European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T081717.20211129 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 November 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0817/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 13175962.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G21F 5/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Transport- und/oder Lagerbehälter | ||||||||
Name des Anmelders: | GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | TN International | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zurückverweisung - wesentlicher Mangel im Verfahren vor der ersten Instanz (nein) Beschwerdebegründung - vollständiges Beschwerdevorbringen eines Beteiligten Änderung des Beschwerdevorbringens - rechtfertigende Gründe des Beteiligten (nein) Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein) Neuheit - Hauptantrag (nein) Spät eingereichte Hilfsanträge |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das Europäische Patent Nr. 2 824 670 wurde Einspruch eingelegt. Der Einspruch stützt sich auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ.
II. Die Einspruchsabteilung entschied, das Patent zu widerrufen, wegen mangelnder Neuheit gegenüber
D1: DE 10 2004 036 788 B3.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Sie beantragte, die Entscheidung aufzuheben und das Patent unter Zurückweisung des Einspruchs in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), hilfsweise gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 - 4.
IV. Die Einsprechende beantragte als Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen. Der Hauptantrag sei nicht gewährbar, da nicht ausführbar und nicht neu, beziehungsweise nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Die Hilfsanträge seien unter Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht im Verfahren zuzulassen. Für den Fall, dass die Hilfsanträge zugelassen würden, wurde eine Rückverweisung an die Einspruchsabteilung beantragt. Falls dem nicht entsprochen werden sollte, wurde weiter beantragt, die Hilfsanträge wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht zu gewähren.
V. Auf die Beschwerdeerwiderung hat die Patentinhaberin in zwei Repliken reagiert. In der zweiten Replik, also etwa zwei Jahre nach der Beschwerdeerwiderung, machte die Patentinhaberin erstmals geltend, dass ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Es sei im Einspruchsverfahren eine Entscheidung ergangen, ohne der Patentinhaberin die Gelegenheit gegeben zu haben, ein zweites Mal gehört zu werden. Es wurde deshalb hilfsweise eine Rückverweisung an die Einspruchsabteilung beantragt.
VI. In ihrer mit Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangenen Mitteilung unterrichtete die Beschwerdekammer die Parteien von ihrer vorläufigen Meinung. Sie sehe die Erfindung zwar als ausführbar an, nicht jedoch als neu gegenüber D1. Außerdem seien die Hilfsanträge voraussichtlich nicht zuzulassen, da sie bereits im Einspruchsverfahren hätten eingereicht werden sollen. Außerdem beruhten sie, prima facie, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1.
VII. In Antwort auf die Mitteilung der Kammer erklärte die Patentinhaberin die Rückverweisung an die Einspruchsabteilung zu ihrem vorrangigen Antrag. Die Zurückweisung des Einspruchs, und damit die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (der Konsistenz halber im Folgenden weiter als Hauptantrag bezeichnet), sei der erste nachrangige Antrag, die Aufrechterhaltung gemäß eines der weiterhin als Hilfsanträge 1 - 4 bezeichneten Anspruchssätze sei weiter nachrangig.
VIII. Eine mündliche Verhandlung fand in Form einer Videokonferenz statt. Zu Beginn der Verhandlung zweifelte die Patentinhaberin die Einsprechendenstellung der Einsprechenden an, und beantragte den Ausschluss der für die Einsprechende am Verfahren teilnehmenden Vertreter. In Erwiderung reichte die Einsprechende die folgenden Unterlagen ein:
E1: "Extrait du procés-verbal de l'assemblée générale extraordinaire du 15 octobre 2020": Ein Auszug aus dem Protokoll der außerordentlichen Generalversammlung vom 15. Oktober 2020 der Firma TN International,
E2: "Extrait Kbis Orano NPS": Ein Auszug aus dem Haupteintrag im französischen Handels- und Gesellschaftsregister vom 27. November 2020 betreffend die Firma "Orano Nuclear Packages and Services", sowie
E3 - E6: "Notification S63064 / S63891 / S64067 / S64589": Bestätigungen des EPA der Namensänderung des Anmelders bzw. Inhabers in "Orano Nuclear Packages and Services" betreffend vier Europäische Patentanmeldungen bzw. Patente.
IX. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
Transport- und/oder Lagerbehälter mit einem Behälterinnenraum (1) zur Aufnahme von radioaktivem Inventar,
wobei der Behälter mit einem Behälterboden (2), einem Behältermantel (3) und einer Behälterdeckelanordnung (4) ausgestattet ist,
wobei die Behälterdeckelanordnung (4) einen Behälterhauptdeckel (5) aufweist, der - insbesondere über Schraubverbindungen - fest mit dem Behältermantel (3) verbunden ist,
wobei die Behälterdeckelanordnung (4) fernerhin einen zwischen Behälterhauptdeckel (5) und Inventar angeordneten Inventardeckel (7) aufweist, welcher Inventardeckel (7) mit dem Behältermantel (3) verbunden ist,
wobei der Inventardeckel (7) insbesondere zur Vermeidung oder Reduzierung von aus dem Behälterinnenraum (1) auf den Behälterhauptdeckel (5) einwirkenden Lasten dient,
wobei der Inventardeckel (7) schraubverbindungsfrei und stoffschlussverbindungsfrei über zumindest eine Formschlussverbindung mit dem Behältermantel (3) verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
ein ringförmiges Formschlusselement (9) zur Realisierung der Formschlussverbindung in eine ringförmige Formschlussnut (10) im Behältermantel (3) eingreift und
wobei das ringförmige Formschlusselement (9) aus mehreren sich zum Ring ergänzenden teilringförmigen Formschlusselementabschnitten (11) besteht, welche Formschlusselementabschnitte (11) im montierten Zustand des Behälters spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander anliegen und sich zum Ring ergänzen.
X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nimmt eine Anpassung der zweiteiligen Form vor und fügt dem Anspruch 1 des Hauptantrags das Merkmal hinzu, wonach
... das Formschlusselement (9) zumindest eine Aufnahmeausnehmung (12) des Inventardeckels (7) einfasst.
XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 das Merkmal hinzu,
... wobei die Aufnahmeausnehmung (12) nach oben zum Behälterhauptdeckel (5) hin offen ausgebildet ist.
XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 das Merkmal hinzu,
... wobei zumindest ein Halteelement (4) vorgesehen ist, um das Formschlusselement (9) in der Formschlussnut (10) zu halten.
XIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 das Merkmal hinzu,
... wobei das Halteelement (14) in der Aufnahmeausnehmung (12) des Inventardeckels (7) angeordnet ist.
XIV. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Dokumente E1 - E6 belegten, dass die Einsprechende im November 2020 ihren Namen von "TN International" zu "Orano Nuclear Packages and Services" (Orano NPS) geändert habe. Die Namensänderung erfordere keine Rechtsübertragung und ändere nichts an der Einsprechendenstellung. Die Restrukturierung des Konzerns Areva in den Jahren 2016 - 2018 und dessen Aufspaltung in die Orano Group und Framatome "TN International" sei davon unabhängig. "TN International" sei Teil der Orano Group gewesen, und verbleibe auch unter dem Namen Orano NPS Teil derselben.
b) Ein wesentlicher Verfahrensmangel liege nicht vor. Eine Zurückverweisung nach Artikel 11 VOBK 2020 sei deshalb unangebracht. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung erging 15 Monate nach Einlegen des Einspruchs. Die Entscheidungsgründe basierten auf dem Vorbringen in der Einspruchsbegründung. Die Patentinhaberin hätte deshalb bereits in Erwiderung auf den Einspruch die Hilfsanträge vorlegen können und sollen. Dadurch, dass die Patentinhaberin keine mündliche Verhandlung beantragt und keine Hilfsanträge eingereicht habe, habe sie implizit darauf verzichtet, das Patent in geänderter Form zu verteidigen. Ein Versäumnis der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren könne nicht zu Lasten der Einsprechenden im Beschwerdeverfahren behoben werden.
c) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber D1. D1 offenbare auch das einzig strittige Merkmal, wonach die Formschlusselementabschnitte "spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander anliegen". Nach einer ersten Argumentationslinie sei der Ausdruck "bzw." mehrdeutig und damit unklar. Nach der Entscheidung T 1049/99 könne ein unklares Merkmal keine Neuheit begründen. Nach einer zweiten Argumentationslinie definiere das Merkmal zwei Optionen: eine spaltfreie Anordnung und eine im Wesentlichen spaltfreie Anordnung. Die lediglich im Wesentlichen spaltfreie Anordnung sei durch die Absätze [0013] und [0015] der Patentschrift gestützt. Dort würden Formschlusselemente beschrieben, die lediglich über einen Teil des Innenumfangs des Behältermantels oder den Außenumfang des Inventardeckels umliefen. Die Patentschrift stütze hingegen keine spezifischen Ausgestaltungen, bei denen nur einer der Übergänge zwischen mehreren Formschlusselementabschnitte einen Spalt aufweise, oder in denen die Abschnitte nur in jeweils einem Punkt aneinander stießen. Das Dokument D1 offenbare in den Absätzen [0014] und [0024], dass sich die Formschlusselementabschnitte (in D1: Keilringelemente) "zu einem vollständigen Keilring ergänzen". Wie im Anspruch gebe es in D1 zwei Ausführungsbeispiele, bei denen sich drei Keilringelemente "jeweils über einen Winkelabschnitt von 120°; bzw. etwa 120°" erstreckten, wobei "bzw." als "oder" zu verstehen sei. Es sei also auch in D1 sowohl eine spaltfreie als auch eine im Wesentlichen spaltfreie Anordnung offenbart.
d) Die Hilfsanträge 1 - 4 seien nicht zulässig. Während des Einspruchsverfahren hätten sich die in der Einspruchsschrift vorgetragenen Einspruchsgründe und dazugehörigen Argumente nicht verändert. Es habe deshalb keine Änderung des Sachverhalts gegeben, die gegebenenfalls eine verspätete Einreihung von Hilfsanträgen hätte rechtfertigen können. Die Patentinhaberin hätte demnach die Hilfsanträge bereits in ihrer Einspruchserwiderung vorlegen müssen, spätestens jedoch innerhalb der 15 Monate, die bis zum Ergehen der Entscheidung vergingen. Deshalb müssten die erst mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 - 4 nach Artikel 12(4) VOBK 2007 unberücksichtigt bleiben.
XV. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Einsprechende "TN International" existiere nicht mehr. Dies ergebe sich aus dem Internet und daraus, dass die angeblichen Vertreter der Einsprechenden die sich von der Firma TN International unterscheidende Firma Orano zu vertreten. Die Firma, bzw. der Konzern Orano habe sich aus der Zerschlagung des Konzerns Areva in Orano und Framatome ergeben. Der Zusammenhang mit "TN International" sei nicht klar. Aus dem Namenseintrag im Handelsregister Versailles gehe eine Unternehmensaufspaltung in "Orano NPS" und "TN Niger" hervor. Bei einer Unternehmensaufspaltung sei nach T 445/16 und G 4/88 jedoch nachzuweisen, auf welchen Nachfolger die Einsprechendenstellung übergegangen sei. Dies gehe jedoch aus den eingereichten Unterlagen nicht hervor. Die angeblichen Vertreter der Einsprechenden seien deshalb vom weiteren Verfahren auszuschließen.
b) Der Fall sei nach Artikel 11 VOBK 2020 an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, da ihr ein schwerwiegender Verfahrensfehler unterlaufen sei. Im Sinne der Gleichbehandlung seien jeweils beiden Parteien gleich oft anzuhören, wie dies auch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, unter Punkt IV.C.6.1 vorsieht. Die Einsprechende sei nach der Einspruchserwiderung der Patentinhaberin mit Frist zu einer zweiten Stellungnahme aufgefordert worden. Dazu sei eine Frist von 4 Monaten eingeräumt worden, die anschließend um 2 Monate verlängert worden sei. Die Patentinhaberin sei daraufhin nicht zu einer zweiten Stellungnahme aufgefordert worden. In Abwesenheit einer Frist sei sie davon ausgegangen, dass sie nun ebenfalls mindestens 6 Monate Zeit zu einer zweiten Stellungnahme haben werde. In dieser Zeit begann sie bereits, eine Erwiderung vorzubereiten. Der Möglichkeit, ebenfalls zum zweiten Mal Stellung zu nehmen, sei die Patentinhaberin jedoch ungerechtfertigter Weise entraubt worden. Das geschah dadurch, dass bereits nach 4,5 Monaten direkt eine Entscheidung erging, ohne eine vorläufige Stellungnahme der Einspruchsabteilung. Der Grundsatz der Gleichbehandlung sei damit verletzt.
c) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei neu. D1 offenbare weder eine spaltfreie noch eine im Wesentlichen spaltfreie Anordnung, bei der die Formschlusselementabschnitte aneinander anliegen. Das letzte Anspruchsmerkmal sei so zu verstehen, dass die Abschnitte in jedem Fall aneinander anliegen, sich also berühren müssten. Dabei könne zwischen den Abschnitten entweder überhaupt kein Spalt vorhanden sein, oder aber ein kleiner, beispielsweise keilförmiger Spalt, bei dem sich die Abschnitte jedoch noch in mindestens einem Punkt berührten, etwa an der radial außen liegenden Seite. Sämtliche Abschnitte würden auch dann (in einer Reihe) aneinander anliegen, wenn sich der Ring nicht ganz schlösse, und zwischen dem ersten und letzten Abschnitt ein Spalt verbliebe. In D1 läge hingegen keines der drei in Figur 3 gezeigten Keilringelemente an einem anderen an. Vielmehr seien deutlich sichtbare Spalte zwischen allen Keilringelementen zu erkennen. Der Absatz [0024] in D1 offenbare zwar, dass sich die Keilringelemente zu einem vollständigen Ring ergänzten und beispielsweise aus drei Elementen bestehen könnten, die sich "jeweils über einen Winkelabschnitt von 120° bzw. etwa 120°" erstreckten. Allerdings beziehe sich dieser Absatz auf das einzige Ausführungsbeispiel und sei deshalb im Hinblick auf die Figur 3 zu interpretieren. Danach verblieben in jedem Fall relativ große Lücken zwischen den sich nirgends berührenden Keilringelementen 11, auch bei einer nur kleinen Abweichung von 120°. Auch der Absatz [0014] gehe nicht über die Offenbarung des Absatzes [0024] hinaus und sei ebenso zu interpretieren.
d) Die Hilfsanträge 1 - 4 seien zuzulassen. Sie seien eine direkte Reaktion auf den Einwand der mangelnden Neuheit. Sie seien auch vorhersehbar, da sie auf den abhängigen Ansprüchen 6 und 7 basierten, die im Einspruchsverfahren nur sehr oberflächlich angegriffen wurden. Außerdem seien sie konvergent und prima facie gewährbar, da sie auf einem Alleinstellungsmerkmal der Erfindung aufbauten. Die Hilfsanträge hätten auch nicht früher eingereicht werden können oder sollen. Ein sofortiges Einreichen mit der Einspruchserwiderung hätte die Stellung der Patentinhaberin geschwächt. Ein späteres Einreichen jedoch, was die Patentinhaberin bereits vorbereitet hatte, sei ja gerade durch den Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung unmöglich gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Einsprechendenstellung
2. Das von der Einsprechenden zu Beginn der mündlichen Verhandlung vorgelegte Dokument E1 belegt, dass in einer Generalversammlung der "TN International" vom 15. Oktober 2020 beschlossen wurde, den Firmennamen in "Orano Nuclear Packages and Services" zu ändern.
3. Das Dokument E2 belegt, dass am 27. November 2020, also einen guten Monat später, der neue Firmenname im Handels- und Gesellschaftsregister Versailles eingetragen wurde.
4. Damit ergibt sich, dass die Einsprechende "TN International" weiterhin existiert, wenn auch unter dem geänderten Namen "Orano Nuclear Packages and Services". Die Einsprechendenstellung ging somit nie verloren. Es ist dabei unerheblich, dass die Namensänderung bisher nicht beim EPA beantragt wurde.
5. Das Handels- und Gesellschaftsregister informiert auch über eine Abspaltung der Firma "TN Niger", die am 9. November 2020 vollzogen wurde, also noch vor der Namensänderung der "TN International". Dies hat jedoch entgegen den Bedenken der Patentinhaberin keinen Einfluss auf die Einsprechendenstellung.
Verfahrensfehler der Erstinstanz
6. Nach Artikel 12(3) VOBK 2020 muss die Beschwerdebegründung das vollständige Beschwerdevorbringen des Patentinhabers enthalten. Ein wesentlicher Verfahrensmangel wurde von der Patentinhaberin jedoch erst mit Schreiben vom 29. November 2019, also mehr als zwei Jahre nach der Beschwerdebegründung in einer zweiten Replik auf diese, geltend gemacht. Das Argument, den Fall erst einmal rein inhaltlich diskutieren zu wollen, kann das verspätete Einreichen nicht rechtfertigen. Deshalb wird dieser Einwand nach Artikel 13(1) VOBK 2020 nicht berücksichtigt.
7. Ungeachtet dessen liegt auch kein Verfahrensfehler vor, wie im Folgenden gezeigt wird.
8. Im Einspruchsverfahren reichte die Patentinhaberin fristgerecht eine Einspruchserwiderung ein. Darin beschränkte sie sich auf eine Verteidigung des Patents in seiner erteilten Fassung. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.
9. Die Einsprechende wurde daraufhin per Formblatt, unter Verweis auf Regel 79(3) EPÜ, von der Einspruchsabteilung aufgefordert, innerhalb von 4 Monaten auf die Einspruchserwiderung zu reagieren. Dem kam die Einsprechende am 5. Oktober 2016 nach, nach einem gewährten Fristaufschub von zwei Monaten.
10. Die Patentinhaberin wurde am 12. Oktober 2016 über die Stellungnahme der Einsprechenden informiert. Eine Aufforderung zu einer weiteren, zweiten Stellungnahme der Patentinhaberin erging nicht.
11. Gute viereinhalb Monate später, am 6. März 2017, erging die Entscheidung der Einspruchsabteilung.
12. Die Patentinhaberin bemängelt, dass sie nur eine Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt, während die Einsprechende explizit zu einer zweiten Stellungnahme aufgefordert worden sei. Sie bemängelt ebenfalls, dass die Einsprechende für ihre zweite Stellungnahme 6 Monate Zeit bekommen habe, während ihr bereits nach viereinhalb Monaten die Möglichkeit zur Stellungnahme durch das Ergehen der Entscheidung genommen worden sei. Dadurch sei die in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern unter dem Abschnitt IV.C.6.1 festgehaltene Pflicht der Einspruchsabteilung verletzt, beide Seiten gleich oft zu einer Stellungnahme aufzufordern und anzuhören. Die Patentinhaberin führt an, dass sie in gutem Glauben an den üblichen Verfahrensablauf zum Zeitpunkt der Erteilung bereits mit der Vorbereitung von Hilfsanträgen beschäftigt gewesen sei.
13. Diese Argumente sind nicht überzeugend. Ohne den Antrag auf eine mündliche Verhandlung ist eine schriftliche Entscheidung zu Ungunsten der Patentinhaberin grundsätzlich jederzeit möglich. Eine vorläufige Stellungnahme der Einspruchsabteilung nach Artikel 101(1) EPÜ ergeht nur, wenn die Einspruchsabteilung dies als notwendig ansieht (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, Abschnitt IV.C.6.2).
14. Nach Artikel 101 und Regel 79 EPÜ fordert die Einspruchsabteilung die Parteien "so oft wie erforderlich" zu einer Stellungnahme auf, "wenn sie dies für sachdienlich erachtet". Um den Grundsatz der Gleichbehandlung zu wahren, bedeutet dies in den meisten Fällen, dass beide Parteien gleich oft zu einer Stellungnahme aufgefordert werden. Insbesondere trifft das auf den Fall zu, in dem sich der Sachverhalt des Verfahrens ändert (siehe dazu den von der Patentinhaberin zitierten Abschnitt IV.C.6.1 der 9. Auflage der Rechtsprechung).
15. Beide Parteien gleich oft zur Stellungnahme aufzufordern ist jedoch keine allgemeingültige, vom Inhalt der Stellungnahme unabhängige Vorschrift, die das nach Artikel 101(1) und Regel 79(3) EPÜ verliehene Ermessen der Einspruchsabteilung außer Kraft setzen würde. Falls beispielsweise eine Partei lediglich anführen würde, dass sie nichts weiter zu sagen habe, wäre eine weitere Stellungnahme der anderen Partei nicht in jedem Fall sachdienlich.
16. Im vorliegenden Fall wurde durch die Antwort der Einsprechenden auf die Einspruchserwiderung kein neuer Sachverhalt eingeführt. Es wurde darin lediglich das bereits im Einspruchsschriftsatz angeführte Neuheitsargument ausgehend von D1 wiederholt und präzisiert. Da sich die Patentinhaberin zu diesem Argument in ihrer Einspruchserwiderung bereits geäußert hatte, ist verständlich, dass die Einspruchsabteilung von einer weiteren Aufforderung zur Stellungnahme an die Patentinhaberin abgesehen hat.
17. Die Patentinhaberin wurde durch die Zustellung eines Formblatts von der Eingabe der Einsprechenden informiert. Die Einspruchsabteilung ließ daraufhin einen Zeitraum von viereinhalb Monaten verstreichen, bevor sie die Erteilung erließ. Angesichts dessen, dass der Einsprechenden vorher eine Frist von 4 Monaten zur Antwort gesetzt wurde, ist dieser Zeitraum ausreichend lang, dass die Patentinhaberin darin eine Erwiderung hätte einreichen können, oder zumindest ein solches Vorhaben hätte bekanntgeben können (siehe dazu die Rechtsprechung, IV.C.6.4).
18. Es ist deshalb kein Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung erkennbar. Eine Zurückverweisung an die Erstinstanz aufgrund eines wesentlichen Verfahrensmangels nach Artikel 11 VOBK 2020 ist deshalb nicht gerechtfertigt.
Hauptantrag - Auslegung Anspruch 1
19. Anspruch 1 definiert in seinem kennzeichnenden Teil, dass teilringförmige Formschlusselementabschnitte
... im montierten Zustand des Behälters spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander anliegen und sich zum Ring ergänzen.
20. Es ist allein die Auslegung dieses einen Merkmals, insbesondere des Ausdrucks "im Wesentlichen spaltfrei aneinander anliegen", die zu den unterschiedlichen Ansichten über Neuheit gegenüber D1 führt. Dass D1 alle weiteren Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, ist unbestritten.
21. Der Anspruch ist nicht isoliert zu verstehen. Vielmehr ist die Beschreibung, in einem beschränkten Ausmaß, zur Auslegung des Anspruchs heranzuziehen. Eine einschränkende Lehre in der Beschreibung kann zwar den Gegenstand eines Anspruchs, wie er sich aus dem Anspruch selbst ergibt, normalerweise nicht einschränken. Jedoch kann eine breite Definition eines Merkmals oder Begriffs in der Beschreibung durchaus einen verbreiternden Einfluss auf denselben Begriff im Anspruch haben. Solche Begriffe sollten im Anspruch nicht enger ausgelegt werden, als die Beschreibung sie definiert. Außerdem ist auch davon auszugehen, dass die Ansprüche durch die Beschreibung gestützt sind (Artikel 84 EPÜ).
22. Die Beschreibung der vorliegenden Patentschrift beschäftigt sich mit Behältern für radioaktives Material. Die Behälter sollen auch dann zuverlässig dichthalten, wenn sie kopfüber auf den Boden prallen. Bei einem solchen Aufprall kann das Inventar von innen gegen den Deckel geschleudert werden und dabei erhebliche Kräfte entfalten. Um diese Kräfte vom Hauptdeckel fernzuhalten, ist ein zusätzlicher Inventardeckel vorgesehen. In einem empfohlenen Ausführungsbeispiel ist ein in mehrere teilringförmige Abschnitte geteiltes, ringförmiges Formschlusselement vorgesehen, um die beim Aufprall entstehenden Lasten möglichst gleichmäßig über den gesamten Umfang in den Mantel des Behälters abzuleiten (Absätze [0001] - [0006] der Patentschrift).
23. Das empfohlene Ausführungsbeispiel ist anhand der Figuren 1 - 3 beschrieben (siehe insbesondere den Absatz [0031]). Danach besteht das Formschlusselement 9 aus vier "sich zum Ring ergänzenden teilringförmigen" Formschlusselementabschnitten 11. Diese
... liegen im montierten Zustand im Ausführungsbeispiel spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander an. Die Verlängerung der dabei aneinander angrenzenden Stirnflächen/Stoßflächen dieser Formschlusselementabschnitte 4 verläuft empfohlenermaßen und im Ausführungsbeispiel [radial] durch die Längsmittelachse L des Behälters.
24. Absatz [0031] der Patentschrift beschreibt des Weiteren, in Übereinstimmung mit Absatz [0018], wie die Formschlusselementabschnitte 11 montiert werden:
Zur Montage des Formschlusselementes 9 können zweckmäßigerweise die einzelnen Formschlusselementabschnitte 11 in die Aufnahmeausnehmung 12 des Inventardeckels 7 eingelegt werden und dann radial nach außen in die Formschlussnut 10 des Behältermantels 3 eingeschoben werden.
Dabei sind die Formschlusselementabschnitte "ohne Spiel bzw. lediglich mit geringem Spiel" in die Formschlussnut eingelassen.
25. Es folgt aus der empfohlenen Montage und aus den radial verlaufenden Stirnflächen der Abschnitte 11 zwangsläufig, dass zwischen den Abschnitten nach dem radialen Einschieben aus der Aufnahmeausnehmung 12 in die Nut 10 jeweils ein durchgehender Spalt vorhanden ist. Ein anschließendes Verschieben in Umfangsrichtung könnte eventuell dafür sorgen, dass statt vier Lücken nur eine einzige Lücke vorhanden ist. Die solcherart mit Lücke(n) montierten Abschnitte liegen nach Definition des Absatzes [0031] "spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander an", und zwar "ohne Spiel bzw. mit sehr geringem Spiel".
26. Die Fachperson versteht die Lehre der Beschreibung folglich so, dass sich das Formschlusselement zu einer gleichmäßigen Kraftübertragung möglichst über den gesamten Umfang des Behältermantels erstrecken sollte. Ein Formschlusselement mit einer oder mehreren Lücken, die im Vergleich zum Gesamtumfang so klein sind, dass sie die Funktion der gleichmäßigen Kraftübertragung nicht wesentlich ändern, liegen dabei "spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander an".
27. Die identische Formulierung im Anspruch muss deshalb entsprechend der Lehre der Beschreibung ausgelegt werden. Der Anspruch umfasst somit Formschlusselemente, die Lücken aufweisen, die im Vergleich zum Gesamtumfang so klein sind, dass sie eine gleichmäßige Kraftübertragung vom Inventardeckel auf den Mantel nicht wesentlich beeinträchtigen.
28. Laut Patentinhaberin könne die Formulierung "aneinander anliegen" im umstrittenen Merkmal nicht einfach ignoriert werden. Die Merkmalsformulierung fordere, dass die Formschlusselementabschnitte solcherart (in einer Reihe) aneinander anlägen, dass sie sich in jeweils mindestens einem Punkt berührten. Auch wenn ein einzelner Spalt zwischen zwei Abschnitten vorhanden wäre, würden trotzdem noch sämtliche Abschnitte in einer Reihe aneinander anliegen, die nur eben nicht zu einem Ring geschlossen sei. Das Berühren der Abschnitte könne beispielsweise in einem Punkt am radial außen liegenden Teil der Formschlusselemente geschehen, von wo aus sich ein keilförmiger Spalt zum radial innen liegenden Teil erstrecken könne. Des Weiteren sei bei einer besonderen Ausgestaltung der Abschnitte auch eine völlig spaltfreie Montage möglich, wenn die Abschnitte nicht gleichzeitig, sondern nacheinander in die Nut eingeschoben würden.
29. Diese Argumente überzeugen nicht. Der Anspruch definiert keine durch einen Spalt unterbrochene Reihe von Formschlusselementabschnitten. Er definiert vielmehr, dass sich die Abschnitte zu einem Ring ergänzen, indem sie (alle) spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander anliegen. Selbst wenn also das empfohlene Ausführungsbeispiel nur einen einzigen Spalt implizieren würde (was es nicht tut), wäre das durch den Spalt getrennte Aneinanderliegen auch als "im Wesentlichen spaltfrei" bezeichnet. Der Anspruch umfasst deshalb sowohl ein Anliegen von Abschnitten mit einem Spalt als auch mit mehreren Spalten. Es ist dabei unerheblich, ob spezielle, in der Patentschrift nicht beschriebene Ausgestaltungen der Abschnitte und spezielle Montagetechniken zu einem völlig berührenden Aneinander Liegen führen können. Es ist unbestritten, dass der Anspruchsgegenstand solche Ausführungen ebenfalls umfasst. Von Relevanz ist allein, dass das empfohlene, anhand der Figuren beschriebene Ausführungsbeispiel eine Ausgestaltung (radiale Endflächen) und Montage (radiales Einschieben von innen) der Abschnitte beschreibt, die notwendigerweise zu Lücken (und zu "geringem Spiel") führt. Diese Ausgestaltung ist so beschrieben, dass die Abschnitte "spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander anliegen". Deshalb muss die Anspruchsformulierung so ausgelegt werden, dass sie dieses Beispiel umfasst.
30. Unter der oben dargelegten Lesweise ist das strittige Merkmal auch nicht mehrdeutig, wie von der Einsprechenden behauptet. Die dazu zitierte Entscheidung T1049/99 Composition cosmétique fitrante/L'OREAL ist deshalb nicht einschlägig.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber D1
31. Dl offenbart einen Behälter für radioaktive Abfälle, der einen äußeren Behälterhauptdeckel 2 (den "Sekundärdeckel") und einen inneren Inventardeckel 3 (den "Primärdeckel") besitzt. Ebenso wie im Streitpatent liegt das Ziel der Dl darin, die Kräfte, die sich bei einem Sturz des Behälters durch den Aufprall des Behälterinhalts auf den Inventardeckel ergeben, auf einfache Weise und effektiv in den Behältermantel abzuleiten (Absätze [0004] und [0005]).
32. Dazu sieht Dl Formschlusselementabschnitte 11 (hier: "Keilringelemente") vor, die mit dem innen liegenden Teil ihrer Unterseiten auf der Oberseite des Inventardeckels 3 aufliegen, und mit ihren Außenseiten in einer sich verjüngenden Nut 7 des Kopfrings 6 des Behältermantels 1 klemmen. Die Kräfte werden durch diese Keilringelemente direkt, "beschleunigungsspaltfrei" auf den Behältermantel übertragen (Absätze [0012], [0017], und vor allem [0026]).
33. Generell können mehrere Keilringelemente vorhanden sein (Absatz [0014]) oder auch nur ein einziges solches Element (Absatz [0015]). Im durch die Figuren illustrierten Ausführungsbeispiel sind drei Keilringelemente 11 vorhanden. Nach Absatz [0024]
... ergänzen sich [die drei Keilringelemente 11] zu einem vollständigen Keilring [...] und erstrecken sich jeweils über einen Winkelabschnitt von 120°; bzw. von etwa 120°.
34. Es erschließt sich der Fachperson auch hier, dass der Kraftübertrag umso gleichmäßiger ist, je mehr sich die Keilringsegmente zu einem vollständigen Ring ergänzen.
35. Die Fachperson versteht, dass beim Einschieben von Keilringelemente nach außen in die Nut des Behältermantels Lücken zwischen den einzelnen Keilringelementen verbleiben. Solange diese Lücken jedoch klein sind im Vergleich zum Gesamtumfang des Behältermantels, ist eine gleichmäßige Kraftübertragung nicht wesentlich beeinträchtigt. Die in der Figur 3 zwischen den radial innenliegenden Teilen der Keilringelemente sichtbaren Lücken stehen deshalb nicht im Widerspruch zur Beschreibung. Vielmehr entsprechen sie dem Verständnis der Fachperson von einer beispielhaften, realistischen Verwirklichung der beschriebenen drei Keilringsegmente, die sich jeweils über etwa 120° erstrecken und sich zu einem vollständigen Keilring ergänzen.
36. Somit liegen in D1 die Formschlusselementabschnitte (Keilringelemente) "im Wesentlichen spaltfrei" aneinander an. Und zwar in dem Sinne, dass die Spalte im Vergleich zum Umfang so klein sind, dass eine gleichmäßige Kraftübertragung nicht wesentlich beeinträchtig wird.
37. Da nicht in Frage steht, dass D1 auch die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, nimmt D1 die Neuheit des Anspruchs vorweg (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ).
38. Ein wesentlicher Teil der Argumentation der Patentinhaberin stützt sich auf eine Interpretation des Anspruchs 1, nach der zwar ein einziger Spalt einen vollständigen Ringschluss verhindern könne, davon abgesehen sich die Formschlusselementabschnitte jedoch in mindestens einem Punkt berühren müssten.
39. Wie weiter oben festgestellt, ist diese Interpretation nicht überzeugend.
40. In dem Zusammenhang führt die Patentinhaberin auch das Argument an, dass D1 von einer völlig spaltfreien Ausführung weg lehrt. Diese sei im Gegensatz zu den Zielen der D1 aufwendig, teuer und schwierig zu montieren. Die Kammer merkt an, dass dasselbe auch beim Streitpatent gilt, das ebenfalls eine "einfache, wenig aufwändige Montage" mit "geringem Kostenaufwand" anstrebt (Absätze [0018] und [0024]). Dies stützt die oben gegebene Anspruchsinterpretation, nach der gewisse Spalte zwischen den Abschnitten unter die Erfindung und unter den Anspruchsgegenstand fallen.
41. Die Patentinhaberin argumentiert ferner, dass die in Figur 3 der D1 sichtbaren Spalte deutlich größer seien als zur Montage notwendig. Ein Größenlimit sei in D1 nicht angegeben. Die Keilringelemente fielen deshalb nicht unter die Anspruchsformulierung, wonach die Abschnitte "spaltfrei bzw. im Wesentlichen spaltfrei aneinander anliegen". Die Figuren 1 - 3 illustrierten das Ausführungsbeispiel, auf das sich auch Absatz [0024] beziehe. Die Formulierung, nach der sich die drei Keilringelemente jeweils über einen Winkelabschnitt von 120°; bzw. von etwa 120° erstreckten und zu einem vollständigen Kreisring ergänzten dürfe deshalb nicht wörtlich ausgelegt werden. Sie müsse vielmehr im Sinne der in Figur 3 erkennbaren, auch relativ zum Umfang großen Lücken ausgelegt werden. Die ähnliche Formulierung im Absatz [0014] gehe ebenfalls nicht über diese Lehre hinaus.
42. Das Argument überzeugt nicht. Wie oben dargelegt, lehrt D1 deutlich weg von Lücken, die so groß wären, dass die gleichmäßige Kraftübertragung des Inventardeckels auf den Behältermantel wesentlich beeinflusst würde.
Hilfsanträge - Zulassung
43. Die Hilfsanträge 1 - 4 wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Dass die Hilfsanträge nicht bereits im Einspruchsverfahren eingereicht worden sind, wurde damit begründet, dass die Patentinhaberin aus taktischen Gründen die Hilfsanträge nicht direkt in Erwiderung der Einspruchsschrift einreichen wollte. Sie nahm an, dass das ihre Position hätte schwächen können. Als sie sich dann entschloss, Hilfsanträge vorzubereiten, wurde sie daran vom überraschenden Ergehen der Entscheidung gehindert.
44. Diese Begründung kann nicht überzeugen. Um eine effiziente Verfahrensführung zu ermöglichen, sind die Parteien generell dazu angehalten, ihre Eingaben so früh wie möglich einzureichen. In diesem Fall heißt das, dass die Patentinhaberin ihre Hilfsanträge zusammen mit ihrer Einspruchserwiderung hätte einreichen sollen. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits alle Argumente auf dem Tisch, auf denen die Entscheidung basiert. Eine weitere Gelegenheit hätte nach der zweiten Stellungnahme der Einsprechenden bestanden, nach der die Einspruchsabteilung eine angemessene Zeit bis zur Entscheidung hat verstreichen lassen. Falls der Patentinhaberin eine Eingabe in der angemessenen Zeit nicht möglich gewesen wäre, hätte sie der Einspruchsabteilung zumindest ihr Vorhaben mitteilen sollen (siehe Rechtsprechung, 9. Auflage, IV.C.6.4).
45. Folglich hätte die Patentinhaberin die Hilfsanträge 1 - 4 nicht nur bereits früher einreichen können, sondern sie hätte dies auch tun sollen. Das Beschwerdeverfahren dient nicht dazu, Handlungen nachzuholen, die in der ersten Instanz versäumt wurden.
46. Die Hilfsanträge 1 - 4 sind deshalb im Verfahren nicht zugelassen (Artikel 12(4) VOBK 2007 & Artikel 114(2) EPÜ).
Fazit
47. Dem Antrag auf Ausschluss der Einsprechenden vom Beschwerdeverfahren wird nicht stattgegeben. Es hat eine Namensänderung der Einsprechenden stattgefunden, wodurch sich jedoch die Einsprechendenstellung nicht geändert hat.
48. Der Antrag auf Zurückverweisung aufgrund eines wesentlichen Verfahrensmangels wurde zu spät gestellt und wird nicht berücksichtigt (Artikel 12(3) und 13(1) VOBK 2020). Unabhängig davon liegt auch kein Verfahrensfehler vor, der eine Rückverweisung rechtfertigen könnte (Artikel 11 VOBK 2020).
49. Der Hauptantrag ist nicht gewährbar, weil der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D1 ist (Artikel 54 und 100 a) EPÜ).
50. Die Hilfsanträge 1 - 4 sind nicht im Verfahren zugelassen, da sie bereits früher hätten eingereicht werden sollen (Artikel 114(2) EPÜ und 12(4) VOBK 2007).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.