T 0409/17 (Perlglanzpigmente/Eckart GmbH) of 18.10.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T040917.20191018
Datum der Entscheidung: 18 October 2019
Aktenzeichen: T 0409/17
Anmeldenummer: 08007357.0
IPC-Klasse: C09C 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Perlglanzpigmente auf Basis von feinen und dünnen Substraten
Name des Anmelders: Eckart GmbH
Name des Einsprechenden: BASF SE
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
T 0464/05
T 1404/05
T 1845/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, mit der das europäische Patent Nr. 2 123 721 widerrufen worden ist.

II. Die erteilten Ansprüche 1, 13, 14, 16 und 17 haben jeweils den folgenden Wortlaut:

"1. Perlglanzpigmente umfassend ein weitgehend transparentes plättchenförmiges Substrat mit einer Dichte PS und mindestens einer optisch wirksamen Beschichtung mit einer Dichte PM

dadurch gekennzeichnet;

dass das transparente plättchenförmige Substrat aus der Gruppe, bestehend aus Glimmer, synthetischem Glimmer, SiO2-Plättchen, Al2O3-Plättchen und deren Gemische, ausgewählt ist und das Substrat eine mittlere Größe d50 von 3 bis 8 mym und eine mittlere Höhe hs von 40 bis 110 nm aufweist, wobei die Standardabweichung der Höhe hs 25 bis 80% beträgt."

"13. Verfahren zur Herstellung der Perlglanzpigmente nach einem der Ansprüche 1 bis 12

dadurch gekennzeichnet,

dass es folgende Schritte umfasst;

a) Klassieren des weitgehend transparenten Substrates unter Erhalt eines Substrates mit einer mittleren Höhe hs von 40 bis unter 100 nm.

b) Beschichten des klassierten Substrates mit einer optisch wirksamen, vorzugsweise hochbrechenden, Schicht unter Erhalt eines Perlglanzpigmentes mit einer mittleren Größe d50 von 3 bis 8 mym."

"14. Verwendung eines der Perlglanzpigmente nach einem der Ansprüchen 1 bis 12 in Lacken, Druckfarben, Kosmetika, Kunststoffen, Glas, Email oder Keramik."

"16. Verwendung eines der Perlglanzpigmente nach einem der Ansprüchen 1 bis 12 als Softfokus Pigment."

"17. Beschichtungsmittel, insbesondere kosmetisches Präparat, enthaltend eines der Perlglanzpigmente nach einem der Ansprüche 1 bis 12."

III. In ihrem Einspruchsschriftsatz hatte die Einsprechende den Widerruf des gesamten Patents beantragt.

Als Einspruchsgründe wurden mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) und unvollständige Offenbarung der Erfindung (Artikel 100 b) EPÜ) gelten gemacht.

Der Einspruch stützte sich unter anderem auf die folgenden Entgegenhaltungen:

D3c: JP 2002/294 098 A, Englische Übersetzung;

D4: EP 1 564 261 A2.

IV. Grundlage der angegriffenen Entscheidung war das Patent wie erteilt als Hauptantrag und das Patent in der geänderten Fassung gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag 1 oder einem der mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 eingereichten Hilfsanträge 2 bis 8.

V. Die Einspruchsabteilung hat das Patent widerrufen, auf Grund fehlender Ausführbarkeit der Gegenstände des Hauptantrags und der Hilfsanträge 2 bis 8 sowie, nur für den Gegenstand des Hilfsantrags 1, wegen Nichterfüllung der Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

VI. Mit ihrer Beschwerdebegründung (10. Mai 2017) reichte die Beschwerdeführerin eine Kopie von dem im Patent gewürdigten Dokument D16 (WO 2004/087816) ein, legte Hilfsanträge I bis IX vor und legte dar, warum die von der Einspruchsabteilung genannten Gründe nicht zutreffen und die Ausführbarkeit der Erfindung anzuerkennen sei.

VII. Mit ihrer Erwiderung (20. September 2017) legte die Beschwerdegegnerin das neue Beweismittel

D17: Auszug aus https://en.wikipedia.org/wiki/Standard deviation, 18 Seiten,

vor und beantragte dessen Zulassung in das Verfahren wegen prima facie Relevanz gegen die Ausführbarkeit des Gegenstands des Streitpatents.

VIII. In einem Zusatz zur Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer ihre vorläufige und nicht bindende Auffassung geäußert, unter anderem dass,

- D17 ins Verfahren zuzulassen ist, da es eindeutig allgemeines Fachwissen über die Standardabweichung und besondere Aspekte davon betrifft, die zwischen den Parteien strittig gewesen sind,

- die Perlglanzpigmente laut Anspruch 1 aus üblichen Materialien bestehen und allgemein bekannte physikalische Größen aufweisen sollen, wie aus dem Streitpatent sowie aus D3c und D4 ersichtlich,

- der Gegenstand des Streitpatentes für den Fachmann ausführbar ist (Artikel 83 EPÜ), also dass die Begründung der Einspruchsabteilung nicht überzeugend ist, sowie

- keine Erörterung des weiter geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden erfinderischen Tätigkeit vor der Einspruchsabteilung stattgefunden hat, so dass zu erwarten ist, dass die Angelegenheit zur Weiterbehandlung zurückverwiesen wird.

IX. Nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer hielt die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 17. September 2019 aufrecht, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht über den gesamten beanspruchten Umfang ausführbar sei.

X. Die mündliche Verhandlung fand am 18. Oktober 2019 statt. Die Beschwerdegegnerin bestand insbesondere darauf, dass

- auf Grund der Aussagen in den Absätzen [0018] und [0069] des Streitpatents eindeutig sei, dass die beanspruchte "mittlere Höhe hs von 40 bis 110 nm" nicht mit den im Patent gewürdigten bekannten Messmethoden zu bestimmen, sondern mit Gleichung (7) zu berechnen sei,

- daraus folge, im Einklang mit Artikel 69 EPÜ, dass Anspruch 1 impliziere, dass die beanspruchte mittlere Schichtdicke im definierten Bereich nur mit Gleichung (7) zu berechnen sei,

- aber gemäß der Aussage im Absatz [0137] des Patents die Berechnung mit Gleichung (7) keinen Datensatz ergibt, welcher die Berechnung der beanspruchten relativen Standardabweichung ermögliche, und (Absatz [0079] des Streitpatents) Gleichung (7) nur in einem besonderen Bereich von Beschichtungsdicken anwendbar sei, sowie, schließlich, falls die anderen erwähnten Messmethode zu verwenden seien,

- die Daten in der Tabelle 3 des Streitpatents erhebliche Unterschiede zwischen den mit Gleichung (7) berechneten und den mit den bekannten Methoden bestimmten mittleren Höhe Werten zeigten, so dass die Tatsache, ob ein Perlglanzpigment unter dem Anspruch 1 falle, davon abhängig sei, mit welcher Methode die mittlere Substratdicke bestimmt werde, also dass der Fachmann nicht wisse, welches Perlglanzpigment die technische Aufgabe löse (T 464/05 vom 14. Mai 2007).

Folglich seien die beanspruchten Perlglanzpigmente auf jeden Fall nicht über den gesamten Umfang des Anspruchs 1 ausführbar.

XI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angegriffene Entscheidung aufzuheben, hilfsweise, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I bis IX aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ferner beantragten beide Parteien, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur Prüfung des Einspruchsgrundes der erfinderischen Tätigkeit zurückzuverweisen, falls die Kammer zur Entscheidung gelangt, dass das Streitpatent die Voraussetzungen der Ausführbarkeit nach Artikel 83 EPÜ erfüllt.

Entscheidungsgründe

Zulassung von verspäteten Beweismitteln

1. D17 ist ins Verfahren zugelassen, da es eindeutig allgemeines Fachwissen über die Standardabweichung und insbesondere Aspekte davon betrifft, die zwischen den Parteien strittig gewesen sind (Artikel 12 (4) VOBK).

Anspruch 1

2. Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung bezieht sich auf die in den Ansprüchen definierte Erfindung und insbesondere auf die Kombination der strukturellen und funktionellen Merkmale der beanspruchten Erfindung.

2.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer war nicht (mehr) bestritten, dass

- die im Anspruch 1 definierten Perlglanzpigmente aus üblichen Materialien für Effektpigmente bestehen;

- die im Anspruch 1 definierten plättchenförmigen Substrate keine unüblichen Parameter aufweisen sollen, zumal die definierten Größen (mittlere Größe d50, mittlere Höhe hs und deren relative Standardabweichung) zur Charakterisierung von Substraten und Effektpigmenten üblich oder bekannt sind, und deren Berechnung auch allgemein bekannt ist (wie aus dem von der Einsprechenden geltend gemachten allgemeinen Fachwissen D17 ersichtlich - siehe die ersten zwei Absätze der Seite 1 sowie die "Basic Examples" auf der Seiten 2 und 3 -, worin auch klargestellt wird, dass die beanspruchten Größen aus bestimmten Einzelwerten (Datensatz) einer Population oder einer Probe berechnet werden; und

- das Streitpatent unter anderem auf verschiedene bekannte Methoden zur Bestimmung der mittleren Höhe hs des Substrates verweist, welche direkt auf Proben von Glimmern ausgeführt werden können. Siehe hierzu insbesondere die Absätze [0066] (erster Satz), [0101] (letzter Satz) und [0131] des Streitpatents, welche REM Vermessungen auf Proben von Glimmern mit mindestens 100 Teilchen erwähnen, und welche somit einen Datensatz an einzelnen Werten für die Berechnung der mittleren Höhe und der relativen Standardabweichung der Probe liefern (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 6, letzter Satz sowie Punkte 6.1 und 6.2; und Erwiderung, Punkt 2, "by means of well-known Scanning Electron Microscopy (SEM)").

2.2 Bestritten war von der Beschwerdegegnerin vielmehr die Tatsache, dass, obwohl Anspruch 1 keine Methode für die Bestimmung/Berechnung der definierten statistischen Größen definiert, auf Grund der angeblich eindeutigen Offenbarung in den Absätzen [0018], [0078], [0132] des Streitpatents über die notwendige Verwendung der spezifischen Methode nach Gleichung 7 für die Berechnung der mittleren Höhe hs im definierten Bereich, anstatt der Verwendung der weiter gewürdigten bekannten Messmethode, Anspruch 1 im Einklang mit Artikel 69 EPÜ die Verwendung von Gleichung 7 impliziert, also erfordert.

2.2.1 Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass falls die Verwendung von Gleichung 7 impliziert wäre, die Offenbarung des Streitpatent aus folgenden Gründen unzureichend sein würde:

- aus der Berechnung der mittleren Höhe hs mit Gleichung 7 kann keine relative Standardabweichung innerhalb einer Probe ermittelt/berechnet werden (vgl. die Beschwerdebegründung, Punkt 7, in dem die Auffassung vertreten wird, dass die mittlere Höhe hs des Substrats nach Gleichung 7 zu berechnen sei, während die Standardabweichung gemäß dem Verfahren nach D16 (siehe den Absatz [0131], Teil b), des Streitpatents) zu ermitteln sei (Erwiderung, Punkt 15), und

- Gleichung 7 gilt nur innerhalb eines bestimmten Bereiches an Beschichtungsdicken, also ist nicht über den gesamten Umfang von Anspruch 1 anwendbar.

2.2.2 Schließlich hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass auch, falls die Verwendung von Gleichung 7 nicht im Anspruch 1 impliziert wäre, die Offenbarung unzureichend sein würde, aus folgenden Gründen:

- wie aus Tabelle 3 des Streitpatents ersichtlich, ergäben die weiteren, im Patent gewürdigten Messmethoden für die gleiche Probe stark schwankende Ergebnisse, so dass die Perlglanzpigmente einer gleichen Probe unter den definierten Bereich fallen oder nicht fallen, abhängig davon, welche Messmethode verwendet werde;

- im Einklang mit T 464/05 von 14. Mai 2007 wisse daher der Fachmann nicht, ob diese Perlglanzpigmente unter den "verbotenen Schutzbereich" fallen, also unter den Bereich umfassend die Ausführungsformen, welche den besonderen Effekt "soft focus" aufweisen, also welche die technische Aufgabe der Bereitstellung von "soft focus" Pigmenten tatsächlich lösen, wobei

- dies im engeren Sinne ein Problem der Ausführbarkeit unter Artikel 83 EPÜ darstelle.

Ausführbarkeit

3. Die aufrechterhaltenen/geltend gemachten Einwände/Argumente der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung überzeugen die Kammer nicht.

3.1 Das Argument, dass auf Grund der Aussagen in den Absätzen [0018] und [0069] des Streitpatents die beanspruchte "mittlere Höhe hs von 40 bis 110 nm" nur mit Gleichung (7) zu berechnen sei, also dass Anspruch 1 im Einklang mit Artikel 69 EPÜ nur die Verwendung von Gleichung 7 impliziere, teilt die Kammer nicht.

3.1.1 Die Kammer verkennt nicht die Aussagen in den Absätzen [0018] und [0069] des Streitpatents, bemerkt aber, dass diese Aussagen die Verwendung der Gleichung 7 zur Charakterisierung eines fertigen Perlglanzpigmentes betreffen, also eines schon beschichteten Substrates.

3.1.2 Anspruch 1 definiert aber lediglich die physikalischen Größen des unbeschichteten Substrates. Hierzu ist einfach die Relevanz des ersten Vorgangs des beanspruchten Verfahrens hervorzuheben, weil die beanspruchte mittlere Höhe Hs von 40 bis 100 nm durch das Klassifizieren eines weitgehend transparenten Substrats erhalten wird. Ein solches Klassifizieren wird im Beispiel 1alpha veranschaulicht, welches daher besonders relevant ist. Wie aus Beispiel 1alpha ersichtlich, erfolgt die Bestimmung der mittleren Höhe hs eines klassierten (aber noch nicht beschichteten) Substrates durch Anwendung einer bekannten REM Methode, welche Methode unbestritten einen Datensatz liefert, woraus die Standardabweichung berechnet werden kann. Daraus ist also ersichtlich, dass die Offenbarung der Herstellung des Substrates nicht unzureichend ist, was auch nicht bestritten wird.

3.1.3 Zusammengefasst kann ein Substrat wie im Anspruch 1 definiert hergestellt werden, welches darüber hinaus auf Basis der im Patent offenbarten Angaben auch beschichtet werden kann, um die beanspruchten Perlglanzpigmente zu erhalten. Auch dies wird nicht bestritten.

3.1.4 Mit anderen Worten offenbart das Streitpatent nicht, Gleichung 7 allgemein zu verwenden, noch weniger, um die mittleren Höhe hs eines klassierten, aber noch nicht beschichteten Substrates zu berechnen. Dies wäre auch unmöglich, da Gleichung 7 auf den Materialien und der Dicke der Beschichtung des Substrates basiert.

3.1.5 Vielmehr wird im Streitpatent offenbart, wie auch von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht,

- (gemäß der Aussage im Absatz [0137] des Patents), dass die Berechnung mit Gleichung (7) keinen Datensatz ergibt, welcher die Berechnung der beanspruchten relativen Standardabweichung ermöglicht, und

- (wie offenbart im Absatz [0079] des Streitpatents), dass die Gleichung (7) nur in einem besonderen Bereich von Beschichtungsdichten anwendbar ist.

Diese Offenbarung spricht gegen die geltend gemachte implizite, allgemeine, notwendige Verwendung von Gleichung 7, also ist Gleichung 7 gemäß Streitpatent nicht im gesamten Umfang des Anspruchs 1 zu verwenden.

3.1.6 Im Hinblick auf die geltend gemachte Anwendung von Artikel 69 EPÜ, um Gleichung 7 im Anspruch 1 implizit mitzulesen, merkt die Kammer an, dass Anspruch 1 klar ist, also keine Erläuterung durch die Beschreibung braucht, sowie dass in der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage, II.A.6.3.2) unterstrichen wird, dass Artikel 69 EPÜ 1973 (bzw. Artikel 69 (1) EPÜ) und das zugehörige Protokoll in erster Linie zur Verwendung durch die für Patentverletzungsverfahren zuständigen Gerichte gedacht sind (siehe z B. T 1404/05, Gründe 3.6), auf jeden Fall nicht, um breit gefasste Ansprüche eng auszulegen.

3.1.7 Somit kann der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten notwendigen Verwendung von Gleichung 7 im gesamten Umfang des Anspruchs 1 nicht gefolgt werden.

3.2 Daraus folgt, dass der Einwand der Beschwerdegegnerin, wonach, falls die Verwendung von Gleichung 7 impliziert wäre, die Offenbarung des Streitpatents unzureichend sein würde (siehe Punkt 2.2.1, supra), nicht zutreffen kann.

Gerade weil es offensichtlich ist, dass aus der Berechnung der mittleren Höhe hs mit Gleichung 7 keine relative Standardabweichung innerhalb einer Probe ermittelt/berechnet werden kann, kann Gleichung 7 nicht im Anspruch 1 impliziert sein, welcher unter anderem eine relative Standardabweichung definiert.

Darüber hinaus definiert Anspruch 1 keine Beschichtungsdicke, ist also offen in dieser Hinsicht, während das Modell nach Gleichung 7 nur innerhalb eines bestimmten Bereiches von Beschichtungsdicken gilt. Also ist Gleichung 7 nicht über den gesamten Umfang von Anspruch 1 anwendbar.

Somit kann daraus keine Unausführbarkeit folgen.

3.3 Schließlich ist für die Kammer auch der Einwand (siehe Punkt 2.2.2, supra) nicht zutreffend, dass auch, falls die Verwendung von Gleichung 7 nicht im Anspruch 1 impliziert wäre, die Offenbarung unzureichend sein würde, aus folgenden Gründen:

3.3.1 Da die Herstellung der beanspruchten Perlglanzpigmente nicht bestritten wird, und da die Daten der Tabelle 3 des Streitpatents nur die Charakterisierung der Perlglanzpigmente betreffen, ist ersichtlich, dass obwohl die nach den im Patent gewürdigten und verwendeten, unterschiedlichen Messmethoden für die gleiche Probe schwankenden Ergebnisse des hs Wertes für eine gleiche Probe ergeben können, diese Schwankungen und deren Konsequenzen, also dass die gemessenen Hs Werte unter den im Anspruch definierten Bereich für hs fallen oder nicht fallen können, nur ein Problem der Klarheit darstellen.

3.3.2 In dieser Hinsicht merkt die Kammer auch an, dass auch der in T 464/05 vom 14. Mai 2007 vertretenen engeren Auffassung (siehe Gründe, 3.3.5, letzter Satz) (also, dass, wenn der Fachmann nicht wisse, ob ein Gegenstand unter dem "verbotenen Schutzbereich" fällt, dies im engeren Sinne ein Problem unter Artikel 83 EPÜ darstelle, weil der Fachmann nicht bestimmen könne, welche Ausführungsformen die geltend gemachte technische Aufgabe tatsächlich löst) von den (chemischen) Kammern nicht mehr gefolgt wird, wie aus der Rechtsprechung ersichtlich (II.C.5.6.5, Zweiter Absatz, sowie II.C.7.2, ab dem Absatz betreffend T 593/09). In vielen weiteren Entscheidungen ist das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung im Sinne von Artikel 83 EPÜ von dem Klarheitserfordernis nach Artikel 84 EPÜ unterschieden und von diesem unabhängig gehalten. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die unterschiedlichen mittleren Höhen hs, gezeigt in der Tabelle 3 des Streitpatents, die sich aus den unterschiedlichen, im Patent verwendeten, bekannten Messmethoden ergeben, eine Frage der Klarheit, nicht der ausreichenden Offenbarung darstellen.

3.3.3 Schließlich betont die Kammer, dass auch die Frage, ob klar ist, welche Ausführungsformen die geltend gemachte Aufgabe tatsächlich lösen, nicht die ausreichende Offenbarung unter Artikel 83 EPÜ betrifft, vielmehr kann sie eine Frage unter Artikel 56 EPÜ sein, aus folgenden Gründen:

- der vorliegende Anspruch 1 definiert keine zu erreichenden Wirkungen wie "soft focus" (siehe G 1/03, Gründe 2.5.2, dritter Absatz, zweiter Satz) (vgl. auch z.B. Absatz [0036] des Streitpatents mit Anspruch 1, welcher keine der im Absatz [0036] weiter offenbarten Nachteile oder Vorteile erwähnt).

- Diese Kammer teilt die in T 1845/14 vom 8. November 2018 (Gründe 7-9, insbesondere 9.8) vertretene Auffassung, dass die tatsächliche Lösung einer im Patent geltend gemachten Aufgabe, welche im Anspruch weder direkt noch implizit erwähnt wird, kein Kriterium für die Bestimmung der ausreichenden Offenbarung des Patents sein kann.

3.4 Bezüglich der geltend gemachten Uncharakterisierbarkeit der fertigen Perlglanzpigmente mit dem Modell nach der Gleichung 7 über den gesamten Umfang von Anspruch 1 merkt die Kammer an, dass die Beschwerdegegnerin auch nicht bewiesen hat, dass eine Charakterisierung dieser fertigen Perlglanzpigmente mit der in den Absätzen [0066] bis [0068], [0129], [0145] und [0146] des Streitpatents abgehandelten Messmethode des Einbringens von den Perlglanzpigmenten in einen Lack, mit anschließender Fertigung eines Querschliffes am ausgehärteten Lack, unter Achtung auf die weitgehend planparallel Orientierung der Perlglanzpigmente (siehe Absatz [0067], nicht machbar ist, oder einen unzumutbaren Aufwand darstellt.

Hingegen hat die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung darauf bestanden, dass die beschriebene Messmethode die Charakterisierbarkeit erlaube, also auf eine Probe von 100 Teilchen, mit den im Anspruch 1 definierten statistischen Größen, und ohne unzumutbaren Aufwand. Die Tatsache, dass diese Methode zu höheren Werten im Vergleich zur Bestimmung an Senkrechten orientierten Glimmerpulvern führe, habe nicht mit Unausführbarkeit, sondern mit Klarheit zu tun, was kein Einspruchsgrund sei.

3.5 Zusammengefasst kommt die Kammer zum Schluss, dass die von der Beschwerdegegnerin aufrechterhaltenen oder geltend gemachten Einwände der Unausführbarkeit nicht zutreffend sind.

3.6 Es bleibt zu entscheiden, ob die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist.

4. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung

4.1 Im Hinblick auf der gefundenen fehlenden Ausführbarkeit wurden folgende Gründe angegebenen:

- (Widerrufsgrund 2.1 der angefochtenen Entscheidung) sowohl aus der Offenbarung des Streitpatents als auch aus dem allgemeinen Fachwissen entnehme der Fachmann keine Methode zur Bestimmung der beanspruchten Standardabweichung der Höhe hs des Substrates. Insbesondere sei nicht klar, ob die mittlere Höhe hs aus verschiedenen Proben oder innerhalb einer Probe zu berechnen sei, bzw., wie deren relative Standardabweichung zu berechnen sei. Hierzu ging aus dem Streitpatent insbesondere nicht hervor, dass zwei unterschiedliche Methoden jeweils für die Ermittlung von Mittelwert und zugehöriger Standardabweichung zur Anwendung kommen sollen; und

- (Widerrufsgrund 2.2 der angefochtenen Entscheidung) darüber hinaus sei nicht ausreichend offenbart, nach welcher Methode die mittlere Substrathöhe hs ermittelt werden solle, falls die Beschichtungsdicke dM der Perlglanzpigmente außerhalb des Bereiches 40 bis 180 nm liege, worin laut Streitpatent (Absatz [0079]) die bevorzugte Gleichung (7) für die Bestimmung von hs keine aussagekräftigen Werte liefere.

4.2 Der Widerrufsgrund 2.1 der angefochtenen Entscheidung ist für die Kammer nicht zutreffend, zumal nicht bestritten wird, dass die Standardabweichung die mittlere Höhe hs des Substrates betrifft, sowie, dass die Bestimmung der beanspruchten relativen Standardabweichung die Ermittlung eines Datensatzes von Einzelwerten der mittleren Höhe hs eines Substrats voraussetzt (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 6, letzte zwei Sätze; und Erwiderung, Punkt 5). Hierzu bemerkt die Kammer, dass es auch allgemein bekannt ist (z.B. aus D17, "Basic Examples"), dass der Datensatz von Einzelwerten entweder aus einer gesamten Population oder aus einer Probe davon gewonnen werden soll.

4.2.1 Hierzu ist noch zu bemerken, dass das relevanteste Beispiel des Streitpatents (Beispiel 1alpha), welches den wesentlichsten Vorgang des beanspruchten Verfahrens darstellt (das Klassieren der Substrate), gerade die REM Vermessung der mittleren Höhe Hs auf Glimmerproben offenbart (siehe Absatz [0101], letzter Satz).

Die Tatsache, dass die entsprechende relative Standardabweichung weder in diesem Beispiel oder in Absatz [0131] offenbart, noch in der gesamten Tabelle 3 aufgeführt wird, spielt für die Kammer keine Rolle für die Ausführbarkeit, zumal nicht bestritten wird, dass REM Vermessungen auf Glimmerproben (Pulver oder Schliffe) einen Datensatz liefern können, aus dem die beanspruchten Größen berechnet werden können.

4.2.2 Schon die Tatsache, dass die im Streitpatent erwähnte Verwendung von bekannten Methoden zur Bestimmung der beanspruchten Größen auf dem klassierten Substrat nicht bestritten wird, weist darauf hin, dass die Herstellung der beanspruchten Substrate nicht bestritten wird, also, dass insoweit die Ausführbarkeit zu bejahen ist.

4.2.3 Ferner wird im Streitpatent bestätigt, dass die Gleichung 7 keine Berechnung der Standardabweichung innerhalb einer Probe ermöglicht (siehe die Erwähnung im Absatz [0137] "dies ist nicht die Standardabweichung der Dicken innerhalb einer Probe. Diese lässt sich nach Gl.7 nicht berechnen".

4.2.4 Schließlich wird im Streitpatent nicht offenbart, dass zwei unterschiedliche Methoden für die Ermittlung vom definierten Mittelwert zum einen, und der zugehörigen Standardabweichung zum anderen, zur Anwendung kommen sollen. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Patentinhaberin nicht ihre Auffassung aufrechterhalten (wie in der Beschwerdebegründung geäußert, Punkt 7, letzter Absatz), dass die mittlere Höhe hs des Substrats nach Gleichung 7 zu berechnen sei, während die Standardabweichung gemäß dem Verfahren nach D16 - wie im Absatz [0131] lit. b, des Streitpatents erwähnt - zu ermitteln sei.

4.2.5 Zusammengefasst überzeugen die in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründe 2.1 nicht.

4.3 Zum anderen Widerrufsgrund, dass die Patentschrift unter Bezug auf Absatz [0079] widersprüchliche Angaben enthalte, ob die Gleichung 7 für die Berechnung der mittleren Substratdicke hs nur für mittlere Dicken in einem Bereich von 40 bis 180 nm oder auch außerhalb dieses Bereiches anzuwenden sei, bemerkt die Kammer zunächst, dass Anspruch 1 weder die Verwendung von Gleichung 7 noch die Schichtdicke der Beschichtung des Glimmers definiert.

4.3.1 Aus der Gegenüberstellung der Offenbarungen in den Absätzen [0066] bis [0069], [0079] und [0147] des Streitpatents geht für die Kammer klar hervor,

- dass zur Charakterisierung der Perlglanzpigmente die mittlere Höhe hs des Substrates davon im definierten Bereich mit der Gleichung 7 zu berechnen ist, wenn die Schichtdicke 40 bis 80 nm beträgt, und, falls die Methode der REM Vermessung der Querschliffe von Perlglanzpigmenten zu signifikanten Fehlern führen kann (siehe Absätze [0066] bis [0068]), wegen einer nicht korrekten Orientierung der Perlglanzpigmente im ausgehärteten Lackfilm;

- dass aber auch die Methode nach Gleichung 7 bei höheren als 180 nm (Metalloxid) Schichtdicken sowie bei niedrigeren Schichtdicken als 40 nm ungenau ist;

- so dass offenbart wird, dass die Gleichung 7 (nur) innerhalb des angegebenen Bereiches der Schichtdicken von 40 nm bis 180 nm zur Charakterisierung der Perlglanzpigmente zu verwenden sei.

4.3.2 Aus anderen Absätzen des Streitpatents (siehe Absätze [0053] und [0054], oder Ansprüche 8 und 9) geht aber hervor, dass Perlglanzpigmente mit Schichtdicken von 20 nm bis 215 nm von der Erfindung umfasst werden sollen und auch bevorzugt sind.

4.3.3 Dies stellt für die Kammer keinen Widerspruch dar, zumal aus dem gesamten Patent (siehe insbesondere die Absätze [0101] - also das Klassieren von zugänglichen Glimmern und die folgende Bestimmung der Höhe hs mit REM -, Absatz [0131], lit. a) und b), wobei Alternative b) auf D16 verweist - siehe hierzu Seite 24, Punkt a, davon), und Absatz [0143]) (siehe auch Tabelle 3, Spalten 11) ersichtlich ist, dass die mittlere Höhe hs des Substrats auch auf Glimmern (REM Vermessungen, Pulver oder Schliff) bestimmt werden kann, wobei gemäß Patent (Absatz [0143]) "hervorragende Übereinstimmungen der ... nach Gleichung 7 berechneten Werte mit den mit mittleren Schichtdicken (Höhen) bestehen, die nach der Auswertung der senkrecht orientierten Pulver der Glimmer (Spalte 11 der Tabelle 3) bzw. der Glimmer im Rakelabzug gefunden werden". Darüber hinaus wird nicht bestritten, dass alle diese Substrate beschichtet werden können, wie im Patent beschrieben, also mit allen offenbarten Beschichtungsdicken.

4.3.4 Die Beschwerdegegnerin hat weder gezeigt, dass durch diese Verweise der Fachmann nicht in die Lage versetzt werden kann, die Erfindung auch mit Schichtdicken außerhalb des bevorzugten Bereiches 40 bis 180 nm auszuführen, noch hat sie ihre Einwände auf überprüfbare Tatsachen basiert, um zu zeigen, dass Anspruch 1 nicht funktionsfähige Ausführungsformen umfasst. In dieser Hinsicht ist die Einsprechende ihrer Beweislast nicht nachgekommen.

5. Zurückverweisung an die erste Instanz

5.1 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Streitpatentes für den Fachmann ausführbar ist (Artikel 83 EPÜ), bzw. dass der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Streitpatents nicht entgegen steht.

5.2 Da eine Erörterung des weiter geltend gemachten Einspruchsgrundes der fehlenden erfinderischen Tätigkeit vor der Einspruchsabteilung und eine Entscheidung darüber nicht stattgefunden hat, ist für die Kammer im vorliegenden Fall zweckmäßig (Artikel 111 (1) EPÜ), die Angelegenheit an die Instanz zurückzuverweisen, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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