T 0449/17 () of 3.12.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T044917.20191203
Datum der Entscheidung: 03 Dezember 2019
Aktenzeichen: T 0449/17
Anmeldenummer: 09002431.6
IPC-Klasse: B60H3/00
A61L9/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Zuführung von Geruchsstoffen
Name des Anmelders: MAHLE Behr GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: VALEO SYSTEMES THERMIQUES S.A.S
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 54 (2007)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Unzulässige Erweiterung - (nein)
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 2 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2095980 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 17. Januar 2017.

II. Die Einspruchsabteilung hat im Wesentlichen entschieden, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 im Hinblick auf das Dokument

JP 4-288164 (D4)

nicht neu ist und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht unter Berücksichtigung der Dokumente D4 und

JP 5-84284 (D5).

Des Weiteren hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass sie ein Fachmann ausführen kann und dass deren Gegenstand nicht unzulässig erweitert ist.

Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Beschwerde eingelegt.

III. Am 3. Dezember 2019 wurde unter Abwesenheit der Einsprechenden mündlich verhandelt.

Die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten, hilfsweise im Umfang des Hilfsantrags 1, vorgelegt mit der Beschwerdebegründung. Weiter beantragte sie hilfsweise die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechende. Ebenfalls hilfsweise beantragte sie, die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Aufrechterhaltung im Umfang eines der Hilfsanträge 3 bis 5, erstmals vorgelegt am 23. August 2016 im Verfahren vor der Einspruchsabteilung und erneut vorgelegt mit der Beschwerdebegründung.

Die Einsprechende/Beschwerdeführerin war in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht zugegen. Im schriftlichen Verfahren beantragte die Einsprechende/Beschwerdeführerin die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

IV. Der Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

Vorrichtung (1) zur Zuführung wenigstens eines Geruchsstoffes in den Innenraum eines Kraftfahrzeuges, umfassend

- einen Geruchsstoffträger (2) mit wenigstens einem Geruchsstoff,

-einen Luftkanal (8) zur Zuführung von anzureichernder Luft zu dem Geruchsstoffträger (2) und/oder zur Rückführung angereicherter Luft von dem Geruchsstoffträger (2) in den Innenraum des 91 Kraftfahrzeuges, wobei der wenigstens eine Geruchsstoff dem Luftkanal (8) zuführbar ist,

- ein Gebläse (4) zum Umwälzen der Luft in dem Luftkanal (8) und

- eine Verschlusseinrichtung (5) zur Steuerung und/oder Regelung der Menge des von dem Geruchsstoffträger (2) in Abhängigkeit von der Zeit zuführbaren wenigstens einen Geruchsstoffes,

wobei mittels wenigstens eines Temperatursensors (3) die Temperatur der in dem Luftkanal (8) befindlichen mit dem wenigstens einen Geruchsstoff anzureichernden und/oder angereicherten Luft messbar ist und in Abhängigkeit von der gemessenen Temperatur die Verschlusseinrichtung (5) steuer- und/oder regelbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Geruchsstoffträger (2) im Luftkanal (8) angeordnet ist und der wenigstens eine Temperatursensor (3) im und/oder an dem Luftkanal (8) angeordnet ist.

V. In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde das "und" in "... zur Steuerung und/oder Regelung der Menge ..." und in "steuer- und/oder regelbar" gestrichen:

- "... zur Steuerung oder Regelung der Menge ..."

- "... steuer- oder regelbar..."

VI. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 weist zusätzlich zum Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 das folgende Merkmal auf:

... wobei die Vorrichtung (1) eine Steuereinheit umfasst und mittels in der Steuereinheit hinterlegter Kurven oder Algorithmen die Verschlusseinrichtung (5) in Abhängigkeit von der Temperatur dahingehend steuerbar ist, dass in Abhängigkeit von der Zeit eine konstante oder variable Menge des wenigstens einen Geruchsstoffes zugeführt wird.

VII. Die Argumente der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - lauteten wie folgt:

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei neu gegenüber D4 und D5. So offenbare D4 keinen Sensor in einem Luftkanal womit die Temperatur im Luftkanal gemessen werde. D4 offenbare lediglich, dass die Temperatur der Luft innerhalb des Kraftfahrzeug-Innenraums gemessen werde. Weiterhin sei keine Zeitsteuerung offenbart, da in D4 der Duftstoffausstoß ereignis­gesteuert geschehe, nämlich dann, wenn die Luft im Innenraum einen gewissen Reinheitsgrad aufweise, und nicht etwa zu einem bestimmten Zeitpunkt. So sei beispielsweise ein Lichtautomat, der im Treppenhaus nach Betätigung das Licht nach einer vorbestimmten Zeit wieder abschalte, keine Zeitsteuerung im Verständnis der Erfindung.

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheide sich für die Frage der Neuheit nicht von dem des Hauptantrags.

Die Erfindung sei ausführbar und nicht unzulässig erweitert.

Zum Hilfsantrag 2 sei zu ergänzen, dass das Merkmal, in Abhängigkeit der Zeit eine konstante oder variable Menge des Geruchstoffes auszustoßen, nicht in D4 offenbart sei. Dieses Merkmal sei so zu verstehen, dass ein und dieselbe Einrichtung zwei Betriebszustände aufweisen könne, nämlich einen, bei dem in Abhängigkeit von der Zeit eine konstante Menge Geruchstoff abgegeben werde, und einen anderen, bei dem die Menge variabel sei. Dies sei auch eindeutig der gesamten Beschreibung zu entnehmen, siehe dort z.B. Paragraphen [0012], [0014], [0017] und [0020].

VIII. Die Einsprechende/Beschwerdeführerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung und damit auch in der Fassung, in der die Einspruchsabteilung das Patent aufrecht erhalten hat, sei unzulässig erweitert. So sei das Merkmal, dass der Geruchsstoffträger im Luftkanal angeordnet ist, nur in Zusammenhang mit weiteren Merkmalen offenbart. Da diese nicht Gegenstand des Anspruchs 1 seien, läge eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor.

Ebenso sei die strittige Erfindung nicht so offenbart, dass sie ein Fachmann ausführen könne. Insbesondere wisse der Fachmann nicht, wie eine Rückführung eine der mit Duftstoffen angereicherten Luft erlaube.

Weiterhin sei das Merkmal "Steuerung und/oder Regelung" bzw. "steuer- und/oder regelbar" derart unklar, dass der Fachmann auch hier nicht wisse, wie dies auszuführen sei. Letztlich bleibe der Fachmann auch über die genaue Position des Temperatursensors und dessen Funktion im Unklaren, diese könne anspruchsgemäß sowohl innerhalb als auch außerhalb sein und der Fachmann bekomme keine Information darüber, wie ein außerhalb des Luftkanals angeordneter Sensor die Temperatur der anzureichernden Luft erfassen könne.

Weiterhin sei der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt nicht neu; so offenbare D4 fraglos eine Temperatur- und Zeitabhängigkeit.

Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 2, der Fassung die die Einspruchsabteilung aufrecht erhalten habe, sei nicht neu gegenüber D4 und D5. Insbesondere sei in D5 - mindestens implizit - offenbart, dass die streitgegenständliche Vorrichtung in einem Fahrzeug Anwendung finden könne, dass es einen Temperatursensor im Luftkanal gebe und dass die Verschlussvorrichtung in Abhängigkeit von der Temperatur und der Zeit eine konstante oder variable Freigabe des Geruchstoffes steuere.

Das Dokument D4 offenbare auch das letzte Merkmal des Anspruchs 1, dass, über einen längeren Zeitraum betrachtet, in Abhängigkeit der Zeit eine konstante oder variable Menge des Geruchstoffss zugeführt werde.

Entscheidungsgründe

1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung ist nicht neu, Artikel 54 EPÜ. Dasselbe gilt für den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1.

Die Erfindung ist so vollständig und deutlich offenbart, dass sie ein Fachmann ausführen kann, Artikel 83 EPÜ. Ebenfalls ist der Gegenstand der Erfindung nicht unzulässig erweitert, Artikel 123 (2) EPÜ (Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ).

Da die Beschwerdeführerin/Einsprechende hierzu im wesentlichen die gleiche Argumente vorgebracht hat, die die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung bereits berücksichtigt hat, folgt die Kammer hier vollständig und uneingeschränkt der Auffassung der Einspruchsabteilung (siehe Punkte 4 bis 14 der angefochtenen Entscheidung).

Ergänzend zur Frage der Neuheit stellt die Kammer folgendes fest:

- Entgegen der Ausführungen der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin offenbart auch D4 einen Temperatursensor im Luftkanal.

So ist in der Figur 1 der D4 der mit dem Bezugszeichen 12 bezeichnete Temperatursensor innerhalb des Luftkanals zu erkennen, siehe auch D4 in der Übersetzung, Seite 9, oben. Der Temperatursensor misst also notwendigerweise die Temperatur der Luft im Luftkanal.

- Des weiteren ist der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin nicht zu folgen, was ihr Verständnis einer Zeitsteuerung betrifft.

D4 offenbart den gesteuertem Ablauf einer vorbestimmten Zeit (T1) P19 bis P22, siehe auch D4 in der Übersetzung, Paragraph [0017]. Dies ist eine Zeitsteuerung im Sinne der Erfindung. Eine weiter umfassendere Definition, derart, dass beispielsweise die Zeitmenge selbst von weiteren Größen abhängen soll, ist weder in der Patentschrift noch im Anspruch einschränkend definiert.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist neu gegenüber den Dokumenten D4 und D5, Artikel 54 EPÜ.

2.1 In Bezug auf das Dokument D5 teilt die Kammer ebenfalls die in der Entscheidung der Einspruchsabteilung dargelegte Argumentation (siehe dort Punkte 22 und 23).

So offenbart D5 nicht mehr über die Anordnung des Temperatursensors (das nicht gezeigte Teil 15 und nicht etwa Teil 6, wie es die Beschwerdeführerin/Einsprechende behauptet), als dass er in der Nähe des Behälters zur Aufnahme des Parfümmaterials angeordnet ist (siehe Absatz [0005] und Anspruch 1). Die Anordnung in und/oder an dem Luftkanal wird nicht offenbart.

2.2 Was das Dokument D4 betrifft, so stellt die Kammer - im Widerspruch zu der Entscheidung der Einspruchsabteilung - fest, dass die Gesamtmenge des emittierten Geruchstoffes so wie in der Erfindung dargelegt, sowohl von der Temperatur als auch von der Zeit abhängig ist. D4 beschreibt zwei Mengen Geruchsstoff Q2 und Q1, die sequentiell abgegeben werden. Dabei ist Q2 nur von der Temperatur und Q1 nur von der Zeit abhängig, siehe dazu die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 7, Punkt 21. Damit ist aber nach Auffassung der Kammer die Gesamtmenge Q1 + Q2 von der Temperatur als auch von der Zeit abhängig.

2.3 Allerdings offenbart D4 nicht das Merkmal, dass in Abhängigkeit der Zeit sowohl eine konstante oder aber eine variable Menge des wenigstens einen Geruchstoffes zugeführt wird.

2.4 Die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin argumentiert in diesem Zusammenhang für die Kammer nachvollziehbar, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung in der Lage ist, beide Zustände, nämlich in Abhängigkeit der Zeit eine konstante oder variable Menge des Geruchstoffes auszustoßen, zu betreiben. Dieses Verhalten der Vorrichtung ist in der Beschreibung offenbart, siehe Paragraphen [0012], [0014], [0017] und [0020]. Es ist aber der D4 nicht zu entnehmen, dass die dort offenbarte Vorrichtung die technischen Merkmale aufweist, die ein solches Verhalten ermöglichen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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