European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T060117.20201027 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 October 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0601/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10005732.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | F24F13/02 F24F13/14 F24C15/20 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Dunstabzugshaube mit einer Umleiteinrichtung zum Umleiten eines Luftstroms | ||||||||
Name des Anmelders: | WESCO AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Silverline Küchengeräte und Handel GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Allgemeine Grundsätze - Vertrauensschutz Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) Änderungen - Zwischenverallgemeinerung Spät eingereichter Antrag - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja) Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP 2 290 298 betrifft eine Dunstabzugshaube mit einer Umleiteinrichtung zum Umleiten eines Luftstroms
II. Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang unter Geltendmachung der Einspruchsgründe der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ sowie mangelnder Offenbarung nach Artikel 100 c) EPÜ angegriffen worden.
III. Während der mündlichen Verhandlung hatte die Einspruchsabteilung entschieden, dass:
- der Hauptantrag unter Artikel 123(2) EPÜ nicht gewährbar sei,
- dass Hilfsantrag 1 zulässig sei, aber nicht gewährbar unter Artikel 123(2) EPÜ und
- dass Hilfsantrag 2, 2.Version zulässig sei sowie den Erfordernissen der Artikel 84, 123(2), 54 und 56 EPÜ genüge.
IV. Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat gegen die Zwischenentscheidung, das Patent in geänderter Fassung gemäß Artikel 101(3) a) EPÜ aufrecht zu erhalten, Beschwerde eingelegt.
V. In der Mitteilung gemäß Regel 100(2) EPÜ vom 29. Juni 2020 hat die Kammer ihre vorläufige Einschätzung mitgeteilt, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei.
VI. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 hat die Beschwerdeführerin nochmals Stellung genommen.
VII. Da seitens der Beschwerdeführerin keine mündliche Verhandlung beantragt worden ist, hat die Kammer im schriftlichen Verfahren entschieden.
VIII. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt, hilfsweise in eingeschränkter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche von Hilfsantrag 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, sowie, Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zuzulassen. Hilfsweise beantragte sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
IX. Anspruchssätze
a) Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde von der Kammer hinzugefügt):
"[M1.0] Dunstabzugshaube (1) mit einer Umleiteinrichtung (4) zum Umleiten eines Luftstroms,
[M1.1] wobei die Umleiteinrichtung (4) mit Auslässen (9, 10a, 10b)
[M1.4] und mit mindestens einer zwischen diesen Auslässen schwenkbaren Umleitklappe (11a, 11b) versehen ist,
[M1.2] wobei stirnseitig ein Auslass (9) zum Anschluss an eine Abluftleitung (5) für den Abluftbetrieb
[M1.3] und seitlich ein Auslass (10a) für den Umluftbetrieb vorgesehen ist,
[M1.5] wobei die Umleiteinrichtung (4) mit einem als Modul ausgebildeten Gehäuse (7) versehen ist,
[M1.6] wobei das Gehäuse (7) einlassseitig mit der Dunstabzugshaube (1) verbindbar und mit dem stirnseitigen Auslass (9) für den Abluftbetrieb versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass
[M1.7] das Gehäuse (7) zusätzlich mit einem weiteren seitlichen Auslass (10b) für den Umluftbetrieb versehen ist,
[M1.8] wobei den zwei seitlichen Auslässen (10a, 10b) je eine Umleitklappe (11a, 11 b) zugeordnet ist,
[M1.9] wobei diese Umleitklappen (11a, 11b) in einer Schaltstellung den stirnseitigen Auslass (9) absperren und gleichzeitig die beiden seitlichen Auslässe (10a, 10b) öffnen,
[M1.10] und wobei diese Umleitklappen (11a, 11b) in einer anderen Schaltstellung die seitlichen Auslässe (10a, 10b) verschließen und den stirnseitigen Auslass (9) öffnen."
b) Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet folgendermaßen (die Änderungen gegenüber dem Hauptantrag sind hervorgehoben):
"Dunstabzugshaube (1) mit einer Umleiteinrichtung (4) zum Umleiten eines Luftstroms, wobei die Umleiteinrichtung (4) mit Auslässen (9, 10a, 10b) und mit mindestens einer zwischen diesen Auslässen schwenkbaren Umleitklappe (11a, 11b) versehen ist, wobei stirnseitig ein Auslass (9) zum Anschluss an eine Abluftleitung (5) für den Abluftbetrieb und seitlich ein Auslass (10a) für den Umluftbetrieb vorgesehen ist, wobei das Umschalten vom einen zum andern Betrieb durch Schwenken der Umleitklappe in die jeweilige Schaltstellung erfolgt, wobei die Umleiteinrichtung (4) mit einem als Modul ausgebildeten Gehäuse (7) versehen ist, wobei das Gehäuse (7) einlassseitig mit der Dunstabzugshaube (1) verbindbar und mit dem stirnseitigen Auslass (9) für den Abluftbetrieb versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (7) zusätzlich mit einem weiteren seitlichen Auslass (10b) für den Umluftbetrieb versehen ist, der direkt gegenüber dem andern seitlichen Auslass (10a) plaziert ist, wobei den zwei seitlichen Auslässen (10a, 10b) je eine Umleitklappe (11a, 11b) zugeordnet ist,[deleted: ][deleted: wobei diese Umleitklappen (11 a, 11b) in einer Schaltstellung den stirnseitigen Auslass (9) absperren und gleichzeitig die beiden seitlichen Auslässe (10a, 10b) öffnen, und wobei diese Umleitklappen (1 1 a 11b) in einer andern Schaltstellung die seitlichen Auslässe (10a, 10b) verschliessen und den stirnseitigen Auslass (9) öffnen] wobei das Gehäuse (7) durch den stirnseitigen Auslass (9) mit der Abluftleitung (5) oder mit den zwei seitlichen Auslässen (10a, 10b) mit je einer Umleitklappe (11a, 11b) verbindbar ist, wobei diese Umleitklappen (11a, 11b) zwischen den seitlichen Auslässen (10a, 10b) und dem Auslass (9) schwenkbar sind."
X. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Prinzip von Treu und Glauben
Die Beschwerdeführerin macht für sich das Prinzip von Treu und Glauben geltend, da die im Prüfungsverfahren vorgenommenen und nun beanstandeten Änderungen des Hauptantrags auf einem Vorschlag der Prüfungsabteilung beruhten, wie aus dem Telefonprotokoll vom 26. Januar 2014 ersichtlich sei. Somit sei die Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass keine unerlaubte Zwischenverallgemeinerung vorliege. Hierauf habe sie sich verlassen dürfen.
Die Beschwerdegegnerin verweist bezüglich dieses Einwands auf Artikel 113(2) EPÜ und sieht die Verantwortung für die Anspruchsformulierung bei der Beschwerdeführerin.
b) Hauptantrag - Artikel 123(2) EPÜ
Die Beschwerdeführerin stellt die gemäß der angefochtenen Entscheidung auf Seite 5, Absatz 2 bis 7 bezüglich der Merkmale M1.9 und M1.10 von Anspruch 1 festgestellte unerlaubte Zwischenverallgemeinerung in Abrede. Sie argumentiert, dass diese Merkmale in den ursprünglich eingereichten Beschreibung auf S.7, zweiter Satz des zweiten Absatzes, und Seite 8, erster Satz, die Funktion der Klappen gemäß der Merkmale M1.9 und M1.10 jeweils losgelöst und unabhängig von den weiteren Merkmalen des Ausführungsbeispiels wie den Zahnradsegmenten und dem synchronisierten Betrieb der Klappen offenbart seien. Dies würde auch aus dem zweiten Absatz auf Seite 8 deutlich, nach dem die Art des Antriebs der Klappen als nicht wesentlich dargestellt sei.
Als weiteres Argument führt die Beschwerdeführerin an, dass die ursprüngliche Offenbarung ein generelles Prinzip des Umschaltens von einer Betriebsweise in die andere durch Einschwenken der Umleitklappe umfasse, und dass die Anspruchsformulierung nicht auf eine Ausführungsform eingeschränkt werden müsse, solange bestimmte Merkmale nicht wesentlich seien.
Die Beschwerdegegnerin ist hierzu der Auffassung, dass die Merkmale M1.9 und M1.10 nur im Zusammenhang mit einer spezifischen Ausführungsform offenbart seien. Eine davon losgelöste und unabhängige Darstellung der Merkmale sei nicht gegeben. Überlegungen des Fachmanns zur Herleitung einer "offensichtlichen" Verallgemeinerung seien für die Frage der ursprünglichen Offenbarung nicht relevant.
c) Hilfsantrag 1 - Zulassung
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der geänderte Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ erfülle, da Merkmale M1.9 und M1.10 gestrichen und die Merkmale im Kennzeichen des ursprünglichen Anspruchs 1 übernommen worden seien.
Die Beschwerdegegnerin hält die Änderung für verspätet und meint, dass Hilfsantrag 1 bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgebracht werden müssen, weil die Einspruchsabteilung bereits in der Ladung zur mündlichen Verhandlung die vorläufige Meinung geäußert hatte, dass bezüglich Anspruch 1 des Hauptantrags eine unerlaubte Zwischenverallgemeinerung vorliege.
Sie argumentiert weiter, dass Hilfsantrag 1 durch das teilweise Ersetzen von Merkmalen des Hauptantrags auch neue Fragen aufwerfe, die über die reine Überprüfung des Inhalts der angefochtenen Entscheidung durch die Beschwerdekammer hinausgingen.
d) Hilfsantrag 1 - Artikel 123(3) EPÜ
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, durch das Streichen der Merkmale M1.9 und M1.10 werde der erteilte Anspruchswortlaut im Hinblick auf die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ unzulässig erweitert, da nun nicht mehr gefordert sei, dass die Auslässe durch die Klappen in den jeweiligen Schaltstellungen abgesperrt bzw. verschlossen würden.
e) Hilfsantrag 1 - Artikel 84 EPÜ
Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass durch die Änderungen bedingt Unklarheiten in Anspruch 1 eingeführt würden, die einen Mangel unter Artikel 84 EPÜ begründeten. Sie bemängelt unter anderem, dass der Anspruch durch die aufgenommenen Merkmale widersprüchlich hinsichtlich der Frage sei, ob die Auslässe Teil des Gehäuses seien oder nicht.
Entscheidungsgründe
1. Anwendbare Verfahrensordnung der Beschwerdekammern
1.1 Die Beschwerde ist vor dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) am 1. Januar 2020 eingelegt worden. Diese ist für am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden ebenso anwendbar wie für danach eingelegte Beschwerden (Artikel 25 (1) VOBK 2020).
1.2 Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdebegründung vor dem 1. Januar 2020 eingereicht. Daher ist Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020 nicht anzuwenden. Stattdessen ist Artikel 12 (4) VOBK 2007 auf die Beschwerdebegründung anzuwenden (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
2. Verfahrensaspekte
2.1 Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020.
2.2 Dies ist im Einklang mit den Erfordernissen von Artikel 113(1) EPÜ, da die Entscheidung dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückweisung der Beschwerde folgt, und die Beschwerdeführerin keinen, auch keinen hilfsweisen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116(1) EPÜ gestellt hat.
2.3 Die folgende Begründung beruht auf den Argumenten, die seitens der Beteiligten im schriftlichen Verfahren vorgebracht wurden. Soweit zu Lasten der Beschwerdeführerin entscheiden wird, sind ihr die entsprechenden Gründe durch das Vorbringen der Beschwerdegegnerin bekannt gewesen und somit nicht überraschend. Nach ständiger Rechtsprechung besteht seitens der Kammer keine gesonderte Verpflichtung, im Bezug auf diese bekannten Gründe im Voraus alle denkbaren Argumente darzulegen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern 2019 (9.Auflage), Punkt V.B.4.3.8b sowie V.B.4.3.5).
2.4 Daher ist die Beschwerdesache auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif.
3. Hauptantrag - Artikel 100(c) EPÜ
3.1 Gemäß der angefochtenen Entscheidung erachtet die Einspruchsabteilung zumindest die Tatsache des Weglassens der Merkmale, dass die Umleitklappen durch "gegenläufig ineinandergreifende Zahnradsegmente schwenkbar" und die Klappen "quer zu den Zahlradsegmenten befestigt" sind, als unzulässige Zwischenverallgemeinerung der ursprünglichen Offenbarung. Ferner stellt die Einspruchsabteilung fest, dass in diesem Zusammenhang der "synchrone Betrieb" der Klappen ein wesentliches Merkmal darstelle, das ebenfalls unzulässigerweise im Anspruch weggelassen worden sei.
3.2 Die Offenbarung der Merkmale M1.9 und M1.10 findet sich unbestritten lediglich auf Seite 7, zweiter Absatz, und Seite 8, erster Absatz, der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Neben den spezifischen Schaltstellungen ist nur hier definiert, dass die Klappen Auslässe in den jeweiligen Schaltpositionen absperren beziehungsweise verschließen. Die Kammer schließt sich der Begründung in der angefochtenen Entscheidung an, dass diese Merkmale lediglich als Teil und in Zusammenhang mit einer spezifischen Ausführungsform offenbart sind, die in ihrer Gänze beginnend auf Seite 6, letzter Absatz, bis Seite 8, zweiter Absatz, der ursprünglich eingereichten Anmeldung beschrieben und im Detail in Abbildung 2 dargestellt sind.
3.3 Eine unabhängige Offenbarung lösgelöst von den Zahnsegmenten ist hier nicht erkennbar, da die entsprechenden Positionen der Umleitklappen gemäß der Merkmale M1.9 und M1.10 nur erreicht werden, indem die Zahnsegmente im gegenseitigen Eingriff, dass heißt synchron, verschwenkt werden.
3.4 Auch kann die Kammer der Argumentation seitens der Beschwerdeführerin nicht folgen, im zweiten Absatz auf Seite 8 der Anmeldung werde dargelegt, dass die Antriebsform der Klappen nicht wesentlich sei. Besagter Abschnitt hat nicht allgemein Antriebe für Umleitklappen zum Thema, sondern es werden Ausführungsformen des Antriebs der Zahnradsegmente diskutiert. Eine klare und eindeutige Offenbarung, die Zahnradsegmente an sich seien eine mögliche Option unter mehreren anderen, findet sich hier nicht. Dies ist auch im Hinblick auf den zuvor festgestellten wesentlichen Charakter der ineinandergreifenden Zahnradsegmente für die beschriebenen Ausführungsformen nicht plausibel.
3.5 Ob der Fachmann zur Erreichung der Positionen in offensichtlicher Weise Alternativen ermitteln könnte, oder gar ein generelles Funktionsprinzip, wie durch die Merkmale M1.9 und M1.10 ausgedrückt, ableiten könnte, ist für die Offenbarungsprüfung im Hinblick auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(c) EPÜ unerheblich. Die Erkenntnis, die Zahnräder bestimmten strukturell und funktionell nicht die Schaltstellungen, seien also diesbezüglich nicht wesentlich, ist somit nach Auffassung der Kammer nicht direkt und eindeutig aus der Beschreibung ableitbar, anders als die Beschwerdeführerin meint, die der Überzeugung ist, dies sei einem Fachmann unmittelbar offensichtlich.
3.6 Die seitens der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung T 288/84 ist in dem Zusammenhang nicht relevant; sie bezieht sich auf die Prüfung der deutlichen und vollständigen Offenbarung und nicht auf die Prüfung, ob der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
3.7 Die Beschwerdeführerin verweist in dem Zusammenhang noch auf den Passus F.IV-6.2 der Richtlinien für die Sachprüfung, welcher sich auf die Überprüfung der Stützung des beanspruchten Gegenstandes durch die Beschreibung, also auf Artikel 84 EPÜ und somit auf Verallgemeinerungen in Patentansprüchen, die bereits ursprünglich offenbart sind, bezieht. Diese Richtlinien gelten jedoch nicht für die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung durch die Beschwerdekammer.
3.8 Jede Änderung eines europäischen Patents unterliegt dem in Artikel 123(2) EPÜ niedergelegten zwingenden Erweiterungsverbot und darf daher nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G 3/89, G 11/91 und G 2/10; auch bekannt als "Gold-Standard"). Eigenständige Überlegungen des Fachmanns zu einer möglichen Verallgemeinerung von Teilmerkmalen aus einer Ausführungsform gehören nicht hierzu.
3.9 Somit ist die Kombination der Merkmale M1.9 und M1.10 mit den Merkmalen M1.1-M1.8 von Anspruch 1 das Ergebnis einer unerlaubten Zwischenverallgemeinerung, womit der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Die Einspruchsabteilung hat daher zurecht entschieden, dass der Einspruchsgrund unter Artikel 100(c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegensteht.
4. Prinzip von Treu und Glauben
4.1 Die Kammer ist der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin für die im Prüfungsverfahren vorgenommenen Änderungen bezüglich der Gewährbarkeit gemäß Artikel 123(2) EPÜ nicht das Prinzip von Treu und Glauben geltend machen kann.
4.2 Artikel 113(2) EPÜ legt fest, dass sich das Europäische Patentamt bei der Prüfung der europäischen Patentanmeldung sowie bei den Entscheidungen darüber an die von der Anmelderin vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten hat. Im vorliegenden Fall erklärte die Beschwerdeführerin ihr Einverständnis mit der zu erteilenden Fassung im Sinne von Artikel 113(2) EPÜ.
4.3 Schon aus diesem Grund kann die Überprüfbarkeit von erteilten Patenten im Einspruchsverfahren nicht verneint werden, auch wenn dem Anspruchswortlaut ein Formulierungsvorschlag der Prüfungsabteilung zugrunde liegt. Außerdem würden sonst die Rechte von Dritten im Einspruchsverfahren (Artikel 99(1) EPÜ) und in der Folge die Überprüfbarkeit von Patenterteilungen unzulässig eingeschränkt werden, wie auch zutreffend von der Beschwerdegegnerin angemerkt wird.
4.4 Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass für die Festlegung des Gegenstands des Schutzbegehrens stets die Anmelderin selbst verantwortlich ist. Diese Verantwortung kann nicht auf die Prüfungsabteilung abgewälzt werden. Demzufolge kommt das Prinzip des Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.
5. Hilfsantrag 1 - Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren (Artikel 12(4) VOBK 2007)
5.1 Mit Hilfsantrag 1 reicht die Beschwerdeführerin erstmals mit der Beschwerdebegründung einen Anspruch 1 mit einer Merkmalskombination ein, in dem die Merkmale M1.9 und M1.10 durch eine gänzlich neue Merkmalskombination ersetzt werden. Die Beschwerdeführerin hat nicht weiter zu den Gründen des späten Vorbringens eines solchen Hilfsantrags vorgetragen, obwohl die Beschwerdegegnerin die Verspätung ausdrücklich gerügt und ausgeführt hat, dass dieser Antrag bereits vor der Einspruchsabteilung hätte eingereicht werden können und müssen. Deshalb sei er nach Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.
5.2 Die Einspruchsabteilung hat bezüglich des Hauptantrags bereits in ihrer Ladung zur mündlichen Verhandlung die vorläufige Meinung vertreten, dass die Merkmale M1.9 und M1.10 eine unzulässige Zwischenerweiterung darstellten. Da sich bezüglich des Hauptantrags die Einwände und Beweismittel nicht geändert haben, hätte dieses neue Vorbringen seitens der Beschwerdeführerin nach Auffassung der Kammer bereits der Einspruchsabteilung innerhalb der Frist gemäß Regel 116(2) EPÜ oder spätestens während der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden sollen.
5.3 Hinzu kommt aber entscheidend, dass das neue Vorbringen auch nicht relevant ist, da der vorgelegte Anspruch 1 prima facie weder die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ noch die von Artikel 84 EPÜ erfüllt, wie auch von der Beschwerdegegnerin bemängelt wurde. Hierzu hat die Beschwerdeführerin allerdings auch in ihrer letzten Eingabe nicht Stellung genommen.
5.4 Artikel 123(3) EPÜ erfordert, dass das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden darf, dass sein Schutzbereich erweitert wird.
Gegenüber Anspruch 1 des Patents wie erteilt wurden die Merkmale M1.9 und M1.10 gestrichen und durch neue Merkmale ersetzt. In Anspruch 1 wird nun nicht mehr definiert, dass die Umleitklappen in den Schaltstellen jeweilige Öffnungen verschließen beziehungsweise absperren, während dagegen die Formulierung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ein Verbleiben einer Teilströmung in dem durch den stirnseitigen Auslass in der Schaltstellung für Umluftbetrieb beziehungsweise ein Verbleiben eines Teilstroms durch die seitlichen Öffnungen in der Schaltstellung für Abluftbetrieb ausschloss. Eine entsprechende Einschränkung wird vom vorliegenden Anspruch 1 nicht mehr umfasst. Es ist unbestritten, dass für jede Betriebsform in der jeweiligen Schaltstellung ein substantieller Anteil des Luftstroms durch die entsprechende Öffnung zu leiten ist. Eine entsprechende Vorrichtung zur vollständigen Abdichtung des anderen Luftweges ist jedoch nur in der Ausführungsform der Abbildung 2 offenbart (vergleiche Seite 7, Absatz 2: "geneigte Sitzflächen", sowie Seite 8, Absatz 1: "weitere Sitzflächen" der ursprünglichen Anmeldung). Eine implizite Offenbarung dieses Merkmals ergibt sich also nicht für Anspruch 1 des Hilfsantrag 1.
Demzufolge erweitert die Merkmalskombination von Anspruch 1 des Hilfsantrag 1 den Schutzumfang gegenüber dem Patent in der erteilten Fassung, was gemäß Artikel 123(3) EPÜ unzulässig ist.
5.5 Was den seitens der Beschwerdegegnerin erhobenen Einwand der mangelnden Klarheit angeht, so sind die Kriterien gemäß der Entscheidung G 3/14 heranzuziehen. Danach können geänderte Patentansprüche nur auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ ("Klarheit") geprüft werden, wenn und soweit die Änderung zu einem Klarheitsmangel führt. Dies ist für das neue Merkmal in Anspruch 1 "wobei das Gehäuse durch den stirnseitigen Auslass mit der Abluftleitung oder mit den zwei seitlichen Auslässen mit je einer Umleitklappe verbindbar ist" der Fall. Anspruch 1 des Patents wie erteilt definiert lediglich, dass "das Gehäuse einlassseitig mit der Dunstabzugshaube verbindbar ist" und mit einem stirnseitigen Auslass bzw. zwei seitlichen Auslässen "versehen" ist". Die weiteren abhängigen Ansprüche 2-5 des Patents in der erteilten Fassung umfassen das neue Merkmal ebenfalls nicht. Wie vorstehend ausgeführt, ist die Kammer somit befugt, Anspruch 1 auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ zu prüfen.
5.6 Das streitige Merkmal fordert eine Verbindbarkeit des Gehäuses mit den jeweiligen Auslässen. Gemäß dieser Formulierung können die Auslässe nicht Teil des Gehäuses sein. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der Tatsache, dass Anspruch 1 auch fordert, dass das Gehäuse mit den entsprechenden Auslässen versehen ist. Somit führt das neue Merkmal zu einer widersprüchlichen Merkmalskombination und verletzt so die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
5.7 Da da Hilfsantrag 1 bereits erstinstanzlich hätte vorgebracht werden können und auch prima facie weder im Hinblick auf die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ noch auf die von Artikel 123(3) EPÜ gewährbar ist, macht die Kammer von ihrem Ermessen unter Artikel 12(4) VOBK 2007 Gebrauch und lässt Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zu.
6. Nach alledem ist die Beschwerde unbegründet.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.