T 0401/17 (Thermostatventil/BORGWARNER) of 9.7.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T040117.20210709
Datum der Entscheidung: 09 Juli 2021
Aktenzeichen: T 0401/17
Anmeldenummer: 05008741.0
IPC-Klasse: G05D 23/13
F01P 7/16
G05D 23/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Thermostatventil
Name des Anmelders: BorgWarner Esslingen GmbH
Name des Einsprechenden: MAHLE International GmbH
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Zulassung ins Verfahren - Dokument D16 (ja): prima facie relevant für die Beurteilung der Neuheit
Unzulässige Erweiterung - Haupt- und Hilfsantrag A (nein): zulässige Zwischenverallgemeinerung
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag A (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1067/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das vorliegende europäische Patent auf der Grundlage eines "Hilfsantrags 4" aufrechtzuerhalten.

II. Der folgende Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:

D1: EP 1 195 671 A1;

D6: WO 99/24701 A1;

D16: DE 94 07 641 U1.

III. Am 9. Juli 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer per Videokonferenz statt, an der die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), wie angekündigt, nicht teilnahm.

- Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

- Die Beschwerdegegnerin hatte schriftlich beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche der Hilfsanträge A bis D, wie eingereicht mit Schreiben vom 20. April 2021, aufrechtzuerhalten.

Der Hauptantrag entspricht dem "Hilfsantrag 4", der Grundlage der angefochtenen Entscheidung war. Hilfsantrag A setzt sich aus Anspruch 22, wie am 1. September 2017 als Hilfsantrag 5 im Beschwerdeverfahren eingereicht, und aus den Ansprüchen 1 bis 21 sowie 23 bis 34 des Hauptantrags zusammen.

IV. Anspruch 22 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Thermostatventil, insbesondere nach einem der Ansprüche 1 bis 21, dadurch gekennzeichnet, dass das Rückstellmittel (19), insbesondere die Feder (37), mit ihrem dem ersten Ventilverschlussglied (16) abgewandten Ende (39) an einem etwa stegförmigen Abstützglied (40) abgestützt ist, das vom Gehäuse (14) des Betätigungselements (13) mit Bewegungsspiel durchsetzt ist und mit beiden Enden (41, 42) am Ventilgehäuse (12) derart beweglich abgestützt ist, dass das Abstützglied (40) beim Aufsetzen und Anbringen des Ventilgehäuses (12) auf einen zweiten Gehäuseteil (nicht gezeigt) von letzterem gegen die Wirkung des Rückstellmittels (19) in Richtung zum ersten Ventilverschlussglied (16) vom Ventilgehäuse (12) weg anhebbar und abstützbar ist."

V. Anspruch 1 des Hilfsantrags A lautet wie folgt (Merkmalsgliederung von der Kammer hinzugefügt):

"Thermostatventil (10) zur Regelung der Temperatur der Kühlflüssigkeit einer Brennkraftmaschine, insbesondere eines Kraftfahrzeugmotors, das den Kühlmittelfluss von der Brennkraftmaschine durch einen Bypass und/oder durch einen Wärmeaustauscher zurück zur Brennkraftmaschine regelt, mit einem einen Ventildurchfluss (11) aufweisenden Ventilgehäuse (12), einem thermostatischen Betätigungselement (13), bei dem ein in einem Gehäuse (14) eingeschlossener, sich bei Erwärmung ausdehnender Dehnstoff einen Kolben (15) verschiebt, mit einem den Ventildurchfluss (11) beherrschenden, bei der Relativbewegung zwischen Gehäuse (14) und Kolben (15) verschiebbaren ersten Ventilverschlussglied (16), einem zweiten Ventilverschlussglied (17), das mit der Relativverschiebung des Gehäuses (14) verschiebbar ist und einer den Bypass steuernden zweiten Ventilöffnung (18) zugeordnet ist, und mit einem einzigen, beide Ventilverschlussglieder (16, 17) beaufschlagenden Rückstellmittel (19), dadurch gekennzeichnet,

a) dass das erste Ventilverschlussglied (16) etwa tellerförmig ist und die von diesem ersten Ventilverschlussglied (16) gesteuerte Ventilsitzfläche (53) als Ringfläche ausgebildet ist,

b) dass die dem zweiten Ventilverschlussglied (17) zugeordnete zweite Ventilöffnung (18) in einem im wesentlichen geradflächigen Wandbereich (20) einer Seitenwand (21) des Ventilgehäuses (12) enthalten ist,

c) dass das zweite Ventilverschlussglied (17) als zu diesem derart geformten Wandbereich (20) etwa paralleler Flachschieber (22) ausgebildet ist, der an dem Wandbereich (20) anliegt und längs dieses zum Öffnen und Verschließen der zweiten Ventilöffnung (18) verschiebbar ist,

d) dass der die Ventilöffnung (18) enthaltende Wandbereich (20) die Ventilöffnung (18) umrahmende vorstehende Rippen (27) aufweist, an deren zum Inneren (25) des Ventilgehäuses (12) weisender Fläche der Flachschieber (22) anliegt und entlang beweglich ist,

e) und dass der Flachschieber (22) mit seiner dem geradflächigen Wandbereich (20) zugeordneten Dichtfläche (32) an die zugewandte Fläche der Rippen (27) im Bereich der zugeordneten Ventilöffnung (18) unter Abdichtung etwa federelastisch angepresst ist."

VI. Anspruch 22 des Hilfsantrags A unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Wort "insbesondere" und das Komma davor gestrichen wurden.

Entscheidungsgründe

1. Technischer Hintergrund des Streitpatents

Gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1 der vorliegenden Anträge richtet sich das Streitpatent auf ein Thermostatventil zur Regelung der Temperatur der Kühlflüssigkeit einer Brennkraftmaschine, bei dem zwei Ventilverschlussglieder die Verteilung des Kühlmittelflusses durch einen Bypass bzw. einen Wärmetauscher regeln. Den beiden Ventilverschlussgliedern sind jeweils eine Ventilöffnung und zusammen ein Rückstellmittel und ein thermostatisches Betätigungselement zugeordnet.

2. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Anspruch 22 enthält einen fakultativen Rückbezug auf die Ansprüche 1 bis 21 ("Thermostatventil, insbesondere nach einem der Ansprüche 1 bis 21 ..."), der sich nicht einschränkend auswirkt, so dass Anspruch 22 auch einen Gegenstand beansprucht, der nur durch die in diesem Anspruch genannten Merkmale eingeschränkt ist. Diese richten sich auf ein Thermostatventil mit einem Ventilverschlussglied und insbesondere die Ausgestaltung eines Abstützglieds für ein Rückstellmittel. Das Abstützglied ist an einem ersten Gehäuseteil so abgestützt, dass es beim Zusammenbau des ersten mit einem zweiten Gehäuseteil von diesem anhebbar und abstützbar ist.

2.2 Zulassung von D16

2.2.1 Dokument D16 wurde von der Beschwerdeführerin zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Der von Anspruch 22 definierte Gegenstand wurde in der angefochtenen Entscheidung (dort Anspruch 23) mit der Begründung für erfinderisch befunden, dass keines der Dokumente D1 und D6 die Merkmale "anhebbar und abstützbar" offenbarten (Punkt 17.2).

2.2.2 D16 offenbart jedoch diese Merkmale und ist somit prima facie höchst relevant für die Beurteilung der Neuheit des beanspruchten Gegenstands. Die Kammer hat daher D16 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 in das Beschwerdeverfahren zugelassen.

2.3 D16 betrifft ein Thermostatventil und zudem die Ausgestaltung einer Abstützvorrichtung für eine Rückstellfeder (vgl. Seite 1, Beginn des letzten Absatzes). Insbesondere offenbart das Dokument ein Thermostatventil, bei dem das Rückstellmittel ("Rückstellfeder 23") mit ihrem dem ersten Ventilverschlussglied ("Ventilverschlussglied 21") abgewandten Ende an einem etwa stegförmigen Abstützglied ("Abstützvorrichtung 34") abgestützt ist (Seite 6, Zeilen 1 bis 5), das vom Gehäuse ("Gehäuse 19") des Betätigungselements ("Betätigungselement 18", Seite 5, Zeilen 1 bis 9) mit Bewegungsspiel (Fig. 1) durchsetzt ist und mit beiden Enden ("Flächen 36") am Ventilgehäuse ("Bauteil 30" mit "Stützflächen 35") derart beweglich abgestützt ist (Seite 6, Zeilen 5 bis 11 und 18 bis 21), dass das Abstützglied beim Aufsetzen und Anbringen des Ventilgehäuses ("Bauteil 30") auf einen zweiten Gehäuseteil ("Einbaugehäuse 15") von Letzterem gegen die Wirkung des Rückstellmittels in Richtung zum ersten Ventilverschlussglied vom Ventilgehäuse ("Stützflächen 35") weg anhebbar (siehe Abstand zwischen "Stützflächen 35" und "Flächen 36" der "Abstützvorrichtung 34" nach Zusammenbau der Gehäuseteile) und abstützbar ist ("... statt dessen am Einbaugehäuse 15 abgestützt", Seite 6, Zeilen 23 bis 30, Fig. 1).

2.4 Der Gegenstand von Anspruch 22 des Hauptantrags ist somit nicht neu gegenüber D16. Der Hauptantrag erfüllt mithin nicht das Erfordernis von Artikel 54 EPÜ.

3. Hilfsantrag A

3.1 Unzulässige Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ)

3.1.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die ursprünglich eingereichten Unterlagen keine Basis für die tellerförmige Form des Ventilverschlussgliedes (Merkmal a)) unabhängig von dessen Befestigung mittels einer radial vorspringenden "Ringschulter" enthielten. Zwischen den beiden Merkmalen bestehe ein funktionaler Zusammenhang. Die isolierte Herausnahme der Tellerform sei daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung. Es gebe mehrere Möglichkeiten zur Befestigung der beiden Ventilverschlussglieder am Betätigungselement.

Absatz [0013] der Patentanmeldung wie veröffentlicht (die einzige Offenbarung der Tellerform, Anmerkung der Kammer) offenbare aber konkret die Anordnung des zweiten Ventilverschlussglieds (bzw. dessen Halteglieds) unterhalb des tellerförmigen, ersten Ventilverschlussglieds und das Abstützen von Letzterem an der Ringschulter bei Mitnahme des zweiten Ventilverschlussglieds.

Ein Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung sei auch, dass alternativ zu einem tellerförmigen Ventilverschlussglied eine Klappen- oder eine Kugelkopfform denkbar sei, die aber nicht mit der Befestigung durch eine Ringschulter zu verwirklichen sei. Durch die Trennung der Tellerform und der Befestigung mittels der Ringschulter würden zudem ursprünglich nicht offenbarte Ausführungsformen geschützt werden, da die Befestigung des tellerförmigen Verschlussglieds und die Anordnung der beiden Verschlussglieder zueinander offen gelassen sei.

3.1.2 Die Kammer teilt diese Sichtweise nicht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin steht die axiale Mitnahme bzw. Befestigung des Ventilverschlussglieds mittels Ringschulter in keinerlei Beziehung zu dessen Tellerform und umgekehrt stellt die Tellerform, wie von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, auch keine besonderen Anforderungen an die Befestigung. Für das Vorliegen eines funktionalen Zusammenhangs ist auch nicht erheblich, ob sich bestimmte nicht tellerförmige Ventilverschlussglieder nicht mittels einer Ringschulter befestigen lassen, sondern vielmehr, ob die Tellerform des Ventilverschlussglieds eine Befestigung mittels einer Ringschulter zwingend nach sich zieht oder impliziert. Dies ist jedoch nicht der Fall, da sich ein tellerförmiges Ventilverschlussglied auch anders befestigen ließe, beispielsweise durch eine kraft- oder stoffschlüssige Verbindung, oder auch durch nicht ringförmige Vorsprünge axial bewegt werden könnte.

Auch die Anordnung der beiden Ventilverschlussglieder zueinander und die Mitnahme des zweiten Ventilverschlussglied durch das erste ändern nichts an den vorgenannten Überlegungen. Die konkrete Offenbarung aller in den Schutzbereich eines Patents fallenden Ausführungsformen ist nämlich kein Patentierbarkeitserfordernis und begründet bei Nichtvorliegen auch nicht ohne Weiteres die Unzulässigkeit einer Zwischenverallgemeinerung. Andernfalls wären nach dieser Logik Zwischenverallgemeinerungen grundsätzlich unzulässig, was aber nicht der Fall ist (vgl. T 1067/97, Gründe 2.1.3).

3.1.3 Die beiden Merkmale sind mithin nicht untrennbar miteinander verknüpft, so dass Anspruch 1 des Hilfsantrags A nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

3.2 Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ)

3.2.1 Die Kammer geht von D1 als geeignetstem Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit aus. D1 offenbart ein Thermostatventil mit den Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1 (Zusammenfassung, Absätze [0011] bis [0013], Fig. 2 und Fig. 3). In einem Ausführungsbeispiel besitzt das zweite Ventilverschlussglied die Form eines Flachschiebers, der im Wesentlichen parallel zum Verschiebeweg verläuft und die zugeordnete Ventilöffnung wenigstens teilweise verschließen kann ("guillotine 62", Absätze [0022] und [0043], Fig. 3). In einer nicht dargestellten Ausführungsvariante ist der Flachschieber im Wesentlichen so hoch wie die zugeordnete Ventilöffnung, um diese vollständig verschließen zu können (Absatz [0046]).

Das erste Ventilverschlussglied ("disque 56") ist als etwa tellerförmig beschrieben und die zugeordnete Ventilsitzfläche als Ringfläche ("siège 52", Absätze [0039] und [0040], Fig. 1). Weiter ist offenbart, dass die dem zweiten Ventilverschlussglied zugeordnete Ventilöffnung ("sortie 22") in einer vertikalen Seitenwand ausgebildet ist ("paroi axiale 34", Absatz [0035], Fig. 1). Das zweite Ventilverschlussglied ("guillotine 62") ist als zum benachbarten Wandbereich etwa paralleler Flachschieber ausgebildet und zum Verschließen der Ventilöffnung vertikal verschiebbar (Absätze [0043] und [0046], Fig. 1). D1 offenbart daher auch die Merkmale a) bis c).

3.2.2 Das Thermostatventil gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich somit von demjenigen gemäß D1 durch die Merkmale d) und e). Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit neu gegenüber D1.

3.2.3 Bezüglich der zu formulierenden objektiven technischen Aufgabe ist festzustellen, dass die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung den Rippen eine verringerte Reibung und eine verringerte Gefahr einer Verschmutzung oder Blockierung, z.B durch Sandkörner, zuschreibt (Spalte 4, Zeilen 9 bis 18 bzw. Absatz [0012] der Patentanmeldung wie veröffentlicht). Wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Kraftfahrzeugbau kostensensibel ist. Somit sieht die Kammer die hier zu lösende objektive technische Aufgabe darin, "das Thermostatventil von D1 kosteneffizient robuster gegen Verunreinigungen im Kühlwasser und leichtgängiger zu machen".

3.2.4 Die Robustheit kann indes durch zahlreiche Maßnahmen sehr unterschiedlicher Art verbessert werden, wie beispielsweise durch Veränderung der Geometrie der Strömungskanäle, der Verschlusskörper oder deren Sitzflächen oder durch den Einbau von Filtern zum Zurückhalten von Verunreinigungen. Rippen rund um die dem Flachschieber zugeordneten Ventilöffnung (d.h. Merkmal d)) sind hingegen zur Lösung der vorgenannten Aufgabe für einen Fachmann auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugtechnik nicht naheliegend.

Ebenso sind mehrere Maßnahmen zur Verringerung der Reibung denkbar, wie zum Beispiel ein verringerter Anpressdruck des Flachschiebers oder die Verringerung des Reibungskoeffizienten zwischen dem Flachschieber und der Gehäusewand durch eine geeignete Materialwahl oder Beschichtung. Die Kammer merkt zudem an, dass die Verringerung der Kontaktfläche zwischen einem mit bestimmter Kraft angepressten Flachschieber und der Gehäusewand zu einer Zunahme des Flächendrucks führt, der einer Verringerung der Reibung wieder entgegenwirkt. Das Vorsehen von Rippen zur Verringerung der Reibung ist daher nach Ansicht der Kammer keine für den Fachmann naheliegende Lösung.

3.2.5 Der Fachmann würde somit, ausgehend von dem Thermostatventil von D1 und vor die oben genannte objektive Aufgabe gestellt, nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

3.2.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Rippen gemäß Merkmal d) die wirksame Reibungsfläche zwischen Flachschieber und dem Wandbereich reduzierten und aufgrund der erhöhten relativen Flächenpressung eine bessere Dichtwirkung erzielten, wie es beim Übergang von einem flächigen Kontakt zu einem Linienkontakt bekannterweise der Fall sei. Dazu wurde auch auf Absatz [0012] der Patentanmeldung wie veröffentlicht verwiesen, in der als Wirkung der Rippen eine relativ kleine Kontaktfläche und eine soweit wie möglich reduzierte Reibung bei Verschiebung des Flachschiebers offenbart sei. Außerdem sei eine Verringerung der Reibung durch das Vorsehen von Rippen kosteneffektiv, was bei dem beanspruchten Gegenstand relevant sei. Die in Absatz [0012] zusätzlich genannte Wirkung, ein "Festfressen" des Flachschiebers zu vermeiden, sei die Folge der verringerten Reibung und daher bei der Formulierung der objektiven Aufgabe nicht zu berücksichtigen. Ausgehend von D1 sei die zu lösende objektive technische Aufgabe somit, "die Funktionssicherheit durch Reduktion der Reibung ohne Kostennachteile zu erhöhen".

Für einen Fachmann sei es aber eine bekannte und naheliegende Maßnahme, Stege oder Rippen vorzusehen, um die Reibung zwischen einer flächigen Wand und einem flächigen Schieber zu verringern. Es sei weiter selbstverständlich, dass die Rippen die Ventilöffnung umrahmten, um die Ventilöffnung abdichten zu können. Die Verwirklichung von Merkmal d) habe zudem automatisch auch Merkmal e) zur Folge, da der Flachschieber auf den Rippen aufliegen müsse, um eine Abdichtung zu erzielen. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.2.7 Die Kammer ist von den obigen Argumenten aus den folgenden Gründen nicht überzeugt:

Die erhöhte Robustheit gegenüber einem "Festfressen" ist im Wesentlichen eine Folge der verringerten Auflagefläche aufgrund der Rippenanordnung und weniger einer verringerten Reibung geschuldet. So wird die Reibung maßgeblich durch den Anpressdruck des Flachschiebers bestimmt, ohne dass sich der Anpressdruck in gleichem Maß auf die Robustheit auswirkt. Zudem sind die beiden Wirkungen "verringerte Reibung" und "erhöhte Robustheit" im angeführten Absatz [0012] auch in zwei getrennten Sätzen sprachlich voneinander getrennt und als unabhängig voneinander erzielte Vorteile beschrieben. Beide Wirkungen sind somit zur Formulierung der objektiven Aufgabe heranzuziehen.

Das Argument der Beschwerdeführerin, Merkmal d) würde automatisch Merkmal e) nach sich ziehen, ist auch nicht überzeugend. Die Dichtwirkung wird durch Andrücken auch bei Öffnungen ohne umgebende Rippen verbessert, so dass der Einsatz von Rippen ein Andrücken nicht notwendigerweise impliziert. Weiter lehrt D1 gerade, dass die dem Flachschieber zugeordnete Ventilöffnung nicht perfekt verschließbar sein muss, wie anhand des anderen Ausführungsbeispiels mit dem zu kleinen Flachschieber zu sehen ist, der eine Lücke hinterlässt. Es ist daher auch nicht naheliegend, den Flachschieber federelastisch anzupressen, um eine möglichst hohe Dichtwirkung zu erzielen (Merkmal e)).

3.2.8 Von der Beschwerdeführerin wurde nur die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 ausgehend von D1 angegriffen. Weitere Einwände nach Artikel 54 oder 56 EPÜ wurden gegen Anspruch 1 nicht vorgetragen.

3.2.9 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags A beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Gleiches gilt für die übrigen Ansprüche 2 bis 34, die alle auf Anspruch 1 rückbezogen sind.

4. Somit steht einer Aufrechterhaltung des Streitpatents gemäß den Ansprüchen von Hilfsantrag A nichts im Wege.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 34, wie eingereicht als Hilfsantrag A mit Schreiben vom 20. April 2021, sowie mit einer noch anzupassenden Beschreibung und Zeichnungen aufrechtzuerhalten.

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