T 0140/17 () of 3.7.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T014017.20200703
Datum der Entscheidung: 03 Juli 2020
Aktenzeichen: T 0140/17
Anmeldenummer: 07003846.8
IPC-Klasse: B26D7/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Bearbeiten von Werkstücken mittels Ultraschall sowie Verfahren zum Betreiben einer derartigen Vorrichtung
Name des Anmelders: Herrmann Ultraschalltechnik GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: MS Spaichingen GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 113(1) (2007)
European Patent Convention Art 116(1) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
European Patent Convention R 103 (2014)
RPBA2020 Art 012(8) (2020)
RPBA2020 Art 015(1) (2020)
Schlagwörter: Spät eingereichte Dokumente sowie darauf gestützte Argumentationslinien - zugelassen (nein)
korrekte Ermessensausübung (ja) - im Beschwerdeverfahren zugelassen (nein)
Spät vorgebrachte Argumentationslinien - zugelassen (nein)
Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Neuheit (nein)
Hilfsantrag 2 - Neuheit (ja)
Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit (ja)
Anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja) - 25 % der gezahlten Beschwerdegebühr
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende haben jeweils gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 849 569 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

II. Der Einspruch richtete sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ.

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung,

- dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2015, nicht neu gegenüber D1 sei,

- dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2015, nicht neu gegenüber D1 sei,

- dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 11. Oktober 2016, nicht neu gegenüber D1 sei, und

- dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 14 gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 3 die Erfordernisse des EPÜ erfüllte.

Daher wurde das Patent in geänderter Fassung auf der Basis des Anspruchssatzes gemäß dem damaligen Hilfsantrag 3 aufrechterhalten.

IV. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 6. Mai 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, wonach sowohl die Beschwerde der Patentinhaberin als auch die Beschwerde der Einsprechenden gleichermaßen unbegründet und deshalb beide Beschwerden zurückzuweisen sein dürften.

V. In Reaktion auf diese Mitteilung der Kammer nahmen mit Schriftsatz vom 28. Mai 2020 die Patentinhaberin und mit Schriftsatz vom 15. Juni 2020 die Einsprechende ihren jeweiligen Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

VI. Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 reichte die Patentinhaberin eine Stellungnahme zur Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 ein.

VII. Die Parteien haben folgende Anträge gestellt:

Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 6. März 2017, der dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchssatz gemäß Hauptantrag entsprach,

oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patent in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchsatzes gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 6. März 2017, der dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 1 entsprach,

oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patent in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchsatzes gemäß Hilfsantrag 2, der dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 11. Oktober 2016 als Hilfsantrag 3 eingereichten und von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatz entsprach,

d.h. die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden.

Die Einsprechende (Beschwerdeführerin 2) beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

VIII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende, im Einspruchsverfahren zitierte Dokumente Bezug genommen:

D1: US 4,227,959

D2: US 5,944,924

D5: EP 0 144 119 A2

D6: US 4,409,659

D7: DE 1 904 606 A

D8: DE 100 09 174 A1.

Die folgenden Dokumente wurden zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden eingereicht:

D9: EP 0 920 977 A1

D10: DE 101 26 943 A1.

IX. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

Vorrichtung (10) zum Bearbeiten von Werkstücken (12) mittels Ultraschall, mit einem ersten Werkzeugteil (6), nämlich einem Ultraschallschwinggebilde (14) mit einer Ultraschallsonotrode (32), und einem zweiten Werkzeugteil (8), nämlich einem Amboss (16) mit einem Gegenwerkzeug (42), wobei das erste Werkzeugteil (6) über einen Schlitten (24) in dessen Arbeitsrichtung (46) und in Richtung des zweiten Werkzeugteils (8) verfahrbar ist, wobei die Ultraschallsonotrode (32) und/oder das Gegenwerkzeug (42) eine Schneidkante (44) aufweist bzw. aufweisen, wobei ein Kraftspeicher (40) für das zweite Werkzeugteil (8) vorgesehen ist, mit dem das zweite Werkzeugteil (8) in Richtung des ersten Werkzeugteils (6) mit einer Kraft (Fs) beaufschlagt wird, und wobei die Resonanzfrequenz (fA) des Ambosses (16) mit Gegenwerkzeug (42) kleiner ist als die Resonanzfrequenz (fS) des Schwinggebildes (fA « fS), insbesondere um den Faktor 10**(2) bis 10**(4), bevorzugt um den Faktor 10**(3).

X. Der unabhängige Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

Vorrichtung (10) zum Bearbeiten von Werkstücken (12) mittels Ultraschall, mit einem ersten Werkzeugteil (6), nämlich einem Ultraschallschwinggebilde (14) mit einer Ultraschallsonotrode (32), und einem zweiten Werkzeugteil (8), nämlich einem Amboss (16) mit einem Gegenwerkzeug (42), wobei das erste Werkzeugteil (6) über einen Schlitten (24) in dessen Arbeitsrichtung (46) und in Richtung des zweiten Werkzeugteils (8) verfahrbar ist, wobei die Ultraschallsonotrode (32) und/oder das Gegenwerkzeug (42) eine Schneidkante (44) aufweist bzw. aufweisen, wobei ein Kraftspeicher (40) für das zweite Werkzeugteil (8) vorgesehen ist, mit dem das zweite Werkzeugteil (8) in Richtung des ersten Werkzeugteils (6) mit einer Kraft (Fs) beaufschlagt wird, und wobei die Resonanzfrequenz (fA) des Ambosses (16) mit Gegenwerkzeug (42) kleiner ist als die Resonanzfrequenz (fS) des Schwinggebildes (fA « fS), insbesondere um den Faktor 10**(2) bis 10**(4), bevorzugt um den Faktor 10**(3) wobei die Ultraschallsonotrode (32) und/oder das Gegenwerkzeug (42) eine Schneidkante (44) und eine Schweißkante (52) aufweist beziehungsweise aufweisen und die Schweißkante (52) am Maschinengestell (18) gelagert ist.

XI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 (aufrechterhaltene Fassung des Patents) lautet:

Vorrichtung (10) zum Bearbeiten von Werkstücken (12) mittels Ultraschall, mit einem ersten Werkzeugteil (6), nämlich einem Ultraschallschwinggebilde (14) mit einer Ultraschallsonotrode (32), und einem zweiten Werkzeugteil (8), nämlich einem Amboss (16) mit einem Gegenwerkzeug (42), wobei das erste Werkzeugteil (6) über einen Schlitten (24) in dessen Arbeitsrichtung (46) und in Richtung des zweiten Werkzeugteils (8) verfahrbar ist, wobei die Ultraschallsonotrode (32) und/oder das Gegenwerkzeug (42) eine Schneidkante (44) aufweist bzw. aufweisen, wobei ein Kraftspeicher (40) für das zweite Werkzeugteil (8) vorgesehen ist, mit dem das zweite Werkzeugteil (8) in Richtung des ersten Werkzeugteils (6) mit einer Kraft (Fs) beaufschlagt wird, und wobei die Resonanzfrequenz (fA) des Ambosses (16) mit Gegenwerkzeug (42) kleiner ist als die Resonanzfrequenz (fS) des Schwinggebildes (fA « fS), nämlich um den Faktor 10**(2) bis 10**(4), bevorzugt um den Faktor 10**(3).

Der unabhängige Anspruch 14 gemäß Hilfsantrag 2 (aufrechterhaltene Fassung des Patents) lautet:

Verfahren zum Verwenden einer Vorrichtung (10) zum Bearbeiten von Werkstücken (12) mittels Ultraschall, mit einem ersten Werkzeugteil (6) und einem zweiten Werkzeugteil (8), wobei das erste Werkzeugteil (6) über einen Schlitten (24) in dessen Arbeitsrichtung (4, 6) und in Richtung des zweiten Werkzeugteils (8) verfahrbar ist, wobei ein Kraftspeicher (40) für das zweite Werkzeugteil (8) vorgesehen ist, mit dem das zweite Werkzeugteil (8) in Richtung des ersten Werkzeugteils (6) mit einer Kraft (FS) beaufschlagt wird, wobei das erste Werkzeugteil (6) ein Ultraschallschwinggebilde (14) mit einer Ultraschallsonotrode (32) oder ein Amboss (16) mit einem Gegenwerkzeug (42) und das zweite Werkzeugteil (8) ein Amboss (16) mit einem Gegenwerkzeug (42) oder ein Ultraschallschwinggebilde (14) mit einer Ultraschallsonotrode (32) ist und wobei die Resonanzfrequenz (fA) des Ambosses (16) mit Gegenwerkzeug (42) kleiner ist als die Resonanzfrequenz (fS) des Schwinggebildes (fA « fS), bei dem das erste Werkzeugteil (6), insbesondere über das Werkstück (12), das zweite Werkzeugteil (8) in einer Arbeitslage verschiebt und dabei eine Zustellkraft (FS) auf das Werkstück (12) ausübt, wobei die Amplitude und/oder die Schnittkräfte während des Schnittes zeitabhängig variiert werden.

XII. Der Wortlaut der weiteren unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags 1 ist angesichts der getroffenen Entscheidung nicht relevant.

XIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Revidierte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) - Übergangsbestimmungen

Das vorliegende Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar sind (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

2. Rechtliches Gehör

Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020 unter Wahrung der Rechte der Verfahrensbeteiligten nach Artikel 113 und 116 EPÜ.

Der Grundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 (1) EPÜ ist uneingeschränkt gewahrt, da die Parteien umfangreich zur Sache vorgetragen haben und die Kammer deren Vorbringen ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Soweit die Verfahrensbeteiligten zunächst hilfsweise jeweils einen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 (1) EPÜ gestellt hatten, haben sie diesen nach Erhalt der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 zurückgenommen.

Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien entscheidungsreif, so dass der ursprünglich anberaumte Termin zur mündlich Verhandlung aufgehoben wird.

3. Zulassung der Dokumente D9 und D10 sowie der darauf gestützten Argumentationslinien ins Verfahren

3.1 Die Einsprechende argumentiert zur Rechtfertigung des verspäteten Einreichens der Dokumente D9 und D10 zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung, dass der Inhalt des in D8 zitierten Dokuments D9 für die Auslegung des Inhalts des Dokuments D8 im Hinblick auf ihre Argumentation mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 14 des Patents in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung hochrelevant und daher D9 im Beschwerdeverfahren zuzulassen sei. Dokument D10 werde in Reaktion auf die Feststellung der Einspruchsabteilung unter Punkt 5.5.2 der Entscheidungsgründe zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 14 erstmals im Beschwerdeverfahren eingereicht, um das Fachwissen des Durchschnittsfachmanns zu belegen.

3.2 Die Kammer folgt diesen Ausführungen der Einsprechenden nicht. Sowohl D9 als auch D10 werden von der Einsprechenden zur Stützung neuer Argumentationslinien hinsichtlich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 14 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung des Patents genannt (siehe Beschwerdebegründung, Punkte 8.4.3 und 8.5). Dabei ist jedoch festzustellen, dass der Gegenstand des Anspruchs 14 in der aufrechterhaltenen Fassung auf einer Kombination der Merkmale der erteilten Ansprüche 12 und 15 beruht. Somit waren sämtliche Merkmale des Anspruchs 14 der aufrechterhaltenen Fassung bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten und die entsprechenden Änderungen der Einsprechenden vor Ablauf der Einspruchsfrist bekannt.

Auch kann die Offenlegungsschrift D10, entsprechend der Argumentation der Patentinhaberin, nicht als Beleg für das allgemeine Fachwissen betrachtet werden (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, I.C.2.8.2).

Folglich sind der Kammer keine Gründe ersichtlich, warum D9 und D10 sowie die darauf basierenden Argumentationslinien zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 14 nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist, spätestens jedoch während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung hätten eingereicht werden können.

Daher sieht die Kammer keinen Grund, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 und in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Antrag der Patentinhaberin, diese verspätet eingereichten Dokumente D9 und D10 ins Verfahren zuzulassen oder die darauf gestützten neuen Argumentationslinien hinsichtlich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 14 gemäß Hilfsantrag 2 (siehe Beschwerdebegründung der Einsprechenden, Punkte 8.4.3 und 8.5) im Verfahren zu berücksichtigen.

3.3 Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 7. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten und wird von der Kammer nach nochmaliger Erwägung bestätigt.

4. Berücksichtigung des Dokuments D2 hinsichtlich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung

4.1 Die Einsprechende bringt zum Ausdruck, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Nichtzulassung von Dokument D2 fehlerhaft sei und argumentiert, dass D2 insbesondere für die Beurteilung der Patentfähigkeit des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchs 14 von hoher Relevanz und daher im Verfahren zuzulassen sei (siehe Punkt 1.1 der Beschwerdebegründung).

4.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden nicht, denn gemäß der angefochtenen Entscheidung ist D2 erstmals während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zur Begründung eines Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik in Kombination mit D2 herangezogen worden (siehe Punkt 5.4.1 i.V.m. Punkt 5.3 der angefochtenen Entscheidung). Dabei erachtete die Einspruchsabteilung das Dokument D2 hinsichtlich dieses Einwands prima facie als nicht relevant und ließ D2 im Rahmen dieses Einwand zur erfinderischen Tätigkeit nicht ins Verfahren zu.

In Übereinstimmung mit der angefochten Entscheidung, Punkt 5.4.1 der Gründe, ist festzustellen, dass dieser Einwand mit Bezug auf D2 zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgebracht wurde, d.h. nach Ablauf der Frist gemäß Regel 116 (1) EPÜ. Somit ist dieser Einwand zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit als verspätet im Einspruchsverfahren vorgebracht anzusehen, so dass dessen Zulassung ins Verfahren gemäß Artikel 114 (2) EPÜ im Ermessen der Einspruchsabteilung lag, die dieses auch dahingehend ausgeübt hat, D2 im Rahmen der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit im "Hinblick auf die unterscheidenden Merkmale des Anspruchs 1" (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 5.4.1) nicht zuzulassen.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es jedoch nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die gesamte Sachlage des Falls nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte. Eine Beschwerdekammer sollte sich nur dann über die Art und Weise, in der die Abteilung, die die angefochtene Entscheidung erließ, ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass diese Abteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat (siehe Rechtsprechung, supra, IV.C.4.5.2).

Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung das ihr nach Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumte Ermessen, D2 im Rahmen des verspätet vorgebrachten Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht zum Verfahren zuzulassen, ohne erkennbaren Verfahrensfehler anhand zulässiger Ermessenskriterien ausgeübt, indem sie die prima facie Relevanz von Dokument D2 im Hinblick auf die unterscheidenden Merkmale von Anspruch 1 festgestellt hat. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung ein entscheidendes Kriterium für die Zulassung von verspätetem Vorbringen (siehe Rechtsprechung, supra, IV.C.4.5.3).

Im Übrigen hat die Einsprechende ihre Argumentation in der Beschwerdebegründung im Kern darauf gestützt, dass sie die Beurteilung der Frage der prima facie Relevanz des Dokuments D2 insbesondere für die Beurteilung der Patentfähigkeit des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchs 14 nicht teilt. Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Zum einen ist eine damit begehrte Inhaltskontrolle des Ergebnisses einer ansonsten verfahrensfehlerfreien Ermessenentscheidung, wie oben erwähnt, gerade nicht Aufgabe der Beschwerdekammer. Zum anderen hat die Einspruchsabteilung zur prima facie Relevanz von D2 für die Beurteilung der Patentfähigkeit von Anspruch 14 gar keine Ermessensentscheidung getroffen.

Damit sieht die Kammer keinen Grund, sich über die Art und Weise hinwegzusetzen, in der die Einspruchsabteilung ihr Ermessen ausgeübt hat.

Ein Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D2 ist daher gemäß der angefochtenen Entscheidung sowie nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 im Verfahren nicht zugelassen.

4.3 Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 8. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten. Die Kammer hält nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage an dieser Auffassung fest.

5. Zulassung neuer Argumentationslinien ins Verfahren

5.1 Insofern die Einsprechende zum ersten Mal in der Beschwerdebegründung neue Argumentationslinie zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit

- des Gegenstands von Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung des Patents ausgehend von D2 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen (siehe Beschwerdebegründung, Punkt 4.5) und

- des Gegenstandes von Anspruch 14 in der aufrechterhaltenen Fassung des Patents ausgehend von D1 oder D5 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D6 (siehe Beschwerdebegründung, Punkte 8.2 und 8.3)

ohne eine rechtfertigende Begründung für dieses verspätete Vorbringen angibt, sieht die Kammer keinen Grund, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 diese verspätet vorgebrachten Argumentationslinien ins Verfahren zuzulassen.

5.2 Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 9. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten und wird von der Kammer nach nochmaliger Erwägung bestätigt.

6. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Patentinhaberin bestreitet die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber der Offenbarung von D1 ist und argumentiert, dass D1 die Merkmale b bis e bzw. f des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht zeige.

Die Kammer ist von den Ausführungen der Patentinhaberin nicht überzeugt und folgt den unter Punkt 2.3 der Gründe der angefochtenen Entscheidung und unter Punkt I.1 der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden vorgetragenen Argumenten.

6.1 Merkmal b ("wobei das erste Werkzeugteil (6) über einen Schlitten (24) in dessen Arbeitsrichtung (46) und in Richtung des zweiten Werkzeugteils (8) verfahrbar ist")

Die Patentinhaberin trägt vor, dass nach Dl die Arbeitsrichtung der Sonotrode horizontal verlaufe, da durch die horizontale Bewegung der Sonotrode der Schnitt durchgeführt werde. Während der vertikalen Bewegung sei die Schwingeinheit nicht aktiviert, so dass in dieser Richtung keine Bearbeitung erfolgen könne. Rein grammatikalisch ergäben sich zwei Auslegungen bei Merkmal b, nämlich dass das erste Werkzeugteil in dessen Arbeitsrichtung und in Richtung des zweiten Werkzeugteils verfahrbar sei, und zwar über einen Schlitten, oder dass das erste Werkzeugteil über einen Schlitten in Arbeitsrichtung des Schlitten und in Richtung des zweiten Werkzeugteils verfahrbar sei. Da nach Auffassung der Patentinhaberin üblicherweise einem Schlitten keine Arbeitsrichtung beizumessen sei und eine Definition einer Arbeitsrichtung eines Schlitten in diesem Zusammenhang keinen Sinn mache, stattdessen aber einer Sonotrode üblicherweise eine Arbeitsrichtung, nämlich die Bewegungsrichtung der Sonotrode während des Schweiß- oder Schneidvorgangs, zugeordnet werde, komme aus Sicht des Fachmanns nur die erste Auslegung in Betracht.

Diese Argumentation der Patentinhaberin überzeugt nicht. Dass üblicherweise einem Schlitten keine Arbeitsrichtung beizumessen sei, ist eine reine Behauptung, die seitens der Patentinhaberin nicht belegt wurde. Vielmehr ist entsprechend der Auffassung der Einsprechenden festzustellen, dass der Begriff "Arbeitsrichtung" im Streitpatent auch nicht näher definiert ist. Lediglich das Bezugszeichen 46, das dem Begriff "Arbeitsrichtung" in Anspruch 1 zugeordnet ist, verweist ausweislich der Beschreibung des Streitpatents auf eine Vertikalachse. Daher ist festzuhalten, wie von der Einsprechenden angemerkt, dass Anspruch 1 zumindest angibt, dass das erste Werkzeugteil über einen Schlitten in dessen Arbeitsrichtung, d.h. in die Arbeitsrichtung des Schlittens verfahrbar ist. Merkmal b besagt daher, dass das erste Werkzeugteil über einen Schlitten in Richtung der Arbeitsrichtung des Schlittens und in Richtung des zweiten Werkzeugteils verfahrbar ist. Dies ist in D1 in Spalte 8, Zeilen 47 bis 49, in Anbetracht des verfahrbaren Schlittens 116, 118 (Figur 5) eindeutig offenbart.

Das Merkmal b ist daher aus D1 bekannt.

6.2 Merkmal c ("wobei die Ultraschallsonotrode (32) und/oder das Gegenwerkzeug (42) eine Schneidkante (44) aufweist bzw. aufweisen")

Die Patentinhaberin ist der Meinung, dass nach D1 der Amboss mit Gegenwerkzeug keine Schneidkante zeige. Zum Schneiden werde in D1 der Schneiddraht 84 verwendet. Ein Schneiddraht mit im Allgemeinen rundem Querschnitt könne jedoch nicht als Schneidkante angesehen werden, so dass Merkmal c der D1 nicht zu entnehmen sei.

Die Kammer teilt hierzu die Auffassung der Einsprechenden, dass es sich bei dem Schneiddraht 84 nach D1 um einen eine Schneidkante bildenden Schneiddraht handelt, der wie jedes Schneidwerkzeug auch eine gewisse Rundung aufweisen kann.

Das Merkmal c ist daher aus D1 bekannt.

6.3 Merkmal d ("wobei ein Kraftspeicher (40) für das zweite Werkzeugteil (8) vorgesehen ist, mit dem das zweite Werkzeugteil (8) in Richtung des ersten Werkzeugteils (6) mit einer Kraft (Fs) beaufschlagt wird")

Die Patentinhaberin argumentiert, dass nach D1 der Amboss mit Gegenwerkzeug keinen Kraftspeicher aufweise. Stattdessen sei nach D1 der Amboss feststehend (Spalte 1, Zeilen 15 bis 17). An keiner Stelle könne der D1 entnommen werden, dass das Gegenwerkzeug mit einer Kraft in Richtung des ersten Werkzeugteils beaufschlagt werde. Tatsächlich solle das Gegenwerkzeug die Sonotrode möglichst gar nicht berühren, wie sich aus Spalte 9, Zeilen 39-48, von D1 ergebe. Die Federn 80 könnten daher nicht als Kraftspeicher angesehen werden, der das Gegenwerkzeug in Richtung der Sonotrode mit einer Kraft beaufschlagt.

Die Kammer folgt der Meinung der Einspruchsabteilung unter Punkt 2.3.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung und der Patentinhaberin, dass nach Dl das Gegenwerkzeug die Ambossstifte 76 und den Schneiddraht 84 umfasst. Die Ambossstifte 76 sind durch Federn 80 in Richtung des oberen Werkzeugs gedrückt, wobei die Federn über den zugehörigen Stift auf den Schneiddraht 84 eine Kraft ausüben. Federn sind Kraftspeicher. Über diese Kraftspeicher wird auch der Schneiddraht des Gegenwerkzeugs in Richtung der Sonotrode mit einer Kraft beaufschlagt.

Das Merkmal d ist somit in Dl offenbart.

6.4 Merkmal e bzw. f ("wobei die Resonanzfrequenz (fA) des Ambosses (16) mit Gegenwerkzeug (42) kleiner ist als die Resonanzfrequenz (fS) des Schwinggebildes (fA « fS)")

Die Patentinhaberin ist der Meinung, dass D1 im Ergebnis ein System aus gekoppelten Schwingern zeige, nämlich eines eingespannten Drahtes und einer Vielzahl von Ambossstiften. Einem solchen System ließe sich jedoch keine Resonanzfrequenz zuordnen, da die einzelnen Schwinger niemals frei schwingen, sondern aufgrund der Kopplung mit den anderen Schwingern immer von diesen beeinflusst werden.

Die Kammer ist hiervon nicht überzeugt und teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung unter Punkt 2.3.3 und 2.3.5 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, derzufolge jedes System aus gekoppelten Schwingern eine Resonanzfrequenz aufweist. Die Resonanzfrequenzen der beiden Werkzeugteile, d.h. der anregenden Sonotrode und des Gegenwerkzeugs, nach D1 unterscheiden sich zwangsläufig, weil das Schneiden mit der Vorrichtung möglich ist. Unter Berücksichtigung der physikalischen Gegebenheiten des Schwingungssystems von D1 ist festzustellen, dass die Resonanzfrequenz des Amboss bestehend aus Stiften auf Federn zwangsläufig kleiner als die der Sonotrode ist.

Das Merkmal e bzw. f ist daher aus D1 bekannt.

6.5 Aus den oben genannten Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag somit nicht neu gegenüber der Offenbarung von D1.

6.6 Dies entspricht im Wesentlichen der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 10. Die Kammer hält nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage, insbesondere auch unter Einbeziehung der von der Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 29. Juni 2020 vorgebrachten Argumente, die in den obigen Ausführungen zu den Anspruchsmerkmalen b sowie e bzw. f berücksichtigt wurden, an dieser Auffassung fest.

7. Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 1 - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

7.1 Die Patentinhaberin bestreitet die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber der Offenbarung von D1 ist und argumentiert, dass D1 weder eine Schweiß- noch eine Schneidkante zeige. Im Übrigen wäre, selbst wenn D1 eine Schweiß- und eine Schneidkante des Gegenwerkzeugs zeigte, die Schweißkante, die von den oberen Enden der Schweißstifte gebildet werden sollte, nicht am Maschinengestell gelagert.

7.2 Die Kammer ist hiervon nicht überzeugt und folgt den unter Punkt 3.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung und unter Punkt II.3 der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden vorgetragenen Argumenten. Nach D1, Spalte 11, Zeilen 43 bis 48, weist das Gegenwerkzeug eine Schweißkante an den oberen Enden 62 der Schweißstifte 60 auf, die am Maschinengestell gelagert ist (siehe Figur 10). Dass D1 auch eine Schneidkante beschreibt, ist bereits oben unter Punkt 6.2 dargelegt.

Der Gegenstand des Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag 1 ist somit nicht neu.

7.3 Dies entspricht im Wesentlichen der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 11. Die Kammer hält nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage, insbesondere auch unter Einbeziehung der von der Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 29. Juni 2020 vorgebrachten Argumente, die in den vorangegangenen Ausführungen berücksichtigt wurden, an dieser Auffassung fest.

8. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 (aufrechterhaltene Fassung des Patents) - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

8.1 Die Einsprechende bestreitet die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung von D5.

8.2 Die Patentinhaberin ist hingegen der Auffassung, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 von D5 zumindest dadurch unterscheidet, dass das erste Werkzeugteil über einen Schlitten verfahrbar ist und dass die Resonanzfrequenz des Ambosses mit Gegenwerkzeug um den Faktor 10**(2) bis 10**(4) kleiner ist als die Resonanzfrequenz des Schwinggebildes, weil die Sonotrode 16 nach D5 nicht über einen Schlitten verfahrbar sei und ein System aus gekoppelten Oszillatoren keine Resonanzfrequenz habe.

8.3 Die Kammer folgt der Meinung der Einsprechenden insofern, dass gemäß Figur 4 und Figur 5 von D5 die Sonotrode 16 als erstes Werkzeugteil durch die Kolbenzylinderanordnung 34 innerhalb einer Lagerung ("means 30") senkrecht zum Amboss verfahrbar ist. Hierbei bildet die Kolbenzylinderanordnung einen Schlitten aus, über den die Sonotrode in dessen Arbeitsrichtung (siehe Doppelpfeil in Figuren 4, 5) verfahrbar ist.

Allerdings ist die Kammer von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt, dass D5 unmittelbar und eindeutig eine Resonanzfrequenz im beanspruchten Bereich beschreibt. Vielmehr unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von D5 dadurch, dass die Resonanzfrequenz des Ambosses mit Gegenwerkzeug um den Faktor 10**(2) bis 10**(4) kleiner als die Resonanzfrequenz des Schwinggebildes ist.

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist daher neu gegenüber der Offenbarung von D5.

8.4 Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 12. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten. Die Kammer hält nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage an dieser Auffassung fest.

9. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 (aufrechterhaltene Fassung des Patents) - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

9.1 Die Einsprechende bestreitet, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D1 oder D5 als nächstliegender Stand der Technik jeweils in Kombination mit der Lehre von D6, D7 oder dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

9.2 Es scheint unstreitig zu sein, dass D1 das Merkmal des Anspruchs 1 nicht offenbart, dass die Resonanzfrequenz des Ambosses mit Gegenwerkzeug um den Faktor 10**(2) bis 10**(4) kleiner als die Resonanzfrequenz des Schwinggebildes ist.

Somit ist festzuhalten, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl von D1 als auch von D5 durch dasselbe Merkmal unterscheidet (vgl. Punkt 12. oben).

9.3 Die Einsprechende argumentiert, dass durch die sich um den beanspruchten Faktor unterscheidenden Resonanzfrequenzen ein unkontrolliertes Aufschwingen des Ambosses verhindert und ein besseres Bearbeitungsergebnis erreicht werde.

Werde der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, das Bearbeitungsergebnis von Dl zu verbessern, zöge er zur Lösung D6 heran, da sich diese auch für Ultraschallschneidgeräte mit der Aufgabe beschäftigte, dass ein erreichter Schneideffekt nicht ausreichend sei. In D6 sei zur Lösung dieser Aufgabe beschrieben, dass ein Benutzer die Vibrationsfrequenz anpassen werde, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Die Anpassung der Vibrationsfrequenz erfolge dabei mittels eines "trial and error"-Verfahrens. Der Fachmann würde zur Optimierung der Ultraschallvorrichtung aufgrund des "trial and error"-Verfahrens gemäß D6 auch Werte für die Resonanzfrequenz des Ambosses mit Gegenwerkzeug testen und wählen, die um den Faktor 100 kleiner als die Resonanzfrequenz des Schwinggebildes sind.

Wird der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, das Bearbeitungsergebnis von D1 zu verbessern, zöge er zur Lösung auch D7 in Betracht. Darin werde das Problem beschrieben, dass bei einer Ultraschall-Schweißmaschine die Schweißung nachteilig beeinflusst werde, wenn das Ambossansprechen auf eine Sonotrodenvibration mit der gleichen Frequenz wie die Betriebsfrequenz des angetriebenen Wandlerkoppelsystems erfolge. Zur Lösung werde in D7 beschrieben, dass "der Amboss eine Resonanzfrequenz hat, die etwas über oder etwas unter der Betriebsfrequenz des angetriebenen Wandlerkoppler-Sonotrodensystems der Vibrationsschweißmaschine liegt". Es sei für den Fachmann naheliegend, eine dieser beiden Alternativen - die Resonanzfrequenz des Ambosses ist kleiner als die Resonanzfrequenz des Sonotrodensystems - bei der aus der Dl bekannten Vorrichtung auszuprobieren und auch zu variieren.

Ferner wählte der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens die anregende Frequenz (der Sonotrode) deutlich größer als die Resonanzfrequenz des angeregten Systems (Amboss), damit die Amplitudenantwort des Ambosses gering ist und das Gegenwerkzeug der Schwingung der Sonotrode nicht folgen kann.

Die obigen Ausführungen gelten entsprechend ausgehend von D5 als nächstliegender Stand der Technik.

Der Fachmann käme somit in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.

9.4 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung unter Punkt 5.4.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung. Keines der Dokumente D6 oder D7 oder das allgemeine Fachwissen gibt dem Fachmann eine Anregung dahingehend, die Resonanzfrequenz des Ambosses mit Gegenwerkzeug in einem bestimmten Bereich, nämlich um den Faktor 100 bis 10000 kleiner als die Resonanzfrequenz des Schwinggebildes, und dadurch die Resonanzfrequenz des Gegenwerkzeug wesentlich niedriger als die der Sonotrode zu wählen, um ein unkontrolliertes Aufschwingen des Ambosses mit Gegenwerkzeug (siehe Absatz [0033] der Patentschrift) und eine bessere Schnittqualität sowie längere Standzeit der Werkzeuge zu erzielen (siehe Absatz [0012] der Patentschrift).

Eine Kombination der Lehren von D6, D7 oder dem allgemeinen Fachwissen mit der Lehre von D1 oder D5 führt daher nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.

9.5 Anspruch 10 betrifft ein Verfahren zum Verwenden einer Vorrichtung nach Anspruch 1. Aus den oben zum Vorrichtungsanspruch 1 genannten Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 10 daher ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

9.6 Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 13. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten und wird von der Kammer nach nochmaliger Erwägung bestätigt.

10. Anspruch 14 gemäß Hilfsantrag 2 (aufrechterhaltene Fassung des Patents) - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

10.1 Die Einsprechende bestreitet die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 14 ausgehend von D1 oder D5 als nächstliegender Stand der Technik jeweils in Kombination mit der Lehre von D8 oder dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Das Verfahren nach Anspruch 14 unterscheide sich von der Offenbarung von D1 oder D5 dadurch, dass das erste Werkzeugteil das zweite Werkzeugteil in einer Arbeitslage verschiebt und dabei eine Zustellkraft auf das Werkstück ausübt, wobei die Amplitude und/oder die Schnittkräfte während des Schnittes zeitabhängig variiert werden.

Dabei verstehe es sich zunächst von selbst, dass bei der Anordnung von Figur 5 von D5 das erste Werkzeugteil 16 über das Werkstück S das zweite Werkzeugteil 22 in eine Arbeitslage verschiebt und dabei eine Zustellkraft auf das Werkstück ausübt. Die zusätzlich beanspruchte Variation der Amplitude und/oder der Kräfte während eines Schneidvorgangs sei dem Fachmann als geläufige Maßnahme zur Optimierung des Schneidvorgangs bekannt.

Ferner beschreibe D8, dass es im Rahmen einer Ultraschall-Bearbeitung vorteilhaft sein könne, wenn die Anpresskraft und/oder die Amplitude der Sonotrode gesteuert werde. Dass dies während der Bearbeitung erfolge, sei eine platte Selbstverständlichkeit. Beim Studium von D8 erkenne der Fachmann auch, dass deren Offenbarung ganz explizit nicht auf einen Schweißvorgang beschränkt sei. So spreche D8 nahezu durchgehend von einer Vorrichtung oder einem Verfahren zur "Ultraschall-Bearbeitung insbesondere zum Schweißen". Daher müsse die Offenbarung von D8 neben dem Schweißen auch einen anderen Ultraschall-Bearbeitungsvorgang umfassen. Der Fachmann verstehe aufgrund seines Fachwissens einerseits unter einer Ultraschall-Bearbeitung sowohl ein Schweißen wie auch ein Trennen und nehme andererseits bei beiden Vorgängen, d.h. auch während eines Trennvorgangs, eine Variation der Amplitude vor.

Daher sei das Verfahren nach Anspruch 14 ausgehend von D1 oder D5 durch die Lehre von D8 oder bereits durch das allgemeine Fachwissen nahegelegt.

10.2 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und teilt wie folgt die Auffassung der Einspruchsabteilung unter Punkt 5.5.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Ausgehend von D1 oder D5 als nächstliegender Stand der Technik definiert die Einsprechende die zugrundeliegende Aufgabe, den Schneidvorgang zu optimieren (Beschwerdebegründung, Punkt 8.2.2).

D8 befasst sich zwar damit, zur Regelung der Ausgangsleistung eines Generators die Anpresskraft und/oder die Amplitude der Sonotrode zu steuern (Spalte 5, Zeilen 15 bis 17). Allerdings ist festzustellen, dass der Lehre von D8 kein Hinweis zu entnehmen ist, die Amplitude und/oder die Schnittkräfte während eines Schnittes bzw. eines Schneidvorgangs zu variieren, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Dies ist auch nicht dem allgemeinen Fachwissen zuzuordnen.

Der Gegenstand von Anspruch 14 gemäß Hilfsantrag 2 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

10.3 Dies entspricht der vorläufigen Auffassung der Kammer, die den Parteien mit dem Bescheid vom 6. Mai 2020 mitgeteilt wurde, siehe Punkt 14. Diese vorläufige Feststellung wurde von der Einsprechenden weder kommentiert noch bestritten und wird von der Kammer nach nochmaliger Erwägung bestätigt.

11. Die Ansprüche 2 bis 9 definieren weitere Merkmale der Vorrichtung nach Anspruch 1, die Ansprüche 10 bis 13 definieren Merkmale eines Verfahren zum Verwenden einer solchen Vorrichtung, während Anspruch 15 weitere Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 13 oder des Verfahrens nach Anspruch 14 definiert. Daher ist der Gegenstand der Ansprüche 2 bis 13 und 15 ebenfalls neu bzw. beruht der Gegenstand dieser Ansprüche ebenso auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ).

12. Im Ergebnis begründet keiner der seitens der Einsprechenden oder seitens der Patentinhaberin erhobenen Einwände in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung und steht auch nicht der Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung als die Erfordernisse des EPÜ genügend befundenen Fassung entgegen.

13. Anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr

13.1 Die Patentinhaberin hat ihren Antrag auf mündliche Verhandlung in ihrem Schriftsatz vom 28. Mai 2020 und die Einsprechende hat ihren Antrag auf mündliche Verhandlung in ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2020 zurückgenommen.

13.2 Somit haben beide Parteien ihren jeweiligen Antrag auf mündliche Verhandlung nach Artikel 116 (1) EPÜ ausdrücklich innerhalb eines Monats ab Zustellung der von der Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 zurückgenommen, so dass nach Artikel 12 (8) VOBK 2020 die vorliegende Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung auf der Basis des schriftsätzlichen Vorbringens ergehen kann.

13.3 Der Rückzahlungstatbestand nach Regel 103 (4) c) EPÜ ist daher erfüllt.

13.4 Deshalb entscheidet die Beschwerdekammer nach Regel 103 (6), Satz 2 EPÜ, dass gemäß Regel 103 (4) c) EPÜ sowohl die von der Patentinhaberin als auch die von der Einsprechenden bei der Einreichung ihrer Beschwerde gezahlte Beschwerdegebühr jeweils anteilig in Höhe von 25 % zurückgezahlt wird.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

2. Die von der Patentinhaberin und die von der Einsprechenden gezahlte Beschwerdegebühr wird jeweils in Höhe von 25 % zurückgezahlt.

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