T 0879/17 () of 25.7.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T087917.20190725
Datum der Entscheidung: 25 Juli 2019
Aktenzeichen: T 0879/17
Anmeldenummer: 08802953.3
IPC-Klasse: B60R 13/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SCHALLISOLIERUNG, INSBESONDERE FÜR DEN KRAFTFAHRZEUGINNENRAUM
Name des Anmelders: Adler Pelzer Holding GmbH
Name des Einsprechenden: Autoneum Management AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerinnen (Patentinhaberin und Einsprechende) legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, wonach das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags III die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

II. Insbesondere hatte die Einspruchsabteilung entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III erfinderisch gegenüber D3 sowohl in Kombination mit D7 als auch in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen sei.

III. Es fand am 25. Juli 2019 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hauptantrags oder des Hilfsantrags, beide eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Juni 2019.

Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

Schallisolierungen für Bodenverkleidungen in Kraftfahrzeugen aus einer Schaumstoffschicht (1), einer voll- oder teilflächig vorgelagerten Schicht (2) und einer Vliessperrschicht (3),

dadurch gekennzeichnet, dass

die vorgelagerte Schicht(2) eine Vliesschicht, die mikroperforiert ist, eine mikroperforierte Folie oder ein mikroperforiertes Folienvlies (2) mit einer Dicke von 65 bis 180 mym umfasst, wobei sich die Schicht (2) zwischen der Schaumstoffschicht (1) und der Vliessperrschicht (3) befindet, wobei die Sperrschicht (3) ein Flächengewicht von 180 bis 650 g/m**(2) aufweist, wobei die Sperrschicht (3) von der vorgelagerten Schicht (2) verschieden ist und die Schaumstoffschicht (1) innerhalb der Sperrschicht (3) ausläuft.

VI. Die Alternative "eine Vliesschicht, die mikroperforiert ist" wurde in Anspruch 1 des Hilfsantrags gestrichen.

VII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D3: DE 38 09 980 A1

D7: DE 26 11 855 A1

Entscheidungsgründe

1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags ist nicht erfinderisch gegenüber D3 in Kombination mit D7 (Artikel 56 EPÜ).

1.1 In Übereinstimmung mit den Beschwerdeführerinnen wird D3 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. D3 befasst sicht mit einem Aufbau zur Schallisolation von Fahrzeugen.

D3 offenbart:

-Schallisolierungen für Bodenverkleidungen in Kraftfahrzeugen (Figur 1, Spalte 3, Zeile 5) aus:

- einer Schaumstoffschicht (1), (Figur 1 und Spalte 2, Zeile 68-Spalte 3, Zeile 1), dickere elastische Weichschaumstoffschicht 5)

- einer voll- oder teilflächig vorgelagerten Schicht (2), (Figur 1, Spalte 2, Zeilen 67-68, Spalte 3, Zeilen 35-39 und Anspruch 32, Vliesabdeckung 4)

- und einer Vliessperrschicht (3) (Figur 1, Spalte 2, Zeilen 65-66, Spalte 3, Zeilen 35-39, Ansprüche 25-26, Verfestigten Schwerschicht 3)

- wobei sich die Schicht (2) zwischen der Schaumstoffschicht (1) und der Vliessperrschicht (3) befindet, (in Figur 1 liegt die Vliesabdeckung 4 zwischen der Schwerschicht 3 und dem Schaumstoff 5)

- wobei die Sperrschicht (3) ein Flächengewicht von 180 bis 650 g/m**(2) aufweist, (Spalte 3, Zeilen 35-40, Vlies aus Polyester mit einer Flächenmasse von 200 gm**(-2))

- wobei die Sperrschicht (3) von der vorgelagerten Schicht (2) verschieden ist (Figur 1, Spalte 3, Zeilen 35-40, Schichten 3 und 4 sind unbestritten verschieden) und

- die Schaumstoffschicht (1) innerhalb der Sperrschicht (3) ausläuft (Spalte 2, Zeilen 11-46, Anspruch 17, 25 und 26: Die verfestigte Schicht besteht aus einem Vliesstoff der hinterschämt ist. Durch den Vliesstoff ist die Zellenbildung des Schaums stark beeinträchtigt und bildet eine nahezu kompakte, verfestigte Schicht.)

1.2 Gemäß der Lehre der D3 besteht die vorgelagerte Schicht (2) aus einem schaumdurchlässigen Vlies (Spalte 3, Zeilen 35-39). Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags von der Schallisolierung nach D3 dadurch, dass die vorgelagerte Schicht kein Vliesstoff ist, sondern:

- eine Vliesschicht, die mikroperforiert ist,

- eine mikroperforierte Folie oder

- ein mikroperforiertes Folienvlies mit einer Dicke von 65 bis 180 mym umfasst.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von der Schallisolierung nach D3 dadurch, dass die vorgelagerte Schicht entweder:

- eine mikroperforierte Folie oder

- ein mikroperforiertes Folienvlies mit einer Dicke von 65 bis 180 mym umfasst.

1.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und Hilfsantrags beruht jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Alternative "mikroperforierte Folie" aus folgenden Gründen als naheliegend angesehen wird:

1.4 Sowohl Vliesstoffe als auch mikroperforierte Folien können eine gewisse Schaumdurchlässigkeit aufweisen.

Die Schaumdurchlässigkeit eines Vliesstoffes hängt unter anderem von seinem Flächengewicht, seiner Dicke, der Art und Größe der Fasern, seiner Hydrophilie und der Art des Vliesstoffes (Spinnvlies, Meltblown usw.) ab. Die Schaumdurchlässigkeit von mikroperforierten Folien hängt unter anderem von der Dicke der Folie, der Art der Folie, ihrer Hydrophilie sowie der Größe und Dichte der Mikroperforationen ab. Da Anspruch 1 keine Angaben über die Mikroperforationen enthält, insbesondere über deren Größe und Dichte, kann der mikroperforierten Folie keinen zusätzlichen technischen Effekt in Vergleich zum schaumdurchlässigen Vlies nach D3 zugeordnet werden.

Daher kann das objektiv technische Problem nur in der Bereitstellung einer alternativen vorgelagerten Schicht für eine Bodenverkleidung in Kraftfahrzeugen gesehen werden.

1.5 Mikroperforierte Folien sind in Bodenverkleidungen von Kraftfahrzeugen schon eingesetzt worden. D7, Seite 5, letzter Absatz, offenbart gelochte Kunstoff-Folie als Schaumbremse. D7 sieht eigentlich den Einsatz verschiedener Typen von Schaumbremsen vor: Vliespapier, Vliese aus Natur-oder Synthetikfasern oder Kunstoff-Folien. Der Fachmann würde daher ohne erfinderische Tätigkeit eine gelochte Kunstoff-Folie (mikroperforierte Folie) als Alternative für die Vliesabdeckung in der D3 einsetzen. Da in Anspruch 1 die Größe der Löcher der mikroperforierten Folie nicht definiert ist und da gemäß dem Streitpatent (Abs. [0018]) die Lochdurchmesser der mikroperforierten vorgelagerten Schicht 0,2 bis 0,5 mm betragen können, stellen Löcher mit einem Durchmesser von etwa 0,2 bis 3 mm, vorzugsweise von mindestens 0,5 und höchstens etwa 1 mm, wie in der D7 offenbart (Anspruch 6) "Mikroperforationen" im Sinne des Streitpatents dar. Durch die Verwendung einer gelochten Kunststoff-Folie gemäß D7 würde daher der Fachmann ohne weiteres zum Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag und Hilfsantrag) gelangen.

2. Die Argumente der Patentinhaberin konnten die Kammer nicht überzeugen.

2.1 Die Patentinhaberin ist der Meinung, dass es einen weiteren Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und D3 gebe, nämlich, dass die Schaumschicht in der Sperrschicht auslaufe, was in D3 nicht der Fall sei.

2.1.1 In dieser Hinsicht folgt die Kammer der Meinung der Einspruchsabteilung (Entscheidungspunkt 36).

D3, Spalte 2 , Zeilen 10-22 offenbart: "Der erfindungsgemäß zum Hinterschäumen verwendete Schaumstoff auf insbesondere Polyurethan-Zwei-Komponentenbasis führt im Werkzeug bei derselben chemischen Zusammensetzung zu Schichten mit sehr unterschiedlichen Merkmalen, nämlich einem zellenhaltigen Weichschaumstoff und einer zellenlosen oder zellenarmen verfestigten Schicht. Erfindungsgemäß entsteht also in einem Schritt ein Isolationsaufbau aus einem Weichschaumstoff als Feder und einer sich anschließenden verfestigten Schicht als Schwerschicht, der die [sic!] mit dem verformten Teppich ein einheitliches Ganzes bildet".

D3, spalte 2, Zeilen 33-38 offenbart: "Durch die lockere Struktur der Fasern des Vlieses (...) dringt der flüssige Schaum während des Schäumungsprozesses in diese ein, wobei die Zellenbildung des Schaums in diesem Bereich verhindert oder zumindest stark beeinträchtigt wird"

2.1.2 Die zwei oben genannten Abschnitte beschreiben, wie die verfestigte Schicht 3, die der Sperrschicht (3) des Patents entspricht, erzeugt wird: durch Hinterschäumung läuft der Schaum innerhalb eines Vliesstoffes, der aus Polyester mit einer Flächenmasse von 200 gm**(-2) sein kann, aus (Siehe Spalte 3, Zeilen 37-38). Dieser Vliesstoff führt zumindest zu einer starken Beeinträchtigung der Zellenbildung des Schaums. Das hat zum Ergebnis, dass in D3 zellenarmer Schaum innerhalb des Vliesstoffes (der Sperrschicht) ausläuft.

2.1.3 Dies ist durch Ansprüche 1, 25 und 26 der D3 bestätigt, welche definieren, dass zur Erreichung der verfestigten Schicht (3) ein Vlies als strukturiertes Material verwendet wird, in dem der Schaum zellenlos oder zellenarm ausschäumt.

2.2 Darüber hinaus ist die Patentinhaberin der Meinung, dass Angaben über die Größe und Dichte der Mikroperforation in Absatz [0019] des Patents offenbart seien und dass solche Mikroperforation im Bereich der Schallisolation dem Fachmann längst bekannt seien, so dass der Fachmann diese Angaben im Kontext des Anspruchs 1 mitlesen würde.

2.2.1 Die Kammer kann dieser Argumentationslinie nicht folgen. Absatz [0019] des Streitpatents offenbart zwar die Lochdurchmesser und den Lochabstand der Löcher, diese Merkmale sind aber nicht in Anspruch 1 definiert. Anspruch 1 ist daher nicht auf diese Dimensionen eingeschränkt. Mangels entsprechender Nachweise ist es für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann einen Lochdurchmesser von 0,2-0,5 mm und einen Lochabstand von 3 bis 7 mm (oder deren bevorzugte Bereiche) in Anspruch 1 mitlesen würde.

2.3 Weiterhin ist die Patentinhaberin der Meinung, dass die vorgelagerte Schicht 2 nicht alleine für sich betrachtet werden könne. Laut Absätzen [0020] und [0021] des Patents sei eine gewünschte akustische Wirkung durch die abgestimmte Wahl der Sperrschicht (3) und der vorgelagerten Schicht (2) ermöglicht.

2.3.1 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass die abgestimmte Wahl der Sperrschicht (3) und der vorgelagerten Schicht (2) das Erreichen einer gewünschten akustischen Wirkung ermöglicht (siehe Absätze [0020], [0021] und [0030]). Der Anspruch 1 schweigt jedoch über hierfür wesentliche Eigenschaften der Schichten. Insbesondere die Dichte und die Durchlässigkeit sowie die Zusammensetzung und die Hydrophilie der vorlagerten Schicht und deren Verhältnis mit der Sperrschicht sind in Anspruch 1 nicht definiert. Anspruch 1 definiert lediglich ein Flächengewicht der Vliessperrschicht von 180 bis 650 g/m**(2). Die mikroperforierte Folie der vorgelagerte Schicht ist nicht näher definiert. Durch die Kombination eines Vliesstoffes und einer mikroperforierten Folie ist aber kein Vorteil gegenüber der Kombination eines Vliesstoffes und einer Vliesabdeckung erkennbar solange die weiteren Parameter nicht weiter definiert sind.

2.3.2 Damit die Auslaufschicht eine geringere Geschlossenheit hat, und damit das Schaumstoffmaterial nicht bis an die obere Fläche der Sperrschicht vordringt, muss die Dicke, Durchlässigkeit und die Hydrophilie der mikroperforierte Folie an die Eigenschaften der Sperrschicht und des Schaums angepasst werden. Unter Anspruch 1 fallen aber alle mikroperforierten Folien ohne Einschränkungen bezüglich ihrer Durchlässigkeit und ihrer Hydrophilie.

2.4 Ausgehend von D3 ist die Patentinhaberin der Meinung, dass die Mikroperforationen nicht primär der Veränderung der akustischen Durchlässigkeit, sondern der gezielten Heranführung des Schaums in die Sperrschicht dienen. Das technische Problem sei daher eine gezielte Steuerung der Auslaufschicht in der Sperrschicht.

2.4.1 Dass eine mikroperforierte Folie zu einer gezielten Heranführung des Schaums in die Sperrschicht führt, stimmt solange die in Absatz [0030] des Streitpatents genannten Erfordernisse bezüglich Schichtdicken und/oder hydrophober/hydrophiler Wechselwirkungen zwischen den Schichten und dem Schaumstoff erfüllt sind. Die Schaumdurchlässigkeit einer mikroperforierten Folie (insbesondere im Vergleich zu einem Vlies) hängt von ihren Eigenschaften ab. Deshalb kann das objektive technische Problem nur als die Bereitstellung einer alternativen vorgelagerten Schicht für eine Bodenverkleidung in Kraftfahrzeugen angesehen werden.

2.4.2 Wie bereits oben erwähnt, sind mikroperforierte Folien als Schaumbremse aus D7 bekannt und der Fachmann würde ohne weiteres den Vliesstoff der D3 durch eine mikroperforierte Folie nach D7 ersetzen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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