T 0074/17 () of 16.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T007417.20200916
Datum der Entscheidung: 16 September 2020
Aktenzeichen: T 0074/17
Anmeldenummer: 06761975.9
IPC-Klasse: F03D11/00
F03D1/06
F03D7/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WINDKRAFTANLAGE MIT EINER ROTORBLATTLAGERUNG SOWIE VERFAHREN ZUM BETRIEB EINER DERARTIGEN WINDKRAFTANLAGE
Name des Anmelders: IMO Holding GmbH
Name des Einsprechenden: ThyssenKrupp Rothe Erde GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 107 (2007)
European Patent Convention Art 111(1) (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention R 103(1)(a) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Schlagwörter: Durch die Einreichung eines neuen Hauptantrags ersetzter und implizit zurückgenommener Hauptantrag
Änderungen - zulässig (nein)
Änderungen - Zwischenverallgemeinerung
Spät eingereichter Antrag - vor der Einspruchsabteilung zurückgenommenen Antrag
Orientierungssatz:

siehe Gründe 3

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die am 6. Oktober 2016 in der mündlichen Verhandlung verkündete Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 14. November 2016, das europäische Patent Nr. 1 891 327 in geändertem Umfang nach Artikel 101(3) a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, einen am 5. September 2016 eingereichten (ersten) Hauptantrag nicht zum Verfahren zuzulassen, weiter dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem in der mündlichen Verhandlung als (zweiten) Hauptantrag verfolgten und als solchen zugelassenen, ursprünglich als Hilfsantrag I eingereichten Hauptantrag nicht erfinderisch sei, weiter dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem ursprünglich als Hilfsantrag VI eingereichten und in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag I verfolgten Antrag nicht erfinderisch sei, und dass das nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten, und als Hilfsantrag II verfolgten Antrag geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 11. Januar 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 21. März 2017 eingereicht.

IV. Gegen diese Entscheidung hat auch die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 18. Januar 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. März 2017 eingereicht.

V. Ein wesentlicher Teil der Beschwerde der Beschwerdeführerin Patentinhaberin (nachfolgend: Patentinhaberin) betrifft die Nichtzulassung einiger ihrer Anträge, und in dieser Hinsicht macht sie eine schwerwiegende Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und andere wesentliche Verfahrensmangel geltend.

VI. Die Antragslage der Patentinhaberin vor und während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung entwickelte sich wie folgt. Nach einer Mitteilung der Einspruchsabteilung wurden ein Hauptantrag und die Hilfsanträge I bis IX am 5. September 2016, einen Monat vor der mündlichen Verhandlung, eingereicht. Die nachfolgenden Änderungen der Antragslage und die entsprechende Ereignisse während der mündlichen Verhandlung lassen sich am besten durch einen Verweis auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung erläutern:

"Die Verhandlung wird um 9.35 eröffnet.

Der Vorsitzende (V) ... fasst die Anträge der Patentinhaberin (P) und der Einsprechende (E) zusammen. Die P bestätigt ihren Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs, gegebenenfalls Aufrechthalten des Streitpatentes im eingeschränkten Umfang gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1-9. Die E wiederholt ihren Antrag auf Widerruf des Streitpatentes wie erteilt im vollen Umfang, und auch gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1-9.

Die E beantragt weiter, den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1-9 nicht im Verfahren zuzulassen, weil eine Begründung für ihre Zulässigkeit und die Grunde, warum sie eingegeben wurden, fehlt.

Der V. verkündet, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1-9, zu dieser Zeit noch nicht im Verfahren eingeführt wurden, und fragt die P, die Begründung zum Einführen des Hauptantrags vom 5.9.2016 vorzubringen.

Die Zulässigkeit des Hauptantrags wurde besprochen. ...

Die Verhandlung wird um 10.10 Uhr unterbrochen und um 10.25 Uhr fortgesetzt.

Der V. verkündet, dass die EA der Meinung ist, dass es sich bei dem Hauptantrag um eine unzulässige Erweiterung handelt und dass die Integration von Verfahrensmerkmalen in den Vorrichtungsanspruch 1 ohne irgendeine Begründung die E. in eine unakzeptabel negative Position bringen würde. Deswegen wird der

Hauptantrag nicht im Verfahren zugelassen.

Weiter verkündet der V., dass auch alle Hilfsanträge die auf das Einführen von Verfahrensmerkmalen der Ansprüchen 30 bis 37 in den Vorrichtungsanspruch 1 beruhen, nicht im Verfahren zugelassen werden.

Die P. beantragt die Hilfsanträge I, II und VI umzunummerieren:

Hauptantrag = Hilfsantrag I von 5. September 2016

Hilfsantrag I = Hilfsantrag VI von 5. September 2016

Hilfsantrag II = Hilfsantrag II von 5.9.2016."

Der letztlich als gewährbar erachtete Wortlaut des Hilfsantrags II wurde durch während der mündlichen Verhandlung vorgenommene zusätzliche Korrekturen erreicht, wobei der Status als Hilfsantrag II nicht mehr geändert wurde. Auch die Beschreibung des Sachverhalts und der Anträge und die Entscheidungsgründe der schriftlichen Entscheidung spiegeln diese Ereignisse wider.

VII. Neben den materiellrechtlichen Fragen, die im Folgenden ausführlicher behandelt werden, setzt sich die Beschwerde der Patentinhaberin mit dem oben dargelegten Verfahrensablauf und den Verfahrensentscheidungen der Einspruchsabteilung auseinander. Nach Ansicht der Patentinhaberin stellen die folgenden Handlungen der Einspruchsabteilung einen wesentlichen Verfahrensmangel dar:

- Einen Tag vor der mündlichen Verhandlung zugestellte Zulassungseinwände der Einsprechenden

- Sofort verkündete Nichtzulassung von Anträgen

- Keine Möglichkeit zur Stellungnahme zur Zulassung von nachrangigen Hilfsanträgen

- Überraschende Gründe für die Nichtzulassung

- Offensichtlich rechtsfehlerhafte Gründe für die Nichtzulassung

- Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

- Offensichtlich fehlerhafte Zulassungskriterien und offensichtlich fehlerhafte Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung.

VIII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sach- und Verfahrensfragen mit. In Bezug auf das Verfahren wies die Kammer darauf hin, dass durch die beanstandeten Handlungen der Einspruchsabteilung angesichts der impliziten Rücknahme des ersten Hauptantrags die Patentinhaberin nicht mehr beschwert zu sein scheint. Die Nichtzulassung der nachrangigen Hilfsanträge scheint auch keine Beschwer zu verursachen, so dass insgesamt kein Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung und den Verfahrensmängeln und somit kein wesentlicher Verfahrensmangel vorzuliegen scheint.

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 16. September 2020 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

X. Die unabhängigen Ansprüche der für diese Entscheidung relevanten Anträge haben folgenden Wortlaut:

Hilfsantrag 1

Der Hilfsantrag 1 entspricht dem am 5. September 2016 eingereichten, in der Entscheidung als ersten behandelten Hauptantrag:

"1. Windkraftanlage, umfassend ein Windrad mit wenigstens einem langgestreckten Rotorblatt (2), welches an der Rotornabe (3) des Windrades mittels einer Lagereinheit (1;1';52) gelagert ist, die zwei gegeneinander verdrehbare, ringförmige Elemente (13,14;13',14';53,54) aufweist zum mittelbaren oder unmittelbaren Anschluss an dem rückwärtigen Ende (5) des betreffenden Rotorblattes (2) einerseits und an der Rotornabe (3) des Windrades andererseits, sowie wenigstens zwei axial gegeneinander versetzte Laufbahnen mit umlaufenden Wälzkörpern (24,25;61,62), wobei die Wälzkörper (24,25;61,62) zweier axial gegeneinander versetzter Laufbahnen eine etwa zylindrische Gestalt aufweisen, d.h., mit je einer Mantelfläche (26), die rotationssymmetrisch zu genau einer Rotationsachse (31;69,70) ist, insbesondere mit Zylinder-, Kegel-,Nadel- oder Tonnenform, wobei diese Wälzkörper (24,25;61,62) derart ausgerichtet sind, dass ihre Rotationsachsen (31;69,70) die Längsachse des betreffenden Rotorblattes (2) unter einem Winkel schneiden, der zwischen 30° und 90° liegt, und wobei das Rotorblatt (2) als einen inneren Hohlraum umgebende Mantelfläche (4) ausgebildet ist, die an dem rückwärtigen Ende (5) des Rotorblattes (2) in einen zylindermantelförmigen Verlauf übergeht bis zu einer ebenen, rückwärtigen Anschlussfläche (6), wobei in der rückwärtigen Anschlussfläche (6) kranzförmig angeordnete Sacklochbohrungen (7) vorgesehen sind, welche einerseits bis zu je einem in das Rotorblatt (2) eingesetzten Verankerungskörper (8) aus einem harten Material wie bspw. Eisen führen, worin sie sich als Innengewindebohrungen fortsetzen, und die andererseits mit kranzförmig verteilt angeordneten Durchgangsbohrungen(17,18;57,58) in dem betreffenden Anschlusselement (13,14;13',14';53,54) hinsichtlich Anzahl, Durchmesser und Ausrichtung derart übereinstimmen, dass sie fluchten und dadurch das Einstecken je eines Stehbolzens (19) erlauben, und wobei zur Rotorblattverstellung ein Motor oder Zylinder vorgesehen sind, gekennzeichnet durch eine Ansteuerung für den Motor oder Zylinder zur Rotorblattverstellung, welche wenigstens während des Betriebs der Windkraftanlage dem/den betreffenden Rotorblatt (-blätter) eine beständige Verdrehung um seine/ihre Längsachse(n) einprägt, also auch dann, wenn eine gleichbleibende Windgeschwindigkeit eine Blattverstellung nicht notwendig macht."

"30. Verfahren zum Betrieb einer Windkraftanlage nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das/die betreffende(n) Rotorblatt (blätter) (2) wenigstens während des Betriebs der Windkraftanlage beständig um seine/ihre Längsachse(n) verdreht wird/werden, also auch dann, wenn eine gleichbleibende Windgeschwindigkeit eine Blattverstellung nicht notwendig macht."

Hilfsantrag 2

"1. Verfahren zum Betrieb einer Windkraftanlage, wobei die Windkraftanlage ein Windrad umfasst, mit wenigstens einem langgestreckten Rotorblatt (2), welches an der Rotornabe (3) des Windrades mittels einer Lagereinheit (1;1';52) gelagert ist, die zwei gegeneinander verdrehbare, ringförmige Elemente (13,14;13',14';53,54) aufweist zum mittelbaren oder unmittelbaren Anschluss an dem rückwärtigen Ende (5) des betreffenden Rotorblattes (2) einerseits und an der Rotornabe (3) des Windrades andererseits, sowie wenigstens zwei axial gegeneinander versetzte Laufbahnen mit umlaufenden Wälzkörpern (24,25;61,62), wobei die Wälzkörper (24,25;61,62) zweier axial gegeneinander versetzter Laufbahnen eine etwa zylindrische Gestalt aufweisen, d.h., mit je einer Mantelfläche (26), die rotationssymmetrisch zu genau einer Rotationsachse (31; 69,70) ist, insbesondere mit Zylinder-, Kegel-,Nadel- oder Tonnenform, wobei diese Wälzkörper (24,25;61,62) derart ausgerichtet sind, dass ihre Rotationsachsen (31;69,70) die Längsachse des betreffenden Rotorblattes (2) unter einem Winkel schneiden, der zwischen 30° und 90° liegt, und wobei das Rotorblatt (2) als einen inneren Hohlraum umgebende Mantelfläche (4) ausgebildet ist, die an dem rückwärtigen Ende (5) des Rotorblattes (2) in einen zylindermantelförmigen Verlauf übergeht bis zu einer ebenen, rückwärtigen Anschlussfläche (6), wobei in der rückwärtigen Anschlussfläche (6) kranzförmig angeordnete Sacklochbohrungen (7) vorgesehen sind, welche einerseits bis zu je einem in das Rotorblatt (2) eingesetzten Verankerungskörper (8) aus einem harten Material wie bspw. Eisen führen, worin sie sich als Innengewindebohrungen fortsetzen, und die andererseits mit kranzförmig verteilt angeordneten Durchgangsbohrungen(17,18;57,58) in dem betreffenden Anschlusselement (13,14;13',14';53,54) hinsichtlich Anzahl, Durchmesser und Ausrichtung derart übereinstimmen, dass sie fluchten und dadurch das Einstecken je eines Stehbolzens (19) erlauben, und wobei das/die betreffende(n) Rotorblatt (blätter) (2) wenigstens während des Betriebs der Windkraftanlage beständig um seine/ihre Längsachse(n) verdreht wird/werden, also auch dann, wenn eine gleichbleibende Windgeschwindigkeit eine Blattverstellung nicht notwendig macht."

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 9 ist wie Anspruch 1 im Hilfsantrag 1, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mit Durchstreichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

"... [deleted: und wobei zur Rotorblattverstellung ein Motor oder Zylinder vorgesehen sind, gekennzeichnet durch eine Ansteuerung für den Motor oder Zylinder zur Rotorblattverstellung, welche wenigstens während des Betriebs der Windkraftanlage dem/den betreffenden Rotorblatt (-blätter) eine beständige Verdrehung um seine/ihreLängsachse(n) einprägt, also auch dann, wenn eine gleichbleibende Windgeschwindigkeit eine Blattverstellung nicht notwendig macht.] wobei die Windkraftanlage einen Motor oder Zylinder umfasst und dazu ausgebildet ist, mittels dem Motor oder Zylinder einen derartige Rotorblattverstellung vorzunehmen, dass das/die betreffende(n) Rotorblatt (-blätter) (2) während des Betriebes der Windkraftanlage beständig um seine/ihre Längsachse(n) verdreht wird/werden, also auch dann, wenn eine gleichbleibende Windgeschwindigkeit eine Blattverstellung nicht notwendig macht."

Hilfsantrag 3

Der einzige unabhängige Anspruch, Verfahrensanspruch 1, ist wie im Hilfsantrag 2.

Hilfsantrag 4

Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 2, wobei die durch Unterstreichung hervorgehobenen Merkmale eingefügt wurden:

"... und dadurch das Einstecken je eines Stehbolzens (19) erlauben, wobei an der dem Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') zugewandten Mantelseite eines Rotorblatt-Anschlusselements (13; 13') eine vorspringende, rundum laufende Nase (21;21') vorgesehen ist, wobei die beiden kreisringförmigen Seitenflächen (22,23) der Nase (21;21') den etwa zylindrischen Wälzkörpern (24,25;61,62) je einer Wälzkörperreihe als Lauffläche dienen, und wobei das Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts (2) orientierten Ebene (42) unterteilt ist, und wobei das/die betreffende(n) Rotorblatt (blätter) (2) wenigstens während des Betriebs der Windkraftanlage beständig um seine/ihre Längsachse(n) verdreht wird/werden, ..."

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 9 ist wie Anspruch 9 im Hilfsantrag 2, wobei die durch Unterstreichung hervorgehobenen Merkmale hinzugefügt wurden:

"...wobei an der dem Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') zugewandten Mantelseite eines Rotorblatt-Anschlusselements (13; 13') eine vorspringende, rundum laufende Nase (21;21') vorgesehen ist, wobei die beiden kreisringförmigen Seitenflächen (22,23) der Nase (21;21') den etwa zylindrischen Wälzkörpern (24,25;61,62) je einer Wälzkörperreihe als Lauffläche dienen, und wobei das Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts (2) orientierten Ebene (42) unterteilt ist."

Hilfsantrag 4a

Der einzige unabhängige Anspruch, Verfahrensanspruch 1, ist wie im Hilfsantrag 4.

Hilfsantrag 5

Der Anspruch 1 entspricht dem (zweiten) Hauptantrag in der angegriffenen Entscheidung:

"1. Windkraftanlage, umfassend ein Windrad mit wenigstens einem langgestreckten Rotorblatt (2), welches an der Rotornabe (3) des Windrades mittels einer Lagereinheit (1;l';52) gelagert ist, die zwei gegeneinander verdrehbare, ringförmige Elemente (13,14;13',1'4';53,54) aufweist zum mittelbaren oder unmittelbaren Anschluss an dem rückwärtigen Ende (5) des betreffenden Rotorblattes (2) einerseits und an der Rotornabe (3) des Windrades andererseits, sowie wenigstens zwei axial gegeneinander versetzte Laufbahnen mit umlaufenden Wälzkörpern (24,25;61,62), wobei die Wälzkörper (24,25;61,62) zweier axial gegeneinander versetzter Laufbahnen eine etwa zylindrische Gestalt aufweisen, d.h., mit je einer Mantelfläche (26), die rotationssymmetrisch zu genau einer Rotationsachse (31 ;69,70) ist, insbesondere mit Zylinder-, Kegel-, Nadel- oder Tonnenform, wobei diese Wälzkörper (24,25;61,62) derart ausgerichtet sind, dass ihre Rotationsachsen (31;69,70) die Längsachse des betreffenden Rotorblattes (2) unter einem Winkel schneiden, der zwischen 30° und 90° liegt, und wobei das Rotorblatt (2) als einen inneren Hohlraum umgebende Mantelfläche (4) ausgebildet ist, die an dem rückwärtigen Ende (5) des Rotorblattes (2) in einen zylindermantelförmigen Verlauf übergeht bis zu einer ebenen, rückwärtigen Anschlussfläche (6), wobei in der rückwärtigen Anschlussfläche (6) kranzförmig angeordnete Sacklochbohrungen (7) vorgesehen sind, welche einerseits bis zu je einem in das Rotorblatt (2) eingesetzten Verankerungskörper (8) aus einem harten Material wie bspw. Eisen führen, worin sie sich als Innengewindebohrungen fortsetzen, und die andererseits mit kranzförmig verteilt angeordneten Durchgangsbohrungen (17,18;57,58) in dem betreffenden Rotorblatt-Anschlusselement (13,;13',;53,)hinsichtlich Anzahl, Durchmesser und Ausrichtung derart übereinstimmen, dass sie fluchten und dadurch das Einstecken je eines Stehbolzens (19) erlauben, wobei an der dem Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') zugewandten Mantelseite eines Rotorblatt-Anschlusselements (13; 13') eine vorspringende, rundum laufende Nase (21;21') vorgesehen ist, wobei die beiden kreisringförmigen Seitenflächen (22,23) der Nase (21;21') den etwa zylindrischen Wälzkörpern (24,25;61,62) je einer Wälzkörperreihe als Lauffläche dienen, und wobei das Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts (2) orientierten Ebene (42) unterteilt ist."

Der unabhängige Verfahrensanspruch 27 ist wie Anspruch 30 im Hilfsantrag 1.

Hilfsantrag 5a

Der einzige unabhängige Anspruch, Verfahrensanspruch 1, ist wie im Hilfsantrag 4, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mit Durchstreichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

"Verfahren zum Betrieb einer Windkraftanlage, [deleted: wobei die Windkraftanlage ein Windrad umfasst,] umfassend ein Windrad mit wenigstens einem langgestreckten Rotorblatt (2)..."

Hilfsantrag 5b

Der Vorrichtungsanspruch 1 entspricht Anspruch 1 im Hilfsantrag II aus dem Einspruchsverfahren, der Grundlage der angegriffenen Entscheidung ist. Der Anspruch weist gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 die folgende Änderung auf (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):

"... wobei die beiden kreisringförmigen Seitenflächen (22,23) der Nase (21;21') den etwa zylindrischen Wälzkörpern (24,25;61,62) je einer Wälzkörperreihe als Lauffläche dienen, wobei zwischen benachbarten Wälzkörpern (24,25) je ein Distanzstück eingefügt ist, dessen radialer Längsschnitt kleiner ist als der radiale Längsschnitt eines Wälzkörpers, und wobei das Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts (2) orientierten Ebene (42) unterteilt ist."

Der unabhängige Verfahrensanspruch 24 ist wie Anspruch 30 im Hilfsantrag 1.

Hilfsantrag 5c

Der einzige unabhängige Anspruch, Verfahrensanspruch 1, ist wie im Hilfsantrag 5a, wobei das durch Unterstreichung hervorgehobene Merkmal hinzugefügt wurde:

"... wobei die beiden kreisringförmigen Seitenflächen (22,23) der Nase (21;21') den etwa zylindrischen Wälzkörpern (24,25;61,62) je einer Wälzkörperreihe als Lauffläche dienen, wobei zwischen benachbarten Wälzkörpern (24,25) je ein Distanzstück eingefügt ist, dessen radialer Längsschnitt kleiner ist als der radiale Längsschnitt eines Wälzkörpers (24,25;61,62), wobei das Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts (2) orientierten Ebene (42) unterteilt ist, ..."

Hilfsantrag 6

Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 5c, jedoch mit folgenden Änderungen (von der Kammer mit Durchstreichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):

"Verfahren zum Betrieb einer Windkraftanlage, [deleted: wobei die Windkraftanlage ein Windrad umfasst,] umfassend ein Windrad mit wenigstens einem langgestreckten Rotorblatt (2)..."

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 9 ist wie Anspruch 1 im Hilfsantrag 5b, wobei die durch Unterstreichung hervorgehobenen Merkmale hinzugefügt wurden:

"... dass sie fluchten und dadurch das Einstecken je eines Stehbolzens (19) erlauben, wobei die Windkraftanlage einen Motor oder Zylinder umfasst und dazu ausgebildet ist, mittels dem Motor oder Zylinder einen derartige Rotorblattverstellung vorzunehmen, dass das/die betreffende(n) Rotorblatt (-blätter) (2) während des Betriebes der Windkraftanlage beständig um seine/ihreLängsachse(n) verdreht wird/werden, also auch dann, wenn eine gleichbleibende Windgeschwindigkeit eine Blattverstellung nicht notwendig macht, wobei an der dem Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') zugewandten Mantelseite eines Rotorblatt-Anschlusselements (13; 13') eine vorspringende, rundum laufende Nase (21;21') vorgesehen ist, ..."

Hilfsantrag 7

Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 ist wie Anspruch 1 im Hilfsantrag 2, wobei die folgenden Merkmale am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurden:

"... wobei die beständige Verdrehung eine periodische Bewegung ist, wobei die periodische Verstellbewegung zwischen zwei Extremwerten oszilliert, und wobei die Amplitude der Verdrehung eines Rotorblattes (2) in Abhängigkeit von der unterschiedlichen Windgeschwindigkeit über Grund vorgegeben wird, welche auf die Rotorblätter etwa an deren oberster und unterster Position einwirkt, entweder anhand einer Messung dieser unterschiedlichen Windgeschwindigkeit oder anhand einer steuerungstechnischen Vorgabe aufgrund einer Schätzung dieser unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten."

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 6 ist wie Anspruch 9 im Hilfsantrag 2, wobei dieselben Merkmale wie in Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurden.

Hilfsantrag 8

Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 ist wie Anspruch 1 im Hilfsantrag 7, wobei die durch Unterstreichung hervorgehobenen Merkmale eingefügt wurden:

"... und dadurch das Einstecken je eines Stehbolzens (19) erlauben, wobei an der dem Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') zugewandten Mantelseite eines Rotorblatt-Anschlusselements (13; 13') eine vorspringende, rundum laufende Nase (21;21') vorgesehen ist, wobei die beiden kreisringförmigen Seitenflächen (22,23) der Nase (21;21') den etwa zylindrischen Wälzkörpern (24,25;61,62) je einer Wälzkörperreihe als Lauffläche dienen, und wobei das Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts (2) orientierten Ebene (42) unterteilt ist, wobei die beständige Verdrehung eine periodische Bewegung ist, wobei die periodische Verstellbewegung zwischen zwei Extremwerten oszilliert, ..."

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 6 ist wie Anspruch 6 im Hilfsantrag 7, wobei die durch Unterstreichung hervorgehobenen Merkmale eingefügt wurden:

"...also auch dann, wenn eine gleichbleibende Windgeschwindigkeit eine Blattverstellung nicht notwendig macht, wobei an der dem Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') zugewandten Mantelseite eines Rotorblatt-Anschlusselements (13; 13') eine vorspringende, rundum laufende Nase (21;21') vorgesehen ist, wobei die beiden kreisringförmigen Seitenflächen (22,23) der Nase (21;21') den etwa zylindrischen Wälzkörpern (24,25;61,62) je einer Wälzkörperreihe als Lauffläche dienen, und wobei das Rotornaben-Anschlusselement (14; 14') entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts (2) orientierten Ebene (42) unterteilt ist, und wobei die beständige Verdrehung eine periodische Bewegung ist, wobei die periodische Verstellbewegung zwischen zwei Extremwerten oszilliert, ..."

XI. Die Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Im Hinblick auf den Hauptantrag sei das rechtliche Gehör der Patentinhaberin durch die Einspruchsabteilung verletzt worden. Sie sei von der unerwarteten Entscheidung, dem Hauptantrag nicht stattzugeben, völlig überrascht gewesen. Die Umnummerierung der Anträge sei eine direkte Reaktion auf die rechtsfehlerhafte und überraschende Verkündung der Nichtzulassung gewesen. Dies genüge, um den kausalen Zusammenhang mit der Entscheidung zu erkennen. Es sei nicht gerecht, dass das womöglich nicht optimale Verhalten der Patentinhaberin, das durch die offenbar falsche und unbegründete Entscheidung der Einspruchsabteilung verursacht wurde, derart schwerwiegende Folgen haben solle. Die Hilfsanträge 1-4, 4a, 5a, 7 und 8 seien zum Verfahren zuzulassen. Die Änderungen in Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 5, 5b, 5c und 6 seien zulässig, da die strittigen Merkmale für den Fachmann durch eine Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 7 und 17 offenbart werden.

XII. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin (nachfolgend: Einsprechende) hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Die Patentinhaberin habe nicht unter irgendeinem Zwang oder Druck der Einspruchsabteilung gehandelt und habe ausreichend Zeit gehabt, ihre Argumente vorzubringen. Die Umnummerierung der Anträge während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zeige, dass auf alle anderen Anträge verzichtet wurde.

Auch sonst war das Verfahren nicht zu beanstanden, die Einspruchsabteilung besaß einen angemessenen Ermessensspielraum und hat diesen auch korrekt genutzt.

Die Hilfsanträge 1-4, 4a, 5a, 7 und 8 seien nicht zum Verfahren zuzulassen. Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 5, 5b, 5c und 6 sei unzulässig erweitert, da er auf eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung von Figur 4 der ursprünglich eingereichten Anmeldung gerichtet sei.

XIII. Die Patentinhaberin beantragt als Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der durch die Einspruchsabteilung nicht zugelassenen Haupt- und Hilfsanträge und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Hilfsweise beantragt sie die Prüfung der Anträge im Beschwerdeverfahren durch die Kammer und Aufrechterhaltung des Europäischen Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1, 2, 3, 4, 4a, 5, 5a, 5b, 5c, 6, 7 und 8, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 21. März 2017 bzw. mit Schreiben vom 13. August 2020 (Hilfsantrag 5b).

XIV. Die Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Die Erfindung betrifft eine Windkraftanlage umfassend ein Windrad mit wenigstens einem langgestreckten Rotorblatt. Das Rotorblatt des Windrades ist an der Rotornabe mittels einer Lagereinheit gelagert. Die Lagereinheit weist zwei gegeneinander verdrehbare ringförmige Elemente auf zum mittelbaren oder unmittelbaren Anschluss an dem rückwärtigen Ende des Rotorblatts einerseits und an der Rotornabe des Windrades andererseits. An der dem Rotornaben-Anschlusselement zugewandten Mantelseite eines Rotorblatt-Anschlusselements ist eine vorspringende, rundum laufende Nase vorgesehen. Dadurch kann eine Axialkraft in das Anschlusselement eingeleitet werden Das Rotornaben-Anschlusselement ist entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene unterteilt. Dadurch wird der Zusammenbau der beiden ringförmigen Anschlusselemente erleichtert (Patentschrift, Absätze 13 und 21).

Außerdem betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Betrieb einer solchen Windenergieanlage.

3. Hauptantrag - Antrag auf Zurückverweisung und wesentliche Verfahrensmängel

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern setzt eine zulässige Beschwerde eine Beschwer der beschwerdeführenden Partei durch die angefochtene Entscheidung voraus, Artikel 107 EPÜ, siehe weiter Rechtsprechung der Beschwerdekammer (RSBK), 9. Auflage, 2019, V.A.2.4.2.a). Dieser Grundsatz gilt für alle Arten von Beschwerden und auch für solche, deren Gegenstand ein wesentlicher Verfahrensmangel des Verfahrens vor der Abteilung ist, deren Entscheidung angefochten wird. Das Vorliegen einer Beschwer ist jedoch auf der Grundlage der der Entscheidung zugrunde liegenden Anträge und der Ergebnisse der Entscheidung zu beurteilen (RSBK V.A.2.4.2.a). Es ist auch ständige Rechtsprechung, dass ein Verfahrensmangel nur dann als wesentlicher anerkannt wird, wenn er in einem kausalen Zusammenhang mit der Entscheidung steht, in dem Sinne, dass das Ergebnis der Entscheidung von dem behaupteten Verfahrensmangel abhängig sein muss (RSBK V.A.9.5.2).

3.2 Daraus folgt nach Auffassung der Kammer, dass ein behaupteter Verfahrensmangel nur dann in einer Beschwerde berücksichtigt werden kann, wenn er sich auf die beschwerdefähigen Teile einer Entscheidung ausgewirkt hat, d.h. wenn er die Partei beschwert hat. Verfahrensmängel, die lediglich nicht beschwerdefähige Aspekte einer Entscheidung betreffen, sind für die Entscheidung über die Beschwerde nicht relevant, und aus diesem Grund braucht die Kammer nicht festzustellen, ob sie wesentlich sind oder nicht. Im Umkehrschluss zeigt dies, dass dann solche Verfahrensmängel in keinem Kausalzusammenhang zu den Ergebnissen der angefochtenen Entscheidung stehen. Dementsprechend können diese Verfahrensmängel auch aus diesem Grund als nicht wesentlich angesehen werden, ohne dass weiter untersucht wird, ob das Verfahren ansonsten korrekt war oder nicht.

3.3 Die Patentinhaberin hat das Protokoll der mündlichen Verhandlung an sich nicht gerügt, vielmehr hat sie dies zur Unterstützung ihre eigene Argumente auch herangezogen. Auch der Ablauf der mündlichen Verhandlung, wie er sich aus dem Protokoll ableiten lässt, war an sich unstrittig. Die strittige Frage zwischen den Parteien war lediglich die rechtliche Bewertung der Ereignisse. Dementsprechend muss die Kammer feststellen, dass der erste Hauptantrag durch seine Ersetzung durch den zweiten Hauptantrag implizit zurückgezogen wurde, oder jedenfalls nicht höherrangig war als alle in der Entscheidung behandelten weiteren Anträge.

3.4 Im vorliegenden Fall kann die Patentinhaberin im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge nur die Zurückweisung des zweitgestellten Hauptantrags und des Hilfsantrags I zulässig mit ihrer Beschwerde anfechten. Der erste Hauptantrag war nicht mehr im Verfahren, nachdem er durch den zweiten Hauptantrag ersetzt wurde. Dementsprechend war die Einspruchsabteilung nicht mehr befugt, über ihn zu entscheiden, und selbst seine Nichtzulassung hätte nicht einmal in der Begründung der schriftlichen Entscheidung erörtert werden müssen.

3.5 Die Patentinhaberin argumentiert zum fehlenden Kausalzusammenhang wie folgt:

"Da durch die Nichtzulassung des fristgerecht gestellten Hauptantrags der Patentinhaberin bereits ein Kausalzusammenhang mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung verwirklicht wurde, bevor die Patentinhaberin in Reaktion auf diese - aus unserer Sicht zu diesem Zeitpunkt überraschende und in der Sache falsche - Entscheidung eine Umnummerierung der gestellten Anträge vorgenommen hat, ist der Kausalzusammenhang zur verkündeten Entscheidung der Einspruchsabteilung jedoch bereits verwirklicht worden, bevor die Umnummerierung der gestellten Anträge vorgenommen wurde." (Eingabe vom 13. August 2020, Seite 2, 2. Absatz).

3.6 Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht. Die verfahrens- und materiellrechtliche Wirkung der Nichtzulassung des (ersten) Hauptantrags wäre nur dann durch die Verkündung der endgültigen Entscheidung (d.h. vorliegend die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags II) rechtswirksam geworden, wenn die Patentinhaberin den ersten Hauptantrag aufrechterhalten hätte. Jedoch war das Einspruchsverfahren nach der Verkündung der Nichtzulassung des ersten Hauptantrags noch nicht beendet. Durch die Rücknahme konnte die erst lediglich als verfahrensführende Entscheidung wirkende Nichtzulassung eine materielle Rechtswirkung nicht mehr entfalten in dem Sinne, dass die abschließende Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung keine Entscheidung mehr über den ersten Hauptantrag, d.h. weder über dessen Nichtzulassung noch über die Nichtgewährbarkeit enthalten müsste. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in der Entscheidung der Einspruchsabteilung die Nichtzulassung des ersten Hauptantrags (Punkte 1.1 bis 1.5) doch behandelt wird. Diese Teile sind zwar formell Teil der Entscheidung, ihr Inhalt bildet durch die frühere Rücknahme keinen Gegenstand der Entscheidung, der beschwerdefähig wäre. Diese Teile der Entscheidung sind nicht mehr als ein "obiter dictum".

3.7 Diese Würdigung der Kammer wird auch nicht durch das Argument entkräftet, dass die Nichtzulassung des ersten Hautantrags die Patentinhaberin überrascht habe, und diese Überraschung dann ursächlich war für die implizite Rücknahme. Es ist nicht ersichtlich, dass die Patentinhaberin in irgendeiner Weise gezwungen wurde, ihren damals anhängigen Hauptantrag vollständig aufzugeben. Für die Kammer ist kein Umstand, wie etwa Zeitdruck o.Ä. erkennbar, der sie daran ernsthaft gehindert hätte, den Antrag aufrechtzuerhalten und die weiteren Anträge als nachrangige Hilfsanträge zu verfolgen.

3.8 Im Ergebnis stellt die Kammer fest, das die gerügten Verfahrensschritte der Einspruchsabteilung keine wesentlichen Verfahrensmängel darstellen. Dementsprechend kann dem Hauptantrag der Patentinhaberin - Zurückverweisung nach Artikel 111(1) EPÜ und Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(1) a) EPÜ - nicht stattgegeben werden.

4. Hilfsanträge 1-4, 4a, 5a, 7, 8

4.1 Die Einsprechende bestreitet die Zulassung der Hilfsanträge 1-4, 4a, 5a, 7 und 8 zum Beschwerdeverfahren. Insbesondere hätte die Mehrzahl dieser Hilfsanträge der Einspruchsabteilung vorgelegen, die diese dann nicht zum Verfahren zugelassen hat. Zudem sei Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 identisch mit Anspruch 30 in der erteilten Fassung

4.2 Die Kammer hat bereits in ihrer Mitteilung als Anlage zur Ladung, Abschnitte 3.1 und 4.1, die Auffassung vertreten, dass keiner der Hilfsanträge 1-4, 4a, 7 und 8 zum Verfahren zuzulassen sei. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:

"3.1 Zulassung

Diese Hilfsanträge 1, 4, 7 und 8 scheinen dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen IV, VIII und IX zu entsprechen, die mit Schreiben vom 5. September 2016 eingereicht, aber in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht weiterverfolgt wurden. Eine Nicht-Weiterverfolgung kommt einer impliziten Rücknahme gleich. Nach ständiger Rechtsprechung, RdBK V.A.4.11.3.f), sind solche Anträge, die eingereicht, aber dann nicht weiterverfolgt wurden, unter Art 12(4) VOBK 2007 (i.V.m. Artikel 25(2) VOBK 2020) nicht zu berücksichtigen, weil ein solches Vorgehen eindeutig zeigt, dass der betreffende Antrag im erstinstanzlichen Verfahren hätte gestellt werden können.

Hilfsantrag 4a verfolgt nur die Verfahrensansprüche des Hilfsantrags IV. Dadurch, dass dieser Hilfsantrag vor der Einspruchsabteilung nicht weiterverfolgt wurde, wurde die Abteilung davon abgehalten, den Gegenstand dieses Anspruchs zu prüfen, und die Kammer sieht keinen Grund, die Zulassung des Hilfsantrags 4a anders als die Zulassung des Hilfsantrags 4 zu behandeln.

Daher ist die Kammer geneigt, diese Anträge in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht zuzulassen.

4.1 Zulassung

Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 2 und 3 scheinen gegenüber dem Hauptantrag aus dem Einspruchsverfahren breitere Ansprüche zu enthalten, da Anspruch 9 von Hilfsantrag 2 auf eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 30 gerichtet ist. Auch der unabhängige Verfahrensanspruch 1 von Hilfsantrag 3 scheint auf diese Kombination gerichtet zu sein.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist für die Zulassung von Anträgen, mit denen das Patent erstmals im Beschwerdeverfahren in einer gegenüber dem Einspruchsverfahren breiteren Fassung verteidigt wird, Artikel 12(4) VOBK 2007 maßgebend (RdBK, V.A.4.11.3.e)). Im vorliegenden Fall hat die Patentinhaberin Anspruch 1 des Hauptantrags im Einspruchsverfahren durch die Aufnahme der erteilten Ansprüche 7, 8 und 17 beschränkt und die auf einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 30 basierende vorherige Fassung nicht weiterverfolgt. Daher konnte keine erstinstanzliche Entscheidung über die Fassung von Anspruch 9 des Hilfsantrags 2 bzw. von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ergehen, deren Gegenstände somit implizit zurückgenommen worden sind.

Daher ist die Kammer geneigt, diese Anträge in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK nicht zuzulassen."

4.3 Die Patentinhaberin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen. Sie fügt hinzu, dass die in Punkt 3.1 der Mitteilung zum Ausdruck kommende Sichtweise auch zwingend für den unbestritten mit Hilfsantrag 4a inhaltlich identischen Hilfsantrag 5a gilt.

Somit entscheidet die Kammer, die Hilfsanträge 1-4, 4a, 5a, 7 und 8 nicht in das Verfahren zuzulassen, Artikel 12(4) VOBK.

5. Hilfsantrag 5 - Änderungen

5.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 beruht auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 7, 8 und 17, wobei zusätzlich noch das Rotorblatt, seine rückwärtige Anschlussfläche und das Rotorblatt-Anschlusselement anhand der Angaben auf den Seiten 14 und 15 der ursprünglich eingereichten Beschreibung spezifiziert wurden. Außerdem ist die rundum laufende Nase gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 7 dem Rotorblatt-Anschlusselement zugeordnet, und die Unterteilung entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 17 dem Rotornaben-Anschlusselement.

Die Einschränkungen des Rotorblatt-Anschlusselements bzw. des Rotornaben-Anschlusselements erfolgen anhand von Merkmalen, die unbestritten im Ausführungsbeispiel der Erfindung gemäß Figur 4 nur in Zusammenhang mit weiteren, nicht aufgenommenen Merkmalen genannt werden. Dort bildet das Rotorblatt-Anschlusselement nämlich den Innenring der Lagereinheit, und das Rotornaben-Anschlusselement den Außenring (ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 17, Zeilen 10 bis 24).

5.2 Daher ist zu nun klären, ob diese Änderungen bereits in ihrer Allgemeinheit in den ursprünglich eingereichten Ansprüche 7 und 17 offenbart wurden, oder ob durch eine Zwischenverallgemeinerung des Ausführungsbeispiels nach Figur 4 ein Gegenstand entsteht, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinausgeht.

Die Patentinhaberin verneint das mit dem Argument, dass der ursprünglich eingereichte Anspruch 7 bei fachmännischer Leseweise nur zwei Möglichkeiten umfasse, nämlich eine Anordnung der vorspringenden, rundum laufenden Nase am Rotorblatt-Anschlusselement oder am Rotornaben-Anschlusselement. Auch der ursprünglich eingereichte Anspruch 17 umfasse lediglich zwei Möglichkeiten der Unterteilung entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene, nämlich eine Unterteilung des Rotornaben-Anschlusselements oder des Rotorblatt-Anschlusselements.

5.3 Die Kammer kann sich dieser Sichtweise nicht anschließen. Die Ansprüche 7 und 17 sind nicht auf jeweils zwei Möglichkeiten beschränkt, da die Anordnung je einer Nase am Rotorblatt-Anschlusselement und am Rotornaben-Anschlusselement bzw. eine Unterteilung sowohl des Rotornaben-Anschlusselements als auch des Rotorblatt-Anschlusselements technisch sinnvoll sind, vgl. hierzu die Ausführungsform nach der Figur 5 mit beidseitigen Nasen. Zudem sind die Ansprüche 7 und 17 nicht derart formuliert, dass ein Fachmann jeweils lediglich ein Element auswählen müsste. Die Gründe dafür sind die Folgenden:

5.3.1 Im Hinblick auf die Anordnung der rundum laufenden Nase ist der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 (und auch der im Hinblick auf die Änderungen zu prüfende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5) auf wenigstens zwei axial gegeneinander versetzte Laufbahnen mit umlaufenden Wälzkörpern gerichtet, so dass aus Sicht der Kammer bei drei oder mehr solcher Laufbahnen die dritte bzw. weitere Laufbahn(en) an einer weiteren vorspringenden, rundum laufenden Nase angeordnet sein können.

Die Formulierung "der dem anderen Anschlusselement zugewandten Mantelseite eines Anschlusselements" im ursprünglich eingereichten Anspruch 7 führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Kammer teilt ausdrücklich nicht die Sichtweise der Patentinhaberin, wonach die Begriffe "eines" und "dem anderen" in Anspruch 7 in dem Sinne zu verstehen seien, dass nur an einem der beiden Anschlusselemente eine Nase vorgesehen ist, siehe hierzu wiederum die Figur 5. Zudem umfasst auch dasAusführungsbeispiel gemäß den Figuren 1 und 2 nicht nur eine Nase 21 am Rotornaben-Anschlusselement 14, sondern zwei weitere Nasen 38 und 39 am Rotorblatt-Anschlusselement 13 (ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 16, Zeile 18: "bundförmig radial nach außen vorspringende Nase 38, 39"). Ein Fachmann entnimmt hierbei dem Begriff "bundförmig ... vorspringend" unmittelbar und eindeutig, dass jede der beiden vorspringenden Nasen rund um das Rotorblatt-Anschlusselement laufen muss, damit sie einen Bund bilden kann, und folglich als bundförmig vorspringend anzusehen ist. Daher sieht die Kammer die Nasen 38, 39 als vorspringenden, rundum laufende Nasen am Rotorblatt-Anschlusselement im Sinne von Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 an. Der Fachmann erkennt zwei derart ausgebildete Nasen auch am Rotornaben-Anschlusselement 14' gemäß Figur 4, wo sie oberhalb der oberen bzw. unterhalb der unteren axial gegeneinander versetzten Wälzkörper angeordnet sind. Da bereits die ursprünglich eingereichte Anmeldung jeweils mindestens eine vorspringende, rundum laufende Nase am Rotorblatt-Anschlusselement und am Rotornaben-Anschlusselement offenbart, fällt auch diese dritte Möglichkeit bei technisch sinnvoller Leseweise unter den Wortlaut des ursprünglich eingereichten Anspruch 7.

5.3.2 Im Hinblick auf die Anordnung der Unterteilung (entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene) an einem Anschlusselement verlangt der ursprünglich eingereichte Anspruch 17 lediglich, dass "ein Anschlusselement" unterteilt ist. Im patentrechtlichen Sinne ist diese Formulierung unbestritten so zu verstehen, dass mindestens eines der Anschlusselemente unterteilt ist. Daher umfasst Anspruch 17 neben einer Unterteilung nur eines der beiden Anschlusselemente auch eine dritte Möglichkeit, nämlich die Unterteilung beider Anschlusselemente.

5.3.3 Im Gegensatz zur Sichtweise der Patentinhaberin enthält keiner der ursprünglich eingereichten Ansprüche 7 und 17 eine Liste bzw. eine durch "oder" verknüpfte Aneinanderreihung von Möglichkeiten, aus denen der Fachmann für jeden der beiden Ansprüche jeweils eine Auswahl treffen müsste. Stattdessen enthalten beide Ansprüche positiv formulierte Merkmale (Anspruch 7: "an der ... Mantelseite eines Anschlusselements [ist] eine ... Nase vorgesehen"; Anspruch 17: "ein Anschlusselement ... [ist] unterteilt"). Beide Merkmale stellen aus Sicht der Kammer generische Offenbarungen dar, da die Nase bzw. die Unterteilung in diesen Ansprüchen keinem bestimmten der beiden Anschlusselemente zugeordnet ist. Es ist ein allgemeiner Grundsatz der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass ein generischer Begriff oder eine generische Ausführungsart keinen spezifischen Begriff bzw. keine spezifische Ausführungsart offenbart, es sei denn, die Anmeldung lehrt etwas anderes (RSBK, 9. Auflage 2019, II.E.1.10)). Im vorliegenden Fall wurde von der Patentinhaberin nicht vorgetragen, dass die Anmeldung etwas anderes lehre, und das ist auch aus Sicht der Kammer nicht der Fall. Daher können die generischen Offenbarungen in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 7 und 17 in Anwendung dieser Rechtsprechung keine Grundlage für die spezifischen Zuordnungen der Nase bzw. der Unterteilung zum Rotorblatt-Anschlusselement bzw. zum Rotornaben-Anschlusselement bilden.

Folglich werden diese Änderungen nicht in den ursprünglich eingereichten Ansprüche 7 und 17 offenbart. Daher ist nun zu prüfen, ob die unbestrittene Zwischenverallgemeinerung des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 4 (infolge der fehlenden Zuordnung des Rotorblatt-Anschlusselements zum Innenring bzw. des Rotornaben-Anschlusselements zum Außenring der Lagereinheit) zulässig ist.

5.4 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Zwischenverallgemeinerung nur zu rechtfertigen, wenn keinerlei eindeutig erkennbare funktionale oder strukturelle Verbindung zwischen den Merkmalen der spezifischen Kombination besteht (RSBK, 9. Auflage 2019, II.E.1.9). Die Kammer muss daher untersuchen, ob die Anordnung der (rundum laufenden) Nase am Rotorblatt-Anschlusselement in Verbindung mit der Unterteilung des Rotornaben-Anschlusselements (entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene) aus dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 abstrahiert werden kann.

Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer brachte die Patentinhaberin dazu keine Argumente vor. Im schriftlichen Verfahren (Erwiderung vom 18. August 2017, Seite 6, Fussnote 9; Erwiderung vom 27. Oktober 2017, Seite 19, dritter Absatz) verwies die Patentinhaberin lediglich auf die angegriffene Entscheidung, welche die Zulässigkeit der Zwischenverallgemeinerung mit einer Offenbarung auf Seite 17, Zeilen 28-32 der ursprünglich eingereichten Anmeldung begründet.

Aus Sicht der Kammer sind die Zeilen 28 und 29 dieser Offenbarungsstelle relevant. Sie lauten: "Bspw. kann auch der Innenring 13 an der Rotornabe 3 und der Außenring 14 an dem Rotorblatt 2 festgelegt sein". Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass diese Offenbarung die in Figur 4 gezeigte spezifische Zuordnung des Rotorblatt-Anschlusselements zum Innenring bzw. die des Rotornaben-Anschlusselements zum Außenring der Lagereinheit aufheben kann. Die Gründe sind die Folgenden:

5.4.1 In Figur 4 und der zugehörigen Beschreibung auf Seite 17, Zeilen 10-24 der ursprünglich eingereichten Anmeldung werden die Bezugszeichen 13' und 14' für die beiden Anschlusselemente verwendet. Die von der Patentinhaberin genannte Stelle auf Seite 17 enthält dagegen die Bezugszeichen 13 und 14. Daher scheint sich diese Stelle nur auf die Figuren 1 und 2, nicht aber auf Figur 4 zu beziehen, da nur in den Figuren 1 und 2 die Bezugszeichen 13 und 14 für die beiden Anschlusselemente verwendet werden.

5.4.2 Zudem wäre eine Verstellung des in Figur 4 gezeigten Rotorblatts nicht mehr möglich, wenn der Innenring 13' bei diesem Ausführungsbeispiel an der Rotornabe festgelegt würde. Dort ist nämlich eine Innenverzahnung 46 am Rotorblatt-Anschlusselement 13' vorgesehen, um den Anstellwinkel des Rotorblatts zu verändern. Würde das Rotorblatt-Anschlusselement 13' dagegen gemäß den Angaben auf Seite 17, Zeilen 28 und 29 an der Rotornabe festgelegt, und diente somit als Rotornaben-Anschlusselement, würde seine Innenverzahnung wirkungslos werden. Zwar könnte statt der Innenverzahnung der alternativ in den Anmeldeunterlagen offenbarte Hydraulikzylinder am Außenring der Lagereinheit angebracht werden. Ein solcher wird aber gerade nicht im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 verwendet, so dass die von der Patentinhaberin angeführte Stelle auf Seite 17 nicht unmittelbar und eindeutig auf die Figur 4 bezogen ist.

5.4.3 Die Kammer kann auch in der übrigen Beschreibung keine Basis für die Zwischenverallgemeinerung finden. Die Passage auf Seite 18, Zeile 4-6 bezieht sich zwar auf ein Rotorblatt-Anschlusselement als Außenring und ein Rotornaben-Anschlusselement als Innenring der Lagereinheit. Jedoch geht diese Stelle weder auf die Nase noch auf die Teilung eines der beiden Anschlusselemente ein. Daher wäre bei einer Anwendung dieser Lehre auf die Figur 4 nach wie vor der Außenring geteilt (wie in Figur 4 gezeigt), und der Innenring der Lagereinheit würde eine Nase besitzen (wie ebenfalls in Figur 4 gezeigt). Das ergäbe ein geteiltes Rotorblatt-Anschlusselement und ein Rotornaben-Anschlusselement mit Nase. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 verlangt dagegen ein geteiltes Rotornaben-Anschlusselement und ein Rotorblatt-Anschlusselement mit Nase. Daher kann selbst diese Passage die in Figur 4 gezeigte Zuordnung der Nase zum Innenring und der Teilung zum Außenring nicht aufheben.

5.4.4 Dessen ungeachtet sprechen technische Überlegungen gegen die Zulässigkeit der Zwischenverallgemeinerung. Es ist unbestritten, dass ein Fachmann bei der zur Diskussion stehenden Lagereinheit mindestens eines der ringförmigen Elemente, also das Rotornaben-Anschlusselement bzw. das Rotorblatt-Anschlusselement entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene unterteilen muss, um die Wälzkörper einzusetzen bzw. um die rundum laufende Nase des einen Anschlusselements beim Zusammenbau der Lagereinheit innerhalb der korrespondierenden Einsenkung des anderen Anschlusselements anzuordnen. Bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 ist am Innenring 13' eine Innenverzahnung 46 vorgesehen, um den Anstellwinkel des Rotorblatts zu verändern. Um Justierungsprobleme zu vermeiden, soll daher der die Verzahnung tragende Innenring nicht aus mehreren Teilen zusammengebaut werden (Anmeldung, Seite 17, Zeilen 19-21). Folglich ist bei diesem Ausführungsbeispiel der Außenring der Lagereinheit entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene unterteilt. Wegen dieser Anordnung der Unterteilung am Außenring muss sich die vorspringende, rundum laufende Nase am Innenring befinden, damit der Außenring um den Innenring herum montiert werden kann, indem z.B. der Innenring auf die mit Wälzkörpern bestückte untere Hälfte des unterteilten Außenrings aufgesetzt wird, bevor weitere Wälzkörper auf die Oberseite der Nase aufgebracht werden und anschließend die obere Hälfte des Außenrings aufgesetzt wird. Da der Innenring somit die Nase aufweist, erfüllt nur er die anspruchsgemäße Definition eines Rotorblatt-Anschlusselements mit einer vorspringenden, rundum laufenden Nase. Daher besteht eine eindeutig erkennbare funktionale und strukturelle Verbindung zwischen den Merkmalen "vorspringende, rundum laufende Nase" und "Innenring der Lagereinheit" bzw. "Unterteilung entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene" und "Außenring der Lagereinheit".

5.5 Es ist daher nicht zulässig, die Anordnung der vorspringenden, rundum laufenden Nase am Rotorblatt-Anschlusselement und die Unterteilung des Rotornaben-Anschlusselements entlang einer etwa lotrecht zu der Längsachse des Rotorblatts orientierten Ebene aus der in Figur 4 gezeigten Kombination isoliert herauszugreifen - also ohne Zuordnung des Rotorblatt-Anschlusselements zum Innenring bzw. des Rotornaben-Anschlusselements zum Außenring der Lagereinheit - und eine Zwischenverallgemeinerung zu bilden. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 enthält auch aus diesem Grund eine unzulässige Änderung, so dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

5.6 Jeder der Hilfsanträge 5b, 5c und 6 enthält ebenfalls die diskutierte Merkmalskombination ohne Zuordnung des Rotorblatt-Anschlusselements zum Innenring bzw. des Rotornaben-Anschlusselements zum Außenring der Lagereinheit, was von der Patentinhaberin auch nicht bestritten wird. Die obige Argumentation zur unzulässigen Zwischenverallgemeinerung in Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 gilt daher für jeden dieser Hilfsanträge mutatis mutandis.

6. Keiner der Hilfsanträge 5, 5b, 5c oder 6 ist gewährbar, da der Gegenstand von Anspruch 1 jedes dieser Anträge über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Artikel 123 (2) EPÜ. Dem Hauptantrag wurde nicht stattgegeben, und die Hilfsanträge 1-4, 4a, 5a, 7 und 8 wurden nicht zum Verfahren zugelassen. Daher hat keiner der Anträge der Patentinhaberin Erfolg, und folglich ist ihre Beschwerde zurückzuweisen.

Im Gegensatz zum Befund der angegriffenen Entscheidung stellt die Kammer somit fest, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Übereinkommens nicht genügen, Artikel 101 (3) b) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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