T 0593/17 (Medizinisches Instrument / Ferton) of 16.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T059317.20200616
Datum der Entscheidung: 16 Juni 2020
Aktenzeichen: T 0593/17
Anmeldenummer: 04026391.5
IPC-Klasse: A61N7/00
A61H23/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe
Name des Anmelders: Ferton Holding SA
Name des Einsprechenden: Storz Medical AG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c) (2007)
RPBA2020 Art 013(3) (2020)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Spät eingereichter Antrag (Hilfsantrag XI)
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das europäische Patent Nr. 1 502 626 wurde im gesamten Umfang Einspruch eingelegt auf der Basis von Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ (mangelnde Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), auf der Basis von Artikel 100 b) EPÜ sowie auf der Basis von Artikel 100 c) EPÜ.

II. In einer Zwischenentscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent auf der Basis eines von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrags III beschränkt aufrecht.

III. Gegen diese Zwischenentscheidung legte die Einsprechende Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen, da es auch im Rahmen des Hilfsantrags III nicht ausreichend deutlich und vollständig offenbart (Artikel 100 b) EPÜ) und unzulässig erweitert sei (Artikel 100 c) EPÜ) sowie die Erfordernisse der Artikel 54(1),(2) und 56 EPÜ nicht erfülle (Artikel 100 a) EPÜ).

IV. Die Patentinhaberin beantragte mit der Beschwerdeerwiderung die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise wurde beantragt, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten nach Maßgabe von Hilfsanträgen IV bis VII, die bereits erstinstanzlich eingereicht wurden.

V. Beide Parteien beantragten hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

VI. Mit einem Schriftsatz vom 10. August 2018 beantragte die Einsprechende eine Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens wegen eines anhängigen Verletzungsverfahrens auf der Grundlage des Streitpatents und antwortete auf die Beschwerdeerwiderung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) beantragte ebenfalls eine Beschleunigung des Verfahrens mit einem Schriftsatz vom 19. Dezember 2019.

VII. In einem Schriftsatz vom 29. Januar 2020 nahm die Patentinhaberin zur Beschwerdebegründung weiter Stellung und fügte einen weiteren Hilfsantrag VIII bei.

VIII. Die Kammer lud zur mündlichen Verhandlung und versendete ihre vorläufige Meinung in einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2007.

IX. Die Einsprechende nahm darauf mit einem Schriftsatz vom 16. April 2020 Stellung, die Patentinhaberin mit einem Schriftsatz datiert auf den 21. April 2020, eingegangen am 20. Mai 2020. Die Patentinhaberin fügte ihrem Schriftsatz zwei weitere Hilfsanträge bei (Hilfsanträge IX und X). Daraufhin erwiderte die Einsprechende mit einem Schriftsatz vom 8. Juni 2020.

X. Während der mündlichen Verhandlung wurde mit den Beteiligten der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ diskutiert. Die Patentinhaberin reichte während der mündlichen Verhandlung einen weiteren Hilfsantrag (Hilfsantrag XI) ein.

XI. Anspruch 1 des Hauptantrags ("Hilfsantrag III" des erstinstanzlichen Verfahrens) lautet in der seitens der Beschwerdeführerin in der Beschwerde benutzten Merkmalsanalyse:

a) Medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe eines Körpers von Lebewesen,

b) mit einem Gehäuse,

c) mit einem Antriebsmittel zum Beschleunigen eines Schlagteils zum Erzeugen von Druckwellen auf ein Übertragungselement,

d) wobei das Schlagteil für eine wiederholtes Anschlagen gegen das Übertragungselement in dem Gehäuse periodisch hin- und herbewegbar ist,

e) und selbsttätig rückstellbar ist,

f) das Antriebsmittel das Schlagteil pneumatisch beschleunigt,

g) und zwar mit einem Druck von bis zu 5 bar,

h) das Schlagteil über das Übertragungselement unfokussierte, mechanisch erzeugte Druckwellen in das biologische Gewebe einkoppelt,

i) das Übertragungselement aus einer Sonde besteht, deren stumpfe Sondenspitze eine flache oder konvex gekrümmte Austrittsgrenzfläche aufweist,

j) die Sondenspitze zur Einkopplung der Druckwellen auf der Körperoberfläche geeignet ist,

k) zwischen Übertragungselement und dem Gehäuse ein federndes Dämpfungselement angeordnet ist,

k2) das eine Rückstellfunktion für das Übertragungselement aufweist,

l) das in Axialrichtung wirkt,

m) und gegen das ein Ringbund des Übertragungselements als Anschlagelement anliegt,

n) das Dämpfungselement das Übertragungselement in Axialrichtung von dem Gehäuse entkoppelt,

o) das Dämpfungselement die Verlagerung des Übertragungselements begrenzt, so dass die Sondenspitze einen Hub von weniger als 0,5 mm ausführt,

p) und wobei die Schlagfrequenz des Schlagteils 1 bis 30 Hz, vorzugsweise 6 bis 20 Hz beträgt.

XII. Die Anspruchssätze der Hilfsanträge IV bis X unterscheiden sich im für diese Entscheidung relevanten Merkmal o) nicht vom Hauptantrag.

XIII. Im Anspruchssatz des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags XI änderte die Patentinhaberin das Merkmal o) in (Änderung hervorgehoben):

... das Dämpfungselement die Verlagerung des Übertragungselements begrenzt, so dass die Sondenspitze aufgrund der Kraftstöße einen Hub von weniger als 0,5 mm ausführt ...

Entscheidungsgründe

Hauptantrag der Patentinhaberin - Änderungen

(Artikel 100 c) EPÜ)

1. Die Einsprechende hatte bereits im Einspruch vorgetragen, dass unter anderem die Einführung des Merkmals o) in den unabhängigen Anspruch 1 zu einer Änderung führe, die weder in der ursprünglich eingereichten Fassung der Stammanmeldung (EP 98 934 990.7) noch in der ursprünglich eingereichten Fassung dieser Teilanmeldung offenbart gewesen sei (Einspruch, Abschnitt 2.1).

2. Die Einspruchsabteilung (Entscheidung Absatz 17.3.1.1) sah eine Offenbarung dieses Merkmals in der ursprünglichen Fassung der Stammanmeldung (WO?A-98/57707) durch die Textstellen auf Seite 4, vierter Absatz:

Außerdem bringt dieses Feder-Dämpfungselement das Übertragungselement wieder in seine Ausgangslage nach jeder Druckwelle zurück und begrenzt dessen Auslenkung.

und auf Seite 8, zweiter Absatz:

Zugleich begrenzt es dessen Verlagerung während einer Druckwelle. ("Es" ist das Feder/Dämpfungselement, "dessen" ist das Übertragungselement)

3. Diese Textstellen sind identisch zu entsprechenden Textstellen in der Beschreibung der vorliegenden Teilanmeldung (Seite 3, erster Absatz bzw. Seite 7, 1. Absatz).

4. Eine dem Merkmal o) entsprechende zahlenmäßige Begrenzung findet sich in diesen Textstellen allerdings nicht.

5. Die Patentinhaberin verweist in diesem Zusammenhang auf die weitere Textstelle der Stammanmeldung auf Seite 9, Zeilen 26 bis 28

Die Sondenspitze 22 führt einen Bewegungshub aus, der maximal ca. 1 mm und vorzugsweise weniger als 0,5 mm beträgt.

Diese Textstelle ist identisch zur entsprechenden Passage der Teilanmeldung auf Seite 8, dritter Absatz.

Sie trägt dazu vor:

Es ist eindeutig, dass die Begriff Auslenkung, Verlagerung, Hub und Bewegungshub synonym verwendet werden. (Beschwerdeerwiderung, Seite 2, vorletzter Absatz)

6. Im Folgenden werden die vorgenommenen Änderungen gegenüber der Stammanmeldung diskutiert. Die entsprechenden Textstellen der Stammanmeldung finden sich genauso in der ursprünglichen Teilanmeldung. Die Diskussion der unzulässigen Erweiterung nach Art. 100(c) EPÜ betrifft daher sowohl das Verhältnis zur Stammanmeldung nach Art. 76(1) EPÜ als auch das Verhältnis zur ursprünglichen Fassung der Teilanmeldung (Art. 123(2) EPÜ).

7. In den beiden von der Einspruchsabteilung herangezogenen Abschnitten wird direkt auf ein Feder-Dämpfungselement bzw. Feder/Dämpfungselement Bezug genommen. Es "begrenzt" die "Auslenkung" des Übertragungselements, bzw. "begrenzt" die "Verlagerung" des Übertragungselements "während einer Druckwelle". Wie das Feder-Dämpfungselement zu realisieren ist, wird in der Anmeldung nicht offenbart. Es ist davon auszugehen, dass dem Fachmann gängige Realisierungen für Feder-Dämpfungselemente bekannt sind. Beispielsweise könnte es eine Schraubenfeder, eine Blattfeder oder ein O-Ring aus Gummi sein. Allen diesen gängigen Feder-Dämpfungselementen ist dabei eigen, dass sie aufgrund ihrer Federwirkung bzw. Elastizität das Übertragungselement zurückstellen können und auch den Weg des Übertragungselements begrenzen.

8. Merkmal o) ist allerdings so zu interpretieren (das ist auch im erstinstanzlichen Verfahren so gesehen worden, siehe beispielsweise Entscheidung, Abschnitt 17.6.2.4, zweiter Absatz), dass es das Dämpfungselement ist, dass diese besondere Begrenzung hervorbringt, also besonders dimensioniert ist, nämlich "so, dass die Sondenspitze einen Hub von weniger als 0,5 mm ausführt". Diese besondere Dimensionierung des Dämpfungselements ist in den beiden genannten Passagen nicht angesprochen, insbesondere ist nicht angegeben, ob das Dämpfungselement aufgrund seiner mechanischen Eigenschaften (Ende des Federwegs, maximale Kompression des Gummi-O-Rings) unabhängig von den Wirkungen des Kraftstoßes überhaupt keine größeren Wege des Übertragungselements zulässt, oder ob unter gegebenen Werten für die Massen des Schlagteils, des Übertragungselementes und des Kraftstoßes (der von den Dimensionen der Anordnung und vom benutzten Druck abhängen wird), das Dämpfungselement entsprechend ausgewählt bzw. dimensioniert wird, um bei verschiedenen Werten eine entsprechende Begrenzung sicherzustellen.

9. Eine Begrenzung einer Bewegung auf unter 0,5 mm ist nur dem seitens der Patentinhaberin genannten Abschnitt zu entnehmen. Diese Begrenzung auf eine besondere Dimensionierung des Dämpfungselementes zurückzuführen, ist so nicht ursprünglich offenbart.

10. Zum einen ist bereits die Wortwahl dieses Abschnitts "Bewegungshub der Sondenspitze" unterschiedlich zum Wortlaut der beiden anderen Abschnitte: "Verlagerung" bzw. "Auslenkung" des Übertragungselements. Wie auch von der Einsprechenden vorgetragen, sind diese Begriffe nicht notwendigerweise synonym. Bei der Erzeugung der Druckwellen bewegt sich das Übertragungselement gegenüber dem Gehäuse, aber auch das Gehäuse wird sich wegen der nicht hundertprozentigen Entkopplung von Gehäuse und "Übertragungselement" mitbewegen, vor allem, wenn es - wie beschrieben (Seite 7, 1. Absatz, "Handstück 1") - vom Anwender in der Hand gehalten wird. Da in dem Abschnitt, der die zahlenmäßige Beschränkung des Hubs beschreibt, nicht klar ist, welche Bewegung gemeint ist, ergibt sich nicht eindeutig und unmittelbar, dass es die Dimensionierung des Dämpfungselements (welches nur die Bewegung von dem Übertragungselement gegenüber dem Gehäuse beschränkt) ist, dass die numerische Grenze von "unter 0,5 mm" sicherstellt.

11. Zum anderen wird im dritten genannten Abschnitt auf das (Feder)-Dämpfungselement überhaupt kein Bezug genommen. In den vorherigen Abschnitten wird der Stoß zwischen Schlagteil und Übertragungselement beschrieben und dabei unter anderem, dass die Massen von beiden an die gewünschten Druckwellen angepasst werden können (Seite 9, Zeilen 2 bis 5 für das Schlagteil; Seite 9, Zeilen 13 bis 17 für das Übertragungselement) und dass der Druck, mit dem das Schlagteil beschleunigt wird "bis zu 5 bar" betragen kann (Seite 9, Zeile 1). Wie unwidersprochen von der Einsprechenden ausgeführt weiß der Fachmann, dass die Massen und Geschwindigkeiten der beteiligten Stoßpartner den Impuls des Übertragungselements bestimmen. Daher ist in diesem dritten genannten Abschnitt offen, ob die beschriebene Bewegungsbegrenzung durch geeignete Wahl der Parameter der Massen und des Drucks (bei gegebenem Dämpfungselement) oder durch ein geeignetes Dämpfungselement für beliebige Massen und Drücke, oder durch Aufeinanderabstimmen der Parameter erreicht wird. Es ist jedenfalls nicht offenbart - wie beansprucht - dass das Dämpfungselement so dimensioniert wird, dass es die Bewegung der Sondenspitze unabhängig von den verwendeten Massen in jedem Fall auf unter 0,5 mm begrenzt.

12. Die Patentinhaberin argumentierte unter anderem, dass es für den Fachmann "völlig abwegig" sei, den Begriff "Hub" völlig anders zu verstehen als den Begriff "Verlagerung" und den Begriff "Hub" auf eine Gesamtbewegung der Vorrichtung zu beziehen, ohne dass diese Gesamtbewegung einmal in der Beschreibung erwähnt sei." (Eingabe vom 29. Januar 2020, Seite 3, 3. Absatz, ähnlich Eingabe vom 21. April 2020, die Seiten 6 und 7 überbrückender Absatz). Der Begriff "Gesamtbewegung" wird in der ursprünglichen Beschreibung tatsächlich nicht verwendet, aber dass sich das Gehäuse eines Gegenstands bewegt, in dessen Inneren ein Stoß erfolgt, der nicht vollständig vom Gehäuse entkoppelt ist, gehört zum Fachwissen einer Fachperson (sonst würde sich diese über "Entkopplung" gar keine Gedanken machen). Es ist auch auffallend, dass in der ursprünglichen Beschreibung der Begriff "Hub" immer auf die Sondenspitze bezogen ist und die Begriffe "Verlagerung" und "Auslenkung" immer auf das Übertragungselement in Verbindung mit dem Feder-Dämpfungselement. Daher kann der Fachmann zumindest zweifeln, ob "Hub" mit "Verlagerung" bzw. "Auslenkung" synonym verwendet wird. Die Analyse der Einsprechenden - wie es der Fachmann als nicht synonym verstehen könnte - ist schlüssig, da zur Vermeidung von Schmerzen bei der Anwendung des Druckwellentherapie auch eine Bewegung des Gehäuses eine Rolle spielen könnte. Da in der ursprünglichen Anmeldung jeder Hinweis darauf fehlt, dass "Hub der Sondenspitze" trotz bewusster unterschiedlicher Wortwahl dennoch synonym zu "Verlagerung" bzw. "Auslenkung" des "Übertragungselements" zu verstehen sei, fehlt es daher an der eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung von Merkmal o).

13. Auch der Hinweis der Patentinhaberin (Eingabe vom 21. April 2020, Seite 7, 3. Absatz), dass der Hub durch das erfindungsgemäße Dämpfungselement begrenzt sei und der maximale Hub somit unabhängig sei von den konkreten Betriebsparametern (Kraftstöße, Massenverhältnisse von Schlagteil und Übertragungselement und Schlagteilgeschwindigkeit), entspricht zwar der Interpretation des Merkmals o), ist aber so nicht in der Anmeldung beschrieben. Die Unabhängigkeit des Hubs von den Parametern ist nicht explizit erwähnt.

14. Die vorgenommene Änderung ist daher nicht durch die ursprüngliche Offenbarung der Stammanmeldung gedeckt (Artikel 76(1)) EPÜ).

15. Wie oben angeführt, ist damit die Änderung auch nicht gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung der Teilanmeldung gedeckt (Artikel 123(2) EPÜ).

16. Der Hauptantrag der Patentinhaberin ist daher nicht gewährbar.

Hilfsanträge IV bis X der Patentinhaberin

17. Das Merkmal o) ist in unveränderter Form im Anspruch 1 der Hilfsanträge IV bis X der Patentinhaberin enthalten. Damit widersprechen auch diese Hilfsanträge Artikel 76(1) EPÜ und sind nicht gewährbar.

Hilfsantrag XI der Patentinhaberin

18. Hilfsantrag XI wurde von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nach Abschluss der Diskussion des Hauptantrags und der Hilfsanträge IV bis X eingereicht.

19. Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

20. Die Patentinhaberin argumentiert, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen, da die Patentinhaberin zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung von der Auffassung der Kammer konfrontiert wurde, dass die zitierten Passagen der ursprünglichen Anmeldung keine ausreichende Basis für die Formulierung des Merkmals o) seien, insbesondere, dass die Möglichkeit der Berücksichtigung der Bewegung des Gehäuses es unklar mache, was mit "Begrenzung des Bewegungshubs der Sondenspitze" gemeint sei.

21. Die Problematik der unterschiedlichen verwendeten Begriffe "Verlagerung", "Auslenkung" und "Bewegungshub" war der Patentinhaberin aber bekannt. Dass unterschiedliche Begriffe verwendet werden, hatte die Einsprechende bereits im ursprünglichen Einspruch vorgetragen (Seite 9, 1. vollständiger Absatz bis 2. vollständiger Absatz, Satz 1). In der Beschwerdebegründung wurde dann seitens der Einsprechenden die Problematik der möglichen unterschiedlichen Bedeutung der Begriffe detailliert dargelegt (Seite 5, 1. vollständiger Absatz bis Seite 6, 1. Absatz). Die möglicherweise fehlende ursprüngliche Offenbarung des Merkmals o) in der Fassung des Hauptantrags der Patentinhaberin und die Argumente waren immer ein sehr streitiger Gegenstand des Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahrens.

22. Bei solch streitigen Themen müssen die Parteien damit rechnen, dass die Kammer zu einem anderen Ergebnis kommen kann als die Einspruchsabteilung. In jedem Fall kann bei streitigen Themen nicht eine zu einem anderen Ergebnis kommende Bewertung der Kammer genutzt werden, um "außergewöhnliche Umstände" im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 zu begründen.

23. Die Patentinhaberin kann daher von der Auffassung der Beschwerdekammer nicht überrascht sein und hätte früher entsprechende Änderungen vorschlagen müssen.

24. Da keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen, wurde Hilfsantrag XI nicht in das Verfahren zugelassen.

25. Da kein gewährbarer Antrag seitens der Patentinhaberin vorliegt, ist das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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