T 0480/17 (Wärmebehandlungsverfahren/General Electric) of 3.4.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T048017.20200403
Datum der Entscheidung: 03 April 2020
Aktenzeichen: T 0480/17
Anmeldenummer: 07114884.5
IPC-Klasse: C22F1/10
C22C19/05
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 316 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Wärmebehandlung von Nickel-Basis-Superlegierungen
Name des Anmelders: General Electric Technology GmbH
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a) (2007)
European Patent Convention Art 54(1) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1900839 zurückzuweisen.

II. Das Streitpatent bezieht sich auf Verfahren zur Wärmebehandlung von Nickel-Basis-Superlegierungen.

III. Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Wärmebehandlungsverfahren für eine Nickel-Basis-Superlegierung zur Herstellung von Einkristall-Komponenten oder gerichtet erstarrten Komponenten mit einer chemischen Zusammensetzung, welche an sich ein vollständiges Lösungsglühen bei einer Temperatur T1 möglich macht, wobei die Legierung

- in einem ersten Schritt kontrolliert nur teilweise lösungsgeglüht wird bei einer Temperatur T2 < T1 und

- in einem zweiten Schritt eine zweistufige, an sich bekannte Alterungsbehandlung bei jeweils niedrigeren Temperaturen durchgeführt wird,

dadurch gekennzeichnet, dass die Teillösungsglühbehandlung einstufig bei konstanter Temperatur T2 durchgeführt wird und dass im ersten Schritt 5-10 % ungelöste gamma'-Phase im Resteutektikum eingestellt werden."

IV. In der Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde u.a. auf folgende Entgegenhaltung Bezug genommen:

D5|WO 2004/038056 A (SIEMENS AG [DE]; HOWMET RES COMPANY [US]) 6. Mai 2004 (2004-05-06)|

V. Die Einspruchsabteilung befand in ihrer Entscheidung insbesondere, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber D5 neu war (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54(1),(2) EPÜ) und ausgehend von D5 eine erfinderische Tätigkeit beinhaltete (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).

VI. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.

VII. Die Beschwerdeführerin erhob insbesondere Einwände unter Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ. Dabei wurde D5 als neuheitsschädlich angeführt. Die Einwände wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit stützten sich größtenteils ebenfalls auf D5.

VIII. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und keine Anträge vorgelegt.

IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsgründe

1. Neuheit

1.1 Wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, offenbart D5 ein Wärmebehandlungsverfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 (Punkt 15.1 der angefochtenen Entscheidung). Die Lösungsglühbehandlung erfolgt im Ausführungsbeispiel bei 1213°C für zumindest eine Stunde und damit einstufig und bei konstanter Temperatur (Seite 6, letzter Absatz).

1.2 Aus den zutreffenden Gründen der Einspruchsentscheidung (Punkt 15.1) nimmt D5 das Merkmal "5-10% ungelöste gamma'-Phase im Resteutektikum" nicht neuheitsschädlich vorweg. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54(1),(2) EPÜ).

1.3 Weitere Ausführungen zu diesem Punkt erübrigen sich, da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Wärmebehandlung von Nickel-Basis-Superlegierungen, durch welches die Eigenschaften der Legierungen positiv beeinflusst werden, und nennt beispielsweise die Verwendung für Gussteile wie Schaufeln für Gasturbinen (Absätze [0001], [0022]-[0024]).

2.2 D5 bezieht sich ebenfalls auf ein Verfahren zur Wärmebehandlung von Nickel-Basis-Superlegierungen für die Herstellung von Gussteilen wie Schaufeln für Gasturbinen mit verbesserten Eigenschaften (Seite 1, Zeilen 8-10; Seite 2, Zeilen 16-23). D5 kann somit als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, im Einklang mit der Auffassung der Beschwerdeführerin und der angefochtenen Entscheidung.

2.3 Wie im Hinblick auf die Neuheit ausgeführt (Punkt 1.), unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren von D5 darin, dass der Anteil an ungelöster gamma'-Phase im Bereich von 5-10% liegt.

2.4 Die Einspruchsabteilung hat diesem Unterschied einen technischen Effekt zugeordnet, nämlich eine Erhöhung der Festigkeit der Kleinwinkelkorngrenzen und damit einen Anstieg der Toleranz bezüglich ihrer Desorientierung (Punkt 16.1, Seite 10 der angefochtenen Entscheidung).

Dieser Effekt wird im Streitpatent in den Absätzen [0023], [0024] sowie in den Ausführungsbeispielen (Absätze [0032], [0033], [0035], [0039] und [0041] und Figuren 3, 5, 7 und 9) beschrieben.

Gleichzeitig stellte die Einspruchsabteilung fest, dass D5 ebenfalls eine Erhöhung der Korngrenzenfestigkeit beschreibt (Punkt 16.1, Seite 10 der angefochtenen Entscheidung). Diese Feststellung ist im Einklang mit D5 (Seite 7, Zeile 25-33).

Ob die objektive technische Aufgabe vor diesem Hintergrund im Bereitstellen einer Alternative oder einer Verbesserung gegenüber D5 liegt, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht präzisiert.

2.5 Die technische Aufgabe, die Korngrenzenfestigkeit zu erhöhen, wird bereits in D5 gelöst. Die erhöhte Toleranz bezüglich einer Desorientierung der Kleinwinkelkorngrenzen bzw. Korngrenzen wird lediglich als Konsequenz der Korngrenzenfestigkeit angesehen (Absatz [0024] des Streitpatents). Es ist weder aus der angefochtenen Entscheidung noch aus dem Streitpatent ersichtlich, dass mit dem im Streitpatent beanspruchten Bereich eine Verbesserung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik hervorgehen würde.

2.6 Im Streitpatent wird zwar allgemein erwähnt, dass sich beste Eigenschaften ergeben, wenn 5-10% an gamma'-Resteutektikum vorhanden sind (Absatz [0032]), diese Aussage wird jedoch nicht durch weitere Angaben konkretisiert oder untermauert. Es gibt keinen Vergleich bestimmter Eigenschaften und keine Gegenüberstellung mit einem Anteil an gamma'-Resteutektikum außerhalb dieses Bereichs.

2.7 Die Beschwerdegegnerin hat sich zu den Einwänden der Beschwerdeführerin, dass dem Bereich von 5-10% kein spezieller Effekt zukomme, nicht geäußert.

2.8 Die objektive technische Aufgabe gegenüber D5 ist somit lediglich das Bereitstellen einer Alternative.

2.9 Die Kammer hat vor dem Hintergrund der Beispiele des Streitpatents keine Zweifel, dass diese Aufgabe durch das in Anspruch 1 definierte Verfahren, bei welchem im ersten Schritt 5-10% ungelöste gamma'-Phase im Resteutektikum eingestellt werden, gelöst wird.

2.10 Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Einspruchsabteilung nicht, dass die Lehre der D5 vom beanspruchten Bereich von 5-10% wegführe. Insbesondere ist es kein wesentliches Merkmal der in D5 beschriebenen Erfindung, dass der Anteil an ungelöster Sekundärphase mehr als 10 vol% beträgt.

Vielmehr lehrt D5 allgemein, dass Temperatur und Dauer der Wärmebehandlung so gewählt werden, dass die Sekundärphase (gamma'-Phase) nur teilweise gelöst wird (Anspruch 1 auf Seite 10; Seite 2, Zeilen 35-36).

2.11 Zwar werden in D5 konkrete Bereiche für den Anteil an nicht gelöster (bzw. gelöster) Sekundärphase genannt, jedoch sind die Angaben widersprüchlich. So beträgt der nicht gelöste Anteil an Sekundärphase gemäß der Beschreibung weniger als 90, 70, 50, oder 30 vol% je nach Geometrie und Herstellbarkeit (Seite 7, Zeilen 7-12), während die Ansprüche einen gelösten Anteil an Sekundärphase von weniger als 90, 70, 50, oder 30 vol% definieren (Ansprüche 8-11 auf Seite 12).

Der Fachmann würde durch diese Angaben nicht veranlasst, einen bestimmten Teilbereich der allgemeinen Lehre der D5 als ungeeignet auszuschließen.

2.12 Der Fachmann, der ausgehend von D5 mit der technischen Aufgabe befasst ist, eine Alternative bereitzustellen, würde einen geeigneten Anteil an Sekundärphase einstellen, und würde in naheliegender Weise einen Wert innerhalb des beanspruchten Bereichs wählen, zumal dieser direkt an einen in D5 spezifisch genannten Bereich angrenzt, nämlich an den in Anspruch 8 definierten gelösten Anteil an Sekundärphase von weniger als 90 vol%, entsprechend einem nicht gelösten Anteil von mehr als 10 vol%.

2.13 Das beanspruchte Verfahren beinhaltet somit keine erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation