheliegend.
Schriftlich hat die Beschwerdegegnerin noch einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber D5 in Kombination mit D6 geltend gemacht. Dokument D6 zeigt aber wie auch D5 oder D9 nur eine Verklemmung zweier Enden eines Lenkradbezuges in einer Nut, so dass mit gleicher Begründung wie bereits ausgeführt der Gegenstand von Anspruch 1 durch D6 nicht nahegelegt ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 4 des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 19. April 2018 als Hilfsantrag 2a;
- Beschreibung Spalten 1 bis 6 wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht;
- Figuren 1 bis 5 der Patentschrift.