T 0155/17 () of 28.1.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T015517.20200128
Datum der Entscheidung: 28 Januar 2020
Aktenzeichen: T 0155/17
Anmeldenummer: 11719029.8
IPC-Klasse: C08G 65/26
C08G 65/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON POLYETHERCARBONATPOLYOLEN
Name des Anmelders: Covestro Deutschland AG
Name des Einsprechenden: Repsol, S.A.
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0197/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 19. Dezember 2016 zu Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents N° 2 571 922.

II. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung basierte auf den erteilten Ansprüchen.

Anspruch 1 wie erteilt lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen aus einer oder mehreren H-funktionellen Startsubstanzen, aus einem oder mehreren Alkylenoxiden und Kohlendioxid in Gegenwart mindestens eines Doppelmetallcyanid-Katalysators,

dadurch gekennzeichnet, dass der DMC-Katalysator hergestellt wird, indem eine wässrige Lösung eines cyanidfreien Metallsalzes mit der wässrigen Lösung von Kaliumhexacyanocobaltat(III) in Gegenwart eines oder mehrerer organischen Komplexliganden umgesetzt wird, wobei ein oder mehrere alkalische Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder -Metalloxide entweder in der wässrigen Lösung des cyanidfreien Metallsalzes, der wässrigen Lösung des Kaliumhexacyanocobaltats(III) oder in beiden wässrigen Lösungen enthalten sind, und wobei die Summe der eingesetzten alkalischen Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder -Metalloxide 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalente (bezogen auf 1 mol des zur Katalysatorsynthese eingesetzten Kaliumhexacyanocobaltat(III)) beträgt."

III. Soweit es für die vorliegende Entscheidung von Relevanz ist, kann die Entscheidung wie folgt zusammengefasst werden:

- In D1 (WO 2008/013731) sei ein Verfahren zur Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen offenbart, allerdings seien die in diesem Verfahren verwendeten Doppelmetallcyanid-Katalysatoren (DMC-Katalysatoren) nicht explizit offenbart. In dieser Hinsicht sei in D1 auf DMC-Katalysatoren gemäß Dokumenten D2 (US 5,783,513) und D3 (US 5,482,908) verwiesen, wobei die molare Basenäquivalenz der während der Herstellung der DMC-Katalysatoren eingesetzten Metallsalzlösungen in diesen zwei Dokumenten auch nicht explizit offenbart sei. Auch wenn Beispiel 9 von D2 dem Beispiel 3 vom Streitpatent entspreche, sei der Verweis auf D2 in D1 so unspezifisch, dass daraus keine neuheitsschädliche Offenbarung entstehe. Somit sei D1 auch in Anbetracht von D2 oder D3 nicht neuheitsschädlich für Anspruch 1 des Streitpatents.

- D1 sei der nächstliegende Stand der Technik. Es sei durch den Beispielen des Streitpatents nicht belegt, dass die Verwendung einer Metallsalzlösung mit einer molaren Basenäquivalenz im Bereich von 0,3 bis 1,8 mol während der Herstellung der DMC-Katalysatoren zu einer Verbesserung der Katalysatorselektivität oder der Wirtschaftlichkeit führe. Die zu lösende Aufgabe sei somit die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen. Der Bereich der molaren Basenäquivalenz in Anspruch 1 des Streitpatents sei willkürlich ausgewählt worden und sei, unter Berücksichtigung des Hinweises auf die Verwendung von DMC-Katalysatoren aus D2 in D1, nicht erfinderisch.

IV. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die Beschwerde basierte auf den erteilten Ansprüchen.

V. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) reichte eine Beschwerdeerwiderung ein.

VI. Die mündliche Verhandlung, die im Hinblick auf entsprechende Anträge der Parteien anberaumt worden war, fand am 28. Januar 2020 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt. Diese hatte mit Brief vom 16. Dezember 2019 ihr Nichterscheinen angekündigt.

VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Neuheit

- In Bezug auf die Neuheit wurde seitens der Beschwerdeführerin keine Argumente gebracht.

Erfinderische Tätigkeit

- D1 sei der nächstliegende Stand der Technik. Der Unterschied zwischen Anspruch 1 des Streitpatents und der D1 lege in der Alkalinität des verwendeten DMC-Katalysators, die gemäß Anspruch 1 des Streitpatents 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalente betrage.

- Der technische Effekt dieses Unterscheidungsmerkmals bestehe in einer höheren Selektivität bei gleichzeitiger Gewährleistung einer guten Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Dieser technische Effekt sei durch die Vergleichsversuche des Streitpatents belegt. Es sei übrigens nicht belegt worden, dass die Verwendung eines anderen Zinksalzes in den Beispielen 13 und 14 des Streitpatents einen Einfluss auf den technischen Effekt hätte. Somit seien alle Beispiele des Streitpatents relevant.

- In Anbetracht des von dem in den Vergleichsversuchen gezeigten technischen Effekts lege der Erfindung die objektive technische Aufgabe zugrunde, ein Verfahren bereitzustellen, mit dem Polyethercarbonatpolyole mit verbesserter Selektivität bei gleichzeitiger Gewährleistung einer guten Wirtschaftlichkeit hergestellt werden können.

- Es sei in den Beispielen der D1 nicht gezeigt worden, dass die Alkalinität einen Effekt auf die Selektivität bewirke. Darüber hinaus befinde sich in D1 kein Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens.

- Da die Dokumente D2 und D3 als gleichwertige Alternativen in D1 beschrieben seien, bestehe für den Fachmann erst keine Veranlassung D2 auszuwählen für die Auswahl an geeigneten Katalysatoren. Es fehle außerdem in Dokument D2 an dem entscheidenden Hinweis, die Alkalinität genau im beanspruchten Bereich von 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalente einzustellen. Die Versuchsergebnisse im Streitpatent zeigen, dass es jedoch genau auf diesen Bereich ankomme. Schließlich finde sich in D2 auch kein Hinweis darauf, speziell den in Beispiel 9 beschriebenen Katalysator auszuwählen.

- Der Katalysator gemäß Beispiel 9 der D2 sei nicht relevant, weil dessen Alkalinität nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sei. In der Tabelle 2 von D2 finde sich für das Beispiel 9 lediglich die Angabe "ZnCl2 alkalinity (%): 0.64" ohne erkennen zu lassen, wie auf die erfindungsgemäße mol Basenäquivalente umgerechnet werden soll, zumal aus Beispiel 9 von D2 überhaupt nicht hervorgehe, ob die Alkalinität mittels verschiedener Quellen ZnCl2 oder durch aktive Zugabe von ZnO zu der ZnCl2 Lösung eingestellt worden sei. Anhand der als Methode A von D2 angegebenen Messmethode sei auch nicht klar, was die angegebene Alkalinität von ZnCl2 genau bedeute. Ausgehend von den in D2 enthaltenen Informationen sei es somit nicht möglich, die dort eingesetzten Mengen ZnCl2 in der im Streitpatent beanspruchten Einheit zweifelsfrei zu berechnen. Schließlich gelange der Fachmann auch bei Auswahl des in Beispiel 9 von D2 hergestellten DMC-Katalystors nicht in naheliegender Weise zur erfindungsgemäßen Lehre, da sich auch dort keine Offenbarung dafür findet, dass "die Summe der eingesetzten alkalischen Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder - Metalloxide 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalente (bezogen auf 1 mol des zur Katalysatorsynthese eingesetzten Kaliumhexacyanocobaltat(III)) beträgt", wie von Anspruch 1 des Streitpatents gefordert sei.

- D3 sei nicht relevant, weil dieses Dokument nichts zur Alkalinität der DMC-Katalysatoren offenbare.

- Somit beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Neuheit

- In D1 sei auch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents offenbart.

- In Bezug auf den DMC-Katalysator sei in D1 auf die Dokumente D2 und D3 verwiesen. Die in D2 und D3 offenbarten DMC-Katalysatoren seien aus denselben Ausgangskomponenten und durch dasselbe Verfahren hergestellt worden wie die Katalysatoren gemäß dem Streitpatent. Diese Katalysatoren seien somit auch als Teil der D1 anzusehen. Insbesondere entspreche der DMC-Katalysator gemäß Beispiel 9 der D2 der Definition des Katalysators gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Somit sei Anspruch 1 des Streitpatents nicht neu gegenüber dem Verfahren gemäß D1.

Erfinderische Tätigkeit

- D1 sei der nächstliegende Stand der Technik. In Bezug auf die zu verwendeten DMC-Katalysatoren verweise D1 auf D2 und D3. Die Alkalinität der zu verwendeten DMC-Katalysatoren sei allerdings in D1 nicht offenbart.

- DMC-Katalysatoren gemäß D3 seien in dem Polymerisationsverfahren der Beispielen der D1 verwendet worden. Die Selektivität dieses Polymerisationsverfahren sei vergleichbar mit der des Streitpatents.

- Die Beispiele des Streitpatents zeigten allerdings keine Verbesserung gegenüber D1, weil die in den Beispielen des Streitpatents verwendeten DMC-Katalysatoren sich nicht nur durch deren Alkalinität unterschieden, sondern auch teilweise durch deren Herstellungsverfahren und/oder Ausgangskomponenten wie das Metalsalz oder alkalische Metallhydroxide und/oder Metallcarbonate und/oder -Metalloxide.

- Somit sei die Aufgabe, die gegenüber D1 gelöst sei, die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens.

- Der Bereich 0,3 bis 1,8 mol Basenequivalente gemäß Anspruch 1 des Streitpatents sei lediglich willkürlich ausgewählt worden. Es sei außerdem in D2 gezeigt worden, dass die Alkalinität von geeigneten DMC-Katalysatoren variiert werden könne. Im Beispiel 9 der D2 sei insbesondere ein DMC-Katalysator hergestellt worden, der eine Alkalinität von umgerechnet 0,54, also im Bereich von 0,3-1,8 mol Basenäquivalente gemäß Anspruch 1 des Streitpatents, aufweise. Die Verwendung von diesem Katalysator im Verfahren gemäß D1 sei somit nicht erfinderisch.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in erteilter Fassung.

X. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die nicht zur mündlichen Verhandlung erschienene Beschwerdeführerin war ordnungsgemäß im Sinne von Regel 115(1) EPÜ geladen. Gemäß Regel 115 (2) EPÜ wurde das Verfahren in Abwesenheit der Beschwerdeführerin fortgesetzt und gemäß Artikel 15 (3) VOBK 2020 wurde die Beschwerdeführerin so behandelt, als stützte sie sich auf ihr schriftliches Vorbringen.

2. Neuheit

2.1 D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen durch Umsetzung einer Startertsubstanz, Kohlendioxid und einem Alkylenoxid in Anwesenheit eines nicht kristallinen DMC-Katalysators (Anspruch 9). Die dazu verwendeten nicht kristallinen DMC-Katalysatoren sind in D1 allerdings nicht explizit offenbart.

2.2 Die Textstelle auf Seite 8, Zeilen 3-15 der D1 verweist zwar auf DMC-Katalysatoren gemäß D2 und D3, dieser Verweis bleibt allerdings allgemein und betrifft zudem nicht Katalysatoren, die aus Kaliumhexacyanocobaltat gewonnen werden oder welche, die in Anwesenheit von 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalente alkalischer Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder -Metalloxide hergestellt wurden, wie in Anspruch 1 des Streitpatents gefordert wird.

2.3 In den Beispielen der D1 wird zusätzlich auf DMC-Katalysatore gemäß D3 verwiesen. Allerdings wird in D3 und dessen Beispielen die Anwesenheit von alkalischen Metallhydroxiden, Metallcarbonaten und/oder -Metalloxiden während der Katalysatorenherstellung (und deshalb im hergestellten Katalysator) nicht offenbart. Diesbezüglich hat die Beschwerdegegnerin behauptet, dass die Verwendung von Zinkchlorid als Metallsalz in den Beispielen von D3 einen Anteil an Zinkoxid mit in die Herstellung des Katalysators bringen würde. Einen Beleg dafür hat sie allerdings nicht erbracht. D2 offenbart zwar, dass technisches Zinkchlorid bis zu 0,3 Gew.% Zinkoxid enthalten kann (D2, Spalte 3, Zeilen 20-28). Aus D3 kann allerdings nicht entnommen werden, dass technisches Zinkchlorid verwendet wurde. Aus diesem Grund kann die Kammer nicht zum Schluss kommen, dass die Beispiele der D3 die Anwesenheit von Zinkoxid während der Herstellung von DMC-Katalysatoren (und deshalb im hergestellten Katalysator) offenbaren.

2.4 Unter diesen Umständen kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruch 1 neu gegenüber D1 ist.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen mit verbesserter Selektivität (d.h. möglichst niedriges Verhältnis von cyclischem Carbonat zu linearem Polyethercarbonat), wobei die Wartezeit bis zur Temperaturspitze bei der Copolymerisation weniger als 120 min beträgt (Absatz 6 des Streitpatents).

3.2 Die Polyethercarbonatpolyolen des Streitpatents werden erhalten aus einer oder mehreren H-funktionellen Startsubstanzen, aus einem oder mehreren Alkylenoxiden und Kohlendioxid in Gegenwart mindestens eines DMC-Katalysators (Absatz 1 des Streitpatents).

3.3 D1 betrifft ebenfalls die Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen durch Umsetzung einer Startersubstanz, Kohlendioxid und Alkylenoxid in Anwesenheit eines nicht kristallinen DMC-Katalysators (D1, Seite 6, Zeilen 6-15). D1 befasst sich auch mit der Verbesserung der Selektivität dieses Herstellungsverfahrens in Bezug auf die cyclischen Carbonate (D1, Seite 6, Zeilen 13-14).

3.4 D1 wurde in der strittigen Entscheidung als nächstliegender Stand der Technik gewählt und wurde auch von allen Parteien als nächstliegender Stand der Technik im Beschwerdeverfahren angesehen. Die Kammer sieht keinen Grund, von D1 als nächstliegendem Stand der Technik abzuweichen.

3.5 Die Verbesserung der Selektivität bei der Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen gemäß D1 ist in den Beispielen dieses Dokuments dargelegt. Darin sind mehrere Polymerisationsversuche von Propylenoxid und Kohlendioxid in Gegenwart von Glycerin-initiiertem polyoxypropyliertem Triol als Startermolekül und einem DMC-Katalysator beschrieben (Seite 10, Zeilen 1-17). Die Mengen an resultierendem cyclischem Carbonat und an linearem Polyethercarbonat sind für alle Polymerisationsversuche in der Tabellen I bis IV offenbart. Somit sind die Beispiele der D1 relevant. Über die in den Beispielen verwendeten DMC-Katalysatore offenbart D1 nur, dass diese gemäß D3 hergestellt wurden (Seite 10, Zeile 7).

3.6 Die Herstellung der DMC-Katalysatoren gemäß D3 entspricht dem Herstellungsverfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents bis auf die Anwesenheit eines alkalischen Metallhydroxids, Metallcarbonats und/oder -Metalloxids während der Herstellung des DMC-Katalysators, die in D3 keine Erwähnung findet (Spalte 5, Zeilen 1-10).

3.7 In Anbetracht der vorstehenden Erläuterungen unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 vom Verfahren der Beispiele der D1 unter Berücksichtigung der Katalysatorenherstellung gemäß D3 in der Alkalinität des verwendeten Katalysator und zwar dadurch, dass die Summe der eingesetzten alkalischen Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder -Metalloxide, 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalente betragen muss.

3.8 Es bleibt zunächst zu klären, wie die zu lösende Aufgabe formuliert werden soll.

3.9 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass, Absatz 6 des Streitpatents folgend das beanspruchte Verfahren zu einer verbesserten Selektivität (d.h. möglichst niedriges Verhältnis von cyclischem Carbonat zu linearem Polyethercarbonat) führe, wobei die Wartezeit bis zur Temperaturspitze bei der Copolymerisation weniger als 120 min betrage. Diesbezüglich bezog sich die Beschwerdeführerin auf die Beispiele des Streitpatents sowie auf dessen Tabelle 1.

3.10 Die Beispiele 8 bis 14 des Streitpatents betreffen Polymerisationsversuche mit Doppelmetallcyanid-Katalysatoren gemäß Beispielen 1-7. Tabelle 1 des Streitpatents fasst Eckdaten über den verwendeten Katalysator, dessen Alkalinität sowie Ergebnisse der Polymerisation, unter anderem die Zeit 1 (Wartezeit bis zur Temperaturspitze bei der Polymerisation) und die Selektivität (Verhältnis von cyclischem Carbonat zu linearem Polyethercarbonat) zusammen.

3.11 Die Beschwerdeführerin machte diesbezüglich geltend, dass die Polymerisationsversuche der erfindungsgemäßen Beispiele unter vergleichbaren Bedingungen durchgeführt worden seien und dass die Tabelle 1 eine Verbesserung der Selektivität und der "Zeit 1" der Polymerisation als Ergebnis der Auswahl der Alkalinität während der Katalysatorherstellung im Bereich von 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalenz zeige. In diesem Zusammenhang bleibt es zu klären, ob eine Verbesserung auf das identifizierte Unterscheidungsmerkmal zurückzuführen ist.

3.12 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern können angebliche Vorteile, auf die sich der Patentinhaber gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik beruft, die aber nicht hinreichend belegt sind, bei der Ermittlung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Auflage, 2019, I.D.4.2).

3.13 Insbesondere soll bei Vergleichsversuchen der Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik so angelegt sein, dass die Wirkung überzeugend und allein auf das kennzeichnende Unterscheidungsmerkmal zwischen beanspruchter Erfindung und nächstliegendem Stand der Technik ursächlich zurückgeführt werden kann. Hierfür kann es auch erforderlich sein, die Vergleichselemente so abzuwandeln, dass sie nur noch in diesem Unterscheidungsmerkmal von der Erfindung abweichen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, I.D.10.9 und T 197/86, ABl. EPA 1989, 371).

3.14 Im vorliegenden Fall unterscheiden sich jedoch die Beispiele des Streitpatents und insbesondere die eingesetzten Katalysatoren gemäß Beispielen 1-7 nicht nur durch das Unterscheidungsmerkmal der Erfindung, nämlich, die Summe der eingesetzten alkalischen Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder -Metalloxide, sondern auch in der Art der eingesetzten Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder -Metalloxide selbst (Natriumhydroxid in den Katalysatoren der Beispiele 2, 6 und 7; Zinkoxid im Beispiel 3, Natriumcarbonat im Beispiel 4 und Natriummonomethylcarbonat im Beispiel 5), in deren Herstellung (Beispiele 1, 2, 4-7 gemäß Dokument WO-A- 01/39883 und Beispiel 3 nicht) und schließlich in der Art des cyanidfreien Metallsalzes (Zinkchlorid in den Beispielen 1-5 und Zinkbromid in den Beispielen 6 und 7).

3.15 Das bedeutet, dass die aus den Beispielen 1-7 erhaltenen Doppelmetallcyanid-Katalysatoren sich nicht nur durch deren Alkalinität, sondern auch durch deren Struktur ändern können, deren Einfluss auf den Ablauf der Polymerisation gemäß Beispiele 8-14, und insbesondere den Faktor "Zeit 1", und auf die Selektivität nicht ausgeschlossen werden kann.

3.16 Somit ist in den Beispielen nicht belegt, dass die Auswahl einer Alkalinität, i.e. einer Summe der eingesetzten alkalischen Metallhydroxide, Metallcarbonate und/oder -Metalloxide zwischen 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalente zu einer technischen Verbesserung bzw. zu Vorteilen gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik führt.

3.17 Infolgedessen kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, dass die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Vorteile gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik nicht hinreichend belegt sind und somit für die Formulierung der Aufgabe, die durch den beanspruchten Gegenstand erfolgreich gelöst wird, nicht berücksichtigt werden können. Ausgehend von den Beispielen der D1 als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent somit lediglich die objektive Aufgabe zugrunde, ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen bereitzustellen.

3.18 Es bleibt dann zu klären, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik D1 so abzuändern, dass man zum beanspruchten Gegenstand kommt, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen.

3.19 In diesem Zusammenhang lehrt D1 auf Seite 8, Zeilen 3-8, dass Doppelmetallcyanid-Katalysatoren gemäß D2, in gleicher Weise wie diejenigen aus D3, vorteilhaft für die Selektivität des Polymerisationsverfahrens sind.

3.20 Die DMC-Katalysatoren gemäß D2 werden durch Umsetzung einer wässrigen Lösung eines cyanidfreien Metallsalzes mit einer wässrigen Lösung von Metallcyanid in Gegenwart eines organischen Komplexliganden erhalten, sodass nicht kristalline Doppelmetallcyanid-Katalysatoren mit einer Alkalinität von 0.2 bis 2.0 wt. % an Metalloxid auf Basis der Menge an Metallsalz erhalten werden (D2, Anspruch 1). Somit lehrt D2, dass die Alkalinität der darin offenbarten Metallsälze, insbesondere der wässrigen Lösung von Zinkchlorid, in einem breiten Bereich variiert werden kann.

3.21 Diese Alkalinität wird in D2 mit der Messmethode gemäß Beispiel A gemessen. Die Messung erfolgt durch potentiometrische Titration gemäß dem Protokoll der Spalte 7, Zeilen 30-58. Die Anwendung dieses Protokolls ergibt, aus der bekannten Menge an Zinkchlorid in der wässrigen Lösung, die prozentuale Menge an Zinkoxid in der gleichen Lösung. Da die Menge an Zinkchlorid in allen Beispielen des Dokuments D2 bekannt ist, kann folglich die Menge an Zinkoxid während der Katalysatorherstellung berechnet werden. Somit beschreibt D2 in klarer Weise, wie die Alkalinität der wässrigen Metallsalzlösung erhalten werden kann.

3.22 Die Alkalinität aller wässrigen Zinkchloridlösungen der Beispiele der D2 ist in den Tabellen 1 und 2 offenbart. Besonders relevant ist die Alkalinität des Beispiels 9 (0,64 Gew.-%), die sich innerhalb des Bereichs von 0,2-2,0 Gew.-% gemäß D2 befindet und einem Wert von 0,54 mol Basenäquivalente bezogen auf 1 mol des zur Katalysatorsynthese eingesetzten Kaliumhexacyanocobaltat entspricht (Siehe dazu Berechnung auf Seite 14, Tabelle VI der Beschwerdeerwiderung).

3.23 Somit zeigt D2 mit dem Beispiel 9, dass die Alkalinität der wässrigen Zinkchloridlösung (0,54 mol Basenäquivalente), die bei der Katalysatorherstellung verwendet wurde, auch im Bereich gemäß Anspruch 1 des Streitpatents (0,3-1,8 mol Basenäquivalent) sein kann.

3.24 Nachdem es nicht gezeigt worden ist, dass eine Alkalinität während der Katalysatorherstellung im Bereich von 0,3 bis 1,8 mol Basenäquivalenz für die Herstellung der Polyethercarbonatpolyolen kausal für einen technischen Effekt ist, sodass die Aufgabe als die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung von Polyethercarbonatpolyolen formuliert wurde, ist dieser ausgewählte numerische Bereich weder zielgerichtet noch kritisch, sondern als rein willkürlich zu betrachten. Eine solche willkürliche Wahl einer zweckmäßigen Alkalinität der Metallsalzlösung stellt lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns liegt und somit naheliegend ist.

3.25 Die Kammer kommt daher aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents eine naheliegende Lösung der formulierten Aufgabe darstellt, mit der Folge, dass keine erfinderische Tätigkeit für diesen Gegenstand anerkannt werden kann.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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