T 0027/17 () of 30.11.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T002717.20211130
Datum der Entscheidung: 30 November 2021
Aktenzeichen: T 0027/17
Anmeldenummer: 11006636.2
IPC-Klasse: E02D 7/18
B06B 1/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Arbeitsgerät mit hydraulischem Antrieb für Tiefbauarbeiten
Name des Anmelders: ABI Anlagentechnik-Baumaschinen-Industriebedarf Maschinenfabrik und Vertriebsgesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: thyssenkrupp Infrastructure GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 025(3)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (ja)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Änderung
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (ja)
Patentansprüche - Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren
Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0197/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 2 557 233 B1 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Arbeitsgerät mit hydraulischem Antrieb für Tiefbauarbeiten.

II. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass die Einspruchsgründe laut Artikel 100(a) und (b) EPÜ der Aufrechterhaltung des europäischen Patents nicht entgegenstehen, und hat daher den Einspruch zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung bei gefügten Mitteilung vom 26. Februar 2020 gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

Als Reaktion darauf reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) mit dem Schreiben vom 20. März 2020 einen Hilfsantrag ein.

V. Eine mündliche Verhandlung fand am 30. November 2021 statt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.

VI. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Des Weiteren beantragte die Beschwerdeführerin, den Hilfsantrag nicht zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 20. März 2020.

VII. Erteilter Anspruch 1 (mit hinzugefügter Merkmalsauflistung 1a bis 1i) lautet:

1a)|Arbeitsgerät mit hydraulischem Antrieb für Tiefbauarbeiten, insbesondere Ramm- oder Bohrgerät, |

1b)|umfassend wenigstens eine Welle, die über einen Hydraulikmotor rotierbar ist, |

1c)|wobei der Hydraulikmotor über ein Fluid eines Hydraulikkreislaufs betrieben ist, der über eine Hydraulikpumpe gespeist ist, |

1d)|der Hydraulikmotor (2) ein veränderbares Schluckvolumen aufweist und |

1e)|dass Mittel zur Änderung des Volumenstroms angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, |

1f)|dass in dem Hydraulikkreislauf ein Sensor (5) zur Messung des Fluiddrucks angeordnet ist, |

1g)|der mit einer Steuer- und Regeleinheit (6) verbunden ist, über die das Schluckvolumen des Hydraulikmotors (2) verstellbar ist und |

1h)|über welche die Mittel zur Änderung des Volumenstroms ansteuerbar sind, |

1i)|wobei die Steuer- und Regeleinheit (6) derart eingerichtet ist, dass bei einem Druckabfall im Hydraulikkreislauf eine Reduzierung des Schluckvolumen des Hydraulikmotors (2) sowie eine Verringerung des Volumenstroms bewirkt ist.|

VIII. Der unabhängige Anspruch 4 in der erteilten Fassung hat folgenden Wortlaut (mit hinzugefügter Merkmalsauflistung 4a bis 4d):

4a)|Verfahren zum Betrieb eines Arbeitsgerätes mit hydraulischem Antrieb für Tiefbauarbeiten, insbesondere eines Ramm- oder Bohrgerätes, |

4b)|umfassend wenigstens einen Hydraulikmotor mit veränderbarem Schluckvolumen, der über ein Fluid eines Hydraulikkreislaufs betrieben ist,|

4c)|der über eine Hydraulikpumpe gespeist ist, dadurch gekennzeichnet, |

4d)|dass bei einem Druckabfall im Hydraulikkreislauf das Schluckvolumen des Hydraulikmotors (2) sowie der Volumenstrom reduziert wird. |

IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags ist identisch zum erteilten Anspruch 1, außer des Merkmals 1i), die durch dieses Merkmal ersetzt wurde (hinzugefügte Merkmale sind in fett markiert):

wobei die Steuer- und Regeleinheit (6) derart eingerichtet ist, dass bei einem durch den Sensor (5) an die Steuer- und Regeleinheit (6) gemeldeten Druckabfall im Hydraulikkreislauf über die Steuer- und Regeleinheit (6) eine Reduzierung des Schluckvolumens des Hydraulikmotors (2) sowie gleichzeitig eine Verringerung des Volumenstroms bewirkt ist, derart, dass die Drehzahl des Hydraulikmotors (2) konstant bleibt

X. Anspruch 4 des Hilfsantrags ist identisch zum erteilten Anspruch 4, außer des Merkmals 4d), die durch dieses Merkmal ersetzt wurde (hinzugefügte Merkmale sind in fett markiert):

dass bei einem Druckabfall im Hydraulikkreislauf das Schluckvolumen des Hydraulikmotors (2) sowie gleichzeitig der Volumenstrom reduziert wird, derart, dass die Drehzahl des Hydraulikmotors (2) konstant bleibt

XI. Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin weist auf folgenden Stand der Technik hin, der rechtzeitig während des Einspruchsverfahrens eingereicht wurde:

D4:|DE 20 2007 014 676 U1; und |

D7:|"Grundlagen und Komponenten der Fluidtechnik - Hydraulik", Der Hydraulik Trainer, Band 1, zweite Auflage 1991, Herausgeber: Mannesmann Rexroth GmbH, Seiten 96 bis 106.|

XII. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Neuheit des Anspruchs 1 des Hauptantrags

Das Dokument D4 offenbare die gleiche Funktionalität wie die, die in Anspruch 1 definiert wurde. Die Tatsache, dass D4 andere Funktionen offenbare, die nicht von Anspruch 1 erfasst wurden, sei für die Analyse der Neuheit irrelevant.

Anspruch 1 definiere keine Details der Steuer- und Regeleinheit, und deswegen stellen die Regelelemente von D4 eine Steuer- und Regeleinheit im Sinne des Anspruchs 1 dar.

Das Merkmal 1i) (Regelung des Schluckvolumens und des Volumenstroms) sei funktional definiert und impliziere keine Gleichzeitigkeit. Darüber hinaus definiere Anspruch 1 nicht, dass die Drehzahl keinen Parameter der Regelung darstellen könne, oder dass der Drucksensor der einzige Sensor der Steuer- und Regeleinheit sei. Die Benutzung der Drehzahl, um das Schluckvolumen zu regeln, sei daher von Anspruch 1 erfasst.

Anspruch 1 definiere nicht, dass die Drehzahl bei der Regelung konstant gehalten werden müsse. Dies könne daher keinen Unterschied in Bezug auf D4 darstellen.

b) Zulässigkeit des Hilfsantrags

Der Hilfsantrag wurde spät eingereicht und solle nicht ins Verfahren zugelassen werden. Es sei kein Umstand zu erkennen, der außergewöhnlich im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 sei und der eine Überraschung für die Beschwerdegegnerin darstellen könnte. Insbesondere seien neue Details in der Argumentation keine Rechtfertigung für das verspätete Einreichen eines Hilfsantrags.

Darüber hinaus werfe der Hilfsantrag neue Probleme in Verbindung mit Artikeln 84 und 123(2) EPÜ auf. Es sei nicht klar, wie die Drehzahl konstant gehalten werden könne und was unter "gleichzeitig" zu verstehen sei. Ferner sei es nicht ursprünglich offenbart, dass der Druck nicht kontinuierlich gemessen und gemeldet werden könne. Der Hilfsantrag sei daher prima facie nicht gewährbar.

c) Unzulässige Erweiterung und mangelnde Klarheit des Hilfsantrags

In Zeilen 6 bis 8 der ursprünglich eingereichten Seite 8 sei offenbart, dass der Druck kontinuierlich über den Drucksensor erfasst und an die Steuer- und Regeleinrichtung gemeldet werde. Der Fachmann verstehe, dass "kontinuierlich" ein wesentliches Merkmal sei, da die Überwachung des Druckes kontinuierlich erfolge, um eine Druckabfallmeldung zu ermöglichen. Anspruch 1 schließe das Merkmal "kontinuierlich" nicht ein und verstoße daher gegen Artikel 84 und 123(2) EPÜ.

In Zeilen 11 bis 19 der ursprünglich eingereichten Seite 8 sei offenbart, dass eine Drehzahl, die konstant bei Druckabfall wie bei Druckanstieg gehalten werde, ein wesentliches Merkmal der Erfindung sei. Anspruch 1 definiere dagegen nicht, was im Fall eines Druckanstiegs in Bezug auf die Drehzahl geschehe. Zeilen 1 bis 5 der ursprünglich eingereichten Seite 3 beträfen nur den Fall "wenn maximale Leistung nicht erforderlich ist". Der Fachmann würde diese Lehre nicht auf andere Fälle anwenden.

Weiterhin sei für den Fachmann nicht klar, wie man die Drehzahl in Abwesenheit einer Drehzahlmessung als Eingangsparameter konstant halten könne. Kennlinien, die eine solche Steuerung ermöglichen könnten, seien in der Patentschrift nicht erklärt.

d) Unvollständige Offenbarung des Hilfsantrags

In einem Hydraulikkreislauf gebe es mindestens zwei unterschiedliche Druckniveaus. Weder Anspruch 1 noch Anspruch 4 detailliere, auf welches Druckniveau sich der Druckabfall von Merkmal 1i) beziehe. Aus dem Merkmal 1f) könne man nicht ableiten, an welcher Position des Hydraulikkreislaufs der Sensor zur Messung des Fluiddrucks angeordnet sein soll.

Weiterhin werde nicht beschrieben, auf welchen Referenzwert der Druckabfall bezogen werden soll.

Der Fachmann wisse nicht, wie die Regelung bei einem Druckanstieg erfolgen soll. Der Fachmann wisse nicht, ob die Drehzahl in einem solchen Fall konstant gehalten werden müsse oder nicht.

e) Neuheit der Ansprüche 1 und 4 des Hilfsantrags

Die Regeleinheit von D4 halte die Drehzahl konstant als Reaktion auf einen bestimmten Druckunterschied (dritter Satz von Absatz [0032], und auch Absatz [0030]). Wenn die Drehzahl konstant gehalten werde, dann müsse die Regelung von Schluckvolumen und Volumenstrom gleichzeitig geschehen. Wenn die Maschine eine niedrigere Belastung überwinden müsse, regele das System von D4 Drehzahl und Druck gleichzeitig, so dass das Schluckvolumen und Volumenstrom gleichzeitig reduziert würden. Die Regeleinheiten 3 und 4 arbeiteten parallel und gleichzeitig, um die Steuerschwankungen in einer solchen Situation zu kompensieren.

Die Regelung im Fall einer niedrigeren Belastung in D4 offenbare somit alle Merkmale der Ansprüche 1 und 4.

f) Erfinderische Tätigkeit der Ansprüche 1 und 4 des Hilfsantrags

Wenn der Fachmann die Regelung der Maschine von D4 bei niedrigerer Belastung durchführen wolle, würde er D7 zur Lösung der Aufgabe, eine alternative Regelgröße für diese Regelung zu finden, heranziehen. Der Fachmann würde die Druckregelung als Parameter für die Regeleinheit von D4 nehmen und in dieser Weise zur Erfindung gelangen.

XIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Neuheit des Anspruchs 1 des Hauptantrags

Anspruch 1 müsse im Sinne der Beschreibung und der Zeichnungen ausgelegt werden, um zu einer technisch sinnvollen Interpretation zu gelangen. Die Merkmale 1f) (Sensor zur Messung des Fluiddrucks) und 1g) (Sensor verbunden mit der Steuer- und Regeleinheit) müssten daher so verstanden werden, dass der Drucksensor einen Ist-Druck an die Steuer- und Regeleinheit liefere, um die Regelung des Schluckvolumens und Volumenstroms zu verursachen. Das sei nicht der Fall bei D4.

Dementsprechend sei das Merkmal 1i) so auszulegen, dass die Reduzierung des Schluckvolumens und die Verringerung des Volumenstroms gleichzeitig bewirkt werden müssten, wie in Absätzen [0009] und [0026] der Patentschrift offenbart. Das Merkmal "gleichzeitig" sei für einen deutschsprachigen Leser implizit enthalten, insbesondere wegen der Verwendung des Wortes "sowie".

Anspruch 1 definiere eine einzige Steuer- und Regeleinheit. D4 offenbare dagegen zwei verschiedene Steuer- und Regeleinheiten, die durch verschiedene Parameter gesteuert seien. Die erste Steuer- und Regeleinheit (3) sei druckgeregelt, und die zweite Steuer- und Regeleinheit (4) sei drehzahlgeregelt. Die zwei Einheiten führten die jeweilige Änderungen unabhängig voneinander und nacheinander durch, so dass sie keine Gesamtregelung darstellten.

Laut der Patentschrift bleibe die Drehzahl dank der beanspruchten Regelung konstant, im Gegensatz zu D4.

Absatz [0011] von D4 offenbare, dass bei geringeren Leistungsanforderungen beide Verdrängereinheiten (Hydraulikpumpe und Hydraulikmotor) mit größeren Verstellvolumina und geringeren Betriebsdrücken arbeiteten, im Gegensatz zu der beanspruchten Erfindung. Das Dokument D4 betreffe daher eine andere Regelung als in Anspruch 1.

b) Zulässigkeit des Hilfsantrags

Die Beschwerde sei vor dem 1. Januar 2020 eingereicht worden. Daher sei die VOBK 2007 anwendbar und nicht die VOBK 2020.

Die Kammer habe in ihrer vorläufigen Meinung zum ersten Mal die Relevanz der Verknüpfung über Regelung 5 in D4 erwähnt. Dieser Aspekt wurde weder während des Einspruchs noch in der Beschwerdebegründung thematisiert. Eine neue Auslegung der Funktion des Drucksensors von Merkmal 1f) wurde ebenfalls zum ersten Mal in der vorläufigen Meinung vorgenommen. Die Beschwerdegegnerin habe den Hilfsantrag unverzüglich und vor Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe dieser neuen Tatsachen als Reaktion darauf eingereicht.

Der Hilfsantrag sei gewährbar. Der Fachmann entnehme Anspruch 1, dass die Erfassung des Druckes notwendigerweise kontinuierlich erfolge, da sie sonst für eine solche Regelung nicht geeignet sei.

Gegenstand des Anspruchs 1 sei eine Regelung im Fall von Druckabfall. Die Erfindung halte die Drehzahl in diesem Fall konstant und es sei nicht Gegenstand des Anspruchs, was im Fall eines Druckanstiegs geschehe.

Der Begriff "gleichzeitig" sei für den Fachmann klar und das Konstanthalten der Drehzahl gehöre zum Fachwissen.

c) Unzulässige Erweiterung und mangelnde Klarheit des Hilfsantrags

Das hinzugefügte Merkmal "bei einem durch den Sensor an die Steuer- und Regeleinheit gemeldeten Druckabfall" impliziere, dass der Sensor den Druck kontinuierlich überwachen müsse, um die beanspruchte Meldung bei Druckabfall durchführen zu können.

Die Lehre in Zeile 1 bis 5 der ursprünglich eingereichten Seite 3 sei eine generelle Offenbarung, und der Fachmann verstehe, dass die Erfindung nur die Regelung bei einem Druckabfall betreffe. Die Regelung bei einem Druckanstieg sei daher kein wesentliches Merkmal.

Für den Fachmann sei die Funktion des Konstanthaltens der Drehzahl klar, da er wisse, wie man eine Drehzahlüberwachung durchführe.

d) Unvollständige Offenbarung des Hilfsantrags

Die Ansprüche beschränken sich auf die Situation eines Druckabfalls und die gesamte Offenbarung liefere eine vollständige Erklärung, die dem Fachmann diese Regelung ermögliche.

e) Neuheit der Ansprüche 1 und 4 des Hilfsantrags

Anspruch 1 definiere, dass der Druckabfall durch den Sensor gemeldet werden müsse. Das sei nicht der Fall in D4, da der Drucksensor nur den Druck bei einer Regeleinheit (3) melde, um diesen Parameter ständig zu regeln, aber nicht um die Drehzahl zu steuern. Dafür melde der Drehzahlsensor (12) die Drehzahl bei einer anderen Regeleinheit (4).

Die Regelung des Schluckvolumens und des Volumenstroms bei D4 erfolge nicht gleichzeitig. Einen reduzierten Druck durch die Regelung (3) gebe es nur in Verbindung mit der Steuerung 5 und bloß als zweite Stufe der Regelung, d.h. nach der Reduzierung des Schluckvolumens durch die Regelung (4). Bei einem Druckabfall wie im Fall einer niedrigeren Belastung der Maschine, werde das Regelsystem von D4 den Volumenstrom durch die Regelung (3) erhöhen, und erst nach der Drehzahländerung durch die Regelung (4).

f) Erfinderische Tätigkeit der Ansprüche 1 und 4 des Hilfsantrags

Das Dokument D4 betreffe eine spezifische Regelung mit bestimmten Parametern. Es gebe keinen Hinweis für den Fachmann, diese Parameter zu ändern. D7 offenbare nur Bauteile und deren Eigenschaften, aber keine Information über eine spezielle Erdbewegungsmaschine wie jene von D4.

Wenn ein Fahrzeug gemäß einer Maschine von D4 derart bergab fahre, dass die Belastung niedriger werde und der Druck sinke, greife die Druckregelungseinheit 3 ein, um den Druck zu erhöhen bzw. auf dem vorgegebenen Soll-Systemdruck ("psoll") zu halten. Von einer gleichzeitigen Regelung von Schluckvolumen und Volumenstrom wie in Ansprüchen 1 und 4 sei in D4 nicht die Rede, auch nicht in Verbindung mit dem Fachwissen des Fachmanns und D7.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag, Neuheit von Anspruch 1 - Artikel 54(2) EPÜ

1.1 Das Dokument D4 offenbart ein Arbeitsgerät mit hydraulischem Antrieb für Tiefbauarbeiten (d.h. eine Erdbewegungsmaschine, siehe z.B. Absätze [0004] und [0005]), umfassend wenigstens eine Welle, die über einen Hydraulikmotor (2) rotierbar ist (siehe Figur 1, Hydraulikmotor (2)), wobei der Hydraulikmotor (2) über ein Fluid eines Hydraulikkreislaufs betrieben ist (siehe Hydraulikkreislauf in Figur 1), der über eine Hydraulikpumpe (1) gespeist ist, wobei der Hydraulikmotor (2) ein veränderbares Schluckvolumen aufweist (siehe z.B. Absatz [0032]), und wobei Mittel zur Änderung des Volumenstroms angeordnet sind (siehe z.B. Absatz [0030]).

Dies wurde nicht bestritten.

Merkmale 1a) bis 1e) sind daher in D4 offenbart.

1.2 Merkmale 1f) und 1g)

Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die Merkmale 1f) (Sensor zur Messung des Fluiddrucks) und 1g) (Sensor verbunden mit der Steuer- und Regeleinheit) so verstanden werden müssten, dass der Drucksensor einen Ist-Druck an die Steuer- und Regeleinheit liefere, um die Regelung des Schluckvolumens und Volumenstroms zu verursachen. Eine solche Interpretation solle durch die Beschreibung gestützt sein, die berücksichtigt werden müsse, um eine technische sinnvolle Auslegung von Anspruch 1 zu ermöglichen.

Dieses Argument ist nicht überzeugend.

Das Merkmal 1f) definiert einen Sensor, der im Hydraulikkreislauf angeordnet ist und der eine Messung des Fluiddrucks durchführen kann. Das Merkmal 1g) definiert, dass dieser Sensor mit der Steuer- und Regeleinheit verbunden ist, welche das Schluckvolumen des Hydraulikmotors verstellen kann und über welche die Mittel zur Änderung des Volumenstroms ansteuerbar sind (siehe auch Merkmal 1h)). Die Merkmale 1f) und 1g) sind daher klar, und der Fachmann hätte keine Zweifel bezüglich ihres Inhalts.

Unter diesen Umständen muss der fachkundige Leser die Beschreibung nicht in Betracht ziehen, um zu einer technisch sinnvollen Interpretation der Merkmale zu gelangen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer, neunte Auflage, II.A.6.3.1, und insbesondere die Entscheidung T 197/10, Nr. 2.3 der Gründe).

D4 offenbart einen Drucksensor (7) in einem Hydraulikkreislauf (siehe Figur 1), die den Druck des Fluiddrucks misst (siehe dritter Satz von Absatz [0030]) und der mit der Steuer- und Regeleinheit (3, 4, 5; siehe Diskussion über Merkmale 1h) und 1i) unten) verbunden ist.

Das Argument der Beschwerdegegnerin bezüglich der ausschließlichen Benutzung des Drucksensors für die Regelung in Anspruch 1 überzeugt nicht, da Anspruch 1 nicht ausschließt, dass andere Sensoren für die beanspruchte Regelung gebraucht werden. Insbesondere definiert Anspruch 1 keine Funktion des Sensors, außer der Messung des Fluiddrucks wie in D4.

Die Merkmale 1f) und 1g) (bezüglich des Sensors) sind daher in D4 offenbart.

1.3 Merkmale 1h) und 1i)

1.3.1 Steuer- und Regeleinheit

Die Beschwerdegegnerin trägt vor, dass D4 keine Gesamtregelung wie in Anspruch 1 offenbare, da D4 nur zwei unabhängige Steuer- und Regeleinheiten (3, 4) offenbare, die unabhängig voneinander wirkten.

Die Kammer teilt diese Meinung für das in D4 offenbarte Ausführungsbeispiel nicht, in dem die Steuer- und Regeleinheiten (3, 4) durch eine weitere Steuer- und Regeleinheit (5) so verbunden sind, dass die drei Einheiten als eine einzige Steuer- und Regeleinheit angesehen werden können (siehe Absatz [0039]). In diesem Ausführungsbeispiel wird die Funktion der druckgeregelten Einheit (3) durch die Arbeit der drehzahlgeregelten Einheit (4) beeinflusst, da die Einheit (5) einen neuen Solldruck ("psoll") für die druckgeregelte Einheit (3) in Abhängigkeit der Regelung der drehzahlgeregelten Einheit (4) (d.h. des Verstellwinkels) bestimmt. Die drei Steuer- und Regeleinheiten (3, 4, 5) wirken daher in diesem Fall als eine einzige Steuer- und Regeleinheit im Sinne des Anspruchs 1.

Da das Schluckvolumen und der Volumenstrom durch die Steuer- und Regeleinheit (3, 4, 5) in dem Ausführungsbeispiel von Absatz [0039] verstellbar sind (siehe zweiter Satz von Absatz [0030] und zweiter und dritter Satz von Absatz [0032]), sind die Merkmale 1g) (bezüglich der Steuer- und Regeleinheit) und 1h) in D4 offenbart.

1.3.2 Angebliches Merkmal: "Gleichzeitig"

Laut der Beschwerdegegnerin sei dem Anspruch für einen deutschsprachigen Leser implizit zu entnehmen, dass die Reduzierung des Schluckvolumens und die Verringerung des Volumenstroms gleichzeitig bewirkt werden müssten, insbesondere durch das Wort "sowie" (siehe Merkmal 1i)). Dies sei durch die Absätze [0009] und [0026] der Beschreibung bestätigt.

Die Kammer ist nicht dieser Fassung.

Das Merkmal 1i) ist ein funktionales Merkmal und definiert, wie die Steuer- und Regeleinheit auf einen Druckabfall reagiert. In einem solchen Fall muss die Steuer- und Regeleinheit das Schluckvolumen des Hydraulikmotors reduzieren sowie den Volumenstrom verringern. Das Merkmal ist klar und deutlich und der Fachleser muss nicht die Beschreibung in Betracht ziehen, um das Merkmal auszulegen (siehe obigen Punkt 1.2). Das Wort "sowie" indiziert keine Gleichzeitigkeit bezüglich der beiden in diesem Merkmal definierten funktionellen Aufgaben, sondern wird von einem deutschsprachigen Leser im gegebenen Zusammenhang als gleichbedeutend mit "und" - im Sinne einer Verknüpfung der Elemente einer Aufzählung - verstanden.

1.3.3 Angebliches Merkmal: Drehzahl konstant halten

Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass laut der Patentschrift die Drehzahl dank der beanspruchten Regelung konstant bleibe.

Da dieses Merkmal in Anspruch 1 nicht angegeben ist und da das Heranziehen der Beschreibung für die Auslegung von Merkmal 1i) nicht geboten ist (siehe obigen Punkt 1.2), kann das angebliche Merkmal "konstant" keinen Unterschied zwischen der Erfindung und D4 darstellen.

1.3.4 Offenbarung des Merkmals 1i)

Das Ausführungsbeispiel aus Absatz [0039] von D4 offenbart dass, bei einem geringeren geforderten Antriebsmoment des Hydraulikmotors (2) (d.h. bei einem Druckabfall in dem Hydraulikkreislauf wegen der erleichterten Rotation des Hydraulikmotors, der dieses Antriebsmoment überwinden muss), die drehzahlgeregelte Einheit (4) der Steuer- und Regeleinheit (3, 4, 5) den Schluckvolumen verringert (siehe zweiter Satz der rechten Spalte von Absatz [0039]). Dafür wird der Verstellwinkel so reduziert, dass die Einheit (5) die Soll-Druckvorgabe ("psoll") der druckgeregelte Einheit (3) senkt. Angesichts der neuen niedrigeren Soll-Druckvorgabe wird die druckgeregelte Einheit (3) den Volumenstrom der Pumpe (1) verringern, um den Druck zu reduzieren (siehe vierter Punkt von Absatz [0003] und Absatz [0030]).

D4 offenbart daher das Merkmal 1i).

Es wird angemerkt, dass der erste Satz von Absatz [0011] das Ziel der Erfindung von D4 offenbart, dass der Hydraulikmotor und die Hydraulikpumpe mit größeren Verstellvolumina und geringeren Betriebsdrücken arbeiten können, um die Verluste und den Verschleiß zu minimieren. Dies betrifft jedoch den Gleichgewichtszustand des offenbarten hydraulischen Antriebssystems und ändert nichts daran, wie das im Absatz [0039] beschriebene Ausführungsbeispiel funktioniert, im Fall erhöhter bzw. niedrigerer Leistungsanforderungen.

1.4 Schlussfolgerung

Angesichts der obigen Erwägungen ist der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu in Bezug auf das Ausführungsbeispiel gemäß Absatz [0039] der Entgegenhaltung D4.

2. Hilfsantrag

2.1 Zulässigkeit - Artikel 13(2) VOBK 2020

2.1.1 Anzuwendende Rechtsgrundlage

Laut Artikel 25(1) VOBK 2020 ist die revidierte Fassung der Verfahrensordnung auf alle Beschwerden anzuwenden, die am Tag des Inkrafttretens (1. Januar 2020) anhängig waren oder nach diesem Tag eingelegt werden. Die Übergangsbestimmungen von Artikel 25(3) VOBK 2020 sind nur anwendbar, wenn vor Inkrafttreten dieser revidierten Fassung die Ladung zur mündlichen Verhandlung oder eine Mitteilung der Kammer nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ zugestellt wurde. Das ist nicht den Fall, da die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2020 zugestellt wurde, d.h. nach Inkrafttreten der VOBK 2020.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist über die Zulassung des Hilfsantrages daher gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 zu entscheiden.

2.1.2 Neue Tatsachen

Die Beschwerdeführerin trug vor, dass neue Details einer schon bestehenden Argumentationslinie bezüglich eines schon bestehenden Einwandes keine Überraschung für die Beschwerdegegnerin begründen könnten, welche die Einreichung des Hilfsantrages rechtfertigen hätte können.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich im gegenständlichen Fall allerdings nicht nur um die nähere Ausführung einer bereits bestehenden Argumentationslinie.

Der Neuheitseinwand, der in der Entscheidung der Einspruchsabteilung behandelt wurde, betraf nur Ausführungsbeispiele, bei denen die Druckregelungseinheit (3) und Drehzahlregelungseinheit (4) unabhängig voneinander arbeiten (siehe Punkt 16.1.6.4 der Entscheidung).

Auch in der Beschwerdebegründung wurde die Steuerung 5 nicht als entscheidungsrelevant angesehen.

Das Ausführungsbeispiel in D4, in dem nach Ansicht der Kammer wegen der Funktion der Steuerung 5 über eine Verknüpfung mehrerer Regelkreise insgesamt eine anspruchsgemäße Steuer- und Regelungseinheit offenbart ist, wurde erstmals von der Kammer in deren Mitteilung vom 26. Februar 2020 herangezogen (siehe Punkt 7.1.4 der Mitteilung). Das von der Kammer verwendete Ausführungsbeispiel von D4 unterscheidet sich insofern von jenem, das von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin benutzt wurde. Die Beschwerdegegnerin war somit erst nach Erhalt der Mitteilung der Kammer in der Lage, auf die von der Kammer in Form dieses neuen Ausführungsbeispiels eingeführten Tatsache zu reagieren.

Die Einreichung des Hilfsantrages mit Schreiben vom 30. März 2020 stellt eine angemessen schnelle Reaktion der Beschwerdegegnerin darauf dar. Dies ermöglichte der Beschwerdeführerin und der Kammer, sich vor der für 30. November 2021 anberaumten mündlichen Verhandlung hinreichend und rechtzeitig auf diesen Hilfsantrag vorzubereiten.

2.1.3 Prima facie Anlass zu neuen Einwänden

Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Änderungen prima facie Anlass zu neuen Einwänden bezüglich Artikel 84 und 123(2) EPÜ gäben.

Die Kammer teilt diese Meinung nicht, da der Wortlaut der geänderten Ansprüche 1 und 4 prima facie klar war und die Beschwerdegegnerin überzeugend auf eine Grundlage für die neuen Merkmale in der ursprünglich eingereichten Beschreibung hingewiesen hat. Die Änderungen gaben daher keinen Anlass zu neuen Einwänden (siehe auch Punkt 2.2 unten).

2.1.4 Schlussfolgerung

Angesicht des Vorstehenden lagen nach Ansicht der Kammer außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 vor, welche die Berücksichtigung des Hilfsantrags im Beschwerdeverfahren rechtfertigten.

2.2 Unzulässige Erweiterung und mangelnde Klarheit - Artikel 123(2) und 84 EPÜ

2.2.1 Anspruch 1: Abwesendes Merkmal "kontinuierlich"

Laut der Beschwerdeführerin soll die Abwesenheit des Merkmals "kontinuierlich" eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstellen, da Zeilen 6 bis 8 der ursprünglich eingereichten Seite 8 dieses Merkmal als wesentlich für die Erfassung eines Druckabfalls offenbaren.

Ferner sei Anspruch 1 nicht klar, weil das fehlende Merkmal "kontinuierlich" wesentlich sei.

Das Argument überzeugt nicht, da der Fachmann aus den Zeilen 6 bis 12 der ursprünglich eingereichten Seite 8 versteht, dass nur die Meldung des Druckabfalls durch den Drucksensor wesentlich für die Erfindung ist. Diese Meldung des Druckabfalls steht in Anspruch 1: "...bei einem durch den Sensor an die Steuer- und Regeleinheit gemeldeten Druckabfall...". Die Meldung des Druckabfalls in Anspruch 1 erfolgt durch die Erfassung des Drucks durch den Sensor (siehe Merkmal 1f)), wie ursprünglich offenbart.

Das Fehlen einer kontinuierlichen Erfassung und Meldung des Drucks an die Steuer- und Regeleinheit stellt zwar eine Zwischenverallgemeinerung dar. Sie ist jedoch zulässig, da der Fachmann versteht, dass eine solche kontinuierliche Erfassung und Meldung des Drucks in technischer Hinsicht nicht untrennbar mit der Meldung des Druckabfalls verknüpft ist. Auch eine diskontinuierliche Erfassung und Meldung des Drucks ermöglicht die Meldung eines Druckabfalls, um das Ziel der Erfindung gemäß Anspruch 1 (d.h. die Regelung in einem solchen Fall) zu verwirklichen.

2.2.2 Ansprüche 1 und 4: Drehzahl bei Druckanstieg

Die Beschwerdeführerin trug vor, dass das Fehlen einer Regelung der Drehzahl im Fall eines Druckanstiegs in Ansprüchen 1 und 4 gegen Artikel 123(2) EPÜ verstöße.

Dieser Mangel führe auch zu einer Unklarheit, weil der Fachmann nicht wisse, wie das beanspruchte Arbeitsgerät im Fall eines Druckanstiegs funktionieren würde.

Die Kammer kann diesem Argument nicht zustimmen.

Die ursprünglich eingereichte allgemeine Beschreibung der Erfindung offenbart die Regelung bei einem Druckabfall und ihre Vorteile (siehe Seite 3, erster Absatz). Eine solche Regelung gewährleistet eine konstante Drehzahl (".. wird der Antrieb.. bei gleicher Drehzahl mit weniger Fluid getrieben."). Der Fachmann versteht aus diesem Absatz, dass die Erfindung auf eine konstante Drehzahl im Fall eines Druckabfalls abzielt, unabhängig von einer möglichen Regelung bei einem Druckanstieg. Dies entspricht dem Gegenstand der Ansprüche 1 und 4.

Der Absatz offenbart zwar, dass diese Regelung erfolgt "wenn maximale Leistung nicht erforderlich ist". Darunter fällt auch ein Druckabfall, da ein solcher durch eine niedrigere Belastung des Arbeitsgerätes verursacht wird, die keine maximale Leistung benötigt. Der Fachmann versteht daher, dass diese Wortlaut keine Beschränkung der Regelung bei einem Druckabfall darstellt, sondern eine zusätzliche Beschreibung der Folgen eines Druckabfalls.

Der Fachmann versteht aus der Beschreibung unmittelbar, dass die Regelung bei einem Druckanstieg schon deswegen kein wesentliches Merkmal der Erfindung sein kann, da diese nur die Regelung bei einem Druckabfall betrifft (siehe Zeilen 22 bis 34 der Spalte 2 der Patentschrift, die den Zeilen 1 bis 9 der ursprünglich eingereichten Seite 3 entsprechen).

Das Fehlen der Merkmale bezüglich einer Regelung bei einem Druckanstieg in den Ansprüchen 1 und 4 stellt daher kein Klarheitsproblem dar.

2.2.3 Ansprüche 1 und 4: Konstante Drehzahl

Das Merkmal ".. derart, dass die Drehzahl des Hydraulikmotors konstant bleibt." wurde den Ansprüchen 1 und 4 hinzugefügt. Das Merkmal ist ein funktionelles Merkmal - was prinzipiell zulässig ist - und definiert einen Endeffekt, den die Reduzierung des Schluckvolumens und die gleichzeitige Verringerung des Volumenstroms gewährleisten müssen. Wie im obigen Punkt 2.2.2 erläutert, ist dieses Merkmal im ersten Absatz der ursprünglich eingereichten Seite 3 offenbart.

Die Beschreibung offenbart keine besonderen Merkmale in Verbindung mit diesem beanspruchten Zweck, geschweige denn wesentliche Merkmale. Das Fehlen von Merkmalen, die gemäß der Beschreibung nicht als wesentliche Merkmale anzusehen sind - wie z.B. die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Kennlinien -, stellt daher kein Klarheitsproblem dar.

2.2.4 Schlussfolgerung

Angesichts der obigen Erwägungen verstoßen die Ansprüche 1 und 4 nicht gegen Artikel 84 und 123(2) EPÜ.

2.3 Unvollständige Offenbarung - Artikel 83 und 100(b) EPÜ

Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung diesbezüglich auf ihre schriftlichen Ausführungen verwiesen.

In Ermangelung neuer Argumente sieht die Kammer keinen Grund, von der in der Mitteilung nach Artikel 15(1) RPBA 2020 vertretenen Auffassung abzugehen.

Nach Artikel 100(b) bzw. 83 EPÜ müssen nicht die Ansprüche, sondern vielmehr die ganze Patentschrift die Erfindung so offenbaren, dass diese durch den Fachmann ausgeführt werden kann.

Wie die Einspruchsabteilung in Punkt 15.4 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, ist dem Fachmann die Funktionsweise eines Hydraulikkreislaufs des beanspruchten Typs bekannt.

Absatz [0005] der Patentschrift - insbesondere Spalte 1, Zeilen 48 bis 53 - offenbart, dass der Arbeitsdruck während der Arbeit berücksichtigt werden muss. Absatz [0025] offenbart, dass ein Drucksensor 5 dem Hydraulikmotor 2 in dem Hydraulikkreislauf vorgeschaltet werden kann, um einen Druckabfall zu detektieren (siehe Absatz [0026]). Die Patentschrift offenbart daher, wie der Druckabfall detektiert werden kann.

Bezüglich des vorgeschlagenen Referenzwerts beschreibt Absatz [0005] was unter einem Druckabfall verstanden wird, nämlich der niedrigere Arbeitsdruck in Situationen, in denen die vom Hydraulikkreislauf angebotene maximale Leistung nicht erforderlich ist. Der Fachmann in dem Gebiet der Hydraulik kennt die Kriterien für die Identifizierung eines solchen Druckabfalls ohne weitere Referenzwerte zu benötigen, da er in solchen Systemen Druckwerte häufig überprüfen muss.

Die Erfindung der Ansprüche 1 und 4 betrifft die Regelung des Schluckvolumens und des Volumenstroms bei einem Druckabfall. Das Patent offenbart, wie diese Regelung durchgeführt werden kann. Dies wurde auch nicht bestritten. Was mit der Regelung bei einem Druckanstieg geschehen könnte, ist hingegen nicht Gegenstand der Erfindung und bezüglich der Ausführbarkeit der Erfindung daher irrelevant.

Die Erfindung ist daher so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

2.4 Neuheit, D4 - Artikel 54(2) EPÜ

2.4.1 Anspruch 1

a) Das Merkmal ".. bei einem durch den Sensor an die Steuer- und Regeleinheit gemeldeten Druckabfall.." wurde dem Anspruch 1 hinzugefügt. Dieses Merkmal muss in Zusammenhang mit dem Merkmal 1f) gelesen werden, wonach der Sensor "zur Messung des Fluiddrucks" definiert wird.

Bei dem Regelungssystem von D4 wird kein Druckabfall durch den einzigen Drucksensor (7) gemeldet, der eine Reduzierung des Schluckvolumens und eine Verringerung des Volumenstroms durch eine Steuer- und Regeleinheit verursacht. Der Druckabfall im Fall einer niedrigeren Belastung wird in D4 indirekt durch eine erhöhte Drehzahl durch den Drehzahlsensor (12) detektiert. Der Drucksensor (7) wird in diesem Fall den Druckabfall auch melden, aber diese Information wird nur benutzt, um den Ist-Druck bis zu der entsprechenden Soll-Druckvorgabe zu erhöhen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von D4 daher dadurch, dass die Reduzierung des Schluckvolumens und die Verringerung des Volumenstroms durch die Steuer- und Regeleinheit bei einem durch den Sensor an die Steuer- und Regeleinheit gemeldeten Druckabfall erfolgt (d.h. infolgedessen).

b) Wenn man das Ausführungsbeispiel von Absatz [0039] berücksichtigt (siehe obigen Punkt 1.3.1), stellt man fest, dass zunächst eine Reduzierung des Schluckvolumens durch die Drehzahlregelung (4) erfolgt (siehe zweiter Satz der rechte Spalte von Absatz [0039]). Erst danach wird die Soll-Druckvorgabe durch die Steuerung (5) gesenkt (siehe gleicher Satz) und nachfolgend kann schließlich eine Verringerung des Volumenstroms durch die druckgeregelte Einheit (3) durchgeführt werden. Die Reduzierung des Schluckvolumens und die Verringerung des Volumenstroms werden daher - im Gegensatz zu Anspruch 1 - nicht gleichzeitig durchgeführt, sondern nacheinander.

c) Die Beschwerdeführerin hat ein Ausführungsbeispiel von D4 herangezogen, in welchem die Steuerung 5 keine Rolle spielt.

Anspruch 1 definiert eine Steuer- und Regeleinheit, die die Regelung von Schluckvolumen und Volumenstrom durchführt.

Das Ausführungsbeispiel ohne Beteiligung der Steuerung 5 besteht aus zwei unabhängigen Steuer- und Regeleinheiten (3, 4), die jeweils innerhalb einer Druckstufe das Schluckvolumen und den Volumenstrom regeln. Diese zwei Einheiten arbeiten in diesem Fall unabhängig voneinander, und können daher gemeinsam keine Steuer- und Regeleinheit im Sinne von Anspruch 1 darstellen.

d) Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass, wenn die Drehzahl in D4 bei einem Druckabfall konstant gehalten muss - wie in dem dritten Satz von Absatz [0032] offenbart -, das Schluckvolumen und der Volumenstrom gleichzeitig reduziert werden würden.

Dieses Argument ist nicht überzeugend.

Erstens offenbart D4 nicht, dass die Regelung von Schluckvolumen und Volumenstrom in einer solchen Situation gleichzeitig erfolgen muss, da die beiden Steuer- und Regeleinheiten (3, 4) in diesem Fall unabhängig voneinander arbeiten würden (siehe Punkt 2.5.1.c) oben).

Zweitens würde ein solcher Druckabfall als Folge haben, dass die druckgeregelte Regeleinheit (3) zuerst eine Erhöhung des Volumenstroms bewirken würde, um den Druck auf dem Niveau der Soll-Druckvorgabe aufrechtzuerhalten (siehe vierter Punkt von Absatz [0003] und Absatz [0030]; Punkt 2.5.1.a) oben).

e) Angesichts dieser Unterschiede ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu in Bezug auf D4.

2.4.2 Anspruch 4

Die im obigen Punkt 2.4.1.d) dargelegte Begründung ist auch auf Anspruch 4 anwendbar, da darin die gleichen betroffenen Merkmale definiert werden.

2.5 Erfinderische Tätigkeit, D4 in Kombination mit Fachwissen bzw. D7 - Artikel 56 EPÜ

2.5.1 Die Berücksichtigung von D4 als nächstliegender Stand der Technik wurde nicht bestritten. Die Kammer teilt diese Ansicht, angesichts der Ähnlichkeit von Zweck und Konstruktion.

2.5.2 Im Lichte der Diskussion zur Neuheit wird in D4 gegenüber Anspruch 1 nicht offenbart dass:

bei einem durch den Sensor an die Steuer- und Regeleinheit gemeldeten Druckabfall im Hydraulikkreislauf über die Steuer und Regeleinheit eine Reduzierung des Schluckvolumens des Hydraulikmotors sowie gleichzeitig eine Verringerung des Volumenstroms bewirkt ist, derart, dass die Drehzahl des Hydraulikmotors konstant bleibt.

Entsprechend offenbart D4 auch die folgenden Merkmale von Anspruch 4 nicht, nämlich dass:

bei einem Druckabfall im Hydraulikkreislauf das Schluckvolumen des Hydraulikmotors sowie gleichzeitig der Volumenstrom reduziert wird, derart, dass die Drehzahl des Hydraulikmotors konstant bleibt.

Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, kann durch die zwei getrennten Regeleinheiten in D4 - die Drehzahlregelung (4) und die Druckregelung (3), ohne Eingriff der Steuerung (5) - die Drehzahl des Hydraulikmotors konstant bleiben, siehe Absatz [0032].

Die zu lösende Aufgabe kann somit darin gesehen werden, ein alternatives Arbeitsgerät zu dem aus D4 bekannten Arbeitsgerät bereitzustellen.

2.5.3 Das Dokument D7 betrifft Hydraulikmotoren im Allgemeinen und offenbart, dass die Verstellung von Hydraulikmotoren als Druckregelung erfolgen kann (siehe letzter Satz von Punkt 2.1.2.4, und auch Punkt 2.2.2.4). Allerdings erwähnt D7 keine Nutzung der dort erwähnten Hydraulikmotoren in einem Erdbewegungsfahrzeug wie in D4. Da die Regelung in einem derart spezifischen Fall nicht mit der Regelung von Hydraulikmotoren für jede beliebige Anwendung vergleichbar ist, würde der Fachmann die Information von D7 nicht als geeignet für die Schluckvolumenregelung von D4 berücksichtigen.

Selbst wenn der Fachmann den Druck als Parameter für die Schluckvolumenregelung in D4 nehmen würde, würde er nicht zur beanspruchten Erfindung gelangen, da die in den obigen Punkten 2.4.1.c), d) und 2.4.2 sowie 2.5.2 erläuterten Unterschiede noch bestehen würden.

Fachwissen kann die erfindungsgemäße Lösung nicht nahelegen. Es fehlt an jeglichem Nachweis, dass die beanspruchte Gleichzeitigkeit von Reduzierung des Schluckvolumens und des Volumenstroms vor dem Anmeldetag des Patents bekannt bzw. nahegelegt war.

2.5.4 Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 4 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Angepasste Beschreibung

Die Beschwerdegegnerin reichte während der mündlichen Verhandlung eine an den Hilfsantrag angepasste Beschreibung ein. Die Beschwerdeführerin erhob keine Einwände und auch die Kammer sah keine Einwände.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1-6 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 20. März 2020

- Beschreibung Seiten 2 und 4 der Patentschrift sowie Seite 3 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer

- Zeichnungen 1 und 2 der Patentschrift

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