T 0109/17 () of 15.7.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T010917.20200715
Datum der Entscheidung: 15 Juli 2020
Aktenzeichen: T 0109/17
Anmeldenummer: 03014975.1
IPC-Klasse: E04F10/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Markise mit Infrarotstrahler und/oder Lautsprecher
Name des Anmelders: Weinor GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Schmitz-Werke GmbH + Co. KG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Patentansprüche - Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent Nr. 1 403 442 (im Folgenden: das Patent) betrifft eine Markise mit Infrarotstrahler und/oder Lautsprecher.

II. In ihrer nach mündlicher Verhandlung ergangenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin Beschwerde ein.

III. Anträge

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise auf Grundlage der mit Schreiben vom 24. Februar 2020 eingereichten Ansprüche (erster Hilfsantrag) oder auf Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche (zweiter Hilfsantrag).

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Die Beteiligten wurden zu einer mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2020 geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2007 teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung mit.

V. Mit Schreiben vom 6. Juli 2020 kündigte die Beschwerdeführerin an, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, die gestellten Anträge aber aufrechterhalten würde.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Juli 2020 in Anwesenheit von lediglich der Beschwerdegegnerin statt.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (mit der Bezeichnung der Merkmale wie von den Beteiligten vorgeschlagen):

A|Markise (1) mit einem die Tuchwelle (4) umgebenden Gehäuse (7), |

B|durch dessen vordere Längsöffnung das Markisentuch (5) austritt, |

C|wobei am vorderen Ende des Tuches ein Ausfallprofil (6) befestigt ist, |

D|das im eingefahrenen Zustand die Längsöffnung verschließt, |

E|dadurch gekennzeichnet, dass am Gehäuse (7) an dessen Unterseite mindestens ein Infrarotstrahler (8) und/oder ein Lautsprecher (9) befestigt ist,|

F|wobei an der Unterseite des Markisengehäuses ein Profil (12) parallel zur Tuchwelle angeordnet ist, |

G|auf dem der Infrarotstrahler (8) und/oder der Lautsprecher (9) längs verstellbar befestigbar insbesondere anklemmbar ist, |

H|wobei das Profil (12) von dem Markisengehäuse (7) gebildet ist. |

VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet (mit der Bezeichnung der Merkmale wie von den Beteiligten vorgeschlagen):

1A|Markise (1) mit einem die Tuchwelle (4) umgebenden Gehäuse (7), |

1B|durch dessen vordere Längsöffnung das Markisentuch (5) austritt, |

1C|wobei am vorderen Ende des Tuches ein Ausfallprofil (6) befestigt ist, |

1D|das im eingefahrenen Zustand die Längsöffnung verschließt, |

1E|wobei an der Unterseite des Markisengehäuses ein Profil (12) parallel zur Tuchwelle angeordnet ist, |

1F|auf dem ein Infrarotstrahler (8) und/oder ein Lautsprecher (9) längs verstellbar befestigbar insbesondere anklemmbar ist, |

1G|wobei das Profil (12) von dem Markisengehäuse (7) gebildet ist. |

1H|dadurch gekennzeichnet, dass am Gehäuse (7) an dessen Unterseite mindestens ein Infrarotstrahler (8) und/oder ein Lautsprecher (9) befestigt ist, |

1I|und die elektrische Verdrahtung und die elektrischen Anschlüsse für den Infrarotstrahler (8) und/oder den Lautsprecher (9) insbesondere als Baukastensystem in den Teilen der Markise (1) anschlussfertig angeordnet sind.|

IX. Stand der Technik

Die Beteiligten weisen auf folgenden Stand der Technik hin, der rechtzeitig während des Einspruchsverfahrens eingereicht wurde:

D2:|DE 101 07 972 A1|

D3:|DE 298 18 928 U1|

Die Beteiligten verweisen auch auf folgenden Stand der Technik, der während des Einspruchsverfahrens und nach der Einspruchsfrist eingereicht wurde:

D5:|WO 97/13935 A1|

X. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Hauptantrag

Erfinderische Tätigkeit

Das Merkmal G bewirke den technischen Effekt, Zusatzkomponenten auch bei einer bereits montierten Markise nachträglich montieren zu können. Die objektive technische Aufgabe sei daher nicht nur die Aufenthaltsqualität unter einer Markise zu verbessern, sondern gleichzeitig auch die Möglichkeit einer nachträgliche Montage von Zusatzkomponenten zu schaffen.

Bei einer Markise gemäß D5 sei eine nachträgliche Montage eines Infrarotstrahlers und/oder eines Lautsprechers nicht möglich.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die Schlitznut an der Unterseite der Markise in Figur 1 der D5 nicht als Profil im Sinne der Merkmale F bis H berücksichtigt werden könne.

Stattdessen sei das Profil 12a von D5 ein Profil im Sinne des Anspruchs 1. Es sei nicht möglich, an dem Profil 12a etwas zu befestigen, da es in diesem Fall unmöglich wäre, das Gehäuse mittels des Ausfallprofils in eingefahrenem Zustand zu verschließen, wie von den Merkmalen C und D gefordert.

Umfangreiche Konstruktionsänderungen seien erforderlich, um den Infrarotstrahler gemäß D2 auf dem Profil an der Gehäuseunterseite einer gattungsgemäßen Kassettenmarkise anzuordnen. Eine solche Anordnung sei ohne erfinderisches Zutun nicht möglich.

b) Hilfsantrag 1

Klarheit

Aufgrund der erstmaligen Erwähnung des Infrarotstrahlers bzw. des Lautsprechers sei der unbestimmte Artikel "ein" in Merkmal 1F, das Merkmal G des Hauptantrags entspreche und in den Oberbegriff aufgenommen worden sei, verwendet worden.

Erfinderische Tätigkeit

Die Einspruchsabteilung habe den synergetischen technischen Effekt zwischen den Merkmalen übersehen. Die unterscheidenden Merkmale würden ermöglichen, eine Zusatzkomponente in Form des Infrarotstrahlers und/oder Lautsprechers auf einfache Art und Weise nachzurüsten und anzuschließen.

XI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte in Hinblick auf den Hauptantrag im Wesentlichen wie folgt:

a) Hauptantrag

Erfinderische Tätigkeit

Die Aufgabe, die "Aufenthaltsqualität unter einer Markise zu erhöhen", sei durch den Stand der Technik gelöst, der verschiedene Zubehörteile wie den Infrarotstrahler der Tragrohrmarkise von D2 offenbare. Die objektive zu lösende Aufgabe sei deshalb, solche Zubehörteile an eine Kassettenmarkise wie jene von D5 anzubringen.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass, wenn der Fachmann den Infrarotstrahler von D2 in der Markise von D5 integrieren wolle, es offensichtlich für ihn wäre, die Halter 6 von D2 anzupassen, um den Infrarotstrahler 1 auf der unteren Schlitznut von D5 zu befestigen. Zunächst offenbare D5 im ersten Absatz von Seite 12, dass man an der Schlitznut einen Zubehörteil montieren könne, und zwar verschiebbar. Weiterhin sei dem Fachmann seit Langem bekannt, Zubehörteile an Profilen zu befestigen. Es sei deshalb für den Fachmann augenfällig, einen Infrarotstrahler auf der Schlitznut 12 von D5 längs verstellbar zu befestigen.

b) Hilfsantrag 1

Klarheit

Der unbestimmte Artikel "ein" sei in Merkmalen 1F und 1H in Bezug auf die Merkmale "Infrarotstrahler" und "Lautsprecher" gebraucht worden. Es sei daher nicht klar, ob der Infrarotstrahler und/oder der Lautsprecher in Merkmal 1H die gleichen wie jene in Merkmal 1F sein müssten oder nicht. Die Unklarheit stamme aus einer Änderung des Anspruchs und dürfe deswegen geprüft werden.

Erfinderische Tätigkeit

Der Argumentation der Einspruchsabteilung werde zugestimmt, da die unterscheidende Merkmale des Anspruchs 1 in Bezug auf D5 eine bloße Aggregation von Merkmalen darstellten, wobei kein Synergieeffekt festgestellt werden könne.

Wenn der Fachmann Zubehörteile in naheliegender Weise auf die Kassettenmarkise von D5 anbringe, müsse er die elektrische Verdrahtung und die elektrischen Anschlüsse der Zubehörteile herstellen. Es sei allgemeines Fachwissen, dass die Verdrahtung und die Anschlüsse für den Antrieb von Kassettenmarkisen in dem Gehäuse der Kassettenmarkise integriert seien. Der Fachmann würde eine solche elektrische Verdrahtung und elektrischen Anschlüsse für die Zubehörteile, die auf dem Gehäuse in naheliegender Weise montiert worden seien, daher in jenen Teilen der Markise anordnen, wie in Merkmal 1I definiert.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ

1.1 Die Kammer stimmt den Parteien zu, dass die Entgegenhaltung D5 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt, da sie eine Markise offenbart, die ein Gehäuse und ein Ausfallprofil aufweist wie in Anspruch 1 definiert.

Die Offenbarung der Merkmale A (Tuchwelle umgebendes Gehäuse; siehe Figur 1, Hülsenschiene 3a und Abdeckung 23a), B (vordere Längsöffnung des Gehäuses für das Austreten des Markisentuchs; siehe Figur 1 und Rolle der Dichtung 19), C (vorderes Ausfallprofil; siehe Figur 1, Abdeckblende 20a) und D (Ausfallprofil schließt die Längsöffnung; siehe Figur 1) in D5 ist unbestritten.

1.2 Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin bildet die ganze Hülseschiene 3a (siehe Figuren 1 und 9 von D5; Figur 1 ist unten wiedergegeben) ein Profil, das den Merkmalen F (Profil an der Unterseite des Markisengehäuses und parallel zur Tuchwelle) und H (Profil gebildet vom Markisengehäuse) entspricht. Der Teil 12a der Hülseschiene 3a, der der Aufnahme eines Lagerbocks 4a und eines Umlenkrohres 22a dient, stellt deswegen nicht die einzige Offenbarung eines Profils in D5 dar.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Hülseschiene 3a ermöglicht die Befestigung des Tragarms 2a durch die Nutsteine 10 und die Schraube 25 darauf (siehe Figur 1 von D5 unten). Die Schlitznut "dient der seitlich verschiebbaren Montage von Bauteilen wie Haltern, Böcken usw." (siehe Seite 12, Zeilen 1 bis 3). Da das Merkmal G lediglich eine Eignung des Profils definiert ("auf dem der Infrarotstrahler und/oder der Lautsprecher längs verstellbar befestigbar insbesondere anklemmbar ist"), ist dieses Merkmal auch in D5 offenbart, weil die Schlitznut der Hülseschiene 3a eine solche Befestigung ermöglicht.

1.3 Das einzige unterscheidende Merkmal ist daher Merkmal E (Infrarotstrahler und/oder Lautsprecher befestigt an der Unterseite des Gehäuses).

Der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Aufgabe (Ermöglichung der nachträglichen Montage von Zusatzkomponenten) kann aus folgenden Gründen nicht zugestimmt werden:

Zunächst enthält Anspruch 1 kein Merkmal, das eine solche nachträgliche Montage definiert. Merkmale F ("wobei an der Unterseite des Markisengehäuses ein Profil parallel zur Tuchwelle angeordnet ist") und G ("auf dem der Infrarotstrahler und/oder der Lautsprecher längs verstellbar befestigbar insbesondere anklemmbar ist") definieren lediglich, wie ein Infrarotstrahler oder Lautsprecher befestigt werden kann, aber sie implizieren nicht, dass eine solche Befestigung die nachträgliche Montage der Elemente ermöglichen muss.

Weiterhin muss man beim Aufgabe-Lösungs-Ansatz den technischen Effekt der unterscheidenden Merkmale berücksichtigen, und nicht den technischen Effekt jener Merkmale, die in dem Ausgangsdokument schon offenbart sind. Der technische Effekt des unterscheidenden Merkmals E ist, dem Benutzer der Markise eine zusätzliche Dienstleistung anzubieten (d.h. Heizung und/oder Unterhaltung). Die objektive technische Aufgabe ist daher, wie von der Einspruchsabteilung richtig definiert, die Verbesserung der Aufenthaltsqualität unter einer Markise.

1.4 Dem Fachmann im technischen Gebiet von Markisen ist bekannt, dass verschiedene Zubehörteile an Tragrohrmarkisen angebracht werden können. D2 stellt ein Beispiel von solchen Zubehörteilen dar. D2 offenbart einen Infrarotstrahler 1, der durch "spezielle Befestigungselemente" (siehe Spalte 1, Zeile 20) an die Tragrohrmarkise montiert wird. Diese speziellen Befestigungselemente sind die Halter 6, die an einem Vierkantrohr 5 der Markise befestigt sind.

Wenn der Fachmann einen Infrarotstrahler wie den von D2 auf einer Kassettenmarkise wie die von D5 anbringen will, muss er berücksichtigen, an welcher Stelle des Gehäuses eine solche Befestigung möglich ist. Das einzige Element, das eine solche Verbindungsmöglichkeit am Gehäuse von D5 bietet, ist die Schlitznut, deren explizit offenbarter Zweck die seitlich verschiebbare Montage von verschiedenen Teilen ist (siehe Seite 12, Zeile 1 bis 3). In der Abwesenheit einer anderen möglichen Befestigungsstelle würde der Fachmann bei einer Kombination eines Infrarotstrahlers wie in D2 mit der Kassettenmarkise von D5 die Schlitznut der Hülseschiene 3a in naheliegender Weise benutzen, um einen anzupassenden Halter des Infrarotstrahlers zu fixieren. Die Anpassung oder Ersetzung des Halters 6 von D2, um eine Befestigung auf einer Schlitznut wie die von D5 zu ermöglichen, ist eine Routineaufgabe für den Fachmann, der an solche Verbindungen von Zubehörteilen gewöhnt ist, und dem sogar in D5 selbst ein Beispiel von Verbindungselementen zur Verfügung steht (siehe Seite 11, Zeile 24 bis 26).

1.5 Angesichts der obigen Überlegungen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2. Erster Hilfsantrag

2.1 Klarheit - Artikel 84 EPÜ

2.1.1 Das Merkmal G des erteilten Anspruchs 1 lautet "auf dem der Infrarotstrahler (8) und/oder der Lautsprecher (9) längs verstellbar befestigbar insbesondere anklemmbar ist", und wurde in Merkmal 1F des Hilfsantrags 1 in "auf dem ein Infrarotstrahler (8) und/oder ein Lautsprecher (9) längs verstellbar befestigbar insbesondere anklemmbar ist" geändert (Hervorhebung hinzugefügt).

Das Merkmal 1H des ersten Hilfsantrags entspricht dem Merkmal E des erteilten Anspruchs 1 und lautet "am Gehäuse an dessen Unterseite mindestens ein Infrarotstrahler und/oder ein Lautsprecher befestigt ist" (Hervorhebung hinzugefügt).

Im erteilten Anspruch 1 wurde der Infrarotstrahler und/oder der Lautsprecher daher zunächst mit dem unbestimmten Artikel "ein" erwähnt (Merkmal E), und danach mit dem bestimmten Artikel "der" (Merkmal G).

In Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags wird der Infrarotstrahler und/oder der Lautsprecher hingegen immer mit dem unbestimmten Artikel "ein" erwähnt.

Da der Einwand bezüglich mangelnder Klarheit aus einer Änderung stammt, darf die Kammer einen solchen Einwand prüfen (siehe Entscheidungsformel der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14).

2.1.2 Merkmal 1E lautet "wobei an der Unterseite des Markisengehäuses ein Profil (12) parallel zur Tuchwelle angeordnet ist".

Merkmal 1F lautet "auf dem ein Infrarotstrahler und/oder ein Lautsprecher längs verstellbar befestigbar insbesondere anklemmbar ist".

Merkmale 1E und 1F definieren deshalb zusammen, dass ein Infrarotstrahler und/oder ein Lautsprecher auf dem Profil an der Unterseite des Markisengehäuses längs verstellbar befestigbar ist, d.h. das Profil muss für diesen Zweck geeignet sein (siehe Punkt 1.2, zweiter Absatz).

Merkmal 1H lautet "dass am Gehäuse an dessen Unterseite mindestens ein Infrarotstrahler und/oder ein Lautsprecher befestigt ist". Das Merkmal 1H definiert deshalb erstmals die Anwesenheit eines Infrarotstrahlers und/oder eines Lautsprechers als Teil des Gegenstands des Anspruchs. Da das Profil an der Unterseite des Gehäuses für die Befestigung eines Infrarotstrahlers und/oder Lautsprechers geeignet ist (Merkmale 1E und 1F), versteht der Leser des Anspruchs beim Lesen von Merkmal 1H unmittelbar, dass der beanspruchte Infrarotstrahler und/oder Lautsprecher, der an der Unterseite des Gehäuses befestigt ist, auf dem Profil befestigt sein muss, das für diesen Zweck vorher definiert wurde.

Die Argumentation der Beschwerdegegnerin bezüglich eines Zweifels in Bezug auf die Übereinstimmung der Infrarotstrahler und Lautsprecher von Merkmalen 1F und 1H ist nicht überzeugend, da diese Übereinstimmung irrelevant für die Klarheit des Anspruchs ist. Merkmal 1F definiert lediglich eine Eignung des Profils für die Befestigung eines Infrarotstrahlers und/oder Lautsprechers und Merkmal 1H definiert nachher erstmals die Befestigung eines Infrarotstrahlers und/oder Lautsprechers als Gegenstand des Anspruchs. Unabhängig davon, ob der Infrarotstrahler und/oder der Lautsprecher von Merkmal 1H die gleichen wie in Merkmal 1F sind oder nicht, würde die Klarheit des Anspruchs nicht beeinträchtigt sein.

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags ist daher deutlich gefasst.

2.2 Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ

2.2.1 Angebliche Aggregation von Merkmalen

Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung argumentiert (siehe Seite 6, vorletzter Absatz), dass keine technischer Zusammenhang besteht zwischen:

der Anordnung der Verdrahtung und der elektrischen Anschlüsse in den Teilen der Markise, und

der längs verstellbar Befestigung des Infrarotstrahlers und/oder Lautsprechers.

Aus diesem Grund hat die Einspruchsabteilung eine abgesonderte Analyse der erfinderischen Tätigkeit bezüglich des zusätzlichen Merkmals 1I durchgeführt (siehe Seite 7).

Die Kammer kann dieser Auffassung nicht zustimmen.

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von D5 durch die Merkmale 1H (Infrarotstrahler am Gehäuse befestigt; das Merkmal 1H entsprich Merkmal E des Hauptanspruchs) und 1I (Verkabelung des Infrarotstrahlers).

Man kann die Verkabelung für die Versorgung des Infrarotstrahlers nicht als unabhängig von der Anwesenheit des Infrarotstrahlers ansehen, da man eine Verkabelung für den Infrarotstrahler erst in Erwägung ziehen kann, wenn man zunächst einen Infrarotstrahler in D5 integriert hat.

Das Merkmal 1I ist deshalb eine zweite Stufe in Richtung der Erfindung, die nur nach der ersten Stufe (Integration des Infrarotstrahlers in D5) durchgeführt werden kann. Eine abgesonderte Analyse der erfinderischen Tätigkeit bezüglich jedes der unterscheidenden Merkmale 1I und 1H, basierend auf verschiedenen Dokumenten (1I: Dokument D2; 1H: Dokument D3), die mit D5 unabhängig voneinander kombiniert werden sollen, ist in diesem Fall daher nicht gerechtfertigt.

2.2.2 Allgemeines Fachwissen

Die Argumentation der Beschwerdegegnerin bezüglich der Offensichtlichkeit des Merkmals 1H angesichts des allgemeinen Fachwissens ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend.

Wie im obigen Punkt 1 erwähnt, ist die Anordnung eines Zubehörteils wie des Infrarotstrahlers 1 von D2 auf der Kassettenmarkise von D5 offensichtlich.

Der Fachmann muss bei dieser Kombination die elektrische Versorgung des Zubehörteils berücksichtigen, und er hätte dazu verschiedene Alternativen zur Verfügung.

Die unmittelbarste Alternative wäre es, den Zubehörteil an eine Steckdose an der Wand anzuschließen. Diese Alternative benötigt keine Änderung des Markisengehäuses und würde eine sofortige Benutzung des Zubehörteils ermöglichen. Bezüglich des Lautsprechers als möglichen Zubehörteils ist es seit Langem bekannt, dass manche Typen von Lautsprechern keine Verkabelung benötigen, da sie aus Akkus versorgt werden können und über drahtlose Verbindungen die Tonsignale empfangen.

Die Bereitstellung der elektrischen Verdrahtung und der elektrischen Anschlüsse in den Teilen der Markise wäre deshalb eine Alternative, die wesentliche Änderungen in dem Gehäuse von D5 benötigt und dem Fachmann nicht offensichtlich erscheinen würde.

Selbst wenn man akzeptiert, dass der elektrische Antrieb von Kassettenmarkisen üblicherweise durch eine Verdrahtung und elektrische Anschlüsse in Teilen der Markise versorgt wird, stellt das keinen Beweis dafür dar, dass eine elektrische Verdrahtung und elektrische Anschlüsse in den Teilen der Markise entlang der Markise zum allgemeinen Fachwissen gehören. Der elektrische Antrieb der Kassettenmarkise könnte an den Endseiten liegen, wohingegen ein Infrarotstrahler wie jener von D2 eine elektrische Versorgung in einem mittleren Bereich der Markise benötigt (siehe Figur 1 von D2 unten).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

2.2.3 Kombination mit D3

D3 betrifft eine Tragrohmarkise, die eine ganz unterschiedliche Struktur als die Kassettenmarkise von D5 aufweist. Die Struktur einer Tragrohrmarkise besteht aus hohlen Metallträgern, wie der Profilabschnitt 10 in D3. Die Struktur der Kassettenmarkise von D5 wird durch ein Gehäuse gebildet (3a, 23a), das die Tuchwelle und andere Teile der Markise umgibt. In dem Gehäuse von D5 kann kein hohler Bereich entlang des Gehäuses identifiziert werden, der vergleichbar mit dem Inneren des Profilabschnitts 10 in D3 wäre (siehe Figur 6). Sogar wenn D3 eine Offenbarung einer Verkabelung in dem Profilabschnitt 10 enthält (siehe Figur 6 und Seite 4, letzter Satz des dritten Absatzes und erster Satz des vierten Absatzes), würden die wesentliche strukturelle Unterschiede zwischen den Markisen von D3 und D5 den Fachmann daher abhalten, die Lehren dieser beiden Dokumente zu kombinieren.

2.2.4 Angesichts der obigen Überlegungen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang auf Grundlage der Patentansprüche nach dem ersten Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 24. Februar 2020, sowie einer anzupassenden Beschreibung und Zeichnungen aufrechtzuerhalten.

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