European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T085317.20200903 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 03 September 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0853/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10726422.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G64/20 C08G64/40 B29C47/76 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | POLYCARBONATE MIT EXTREM HOHER REINHEIT UND GUTER EIGENFARBE UND THERMISCHER BESTÄNDIGKEIT SOWIE EINE VORRICHTUNG UND EIN VERFAHREN ZU IHRER HERSTELLUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Covestro Intellectual Property GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SABIC Global Technologies B.V. | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Versuche - zugelassen Hauptantrag - naheliegende weitere Vorrichtung zur Hestellung von Polycarbonat Hilfsanträge 1 und 2 - zugelassen Hilfsanträge 1 bis 5 - naheliegende weitere Vorrichtungen zur Herstellung von Polycarbonat Hilfsanträge 6 und 7 - zugelassen Hilfsantrag 6 - Polycarbonat definiert durch Reinheitsgrad - ausführbar aber naheliegend Hilfsantrag 7 - Polycarbonat definiert durch Reinheitsgrad - naheliegend |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die am 9. Februar 2017 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents 2 445 950 in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche des mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 eingereichten 3. Hilfsantrags und einer angepassten Beschreibung. Der Entscheidung lagen ebenfalls die erteilte Fassung und zwei mit Schreiben vom 19. Juni 2015 eingereichte Hilfsanträge (1. und 2. Hilfsantrag) zu Grunde.
II. Die Ansprüche 1-4, 8 und 10 des 1. Hilfsantrags lauteten wie folgt, wobei Ansprüche 1 und 2 den erteilten Ansprüche 1 und 2 entsprachen, während Anspruch 3 bzw. Anspruch 8 eine Kombination der erteilten Ansprüche 3 und 4, bzw. der erteilten Ansprüchen 9 und 10 darstellte:
"1. Aromatisches Polycarbonat enthaltend weniger als 5 ppm aromatische Chlorverbindungen und weniger als 0,5 ppm Dichlormethan und weniger als 5 ppm einwertige Phenole und weniger als 0,5 ppm aromatische Verbindungen, die kein Chlor enthalten.
2. Aromatisches Polycarbonat nach Anspruch 1, enthaltend weniger als 0,01 ppm Tetrachlorkohlenstoff, weniger als 2 ppm Diarylcarbonate, weniger als 2 ppm Bisphenole, weniger als 0,05 ppm Alkalimetalle, weniger als 0,2 ppm Kresole und weniger als 200 ppm phenolische OH-Gruppen.
3. Vorrichtung zum Entgasen von lösungsmittelhaltigen Polycarbonatschmelzen, dadurch gekennzeichnet, dass ein Schaumverdampfer und ein Entgasungsextruder kombiniert werden, wobei die Abfolge Schaumverdampfer-Entgasungs-extruder ist, und wobei ein Entgasungsextruder mit mindestens drei Entgasungszonen verwendet wird und vor mindestens drei Entgasungszonen Zonen zum Eindispergieren von Schleppmittel vorhanden sind.
4. Vorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass ein Fallrohrverdampfer, ein Schaumverdampfer und ein Entgasungsextruder kombiniert werden, wobei die Abfolge Fallrohrverdampfer, Schaumverdampfer und Entgasungsextruder ist.
8. Verfahren zur Herstellung von Polycarbonaten, dadurch gekennzeichnet, dass eine Polycarbonat-Lösung, enthaltend wenigstens ein organisches Lösemittel und wenigstens ein Polycarbonat, nach dem Grenzflächenverfahren hergestellt wird, und in einem Schaumverdampfer und anschließend in einem Entgasungsextruder entgast wird, wobei das Produkt auf dem Entgasungsextruder in mindestens drei Schritten mit Eintrag von Schleppmittel entgast wird.
10. Verfahren nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Polycarbonat-Lösung in einem Fallrohrverampfer, einem Schaumverdampfer und einem Entgasungsextruder entgast wird, wobei die Abfolge Fallrohrverdampfer, Schaumverdampfer und Entgasungsextruder ist."
Die Ansprüche des 2. Hilfsantrags unterschieden sich von denen des 1. Hilfsantrags lediglich dadurch, dass die Ansprüche 1 und 2 kombiniert wurden und die restlichen Ansprüche umnummeriert wurden.
Die Ansprüche des 3. Hilfsantrags unterschieden sich von denen des 1. Hilfsantrags lediglich dadurch, dass die Produktansprüche 1 und 2 durchgestrichen wurden und die restlichen Ansprüche umnummeriert wurden.
Ein 4. Hilfsantrag wurde ebenfalls mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 eingereicht. Er unterschied sich vom 3. Hilfsantrag dadurch, dass sowohl die Vorrichtungsansprüche als auch die Verfahrensansprüche die Verwendung eines Fallrohrverdampfers vor dem Schaumverdampfer verlangten.
III. Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Dokumente herangezogen:
D1: US 6,811,294 B1
D2: US 5,777,064
D4: JP 10 292050 (Veröffentlichungsnummer)
D4a: Zusammenfassung von D4 (Patent Abstract of Japan) und maschinelle Übersetzung
D4b: Vom Übersetzer durchgeführte Teilübersetzung von D4
D5: US 6,620,906 B1
D6: JP 05 17516 A (Veröffentlichungsnummer)
D6a: Zusammenfassung von D6 (Patent Abstract of Japan) und maschinelle Übersetzung
D7: US 2005/0239996 A1
D8: US 6,534,619 B1
IV. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die für die vorliegenden Beschwerden von Relevanz sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Die mit Schreiben vom 19. Juni 2015 eingereichten Versuchsbeispiele 7 und 8 sind ins Verfahren zugelassen worden.
Die Vorrichtung zum Entgasen von lösungsmittelhaltigen Polycarbonatschmelzen gemäß erteiltem Anspruch 3 und das Verfahren zur Herstellung von Polycarbonaten gemäß erteiltem Anspruch 9 seien bezugnehmend auf D4a und D4b von D4 neuheitsschädlich getroffen, womit der Hauptantrag nicht gewährbar sei.
Hinsichtlich der Ausführbarkeit eines Produktanspruchs, der auf eine weithin bekannte Verbindung abziele, die aber ausschließlich durch einen angeblich bisher nicht erzielten Reinheitsgrad gekennzeichnet sei, würde die Beweislast, dass ein solches, bisher angeblich nicht bekanntes, Produkt erhalten werden könne, zuallererst bei der Patentinhaberin und nicht bei der Einsprechenden liegen. Im vorliegenden Fall sei aber festzuhalten, dass weder die erfindungsgemäßen Beispiele des Streitpatents, noch die mit Schreiben vom 19. Juni 2015 eingereichten Versuchsbeispiele 7 und 8 belegen würden, dass alle im erteilten Anspruch 1 aufgeführten Parameter erfüllt seien. Bezug nehmend auf die in Spalte 27, Zeilen 21 bis 23 des Streitpatents angegebene Nachweisgrenze von 5 ppm für die nicht halogenierten aromatischen Verbindungen, erschiene es darüber hinaus zum Prioritätszeitpunkt gar nicht möglich gewesen zu sein, alle beanspruchten Parameter in hinreichender Genauigkeit zu ermitteln. Die Erfindung gemäß Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags sei daher nicht ausführbar.
Hinsicht des 2. Hilfsantrags könne der im Anspruch 1 eingeführte maximal zulässige Gehalt an weiteren Verunreinigungen gemäß Anspruch 2 des erteilten Patents den Mangel der fehlender Ausführbarkeit nicht beheben.
Der 3. Hilfsantrag erfülle die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ. Demgegenüber gebe es keine Einwände hinsichtlich mangelnder Neuheit oder mangelnder Ausführbarkeit. Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit bilde sowohl die Druckschrift D4, als auch die Druckschrift D7 den nächstliegenden Stand der Technik für die Vorrichtung gemäß Anspruch 1, die durch die Merkmale der Ansprüche 3 und 4 wie eingereicht definiert sei. In Abwesenheit eines geeigneten Vergleichsbeispiels sei die der Vorrichtung gemäß dem 3. Hilfsantrag zu Grunde liegende Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen Vorrichtung zum Entgasen von Polycarbonatschmelzen zu sehen. D4 und D7 würden beide Aufreinigungsverfahren zu einer Polycarbonatschmelze mit ähnlichem, vergleichsweise niedrigem Restchlorgehalt beschreiben. Da es in diesen Druckschriften keinen Hinweis gäbe, noch weitere Apparatekomponenten in die jeweilige Vorrichtungen aufzunehmen, würde der Fachmann die beiden Verfahren als eingeständige Alternativen zur abschließenden Feinreinigung von Polycarbonaten und nicht als mögliche Module in einem mehrstufigen Verfahren ansehen. In der Druckschrift D6 befinde sich kein Hinweis auf die Herstellung einer Polycarbonatschmelze. Zudem beschreibe D6, anders als die Einsprechende behaupte, keine Kombination aus Schaumverdampfer und Entgasungsextruder. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher vom zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt. Das Verfahren gemäß Anspruch 6 des 3. Hilfsantrags umfasse dieselbe Merkmalkombination, die die erfinderische Tätigkeit der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 begründe. Dieses Verfahren erfülle daher ebenfalls die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ.
V. Mit ihrer Beschwerdebegründung (Schreiben vom 8. Juni 2017) reichte die Patentinhaberin einen Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 5.
Der Hauptantrag entsprach dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden 1. Hilfsantrag, dessen Wortlaut in Punkt II supra angegeben ist.
Der Hilfsantrag 1, bzw. der Hilfsantrag 2 enthielt als Anspruch 3, bzw. Anspruch 2 eine Kombination der Merkmale der Vorrichtungsansprüche 3 und 4 des Hauptantrags. Der Hilfsantrag 1 enthielt außerdem die Produktansprüche 1 und 2 des Hauptantrags. Der Hilfsantrag 2 enthielt als Produktanspruch 1 eine Kombination dieser Produktansprüche 1 und 2.
Der Hilfsantrag 3, bzw. der Hilfsantrag 4, entsprach dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden 2. Hilfsantrag, bzw. 3. Hilfsantrag. Diese Hilfsanträge sind in Punkt II supra dargestellt.
Der Hilfsantrag 5 entsprach dem Hauptantrag, in dem die Produktansprüche gestrichen wurden und die restlichen Vorrichtungs- und Verfahrensansprüche umnummeriert wurden.
Außerdem reichte die Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung das folgende Dokument ein :
D9: Ergänzende experimentelle Daten.
VI. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgte mit Schreiben von 15. Juli 2019. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 21. April 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.
VII. Mit einem Schreiben vom 13. Mai 2020 reichte die Patentinhaberin einen Hilfsantrag 6 und einen Hilfsantrag 7 ein. Der Hilfsantrag 6 bestand aus den erteilten Produktansprüchen 1 und 2, deren Wortlaut in Punkt II supra angegeben ist, d.h. die Produktsansprüche des Hauptantrags. Der Hilfsantrag 7 bestand aus einem einzigen Anspruch, in dem die Merkmale der erteilten Produktansprüche 1 und 2 kombiniert wurden, d.h. aus dem Produktanspruch des Hilfsantrags 3.
VIII. Auf Grund der COVID-19-Pandemie wurde die mündliche Verhandlung auf den 3. September 2020 verlegt. Diese fand als Videokonferenz statt.
IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen brachte die Patentinhaberin vor:
a) D9 sei zuzulassen,
b) die Hilfsanträgen 1, 2, 6 und 7 seien zuzulassen,
c) die Vorrichtungen gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5 seien erfinderisch ausgehend aus der in D7 offenbarten Vorrichtung,
d) die Produkte gemäß den Hilfsanträge 6 und 7 seien sowohl ausführbar als auch erfinderisch gegenüber dem im Experiment 7 von D7 erhaltenen Polycarbonat.
X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen brachte die Einsprechende vor:
a) die Hilfsanträge 1 und 2 sowie 6 und 7 sowie das Dokument D9 seien nicht in das Verfahren zuzulassen,
b) ausgehend aus der in D7 offenbarten Vorrichtung würden die Vorrichtungen gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen,
c) die Ausführbarkeit der Produkte gemäß den Hilfsanträge 6 und 7 sei nicht gegeben. Diese Produkte seien auch nicht erfinderisch gegenüber dem im Experiment 7 von D7 erhaltenen Polycarbonat.
XI. Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 5, sämtliche Anträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung, weiterhin hilfsweise auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 13. Mai 2020 eingereichten Hilfsanträge 6 und 7.
XII. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Weiterhin beantragte sie, die Hilfsanträge 1 und 2 sowie 6 und 7 sowie das Dokument D9 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Zulassung von D9
1. Gemäß Artikel 25(1) VOBK 2020 ist die revidierte Fassung auf alle Fälle anzuwenden, die am Tag des Inkrafttretens anhängig sind, vorbehaltlich der in den Absätzen (2) und (3) genannten Ausnahmen. Nach Artikel 25(2) VOBK 2020 ist Artikel 12 Absätze 4 bis 6 der revidierten Fassung auf Beschwerdebegründungen, die, wie im vorliegenden Fall, vor dem 1. Januar 2020 eingereicht wurden, nicht anzuwenden. Stattdessen ist weiterhin Artikel 12(4) VOBK 2007 anzuwenden (Artikel 25(2) VOBK 2020).
Das mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin eingereichte Beweismittel D9 besteht aus einem ergänzenden Beispiel 9, das sich nur leicht vom Beispiel 2 des Streitpatents unterscheidet. Die kompletten Daten dieses Beispiels hinsichtlich der Restgehalte an flüchtigen Komponenten sind aus dem Punkt 2.1.1 der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin zu entnehmen. Dieses neue Beispiel wird von der Patentinhaberin verwendet, um ihre Argumentation hinsichtlicht der Ausführbarkeit und erfinderischen Tätigkeit zu untermauern.
Die Einreichung des Beispiels 9 stellt eine direkte Reaktion auf das zuerst in den Gründen der Entscheidung vorgebrachte Argument dar, wonach die Beweislast hinsichtlich der Möglichkeit, ein Polycarbonat gemäß Anspruch 1 des Streitpatents vorzubereiten bei der Patentinhaberin liege, und dass die Patentinhaberin selber nicht wissen könne, ob es tatsächlich möglich sei, ein solches Polycarbonat mit dem im Streitpatent beschriebenen Verfahren bereitzustellen (Punkt 2.4.2 der Entscheidungsgründe). Die Einreichung des Beispiels 9 stellt somit eine angemessene Reaktion auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung dar, womit dieses von der Kammer im Rahmen von Artikel 12(4) VOBK 2007 in das Verfahren zugelassen wird.
Hauptantrag
2. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 3 des Hauptantrags entspricht der Vorrichtung gemäß Anspruch 3 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden 1. Hilfsantrags, dessen Wortlaut im Punkt II supra angegeben ist. Als einziger Einwand gegen diesen Anspruch (Beschwerdebegründung der Einsprechenden, Seiten 7-12) wurde eine mangelnde erfinderische Tätigkeit (ausgehend von D4, D7 oder D6 als nächstliegendem Stand der Technik) geltend gemacht.
Nächstliegender Stand der Technik
3. Gemäß Absatz [0034] des Streitpatents lag der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Polycarbonat mit extrem niedrigen Restwerten an flüchtigen Bestandteilen und thermischen Abbauprodukten sowie verbesserten optischen Eigenschaften, insbesondere Yellowness Index (YI) und guter thermischer Stabilität, aus lösungsmittelhaltigen Polymerschmelzen herzustellen.
3.1 D7 betrifft ein Verfahren zur Isolierung von Polycarbonat, hergestellt nach dem Phasengrenzflächenverfahren, d.h. ein Verfahren in dem das in einem organischen Lösungsmittel gelöste erhaltene Polycarbonat gewonnen wird (Anspruch 1, (Absätze [0018] bis [0022]).
- Gemäß Schritt (a) des Verfahrens von D7 wird die Lösung des Polycarbonats zunächst so weit eingedampft, dass der Gehalt an Polycarbonat 90 bis 99,95 Gew.% beträgt. Die so erhaltene Polycarbonatlösung wird als Polycarbonatschmelze bezeichnet (Absatz [0023]).
- In einem weiteren Schritt (c) wird die erhaltene Schmelze, gegebenenfalls nach Vermischen mit einem Schäumungsmittel in einem Zwischenschritt (b), in einem Abscheidebehälter entgast (Absätze [0020] and [0021]). Dabei wird die Schmelze über die Eintrittsöffnungen in Teilströme aufgeteilt, wobei Temperatur- und Druckbedingungen so ausgewählt sind, dass eine Übersättigung der Schmelze mit flüchtigen Bestandteilen beim Eintritt in die Eintrittsöffnungen stattfindet, sodass ein Entgasen der Schmelze erfolgt (Absatz [0022]).
3.2 Im Absatz [0030] von D7 wird nicht nur gelehrt, dass die durch das Aufschäumen starke Oberflächenvergrößerung für die Entgasung vorteilhaft ist, sondern auch, dass niedrigere Restgehalte an flüchtigen Bestandteilen im Polycarbonat dadurch erzielt werden können, dass der Partialdruck der flüchtigen Bestandteile durch den Zusatz des Schäumungsmittels erniedrigt wird. Als Schäumungsmittel ist gemäß Absatz [0031] Stickstoff ganz bevorzugt.
3.3 Gemäß Absatz [0063] von D7 können mittels des in dieser Entgegenhaltung verwendeten Verfahrens, d.h. unter Verwendung der Vorrichtung von D7, thermoplastische Polycarbonate erhalten werden, die einen Restgehalt an flüchtigen Substanzen besonders bevorzugt von maximal 25 ppm bezogen auf die Polymermasse besitzen, wobei der Restgehalt an Dichlormethan besonders bevorzugt kleiner als 0,5 ppm sein kann. Diese flüchtigen Substanzen, deren Restgehalt besonders bevorzugt maximal 25 ppm beträgt, sind unter anderem, neben Monochlorbenzol und Dichlormethan, nicht umgesetzte Monomere, z.B. BPA, und deren flüchtige Oligomere wie Di-, Tri- und Tetramere (Absatz [0016]). Mit dem Verfahren und der Vorrichtung von D7 wird ein Polycarbonat mit einem Restgehalt an Monochlorbenzol von 7 ppm erhalten (Seite 9, Tabelle 1, Experiment 7).
3.4 Es ist nicht streitig, dass die in Schritt (c) verwendete Vorrichtung zur Isolierung des Polycarbonats einen Schaumverdampfer darstellt. Es wird auf das Schreiben der Patentinhaberin vom 11. Oktober 2017 (Seite 8, letzten kompletten Absatz) und auf die Absätze [0052] und [0054] des Streitpatents verwiesen, in dem es für die Beschreibung eines Schaumverdampfers und die Art, wie optional ein Schäumungsmittel für seine Verwendung zugegeben werden kann, auf "EP 1 740 638", d.h. ein Familienmitglied von D7 Bezug genommen wird.
3.5 Im Einklang mit dem Vorbringen der Beteiligten und den Gründen für die angefochtene Entscheidung ist daher die Kammer der Auffassung, dass D7 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Vorrichtung und somit den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Unterscheidungsmerkmale der beanspruchten Vorrichtung gegenüber D7
4. Obwohl Absatz [0059] von D7 die Verwendung eines Extruders beschreibt, wie von der Einsprechenden festgestellt wurde, ist der in dieser Passage von D7 erwähnte Extruder, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, lediglich als ein Austragsextruder dargestellt. Es ist daher festzustellen, dass sich die Vorrichtung gemäß vorliegendem Anspruch 3 von der in D7 beschriebenen Vorrichtung dadurch unterscheidet, dass ein Entgasungsextruder mit mindestens drei Entgasungszonen nach dem Schaumverdampfer vorhanden ist, welcher Extruder Zonen zum Eindispergieren von Schleppmittel vor den mindestens drei Entgasungszonen besitzt.
Aufgabe und Erfolg der beanspruchte Lösung
5. Ausgehend von diesem Stand der Technik soll der Erfindung gemäß Vortrag der Patentinhaberin unter Bezug auf die Absätze [0034] und [0045] des Streitpatents die Aufgabe zugrunde liegen, eine Vorrichtung bereitzustellen, mit der ein Polycarbonat mit verringerter Produktschädigung und weiter abgesenktem Gehalt an flüchtigen Substanzen herstellbar ist, womit die Herstellung eines Polycarbonats mit verbesserten Eigenschaften, insbesondere Yellowness Index (YI) ermöglicht wird. Bezüglich der Glaubhaftigkeit der behaupteten Vorteile der beanspruchten Vorrichtung gegenüber der aus D7 hat die Patentinhaberin lediglich auf die experimentellen Ergebnisse verwiesen, die in D9, in den mit Schreiben vom 19. Juni 2015 eingereichten Versuchsbeispielen 7 und 8 und im Streitpatent dargestellt werden. Die von der Patentinhaberin vorgebrachte Formulierung der Aufgabe wird von der Einsprechenden bestritten, die die Meinung vertritt, dass die durch die Vorrichtung gemäß Anspruch 3 gelöste Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer weiteren Vorrichtung zum Entgasen einer Polycarbonatschmelze liege.
6. Die Fähigkeit der Vorrichtungen gemäß Streitpatent und D7, ein Polycarbonat aus einer Polycarbonatlösung hergestellt nach dem Phasengrenzflächenverfahren ohne Produktschädigungen zu isolieren bzw. zu entgasen, kann wie folgt analysiert werden:
6.1 Wie es nicht nur vom Fachmann zu erwarten ist, sondern auch durch die Experimente von D7 (Absätze [0103] bis [0105], [0108] bis [0111] und Tabelle 1) gezeigt wird, ist der Entgasungs- bzw. Reinigungserfolg maßgebend von der Einstellung von zahlreichen Verfahrensparameter (insbesondere Temperatur, Druck, Menge des Schleppmittels) abhängig. Im Absatz [0025] des Streitpatents wird beschrieben, dass die in den Beispielen von WO 2005/1013114 (d.h. ein Familienmitglied von D7) angegebenen Restgehalte an aromatischen Chlor-Kohlenwasserstoffen (Chlorbenzol) minimal 7 ppm betragen. Dennoch wird es in D7 nicht angegeben, dass dieser in dem Experiment 7 von D7 erhaltene Gehalt an Chlorbenzol (Absatz [0104] und Tabelle 1) mit der Vorrichtung aus D7 nicht weiter abgesenkt werden kann. Aus der Gesamtlehre von D7 hinsichtlich der Möglichkeit, die Entgasung zu verbessern, insbesondere Absätze [0027] bis [0029],[0032], [0038] und [0042] (siehe Punkt 13.4 infra) und aus der Angabe in den Absätzen [0016] und [0063], dass Chlorbenzol nur eine der zu entfernenden flüchtigen Substanzen darstellt, wobei der Restgehalt an flüchtigen Substanzen besonders bevorzugt maximal 25 ppm beträgt (Absätzen [0016] und [0063]), ist aus D7 implizit zu entnehmen, dass der Erfolg der Entgasung gegenüber dem Experiment 7 von D7 verbessert werden kann. Es gibt daher keinen Grund zur Annahme, dass das Experiment 7 von D7 das beste Entgasungsergebnis, das sich mit der Vorrichtung aus D7 erhalten lässt, darstellt.
6.2 Die von der Patentinhaberin herangezogenen Versuche betreffen entweder die Verwendung einer Vorrichtung gemäß dem vorliegenden Anspruch 3, d.h. enthaltend einen Rohrverdampfer, einen Schaumverdampfer und einen nachgeschalteten Entgasungsextruder (D9; Beispiele 1 bis 4 und 6 des Streitpatents und Versuchsbeispiele 7 und 8) oder die Verwendung eines Entgasungsextruders als alleiniges Modul zur Entgasung der Polycarbonatlösung (Vergleichsbeispiel 5 des Streitpatents). Es wurde von der Patentinhaberin aber auf keine Versuche verwiesen in denen mittels der in D7 verwendeten Vorrichtung, der Lehre dieses Dokuments folgend, vergeblich versucht wurde, den in den Beispielen von D7 gezeigten Entgasungserfolg weiter zu steigern, d.h. ein Polycarbonat mit weiter abgesenktem Gehalt an flüchtigen Substanzen zu erhalten. Es wurde daher kein experimenteller Nachweis vorgebracht, um zu belegen, dass sich eine Verbesserung der Entgasung der Polycarbonatschmelze, geschweige denn eine Verringerung der Produktschädigung, nur mit der Verwendung eines nach dem Schaumverdampfer nachgeschalteten Entgasungsextruders erhalten lässt.
6.3 Hinsichtlich der angeblichen Verringerung der Produktschädigung, die gemäß Vorbringen der Patentinhaberin durch die Verwendung der Streitpatentvorrichtung erhältlich sei, zeigt das Vergleichsbeispiel 5 des Streitpatents (Absätze [0115] und [0116]), dass die Verwendung eines Entgasungsextruders als einziges Modul, um ein Polycarbonat aus einer Lösung enthaltend 65% Polycarbonat zu isolieren, trotz Einspeisung von Stickstoff, zu einem Polycarbonat mit höherem Gehalt an Chlorbenzol und einem schlechteren Yellowness-Index (als Maß für die optischen Eigenschaften) führt, als wenn eine Vorrichtung gemäß Streitpatent, d.h. mit vorgeschaltetem Schaumverdampfer verwendet wird (siehe z.B. Beispiel 1, Absatz [0101]). Gemäß Absatz [0002] des Streitpatents sind diese verschlechterten optischen Eigenschaften des Polycarbonats auf die im Extruder herrschenden höheren Temperaturen zurückzuführen, die thermische Schädigungen des Polycarbonats, d.h. Fehlstrukturen, verursachen. Dies wird mit dem Verfahren des Vergleichsbeispiels 5 im Streitpatent veranschaulicht, in dem die Verwendung eines Entgasungsextruders als einziges Modul zur Isolierung des Polycarbonats aus der Lösung zu einer Temperatur an der Düse des Extruders von 409°C führt.
6.4 Diese im Vergleichsbeispiel 5 des Streitpatents herrschende Temperatur kann mit der Temperatur der Polycarbonatschmelze in D7 verglichen werden, die sowohl am Eintritt in die Eintrittsöffnungen mit vorzugsweise maximal 340°C (Absatz [0040]) als auch beim Eintritt in den Entgasungsbehälter mit vorzugsweise maximal 360°C (Absatz [0042]) wesentlich niedriger liegt. Absatz [0052] von D7 gibt des Weiteren an, dass die Verweilzeit der Polycarbonatschmelze in dem Abscheidebehälter einerseits ausreichend lang sein muss, um eine ausreichende Entgasung zu ermöglichen, andererseits jedoch nicht zu lang sein darf, um die Produktqualität des Polycarbonats nicht zu beeinträchtigen. Im Absatz [0053] dieser Druckschrift wird weiter angegeben, dass die Verweilzeit durch Leitelemente, deren Funktion es ist, die Verweilzeit zu verlängern und gleichzeitig die Oberfläche der Polycarbonatschmelze zu vergrößern ist, beeinflusst werden kann. Diese Leitelemente werden in den Absätzen [0054] bis [0057] von D7 näher definiert. Gemäß Absatz [0057] ist die Entgasung der Polycarbonatschmelze dadurch stark verbessert, ohne dass eine schädliche Rückspaltung des Polycarbonats auftritt.
6.5 Dass sich die in D7 beschriebene Verfahrensweise günstig auf die Eigenschaften des Polycarbonats auswirkt, wird im Absatz [0045] des Streitpatents bestätigt. Diese Passage gibt an, dass die Drehzahl des Extruders durch die dem Extruder vorgelagerte Eindampfung des Polycarbonats im Fallrohrverdampfer, falls vorhanden, und im Schaumverdampfer, nochmals gesenkt werden kann, womit die Temperatur, und somit die Produktschädigung, verringert wird.
6.6 Aus den Angaben im Streitpatent und in D7 kann daher die Kammer nur den Schluss ziehen, dass die mögliche Anwesenheit von Produktschädigung in Polycarbonat nicht auf die Verwendung eines Schaumverdampfers, wie er in D7 verwendet wird, zurückgeführt werden kann, sondern eher auf die Verwendung eines nachgeschalteten Extruders in Abhängigkeit der Menge an zu entgasenden flüchtigen Substanzen, die in der in den Extruder eintretenden Polycarbonatmasse vorhanden ist.
6.7 Technische Erklärungen, auf deren Basis dargestellt wäre, warum ein dem Schaumverdampfer nachgeschalteter Entgasungsextruder erst möglich machen würde, den Gehalt an flüchtigen Substanzen weiter zu senken, geschweige denn ohne dabei Produktschädigungen des Polycarbonats herbeizuführen, wurden von der Patentinhaberin außerdem nicht vorgebracht.
6.8 Infolgedessen sind die Fähigkeit einer Vorrichtung gemäß D7 und die einer patentgemäßen Vorrichtung hinsichtlich einer wirksamen Entgasung einer Polycarbonatschmelze als gleichwertig zu bewerten. Da die von der Patentinhaberin behauptete Verringerung der Produktschädigung des Polycarbonats bei weiter abgesenktem Gehalt an flüchtigen Substanzen, wenn ein Entgasungsextruder gemäß Anspruch 3 des Streitpatents nach dem Schaumverdampfer verwendet wird, nicht belegt wurde, gilt es, die von ihr auf dieser Basis im Punkt 5 supra angeführte Aufgabenstellung umzuformulieren. Folglich ist, wie von der Einspruchabteilung festgestellt, die durch die Vorrichtung gemäß dem vorliegenden Anspruch 3 gelöste Aufgabe lediglich darin zu sehen, eine weitere Vorrichtung zur Isolierung von Polycarbonatlösungen bereitzustellen.
Naheliegen
7. Es bleibt zu beantworten, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte objektive Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Vorrichtung zu lösen. Hierzu zog die Einsprechende die Druckschriften D1, D2, D4, D5, D7 und D8 heran, deren Lehre hinsichtlich der Frage des Naheliegens wie folgt zu analysieren ist:
7.1 Sowohl in D8 (Anspruch 1; Passage von Spalte 2, Zeile 50 bis Spalte 3, Zeile 21; Abbildungen 1 und 2; Beispiele 1 bis 6) als auch in D5 (Anspruch 1; Passage von Spalte 1, Zeile 52 bis Spalte 2, Zeile 21; Abbildung; Beispiele 1 bis 3) wird eine Kombination aus mehreren Modulen zur Konzentrierung bzw. Entgasung einer Polycarbonatlösung beschrieben. Eines dieser in Serien verwendete Modul ist ein Rohrbündelwärme-tauscher mit vertikal angeordneten Rohren mit einem unmittelbar verbundenen Abscheider (D8, Spalte 2, Zeile 59 bis Spalte 3, Zeile 6; D5, Spalte 1, Zeilen 59 bis Spalte 2, Zeile 7), entsprechend der im Streitpatent gegebenen Beschreibung eines Fallrohrverdampfers (Absätzen [0046] und [0051]; Absatz [0048], erster Satz).
Für die Entgasung einer Polycarbonatschmelze wird in D7, wie in dem Punkt 3.1 supra angegeben, die Verwendung eines mehrstufigen Verfahrens unter Verwendung von verschiedenen hintereinander nachgeschalteten Entgasungselementen offenbart. Im Absatz [0032] von D7 wird sogar die mehrfach hintereinander durchzuführende Schaumentgasung, mit oder ohne der Zugabe eines Schäumungsmittels, empfohlen.
7.2 Des Weiteren wird im Absatz [0030] von D7 gelehrt, dass niedrigere Restgehalte an flüchtigen Bestandteilen im Polycarbonat dadurch erzielt werden können, dass der Partialdruck der flüchtigen Bestandteile durch den Zusatz eines Schäumungsmittels erniedrigt wird. Als Schäumungsmittel können gemäß Absatz [0031] Stickstoff, Kohlendioxid, Wasser, Methan und Helium verwendet werden, ganz bevorzugt Stickstoff. Die Einspeisung von solchen inerten Gasen und/oder Flüssigkeiten zur Entgasung von flüchtigen Bestandteile aus einer Polycarbonatschmelze mittels eines Extruders ist aus D1, D2 und D4 ebenfalls bekannt:
D1 offenbart einen Entgasungsextruder zur Entgasung von Polycarbonaten mit mindestens drei Entgasungszonen und einer Zone zum Eindispergieren von Schleppmitteln, vorzugsweise Stickstoff, zwischen der zweiten und dritten Entgasungszone (Spalte 1, Zeilen 59-63; Spalte 4, Zeilen 1-5; Abbildung 1; Spalte 2, Zeile 51 bis Spalte 3, Zeile 3).
Wie von Einsprechenden festgestellt, beschreibt D2 die Entgasung von Polycarbonaten mittels Wasser als Schleppmittel (Spalte 5, Zeile 45 bis Spalte 6, Zeile 2). In dieser Passage wird angegeben, dass der verwendete Extruder mehrere, gewöhnlich zwei bis zehn Entlüftungsöffnungen besitzt, wobei es notwendig ist, dass das Wasser in den Extruder vor der Entlüftungsöffnung eingeführt wird, so dass sich die niedermolekularen Verbindungen kontinuierlich aus den Entlüftungsöffnungen verflüchtigen. Außerdem wird in dieser Passage beschrieben, dass das Wasser in Abgängigkeit der Anzahl der Entlüftungsöffnungen für die Wirksamkeit des Verfahrens bevorzugt in zwei oder mehr Stufen eingeführt wird.
D4 beschreibt die Verwendung eines Extruders gemäß Anspruch 3 des Streitpatents für die Isolierung eines nach dem Phasengrenzflächenverfahren hergestellten Polycarbonats unter Verwendung von Wasser als Schleppmittel, um den Gehalt an Lösemittel (zum Beispiel Dichlormethan) und Fällungsmittel (zum Beispiel Heptan) im Polycarbonat zu reduzieren (Absatz [0007] von D4a und Absätze [0018] und [0020] bis [0022] von D4b).
7.3 Aus dem von der Einsprechenden zitierten Stand der Technik ist daher zu entnehmen, dass es dem Fachmann bekannt war, nicht nur dass mehrere hintereinander nachgeschaltete Entgasungselemente bzw. Entgasungszonen angewendet werden können, um Polycarbonate von flüchtigen Komponenten zu trennen, sondern auch, dass die Einspeisung sowohl eines Aufschäumungsmittels in einem Schaumverdampfer als auch eines Schleppmittels in einem Extruder die Entgasung eines geschmolzenen Polycarbonats begünstigt. Für den Fachmann war daher aus dem Stand der Technik zu entnehmen, dass die Verwendung von mehreren Verdampfungszonen, gleich, ob sich diese in einem einzigen Apparat (wie in einem Entgasunsextruder) oder in mehreren getrennten Apparaten befinden, mit Einspeisung von Schleppmitteln oder Aufschäumungsmitteln wie Stickstoff vor jeder dieser Verdampfungszonen, die gleiche Funktion hat, nämlich die Trennung, bzw. die Reinigung des Polycarbonats von den sich noch darin befindlichen flüchtigen Bestandteilen.
7.4 Ausgehend von der Vorrichtung aus D7 war es für den Fachmann, der lediglich eine weitere Vorrichtung zur Isolierung von Polycarbonatlösungen bereitstellen wollte, daher naheliegend, einen Entgasungsextruder wie aus D4 bekannt, der ebenfalls wie ein Schaumverdampfer die Funktion hat, ein Polycarbonat von Restgehalten an flüchtigen Bestandteilen zu befreien, nach dem in D7 verwendeten Schaumverdampfer zu verwenden oder, falls mehrere Schaumverdampfer, wie in Absatz [0032] D7 empfohlen wird, verwendet werden, anstatt des letzten Schaumverdampfers, womit er ohne erfinderisches Zutun zu einer Vorrichtung gemäß Anspruch 3 des Hauptantrags gelangt wäre.
7.5 Das Argument der Patentinhaberin, dass der Stand der Technik keinen Anreiz gebe, einen Entgasungsextruder zu verwenden, geschweige denn in der im Streitpatent definierten Reihenfolge, um ein niedrigeres Yellowing Index und somit ein verbessertes Polycarbonat zu erhalten, kann nicht überzeugen. Die Antwort auf die Frage, was ein Fachmann im Lichte des Stands der Technik getan hätte, hängt in hohem Maße davon ab, welches technische Ergebnis er sich zum Ziel gesetzt hatte (T 0939/92, ABl. EPA 1996, 309, Punkt 2.4.2 der Entscheidungsgründe). Wie in den Punkten 6.1 bis 6.8 supra dargelegt, besteht im vorliegenden Fall die technische Aufgabe, die durch die beanspruchte Vorrichtung gelöst wird, lediglich darin, eine weitere Vorrichtung zur Isolierung von Polycarbonatlösungen bereitzustellen, unabhängig davon, ob die von der Patentinhaberin behaupteten Vorteile der vorliegender Vorrichtung hinsichtlich des Erhaltens eines Polycarbonats mit einem niedrigeren Yellowing Index erhalten sind oder nicht. Dies bedeutet, dass die Verwendung eines jeden ihm bekannten Moduls, welches die Funktion einer Verdampfungszone hat, vom Fachmann als adäquat und naheliegend anzusehen ist.
Des Weiteren ist festzustellen, dass das in dem Entgasungsextruder von D4 eintretende Polycarbonat, im Gegensatz zu der im Vergleichsbeispiel 5 des Streitpatents dargestellten Situation, in dem Polycarbonat aus einer Lösung enthaltend 65% Polycarbonat in dem Extruder isoliert wird, nur Spuren von Lösungsmittel enthält (D4b, Absatz [0020]). Im Hinblick auf die niedrigen Restmengen an Lösungsmittel, die nach der Verwendung eines Schaumverdampfers gemäß D7 im Polycarbonat vorhanden sind, war es daher für den Fachmann naheliegend, den Entgasungsextruder nach dem Schaumverdampfer, und nicht umgekehrt, einzuschalten.
Darüber hinaus lehrt D7 in Absatz [0082], dass die nach dem Verfahren gemäß D7 erhaltenen Polycarbonate mit den üblichen Additiven wie Stabilisatoren versehen werden können. Dem Fachmann wird aber durch D1 und D2 angeregt, diese für die Stabilisierung von Polycarbonaten notwendigen Additive, die üblicherweise zum geschmolzenen Polycarbonat hinzugefügt werden können, im Entgasungsextruder nach der Entgasung des Polycarbonats hinzuzugeben (D1, Spalte 3, Zeilen 39-43; D2, Spalte 6, Zeilen 30-34), wie es auch gemäß Lehre des Streitpatents empfohlen wird (Spalte 15, Zeilen 34-41). Dies stellt einen weiteren Grund für den Fachmann dar, den Entgasunsextruder als letztes Modul der Entgasungsvorrichtung anzubringen.
7.6 Die Kammer kommt daher aus den oben angeführten Gründen zu der Schlussfolgerung, dass die Vorrichtung gemäß dem geltenden Anspruch 3 eine naheliegende Lösung der im Punkt 6.8 supra genannten patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2
8. Die Einsprechende hat beantragt, dass die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 nicht zum Verfahren zugelassen werden. Die Kammer stellt fest, dass sich der Gegenstand des Hilfsantrags 1 vom Gegenstand des Hauptantrags dadurch unterscheidet, dass sowohl die Vorrichtung als auch das Verfahren die Verwendung eines Fallrohverdampfers, angebracht vor dem Schaumverdampfer, verlangt. Somit besteht der jetzige Hilfsantrag 1 lediglich aus Ansprüchen, die vor der Einspruchabteilung vorlagen, nämlich die Produktansprüche aus dem 1. Hilfsantrag (eingereicht mit Schreiben vom 19. Juni 2015), sowie die Vorrichtungsansprüche und Verfahrensansprüche aus dem 4. Hilfsantrag (eingereicht mit Schreiben vom 28. Dezember 2016). Der Gegenstand des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Gegenstand des vorliegenden 1. Hilfsantrags dadurch, dass der Produktanspruch durch die kombinierten Merkmale der Ansprüche 1 und 2 definiert wird, entsprechend Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags vor der Einspruchsabteilung. Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, ihr gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 (Artikel 25(2) VOBK 2020) zukommendes Ermessen dahingehend auszuüben, den 1. und 2. Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
Hilfsantrag 1
9. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 3 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von der Vorrichtung gemäß Anspruch 3 des Hauptantrags lediglich dadurch, dass diese einen vor dem Schaumverdampfer eingeschalteten Fallrohrverdampfer enthält. Die Patentinhaberin vertrat die Auffassung, dass die Verwendung eines Fallrohrverdampfers zu einem besseren Yellowing Index führe.
9.1 Aus dem Absatz [0024] von D7 ist zu entnehmen, dass der Schritt (a) des Verfahrens zur Isolierung von Polycarbonat, in dem die Lösung des Polycarbonats so weit eingedampft wird, dass der Gehalt an Polycarbonat 90 bis 99,95 Gew.% beträgt, mittels gängigen Verfahrens durchzuführen ist. Eine dieser im Absatz [0024] empfohlenen Methoden für Schritt (a) wird durch einen Verweis auf D8 beschrieben, welche Druckschrift, wie im Punkt 7.1 supra gezeigt ist, die Verwendung eines Fallrohrverdampfers zur Konzentrierung bzw. Entgasung einer Polycarbonatlösung beschreibt.
9.2 Da weder behauptet, noch irgendwelcher Beleg dafür vorgebracht wurde, dass die Auswahl eines Fallrohrverdampfers aus den gängigen Vorrichtungen bzw. Verfahren zur Isolierung von Polycarbonat für den Schritt (a) von D7 kausal für einen technischen Effekt ist, gibt das Hinzufügen im vorliegenden Anspruch 3 des Merkmals, dass ein Fallrohrverdampfer vor dem Schaumverdampfer verwendet wird, keinen Anlass die im Punk 6.8 supra stehende Aufgabe, die gegenüber der Vorrichtung von D7 als erfolgreich gelöst gilt, anders zu formulieren, nämlich eine weitere Vorrichtung zur Isolierung von Polycarbonatlösungen bereitzustellen.
9.3 Ausgehend von der Vorrichtung aus D7 war es daher naheliegend für den Fachmann, der diese Aufgabe lösen wollte, zusätzlich, wie im Absatz [0024] von D7 empfohlen, eine Vorrichtung anzuwenden, die vor dem Schaumverdampfer einen Fallrohrverdampfer enthält. Somit wäre der Fachmann ohne erfinderisches Zutun ebenfalls zu einer Vorrichtung gemäß Anspruch 3 des 1. Hilfsantrags gelangt.
Hilfsanträge 2 bis 5
10. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 3 des Hilfsantrags 1, die die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt, ist ebenfalls Gegenstand des Hilfsantrags 2 (Anspruch 2), des Hilfsantrags 3 (Anspruch 3), des Hilfsantrag 4 (Anspruch 2) und des Hilfsantrags 5 (Anspruch 1). Folglich sind die Hilfsanträge 2 bis 5 ebenfalls nicht gewährbar.
Zulassung der Hilfsanträge 6 und 7
11. Die Hilfsanträge 6 und 7 sind mit Schreiben vom 13. Mai 2020, d.h. nach der Zustellung der Ladung vom 15. Juli 2019 zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer, eingereicht worden. Nach Artikel 25(3) VOBK 2020 ist Artikel 13(2) der revidierten Fassung nicht anzuwenden, wenn u.a. vor deren Inkrafttreten die Ladung zur mündlichen Verhandlung zugestellt worden ist. Stattdessen sind weiterhin Artikel 13 VOBK 2007, sowie zusätzlich Artikel 13(1) VOBK 2020 anzuwenden (T 2227/15 Punkt 1 der Gründe; T 0032/16, Punkt 1.1.2 der Gründe; T 0278/17 Punkt 1 der Gründe; T 0634/16 Punkte 12 bis 14 der Gründe).
Der Gegenstand des Hilfsantrags 6 betrifft lediglich die in den erteilten Patent definierten Produktansprüche 1 und 2. Der Hilfsantrag 7 besteht aus einer Kombination dieser Ansprüche und definiert somit den Gegenstand des erteilten Anspruchs 2. Gemäß Artikel 13(1) VOBK 2020 berücksichtigt die Kammer bei der Ausübung ihres Ermessens insbesondere den Stand des Verfahrens, die Eignung der Änderung zur Lösung der von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise aufgeworfenen Fragen oder der von der Kammer selbst aufgeworfenen Fragen, ferner ob die Änderung der Verfahrensökonomie abträglich ist, und bei Änderung eines Patents, ob der Beteiligte aufgezeigt hat, dass die Änderung prima facie die von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren oder von der Kammer aufgeworfenen Fragen ausräumt und keinen Anlass zu neuen Einwänden gibt. Die in den Hilfsanträgen 6 und 7 enthaltenden Ansprüche aus dem erteilten Patent wurden von der Patentinhaberin sowohl vor der Einspruchsabteilung als auch im Beschwerdeverfahren stets verteidigt. Unter diesen Umständen gibt die Einreichung dieser Ansprüche als alleiniger Gegenstand eines Hilfsantrags, d.h. das bloße Streichen der Vorrichtungs- und Verfahrensansprüche in den höherrangigen Anträgen, weder Anlass zu neuen Einwänden, noch ist es der Verfahrensökonomie abträglich. Die Kammer übt daher ihr Ermessen nach Artikel 13(1) VOBK 2020 dahingehend aus, die mit Schreiben vom 13. Mai 2020 eingereichten Hilfsanträge 6 und 7 in das Verfahren zuzulassen.
Hilfsantrag 6
Einleitende Bemerkungen
12. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 betrifft ein aromatisches Polycarbonat, das sich von den aus dem Stand der Technik bekannten aromatischen Polycarbonaten nur durch seinen Reinheitsgrad unterscheiden soll. Dieser Reinheitsgrad wird durch maximale Mengen an spezifischen Unvereinigung ausgedrückt. Um die Frage der erfinderischen Tätigkeit zu beantworten, ist nicht nur die Bedeutung eines solchen Reinheitsgrads zu berücksichtigen, sondern auch in wieweit dieser im Stand der Technik als offenbart gilt.
12.1 Ein aromatisches Polycarbonat stellt nicht eine abstrakte isolierte Polymermoleküle dar, sondern ein Gemisch oder eine Zusammensetzung, die unter anderem eine Vielzahl von unterschiedlichen Polymerketten enthält, sowie weitere Komponenten, die in diesem Gemisch vorliegen. In vorliegenden Fall wird definiert, dass aromatische Chlorverbindungen, Dichlormethan, einwertige Phenole und aromatische chlorfreie Verbindungen, wenn diese vorhanden sind, nur bis zu einem gewissen Gehalt enthalten werden können.
12.2 In Punkt 2.2.2 der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/03 (ABl. 2004, 413) und in Punkt 4.6 der Entscheidung G 2/10 (ABl. 2012, 376) wurde betont, dass das europäische Patentsystem in sich geschlossen sein muss und für die Zwecke der Artikel 54, 87 und 123 EPÜ dasselbe Offenbarungskonzept zu Grunde zu legen ist. Dieses Offenbarungskonzept ist in der Rechtsprechung der Beschwerdekammer seit den Entscheidungen G 3/89 (ABl. 1993, 117) und G 11/91 (ABl. 1993, 125) verankert (siehe G 2/10, Punkt 4.3 der Entscheidungsgründe). Demnach gilt als offenbart durch einen herangezogenen Stand der Technik, was der Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des herangezogenen Standes der Technik - unmittelbar und eindeutig aus diesem Stand der Technik entnehmen kann.
12.3 Die Frage, ob der im Anspruch 1 geforderte Reinheitsgrad des Polycarbonats ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber einem Dokument des Stands der Technik darstellt, ist daher nur im Kontext der konkreten Offenbarung dieses Dokuments zu beantworten. Ein ähnlicher Ansatz wurde in der Entscheidung T 1144/97 vom 5. Juni 2000 (siehe Punkte 5.1 bis 5.6 der Entscheidungsgründe) angewandt, die sich mit der Frage befasst, ob ein im Anspruch definierter Reinheitsgrad einem Polycarbonatdisk Neuheit verleihen kann.
12.4 Die Kammer verweist ebenfalls auf die Entscheidung T 1085/13 vom 9. November 2018, in der entschieden wurde, dass ein Anspruch, der eine Verbindung mit einem bestimmten Reinheitsgrad definiert, nur dann gegenüber einem Stand der Technik mit derselben Verbindung nicht neu ist, d.h. dass der definierte Reinheitsgrad kein Unterscheidungsmerkmal darstellt, wenn der beanspruchte Reinheitsgrad im Stand der Technik zumindest implizit offenbart ist, z. B. mithilfe eines Verfahrens zur Herstellung der Verbindung, das zwangsläufig zu dem beanspruchten Reinheitsgrad führt.
Auslegung des Anspruchs 1
13. Das aromatische Polycarbonat gemäß Hilfsantrag 1 soll nicht nur weniger als 5 ppm aromatische Chlorverbindungen und weniger als 0,5 ppm Dichlormethan enthalten, sondern auch weniger als 5 ppm einwertige Phenole und weniger als 0,5 ppm aromatische Verbindungen, die kein Chlor enthalten. Im Anspruch 2, der sich auf Anspruch 1 bezieht, wird ferner definiert, dass das aromatische Polycarbonat unter anderem weniger als 2 ppm Bisphenole enthalten muss. Da sich die Definition von aromatischen Verbindungen, die kein Chlor enthalten, mit den Definitionen eines einwertigen Phenols und eines Bisphenols überlappt, ist zunächst unklar, worauf sich die im vorliegenden Anspruch 1 definierte Menge an aromatischen Verbindungen, die kein Chlor enthalten, bezieht.
Da diese Mengendefinition nicht auf eine Änderung im Streitpatent zurückzuführen ist und somit im Einspruchs(beschwerde)verfahren nicht zu beanstanden (siehe G 3/14, ABl. EPA 2015, A102), ist eine Auslegung des Ausdrucks "aromatische Verbindungen, die kein Chlor enthalten" notwendig, um eine objektive Prüfung der erfinderischen Tätigkeit des im Anspruch 1 beanspruchten Gegenstands zu erzielen. Für eine solche Auslegung ist daher die Beschreibung des Streitpatents heranzuziehen, aus der gemäß Absatz [0015] zu entnehmen ist, dass diese nicht chlorierten aromatischen Verbindungen wie beispielsweise Benzol, Toluol, Ethylbenzol oder verschiedener Xylole darstellen. Wenn verwendet, werden diese aromatischen Verbindungen als Dämpfe in Polycarbonat-Lösungen in Dichlormethan eingedüst, um das Polycarbonat aus der Lösung zu isolieren, mit anschließender Verfestigung und Trocknung.
Ausführbarkeit
14. Gemäß Artikel 100 b) EPÜ kann der Einspruch darauf gestützt werden, dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift im vorliegenden Fall so zu verstehen, dass das aromatische Polycarbonat gemäß Anspruch 1, das lediglich durch einen maximalen Gehalt an bestimmten Verunreinigungen definiert wird, anhand der Lehre der Patentschrift und unter Mithilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand, wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört, vom Fachmann hergestellt werden kann.
14.1 Das Streitpatent lehrt, dass dieses Polycarbonat mittels dem Grenzflächenverfahren hergestellt werden kann, deren allgemeine Beschreibung in den Absätzen [0073] bis [0090] gegeben wird. Es ist nicht strittig, dass die Ursache für die Anwesenheit von einwertigen Phenolen im hergestellten Polycarbonat dem Fachmann bekannt ist und auf deren Verwendung als Kettenabbrecher für die Polymerisationsreaktion, d.h. Molekulargewichtregler, zurückzuführen ist (Absatz [0078] des Streitpatents; D5, Spalte 3, Zeilen 4-7; D7, Absatz [0069]). Dem Fachmann ist ebenfalls bekannt, dass Spuren von aromatischen Chlorverbindungen, Dichlormethan und aromatischen Verbindungen, die kein Chlor enthalten, im Polycarbonat auf Grund ihrer Verwendung als Lösungsmittel für die Polymerisation, bzw. den Isolierungsschritt, zu finden sind (Absätze [0002], [0006], [0015] des Streitpatents).
14.2 Aromatische Verbindungen, die kein Chlor enthalten, müssen für die Isolierung des Polycarbonats nicht unbedingt angewendet werden (vgl. Absatz [0015] des Streitpatents), so dass der Fachmann mühelos ein Polycarbonat mit einen Gehalt an solchen Verbindungen von weniger als 0,5 ppm herstellen kann. Dasselbe gilt für die Verwendung von Dichlormethan das nicht zwingend als Lösungsmittel bei der Herstellung von Polycarbonat verwendet werden muss (vgl. Absatz [0085] des Streitpatents).
14.3 Zur Bereitstellung des beanspruchten Polycarbonats, lehrt das Streitpatent des Weiteren, dass das sich in Lösung befindende Polycarbonat mit der Vorrichtung gemäß Streitpatent isoliert, bzw. entgast, werden kann, d.h. mittels einer Vorrichtung die, wie in D7 gelehrt wird, einen Fallrohrverdampfer und einen Schaumverdampfer enthält. Eine Lehre hinsichtlich der Verwendung dieser Module wird im Streitpatent durch mehrere Verweise auf ein Familienmitglied von D7 (Punkt 3.4 supra) und ein Familienmitglied von D8 (Absatz [0023]) gegeben.
14.4 Gemäß D7 ist der Entgasungserfolg in einem Schaumverdampfer von der Übersättigung der Polycarbonatschmelze mit flüchtigen Bestandteilen, inklusiv Schäumungsmittel, abhängig, wobei die Übersättigung die Differenz des Dampfdrucks aller flüchtigen Komponenten, inklusiv Schäumungsmittel, beim Eintritt in die Eintrittsöffnungen und im Entgasungsbehälter (als Abscheidebehälter auch bezeichnet) darstellt (D7, Absätze [0027] bis [0029]). In Anbetracht des empfohlenen Dampfdrucks des Schäumungsmittels für die am Eintritt in die Eintrittsöffnungen der Entgasungsstufe (c) herrschende Temperatur, nämlich bis 100 bar, (D7, Absatz [0038]) und des empfohlenen Dampfdrucks im Abscheidebehälter, der sogar einen Wert von 0,1 mbar betragen kann (D7, Absatz [0042]), ist es ersichtlich, dass die Entgasung einer Schmelze wie im Experiment 7 von D7 dargestellt, in der nur 7 ppm Chlorbenzol enthalten bleiben, verbessert werden kann.
Dies ist auch eindeutig aus der in Absatz [0037] von D7 empfohlenen Menge an Schäumungsmittel, die gegenüber dem Experiment 7 von D7 erhöht werden kann, da dem Fachmann bekannt ist, dass die maximal lösliche Menge eines Schäumungsmittels in der Schmelze durch eine Druckerhöhung erreicht werden kann (Absätze [0034] und [0036]).
14.5 Aus diesen Gründe ist es für die Kammer glaubwürdig, dass der Fachmann mittels eines Schaumverdampfers, deren Verwendung unter anderem durch einen Verweis im Streitpatent auf ein Familienmitglied von D7 erläutert wird, mit wenig Versuchen schon zur im vorliegenden Anspruch 1 angestrebten Entgasung einer Polycarbonatschmelze hinsichtlich Chlorbenzol gelangen würde. Daher ist es ebenfalls glaubwürdig, dass es dem Fachmann, mittels der patentgemäßen Vorrichtung, die einen solchen Schaumverdampfer enthält, die angestrebte Verflüchtigung von Chlorbenzol aus der Polycarbonatschmelze ohne unzumutbaren Aufwand gelingt.
Im Bezug auf einwertige Phenole, liegt es des Weiteren für den Fachmann auf der Hand, dass sich eine zu hohe Menge an einwertigen Phenolen im herstellten Polycarbonat vermeiden lässt, wenn sowohl ein einwertiges Phenol mit einem angemessenen Siedepunkt ausgewählt wird und seine verwendete Menge für die Synthese angepasst wird. Sollte sich auf dieser Basis den Gehalt an einwertigen Phenolen nicht unter dem im Anspruch 1 definierten Niveau erreichen lassen, erachtet die Kammer zu Gunsten der Patentinhaberin als glaubwürdig, insbesondere im Hinblick auf die Entgasungswirksamkeit eines Schaumverdampfers (Punkt 6.1 supra), dass der Fachmann unter Anwendung der patentgemäßen Vorrichtung, die ein solches Modul enthält, restliche Mengen an einwertigen Phenolen aus der Polycarbonatschmelze erfolgreich entgasen kann.
14.6 Die Ausführbarkeit des Produkts gemäß Anspruch 1 ist somit gegeben.
Erfinderische Tätigkeit
Nächstliegender Stand der Technik
15. Aus den in den Punkten 3, 3.2 und 3.3 angegebenen Gründe stellen ebenfalls die durch ein Phasengrenzflächenverfahren in D7 erhaltenen Produkte, die einen niedrigen Restgehalt an flüchtigen Substanzen enthalten, unter anderem das mit Experiment 7 von D7 erhaltene Polycarbonat mit einen Restgehalt an Monochlorbenzol von 7 ppm (Seite 8, Absätze [0090] bis [0093], [0095], [0097], [0098] und [0104]; Seite 9, Tabelle 1) einen geeigneten Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit des Produktanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 dar.
Unterscheidungsmerkmale
16. Im Hinblick auf den Absatz [0076] von D7, der eine Liste der Lösungsmittel, die im allgemein für die Polymerisationsreaktion verwendet werden können (unter anderem nicht chlorierte aromatische Verbindungen im Sinne des Streitpatents), beschreibt, und die konkreten Angaben betreffend das Experiment 7 (Absatz [0090] und Tabelle 1), kann aus D7 entnommen werden, dass das einzige verwendete und somit einzige zu entfernende Lösungsmittel im Experiment 7 Monochlorbenzol ist. Aus diesem Grund unterscheidet sich das Polycarbonat gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 vom nächstliegenden Stand der Technik durch einen Gehalt an aromatischen Chlorverbindungen von weniger als 5 ppm, aber nicht durch den Gehalt an Dichlormethan oder durch den Gehalt an aromatischen Verbindungen, die kein Chlor enthalten.
Hinsichtlich der Menge an einwertigen Phenolen im Polycarbonat des Experiments 7 von D7 ist es nicht strittig (vgl. Absätze [0007] und [0078] des Streitpatents), dass ihre Anwesenheit in einem durch Phasengrenzflächenverfahren erhaltenen Polycarbonat nur auf ihre Verwendung als Kettenabbrecher zurückzuführen sein kann (Punkt 14.1 supra). Die Frage, ob eine Menge an einwertigen Phenolen von weniger als 5 ppm im Polycarbonat vom nächstliegenden Stand der Technik auf Grund der relativ niedrigen Menge an Kettenabbrecher, die zu verwenden ist, zwangsläufig erhalten wird, wie von der Einsprechenden argumentiert wurde, oder diese gemäß der Meinung der Patentinhaberin ein weiteres Unterscheidungsmerkmal darstellt, ist wie unten gezeigt nicht entscheidungserheblich und kann somit dahingestellt bleiben.
Aufgabe und Erfolg der beanspruchte Lösung
17. Gemäß Vortrag der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung soll der Erfindung gegenüber dem Polycarbonat aus dem Experiment 7 von D7 die Aufgabe zugrunde liegen, ein aromatisches Polycarbonat mit verbesserten optischen Eigenschaften, insbesondere einem niedrigeren Yellowness Index (YI) bereitzustellen.
17.1 Hinsichtlich der Frage, ob diese Aufgabe als durch die beanspruchten Polycarbonate gelöst betrachtet werden kann, bezog sich die Patentinhaberin nur pauschal auf dieselben Experimente, die im Rahmen der Analyse der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Vorrichtung herangezogen wurden. Dieser von der Patentinhaberin herangezogene Vergleich bezieht sich aber auf einen entfernteren Stand der Technik, d.h. das Polycarbonat aus dem Vergleichsbeispiel 5 mit Produktschädigungen, die durch die Verwendung eines Extruders als alleiniges Modul zur Entgasung der Polycarbonatlösung, erhalten wurde, während gemäß D7 das Polycarbonat, erhalten nach Entgasung mittels eines Schaumverdampfers, keine Produktschädigungen aufweist (vgl. Punkte 6.2 bis 6.7 supra). Von der Patentinhaberin wurde daher experimentell nicht belegt, dass die beanspruchten Polycarbonate gegenüber dem, das im Experiment 7 von D7 mittels eines Schaumverdampfers erhalten wird, einen niedrigeren Yellowness Index (YI), bzw. bessere optische Eigenschaften, geschweige denn weniger Produktschädigung, aufweisen.
17.2 Ungeachtet dessen, ob die herangezogenen Experimente die Behauptung der Patentinhaberin untermauern können, sind die verschlechterten optischen Eigenschaften im Polycarbonat wie im Absatz [0002] des Streitpatents angegeben auf Fehlstrukturen, die durch thermische Schädigungen entstehen, und folglich nicht auf einen bestimmten Gehalt an Chlorverbindungen und/oder einwertigen Phenolen oberhalb der im Anspruch 1 definierten Grenzen, zurückzuführen. Mit anderen Worten können Polycarbonate, die mehr Verunreinigungen als im Anspruch 1 definiert enthalten, in Abhängigkeit der Entgasungsmethode, die für ihre Herstellung angewendet wurde, thermische Schädigungen oder keine aufweisen. Die bloße Definition im vorliegenden Anspruch 1 von maximalen Mengen an aromatischen Chlorverbindungen und einwertigen Phenolen kann daher nicht den Schluss erlauben, dass Polycarbonate mit weniger Produktschädigung als im nächstliegenden Stand der Technik erhalten werden.
17.3 Aus diesen Gründen ist die vorstehend in Punkt 17 supra angeführte Aufgabenstellung umzuformulieren. Ausgehend von Experiment 7 von D7 als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 somit lediglich die objektive Aufgabe zugrunde, weitere aromatische Polycarbonate bereitzustellen.
Naheliegen
18. Wie in obigen Punkt 6.1 dargestellt ist, ist es aus D7 implizit, dass der im Experiment 7 erhaltene Gehalt an flüchtigen Substanzen weiter gesenkt werden kann, so dass D7 dem Fachmann eine konkrete Anregung bietet, die unter Punkt 17.3 festgelegte Aufgabe durch eine Reduzierung der Konzentration an flüchtigen Substanzen im Polycarbonat zu lösen. Die im Anspruch 1 definierten Restmengen an Chlorbenzol und einwertigen Phenolen sind des Weiteren mit keinem technischen Effekt verbunden, so dass die Wahl dieser Mengen als willkürlich und somit für den Fachmann als naheliegend zu betrachten ist. Selbst wenn man zu Gunsten der Patentinhaberin das Argument, das im dritten Absatz im Punkt 3.1 des Schreibens vom 11. Oktober 2017 vorgebracht wurde, dass die beanspruchten Polycarbonate für Lebensmittelanwendungen besser geeignet sind, berücksichtigen würde, obgleich dieses Argument weder während der mündlichen Verhandlung, noch in weiteren schriftlichen Angaben, herangezogen wurde, wäre es für den Fachmann naheliegend, im Hinblick auf die bekannte Toxizität dieser Molekülen eine weitere Senkung ihres Gehalts in Polycarbonaten für Lebensmittelsanwendungen anzustreben.
18.1 Dennoch stellt sich die Frage, ob er ohne erfinderisches Zutun eine solche Reduzierung der Konzentration an flüchtigen Substanzen im Polycarbonat bewerkstelligen könnte. Als Möglichkeit, die Entgasung der Polymerschmelze zu verbessern, ist unter anderem im Absatz [0032] von D7 die mehrfach hintereinander durchgeführte Schaumentgasung, mit oder ohne Zugabe eines Schäumungsmittels, empfohlen. Darüber hinaus, wie in den Punkten 14.4 und 14.5 supra dargestellt wird, würde der Fachmann ausgehend von Experiment 7 von D7 und anhand der richtungsweisenden Angaben in diesem Dokument ohne unzumutbaren Aufwand zur angestrebten verbesserten Entgasung der Polycarbonatschmelze hinsichtlich Chlorbenzol gelangen.
18.2 Wie in Punkt 14.5 angegeben, ist es außerdem für den Fachmann naheliegend, dass sich eine zu hohe Menge an einwertigen Phenolen im herstellten Polycarbonat vermeiden lässt, wenn ein einwertiges Phenol mit einem angemessenen Siedepunkt ausgewählt wird und seine verwendete Menge für die Synthese angepasst wird. Sollte sich somit einen Gehalt an einwertigen Phenolen wie im Anspruch 1 des Streitpatents definiert von weniger als 5 ppm nicht erreichen, wäre als Folge erstens derselben in den Punkten 6.1, 6.2, 6.7 und 6.8 supra festgestellten Entgasungswirksamkeit eines Schaumverdampfers gemäß D7 und der patentgemäßen Vorrichtung und zweitens der Annahme zu Gunsten der Patentinhaberin für die Analyse der Ausführbarkeit (siehe Punkt 14.5 supra), dass sich einwertige Phenole aus der Polycarbonatschmelze mittels der patentgemäßen Vorrichtung erfolgreich verflüchtigen lassen, der Schluss zu ziehen, dass der Fachmann mittels des Schaumverdampfers aus D7 das gleiche Ergebnis erzielen kann.
18.3 Infolgedessen ist die Kammer der Überzeugung, dass der Fachmann ausgehend von Beispiel 7 von D7, anhand der richtungsweisenden Angaben in diese Dokument mit wenig Versuchen zur angestrebten verbesserten Entgasung der Polycarbonatschmelze gelangen würde.
19. Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Hilfsantrag 7
Erfinderische Tätigkeit
20. Die Definition des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 7 unterscheidet sich von der des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 6 dadurch, dass das aromatische Polycarbonat weniger als 0,01 ppm Tetrachlorkohlenstoff, weniger als 2 ppm Diarylcarbonate, weniger als 2 ppm Bisphenole, weniger als 0,05 ppm Alkalimetalle, weniger als 0,2 ppm Kresole und weniger als 200 ppm phenolische OH-Gruppen enthält. Es ist zu beantworten, ob diese Änderungen die für das Polycarbonat gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 festgestellte mangelnde erfinderische Tätigkeit beheben können.
21. Es wurde von keiner Partei vorgebracht, dass diese zusätzlichen Merkmale Anlass geben, einen anderen Stand der Technik als Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderische Tätigkeit in Betracht zu ziehen. Die Kammer sieht hierzu keinen Grund. Es ist ebenfalls für den Hilfsantrag 7 nicht entscheidungserheblich, wie in den Punkten 22.2 und 22.3 infra gezeigt wird, ob alle diese zusätzlichen Merkmale zwingend weitere Unterschiede gegenüber dem aromatischen Polycarbonat aus Experiment 7 von D7 darstellen. Die Frage, ob alle diese zusätzlichen Merkmale im Experiment 7 von D7 implizit offenbart werden, kann somit dahingestellt bleiben.
Aufgabe und Erfolg der beanspruchte Lösung
22. Die von der Patentinhaberin formulierte Aufgabe, die gegenüber dem Experiment 7 von D7 als gelöst gelten soll, ist durch diese hinzugefügten Merkmale unberührt, nämlich die Bereitstellung eines aromatischen Polycarbonats mit verbesserten optischen Eigenschaften, insbesondere einem niedrigeren Yellowness Index (YI), bereitzustellen. Hinsichtlich der Frage, ob diese Aufgabe tatsächlich gelöst ist, bezog sich die Patentinhaberin weiterhin auf dieselben Experimente, die, wie in Punkt 17.1 supra dargelegt ist, keinen Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik darstellen, sondern einen mit einem entfernteren Stand der Technik. Demzufolge vermag der von der Patentinhaberin herangezogene Vergleich den gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik behaupteten Vorteil der verbesserten optischen Eigenschaften nicht glaubhaft zu machen. Folglich, ausgehend von Experiment 7 von D7 als nächstliegendem Stand der Technik, liegt dem Streitpatent ebenfalls die objektive Aufgabe zugrunde, weitere aromatische Polycarbonate bereitzustellen.
Naheliegen
23. Es ist nicht strittig, dass es dem Fachmann wohl bekannt war, dass sowohl phenolische OH-Gruppen im Sinne des Streitpatents als auch die im vorliegenden Anspruch 1 zusätzlich genannten Verunreinigungen in aromatischen Polycarbonaten nicht erwünscht waren. Es wird in dieser Hinsicht auf die Beschreibung des Stands der Technik im Streitpatent verwiesen (Absätze [0008], [0009], [0012] und [0015]). Ferner sind die definierten Maximalmengen für diese Substanzen bzw. phenolische OH-Gruppen mit keinem technischen Effekt verbunden, so dass die Wahl dieser jeweiligen Maximalmengen als willkürlich und somit für den Fachmann als naheliegend zu betrachten ist.
Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Fachmann ohne erfinderisches Zutun in der Lage gewesen wäre, ein aromatisches Polycarbonat bereitzustellen, das die im Anspruch 1 genannten Verunreinigungen bzw. phenolische OH-Gruppen in dem Anspruch 1 definierten Maximalmengen enthält. Wie in den Punkten 18.1 bis 18.3 supra dargelegt, hätte der Fachmann ausgehend von D7 und anhand der richtungsweisenden Angaben in diesem Dokument ohne zumutbaren Aufwand ein aromatisches Polycarbonat, das weniger als 5 ppm aromatische Chlorverbindungen, weniger als 0,5 ppm Dichlormethan, weniger als 5 ppm einwertige Phenole und weniger als 0,5 ppm aromatische Verbindungen, die kein Chlor enthalten, bereitstellen können.
23.1 Die Antwort auf die Frage, ob der Fachmann auf die gleiche Weise ein aromatisches Polycarbonat hätte bereitstellen können, das die weiteren im Anspruch 1 definierten Bedingungen ebenfalls erfüllt, lässt sich unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Bedingungen beantworten:
Weniger als 0,01 Tetrachlorkohlenstoff
Gemäß Absatz [0014] des Streitpatents wird bei der Phosgenherstellung aus Chlor und Kohlenmonoxid, die für das Phasengrenzflächenverfahren erforderlich ist, eine ggf. vorkommende Nebenkomponente Methan bekannterweise zu Tetrachlorkohlenstoff umgesetzt. Aus den Absätzen [0014] (Spalte 4, Zeilen 22-29) und [0015] (Spalte 4, Zeilen 30 bis Spalte 5, Zeile 6) ist zu entnehmen, dass die Isolierungsmethode des Sprühverfahrens, bzw. des Eindüsens von Dämpfen von aromatischen, nicht chlorierten aromatischen Verbindungen, zu einer Anreichung an Tetrachlorkohlenstoff im Produktionskreislauf und somit zu einem hohen Gehalt, zum Beispiel 2 ppm, im Polycarbonat führt. Ob ein Gehalt an Tetrachlorkohlenstoff im Polycarbonat von weniger als 0,01 ppm zwingend erhalten wird, wenn das Polycarbonat wie im nächstliegenden Stand der Technik mittels Verdampfen des Lösungsmittels isoliert wird, ist weder aus dem Streitpatent noch aus D7 zu entnehmen.
Weniger als 2 ppm Diarylcarbonate
Die Parteien waren sich einig, dass die Anwesenheit von Diarylcarbonaten im Polycarbonat auf ihre Verwendung als Monomer im Umesterungsverfahren zurückzuführen ist (Absatz [0008] des Streitpatents) und somit, dass die Definition einer Menge an Diarylcarbonaten von weniger als 2 ppm keinen weiteren Unterschied zum nächstliegenden Stand der Technik, in dem das Polycarbonat mittels des Phasengrenzflächenverfahrens hergestellt wird, darstellt.
Weniger als 2 ppm Bisphenole
Es ist ebenfalls nicht strittig, dass die Ursache für die Anwesenheit von Bisphenolen in Polycarbonat auf ihre Verwendung für die Polycarbonatherstellung zurückzuführen ist. In den Beispielen von D7 wird als Bisphenol Bisphenol A verwendet (Absatz [0090]), dessen Gehalt in den hergestellten Polycarbonaten nicht offenbart wird. Da andere Bisphenole nicht erwähnt sind, besteht kein Grund zur Annahme, dass andere Bisphenole in den hergestellten Polycarbonaten zu finden sind.
Weniger als 0,05 ppm Alkalimetalle
Es ist auch nicht strittig, dass die Anwesenheit von Alkalimetallen in Polycarbonaten auf die Verwendung von Katalysatoren zur Herstellung des Polycarbonats durch das Umesterungsverfahren zurückzuführen ist (Absatz [0009] des Streitpatents). Die Anwesenheit dieser Verunreinigungen in einem Polycarbonat, das wie in D7 mittels des Phasengrenzflächenverfahrens hergestellt wird, ist daher nicht zu erwarten. Dies wird in Absatz [0073] von D7 bestätigt, wonach alle genannten Katalysatoren kein Alkalimetall enthalten.
Weniger als 0,2 ppm Kresole
Gemäß Streitpatent (Absatz [0012]) entstehen Kresole bei dem thermischen Abbau von Polycarbonaten. Aus D7 ist nicht zu entnehmen, ob und in welcher Anzahl Kresole in den mit den Experimenten von D7 hergestellten Polycarbonaten zu finden sind.
Weniger als 200 ppm phenolische OH-Gruppen
Analog zu Punkt 13 supra ist es notwendig im Kontext des erteilten Anspruchs 2 (entsprechend dem vorliegenden Anspruch 1) den unklaren Begriff "phenolische OH-Gruppen" auszulegen. In dieser Hinsicht wurde von den Parteien nicht bestritten, dass dieses Merkmal im Hinblick auf Absatz [0009] des Streitpatents keine flüchtigen Bestandteile, sondern die phenolischen OH-Endgruppen des Polycarbonats und somit ein Merkmal der Polymerketten definiert.
Im Absatz [0009] des Streitpatents wird des Weiteren angegeben, dass hohe Mengen an phenolischen OH-Endgruppen, die beispielsweise oberhalb von 200 ppm liegen, bei technisch hergestellten Polycarbonaten nach dem Umesterungsverfahren vorkommen. Beispiel 6 des Streitpatents, das auf Grund einer zu hohen Menge an freiem Phenol von 11 ppm kein Polycarbonat gemäß vorliegendem Anspruch 1 darstellt, zeigt, dass ein nach dem Phasengrenzflächenverfahren erhaltenes Polycarbonat ein Gehalt an phenolischen OH-Endgruppen von 170 ppm aufweist. Ob ein Gehalt an phenolischen OH-Endgruppen mit weniger als 200 ppm ebenfalls bei dem Polycarbonat aus den Experimenten von D7 erhalten wird, ist nicht bekannt.
23.2 Ungeachtet dessen, ob alle diese zusätzlichen in Anspruch 1 definierten Bedingungen weitere Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem im Experiment 7 von D7 erhalten Polycarbonat darstellen, ist folgendes festzustellen:
Aufgrund der, wie in Punkt 23.1 supra dargestellt, für den Fachmann bekannten Ursache für die im Anspruch 1 definierten Verunreinigungen, bzw. phenolische OH-Endgruppen, deren im Anspruch 1 festgelegten Maximumgehalt von ihm ersucht wird, wäre es für ihn naheliegend gewesen, sowohl auf die Herstellung der Polycarbonatlösung, als auch auf das Verfahren zur Isolierung des Polycarbonats zu achten.
Gemäß Streitpatent wird die Polycarbonatlösung anhand der allgemeinen Lehre aus den Absätzen [0073] bis [0090] hergestellt. Eine spezifischere Lehre hinsichtlich der Möglichkeit, den Gehalt an phenolischen OH-Endgruppen oder den Gehalt an den in Anspruch 1 definierten Verunreinigungen (Tetrachlorkohlenstoff, Bisphenole, Alkalimetalle), die Unterscheidungsmerkmale gegenüber den Polycarbonaten aus D7 darstellen können, durch Anpassung des Verfahrens zur Herstellung der Polycarbonatlösung einzustellen, ist aus dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Die Kammer stellt aber fest, dass die in D7 angegebene Lehre zur Herstellung der Polymercarbonatlösung (Absätze [0064] bis [0081]) derjenigen aus dem Streitpatent entspricht.
Im Hinblick auf Punkte 6.1 bis 6.8 supra, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass die Verwendung einer Vorrichtung gemäß Streitpatent gegenüber der Vorrichtung aus D7 zu einem weiter abgesenkten Gehalt an flüchtigen Substanzen des Polycarbonats, geschweige denn zu einer verringerten Produktschädigung des Polycarbonats, führt. Unter diesen Umständen ist die Fähigkeit dieser beiden Vorrichtungen, eine wirksame Entgasung der Polycarbonatschmelze zu erreichen, ohne einen thermischen Abbau des Polycarbonats, insbesondere ohne die Entwicklung von Kresolen, herbeizuführen, als gleichwertig zu betrachten.
Angesicht der identischen Lehre zur Herstellung der Polycarbonatlösung und der festgestellten Gleichwertigkeit der Vorrichtungen des nächstliegenden Stands der Technik und der des Streitpatents, um das Polycarbonat nicht nur zu entgasen, sondern es auch ohne Produktschädigungen herbeizuführen, kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, dass die von der Patentinhaberin vorgetragene Ausführbarkeit des Polycarbonats gemäß Anspruch 1 die Fähigkeit für den Fachmann auf Basis des allgemeinen Fachwissens und anhand von zumutbaren Experimenten die lückenhafte Information im Streitpatent zu schließen voraussetzt.
23.3 Folglich ist die Kammer der Überzeugung, dass eine zu Gunsten der Patentinhaberin anerkannte Ausführbarkeit des Polycarbonats gemäß Anspruch 1 nur zu dem Schluss führen kann, dass der Fachmann ausgehend von Beispiel 7 von D7, anhand der Lehre in diesem Dokument zur Herstellung der Polycarbonatlösung und ihrer Entgasung und unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens mit zumutbaren Experimenten in der Lage gewesen wäre, ein aromatisches Polycarbonat gemäß Anspruch 1 bereitzustellen.
23.4 Aus den vorstehend genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich die Lösung der technischen Aufgabe, wie in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 vorgeschlagen ist, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
24. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Demzufolge ist der Hilfsantrag 7 nicht gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.