T 0441/17 () of 1.8.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T044117.20190801
Datum der Entscheidung: 01 August 2019
Aktenzeichen: T 0441/17
Anmeldenummer: 11779165.7
IPC-Klasse: C08L 77/02
C08K 7/24
C08K 5/00
C08K 5/17
C08L 33/08
C08L 77/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: CARBON NANOTUBES ENTHALTENDE POLYAMID 12-ZUSAMMENSETZUNG
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH
Name des Einsprechenden: ARKEMA FRANCE
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 13. Dezember 2016 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent Nr. 2 635 637 widerrufen wurde.

II. Der strittigen Entscheidung lagen zwei Anträge zu Grunde. Relevant für die vorliegende Entscheidung ist lediglich der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, welcher mit Schriftsatz vom 11. Februar 2016 eingereicht wurde.

Anspruch 1 dieses Hilfsantrags 1, lautete:

"1. Polyamidzusammensetzung, die folgende Komponenten enthält:

a) Mindestens 40 Gew.-Teile PA12,

b) 0,1 bis 15 Gew.-Teile mindestens eines Salzes mit einem nichtmetallischen Kation,

c) 0,1 bis 25 Gew.-Teile mindestens eines Dispergiermittels auf Basis von Estern oder Amiden sowie

d) Carbon Nanotubes in einer Menge, die in der Polyamidzusammensetzung einen spezifischen Oberflächenwiderstand gemäß IEC 60167 von 10**(-1) bis 10**(10) Omega ergibt,

e) 0 bis 5 Gew.-Teile mindestens eines Metallsalzes sowie optional

f) übliche Hilfs- und Zusatzstoffe,

wobei die Summe der Gewichtsteile der Komponenten a) bis f) 100 beträgt und wobei das Dispergiermittel

der Komponente c) ausgewählt ist aus

c1) Polyacrylsäureestern, herstellbar durch Umesterung eines durch Polymerisation erhältlichen Polyacrylsäurealkylesters, dessen Alkylreste 1 bis 3 Kohlenstoffatome aufweisen, mit

a) gesättigten aliphatischen Alkoholen mit 4 bis 50 Kohlenstoffatomen

und/oder

b) ungesättigten aliphatischen Alkoholen mit 4 bis 50 Kohlenstoffatomen,

wobei a) und b) in solchen Mengen verwendet werden, dass 30 bis 100 % der Estergruppen umgeestert werden,

und

c2) Polyester-Polyamin-Kondensationsprodukten, erhältlich durch die teilweise oder vollständige Umsetzung von

A) einem oder mehreren aminofunktionellen Polymeren, das mindestens vier Aminogruppen enthält, mit

B) einem oder mehreren Polyestern der allgemeinen Formeln (I)/(Ia)

T-C(O)-[O-A-C(O)]x-OH (I)

T-O-[C(O)-A-O-]y-Z (Ia)

und

C) einem oder mehreren Polyethern der allgemeinen Formel (II)/(IIa)

T-C(O)-B-Z (II)

T-O-B-Z (IIa)

worin

T ein Wasserstoffrest und/oder ein gegebenenfalls substituierter, linearer oder verzweigter Aryl, Arylalkyl, Alkyl- oder Alkenylrest mit 1 bis 24 Kohlenstoffatomen ist,

A mindestens ein zweiwertiger Rest ist, ausgesucht aus der Gruppe der linearen, verzweigten, cyclischen und aromatischen Kohlenwasserstoffe,

Z mindestens ein Rest ist, ausgesucht aus der Gruppe der Sulfonsäuren, Schwefelsäuren, Phosphonsäuren, Phosphorsäuren, Carbonsäuren, Isocyanate, Epoxide, insbesondere der Phosphorsäure und (Meth)-Acrylsäure,

B ein Rest der allgemeinen Formel (III) ist

-(ClH2lO)a -(CmH2mO)b-(CnH2nO)c-(SO)d- (III)

SO = -CH2-CH(Ph)-O- mit Ph = Phenylrest,

a,b,c unabhängig voneinander Werte von 0 bis 100 sind, mit der Maßgabe, dass die Summe aus a + b + c >= 0, vorzugsweise 5 bis 35, insbesondere 10 bis 20 ist, mit der Maßgabe, dass die Summe aus a + b + c + d > 0,

d >= 0, vorzugsweise 1 bis 5 ist,

l,m,n unabhängig voneinander >= 2, vorzugsweise 2 bis 4 ist,

x,y unabhängig voneinander >= 2 sind."

III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:| |

D1: WO 2010/046606

D6: US 5 744 523

D8: EP 1 574 548

IV. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass Anspruch 1 des dann geltenden Hilfsantrags 1, zumindest in der Variante c1), nicht erfinderisch gegenüber D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit D6 und D8 sei (Absätze 43 bis 47 der angefochtenen Entscheidung).

V. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdeschrift beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schriftsatz vom 11. Februar 2016 eingereichten Hilfsantrags 1.

VI. Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.

VIII. Mit Brief vom 2. Juli 2019 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, ohne zu der Mitteilung inhaltlich Stellung zu nehmen.

IX. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 1. August 2019 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Artikel 56 EPÜ

a) Das Dokument D1, insbesondere das Beispiel 2, stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar.

b) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheide sich von der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 2 der D1 durch die Anwesenheit der Komponenten b) und c).

c) Es sei im Absatz 70 des Patents angegeben, dass die Zugabe der Komponenten b) und c) eine synergetische Wirkung auf die elektrische Leitfähigkeit habe. Dieser synergetische Effekt sei ferner aus dem Vergleich der Beispiele mit den Vergleichsbeispielen des Streitpatents zu entnehmen, wobei diese Vergleichsbeispiele dem Beispiel 2 der D1 entsprächen. Somit liege die gegenüber dem Beispiel 2 der D1 gelöste Aufgabe in der Bereitstellung einer PA12-Zusammensetzung mit verbesserter elektrischer Leitfähigkeit.

d) Es sei aus D6 und D8 nicht zu entnehmen, dass diese Aufgabe durch Zugabe der Komponenten b) und c) gemäß dem geltenden Anspruch 1 zu lösen sei. Die von der Einspruchsabteilung betrachtete Kombination von D1 mit der Lehre von D6 und D8 beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise, was nicht zulässig sei.

e) Aus diesen Gründen sei der geltende Anspruch 1 erfinderisch.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) D1, insbesondere das Beispiel 2, könne als nächster Stand der Technik angesehen werden.

b) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheide sich von der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 2 der D1 durch die Anwesenheit der Komponenten b) und c).

c) Die von der Beschwerdeführerin erwähnte Verbesserung der elektrischen Leitfähigkeit durch Zugabe der Komponenten b) und c) sei im Streitpatent nicht belegt. Es sei ferner nicht glaubhaft, dass dieser Effekt auf der gesamten Breite des geltenden Anspruchs 1 vorhanden sei. Unter solchen Umständen liege die tatsächlich gelöste Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer weiteren PA12-Zusammensetzung mit guter elektrischer Leitfähigkeit als Alternative zu der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 2 der D1.

d) Die Zusammensetzungen gemäß der Lehre von D1 könnten übliche Zusatzstoffe, wie Antistatika, und Dispergiermittel, wie Acrylpolymere enthalten.

Die Verwendung von Komponente b) gemäß geltendem Anspruch 1 als Antistatikum für Polyamidzusammensetzungen (wie PA12), welche auch Carbon Nanotubes enthalten können, sei aus D8 bekannt. Ferner sei im Streitpatent selbst angegeben, dass die Verwendung von Ammoniumsalzen, die der Komponente b) gemäß geltendem Anspruch 1 entsprechen, als Antistatika in PA12-Zusammensetzungen bekannt sei.

Die Verwendung der Komponente c1) gemäß geltendem Anspruch 1 als Dispergiermittel für Polymerzusammensetzungen, u.a. Polyamid, enthaltend feine Füllpartikel, sei ferner aus D6 bekannt.

Somit sei es naheliegend, die oben angegebene Aufgabe durch die Kombination des Beispiels 2 der D1 mit der Lehre von D6 und D8 zu lösen.

e) Aus diesen Gründen sei der geltende Anspruch 1 nicht erfinderisch.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schriftsatz vom 11. Februar 2016 eingereichten Hilfsantrags 1.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

1.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin sind mit der Einspruchsabteilung der Auffassung, dass das Beispiel 2 der D1, welches eine elektrisch leitfähige PA12 Zusammensetzung enthaltend Carbon Nanotubes betrifft, einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer sieht auch keinen Grund, davon abzuweichen.

1.2 Unterscheidungsmerkmal(e)

Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sich von der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 2 von D1 durch die Anwesenheit der Komponenten b) und c) unterscheidet. In diesem Zusammenhang wurde von den Parteien (insbesondere von der Beschwerdeführerin) die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass der im Merkmal d) angegebene spezifische Oberflächenwiderstand kein Unterscheidungsmerkmal darstellt (Absatz 29 der Entscheidung), nicht bestritten.

2. Die zu lösende Aufgabe

2.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die gegenüber dem Beispiel 2 von D1 gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung einer PA12-Zusammensetzung mit verbesserter elektrischer Leitfähigkeit bestehe.

2.2 Jedoch wurde kein direkter Vergleich mit einer Zusammensetzung gemäß Beispiel 2 der D1 vorgelegt.

2.3 Der Einspruchsabteilung kann zugestimmt werden, dass im Streitpatent keine unerwartete Wirkung, insbesondere kein synergetischer Effekt der Komponenten b) und c) dargelegt wird (Absätze 30, 44 und 45 der Entscheidung). Diesbezüglich kann die im Absatz 70 des Streitpatents erwähnte Synergie, die durch keine Nachweise tatsächlich bewiesen wurde, nicht berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang kann der Beschwerdeführerin nicht zugestimmt werden, dass das Vergleichsbeispiel des Streitpatents (Absatz 76) die Lehre des Beispiels 2 von D1 illustriert, insbesondere weil es ohne Weichmacher gemäß der Lehre der D1 (Anspruch 1) durchgeführt wurde. Ferner wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass das Vergleichsbeispiel des Streitpatents mit einem Verfahren gemäß der Lehre von D1 (Anspruch 1) durchgeführt wurde, wie im Absatz 6.3.3 der Mitteilung der Kammer angesprochen wurde.

2.4 Es wird auch angemerkt, dass alle Beispiele des Streitpatents mit Hilfe der Komponente "Tegomer P121" als Dispergiermittel (Komponente c) der beanspruchten Zusammensetzungen) durchgeführt worden sind. Auch in diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt, dass dieses Dispergiermittel der Komponente c1) oder c2) gemäß dem geltenden Anspruch 1 entspricht, obwohl die Frage im Absatz 6.3.4 der Mitteilung der Kammer angesprochen wurde. Somit wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass die Beispiele des Streitpatents (Tabelle 1) einer der Ausführungsformen c1) oder c2) des geltenden Anspruchs 1 entsprechen, insbesondere nicht die Ausführungsform c1), welche von der Einspruchsabteilung als nicht erfinderisch angesehen wurde.

2.5 Unter solchen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, eine andere Formulierung der tatsächlich gelösten Aufgabe als die gemäß Absatz 45 der angefochtenen Entscheidung zu definieren, nämlich die Bereitstellung von weiteren PA12-Zusammensetzung mit guter Leitfähigkeit als Alternative zu der Zusammensetzung gemäß Beispiel 2 von D1.

3. Naheliegen der Lösung

3.1 Es stellt sich die Frage, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass er zum beanspruchten Gegenstand kommt, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen.

3.2 Diesbezüglich können die Zusammensetzungen gemäß der Lehre von D1 übliche Zusatzstoffe, wie Antistatika (Seite 27, Zeilen 22-26), und Dispergiermittel, wie Acrylpolymere (Seite 16, Zeilen 13-25) enthalten.

3.3 Ferner ist die Verwendung von Komponenten b) gemäß geltendem Anspruch 1 als Antistatikum für Polyamidzusammensetzungen (wie PA12), welche auch Carbon Nanotubes enthalten können, aus D8 bekannt (Ansprüche 9, 14, 18; Absätze 3, 8, 14, 18, 20, 61; Beispiele 8-11). Auch ist die Verwendung von Ammoniumsalzen, die eine Komponente b) gemäß geltendem Anspruch 1 ist, als Antistatika in PA12-Zusammensetzungen bekannt, wie im Absatz 5 des Streitpatents selbst angegeben.

3.4 Schließlich ist die Verwendung der Komponente c1) gemäß geltendem Anspruch 1 als Dispergiermittel für Polymerzusammensetzungen, u.a. Polyamid, enthaltend feine Füllpartikel, aus D6 bekannt (Ansprüche 1 und 3). In diesem Zusammenhang kann der Beschwerdeführerin zugestimmt werden, dass D6 Carbon Nanotubes gemäß der Komponente d) des geltenden Anspruchs 1 nicht offenbart (Beschwerdebegründung: Seite 3, Absatz 3). Jedoch hat die Beschwerdeführerin nicht bewiesen oder auch nur argumentiert, insbesondere nicht in Antwort auf die Mitteilung der Kammer (Absatz 6.4.2, letzter Satz), inwiefern diese Tatsache dazu führen würde, dass der Fachmann, der die oben gelöste Aufgabe lösen will, die Lehre von D6 nicht berücksichtigen würde.

3.5 Somit war es aufgrund der Lehre von D6 und D8 naheliegend, die im Absatz 2.5 definierte Aufgabe durch Zugabe einer Kombination von Komponenten b) und c1) in der Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 2 der D1 zu lösen.

3.6 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1, zumindest in der Variante c1), nicht erfinderisch.

4. Da der einzige Antrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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