T 0025/17 () of 4.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T002517.20200304
Datum der Entscheidung: 04 März 2020
Aktenzeichen: T 0025/17
Anmeldenummer: 06793089.1
IPC-Klasse: C08F2/01
A61L15/60
B01J19/26
C08F2/04
C08F2/44
A61L15/24
C08K5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: POLYMERISATIONSVERFAHREN
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: NIPPON SHOKUBAI KABUSHIKI KAISHA
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 100(b) (2007)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Neuheit - (ja)
Verfahren - nicht naheligende Alternative
Vorrichtung - naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0131/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 24. Oktober 2016 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent 1 926 754 zurückgewiesen wurde. Die Ansprüche 1 und 11 des erteilten Patents lauteten wie folgt:

"1. Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung wasserabsorbierender Polymere, wobei eine Monomerlösung mit mindestens einem Vernetzer vermischt und die erhaltene Mischung polymerisiert wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Verweilzeit der Mischung zwischen der Zugabe des mindestens einen Vernetzers und dem Eintritt in den Polymerisationsreaktor mindestens eine Sekunde und weniger als 60 Sekunden beträgt.

11. Vorrichtung zur kontinuierlichen Polymerisation gemäß einem der Ansprüche 1 bis 10, umfassend

i) einen Polymerisationsreaktor,

ii) mindestens eine Zuleitung zum Polymerisationsreaktor i),

iii) mindestens ein Venturi-Rohr in der Zuleitung ii) und

iv) mindestens eine Zuleitung zum Venturi-Rohr iii),

wobei die Zuleitung iv) in das Venturi-Rohr iii) mündet und die Länge der Zuleitung ii) zwischen Polymerisationsreaktor i) und Zuleitung iv) 0,5 bis 20 m beträgt."

Außerdem enthielt das erteilte Patent Verfahrensansprüche 2 bis 10 abhängig von Anspruch 1, Vorrichtungsansprüche 12 bis 14 abhängig von Anspruch 11 und einen Verwendungsanspruch 15.

II. Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Dokumente herangezogen:

D1: JP 56-32514 A

D1a und D1b: Teilübersetzungen von D1 eingereicht mit Schreiben vom 27. Februar 2015 und 24. Mai 2016.

D2: EP 1 418 000 A2

D4: EP 0 312 952 A2

D5: DE 35 40 994 A1 und

D10: EP 1 470 905 A1.

III. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die für die vorliegende Beschwerde von Relevanz sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden. Die beanspruchte Erfindung sei ausführbar und deren Gegenstand neu gegenüber der Offenbarung von sowohl D1, als auch D2 und D10. Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit bilde D4 den nächstliegenden Stand der Technik. Dem gegenüber gelte als Aufgabe, die durch den beanspruchten Gegenstand gelöst sei, ein kontinuierliches Herstellungsverfahren für Superabsorber mit einem hohen Vernetzerumsatz bereitzustellen. Die beanspruchte Lösung, nämlich im Anspruch 1 die Verwendung eines kontinuierlichen Verfahrens und einer Verweilzeit zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt der Mischung in den Polymerisationsreaktor im Bereich von 1 bis 60 Sekunden sei vom zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt. Es gebe im Stand der Technik auch keinen Hinweis, den Vernetzer mit Hilfe eines Venturi-Rohrs zuzugeben und die Verweilzeit des Vernetzers zwischen Kontaktierung mit Polymerisationsmischung und Eintritt in den Polymerisationsreaktor mit Hilfe einer Rohrlänge von 0,5 bis 20 m zwischen Zufluss zum Venturi-Rohr und Reaktoreintritt zu modifizieren. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 sei somit vom Stand der Technik nicht nahegelegt.

IV. Gegen diese Entscheidung erhob die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde. Mit der Beschwerbegründung wurde das folgende Dokument eingereicht:

D28: EP 0 317 138 A2.

V. In Erwiderung auf den Bescheid der Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nahm die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 Stellung zur vorläufigen Meinung der Kammer. Mit diesem Schreiben wurden zwei Hilfsanträge eingereicht. Ansprüche 1 bis 10 des erteilten Patents bildeten den Hilfsantrag 1. Der Hilfsantrag 2 enthielt ausschließlich Vorrichtungsansprüche.

VI. Eine mündliche Verhandlung fand am 4. März 2020 statt. Die Beschwerdeführerin war, wie mit Schreiben vom 16. Januar 2020 angekündigt, nicht vertreten.

VII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ausführbar und nicht neu gegenüber D1, D2 und D10 sei. Ferner sei der Gegenstand von Anspruch 1 (bzw. Anspruch 10) ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik und unter Berücksichtigung von D2 oder D28 (bzw. im Hinblick auf D5 oder D2) nicht erfinderisch.

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen trug die Beschwerdegegnerin vor, dass das beanspruchte Verfahren ausführbar sei. Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens sei anzuerkennen. Der Gegenstand der beanspruchten Verfahren und Vorrichtungen sei erfinderisch ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

X. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2.

Entscheidungsgründe

1. Trotz ordnungsgemäßer Ladung nahm die Beschwerdeführerin, wie angekündigt mit Schreiben vom 16. Januar 2020, nicht an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 4. März 2020 teil. Gemäß Regel 115(2) EPÜ und Artikel 15(3) VOBK 2020 wurde das Verfahren ohne die Beschwerdeführerin fortgesetzt.

Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung)

Neuheit

2. Bei der Prüfung der Neuheit gegenüber einer Entgegenhaltung ist gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Frage zu beantworten, ob der Fachmann unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens den beanspruchten Gegenstand explizit oder implizit, aber unmittelbar und eindeutig aus dem gesamten Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltung als offenbart ansieht.

Neuheit gegenüber D1

3. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass das Beispiel 1 von D1 die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Streitpatents vorwegnimmt. Dieses Beispiel betrifft ebenfalls ein kontinuierliches Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymere, in dem die Komponenten für die Polymerisation, unter anderem ein Monomer und einen Vernetzter, in einen Mischkopf eingespeist werden und in einer Mischkammer gemischt werden (D1a). Die Mischung wird aus der Mischkammer ausgestoßen und einschließend kontinuierlich in den Eingang eines Polymerisationsreaktors eingespeist, was bedeutet, dass die Zugabe des Vernetzers außerhalb des Polymerisationsreaktors stattfindet. Hinsichtlich der Verweilzeit der Mischung zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt in den Polymerisations-reaktor stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu, dass die von der Beschwerdeführerin durchgeführte Berechnung einer Verweilzeit von 12 Sekunden auf der Annahme beruht, dass die Mischkammer vollständig mit zu mischender Flüssigkeit gefüllt ist, wofür die vorgelegten Teilübersetzungen D1a und D1b von D1 keine Grundlage liefern. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kann die Kammer daher nicht den Schluss ziehen, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents, insbesondere was einen Wert der spezifischen Verweilzeit zwischen einer und 60 Sekunden betrifft, explizit oder implizit aus D1 zu entnehmen ist.

Neuheit gegenüber D2

4. Die Beschwerdeführerin wendet ebenfalls ein, dass das Beispiel 1 von D2 für den Gegenstand des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Streitpatents neuheitsschädlich sei. Das in diesem Beispiel verwendete kontinuierliche Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymere wird auf der unten gezeigten Abbildung 3 von D2 erläutert.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Über die Flussmenge der verschiedenen Ausgangsprodukte, die Dichte der Reaktionsmischung, den Durchmesser der Rohrleitung nach der Dispergiermaschine 56 und die Länge der Rohrleitung nach dem Zusatz des Polymerisationsinitiators wurde von der Beschwerdeführerin berechnet, dass die Verweilzeit der zu reagierenden Mischung zwischen der Zugabe des Initiators und dem Eintritt auf dem Bandreaktor 0,6 Sekunden beträgt. Diese Berechnung wird nicht in Frage gestellt.

Auf der Basis der oben genannten Daten argumentiert die Beschwerdeführerin ferner, dass eine Verweilzeit der Mischung von 60 Sekunden zwischen der Zugabe des Vernetzers (Polyethylenglykoldiacrylate - PEGDA) und dem Eintritt auf dem Bandreaktor die Verwendung von 30 Meter Rohrleitungen des gleichen Durchmessers voraussetze. Die Kammer teilt aber der Meinung der Beschwerdegegnerin, dass keine Details über die weiteren auf der Abbildung 3 dargestellten Apparate (66, 56, 12) und Rohrleitungen, unter anderem über die Größe der Innenvolumen der Dispergiermaschine 56 und des in D2 nicht näher erläuterten Apparats 66, bekannt sind. Dies hat zur Folge, dass eine Verweilzeit der zu reagierenden Mischung zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt auf dem Bandreaktor weder explizit noch implizit aus D2 zu entnehmen ist.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass sie die starke Vermutung aufgestellt hätte, dass eine Verweilzeit der Mischung von weniger als 60 Sekunden zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt auf dem Bandreaktor in Beispiel 1 von D2 stattfinde, ist wie oben gezeigt von den diesem Fall unterliegenden Fakten nicht gestützt. Die Kammer hat daher keinen Grund, im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung T 0131/03 von 22. Dezember 2004 die bei der Beschwerdeführerin liegende Beweislast dafür, dass die Neuheit des vorliegenden Verfahrens gegenüber D2 nicht gegeben ist, zu Lasten der Beschwergegnerin umzukehren.

Infolgedessen ist die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 vom Streitpatent gegenüber D2 anzuerkennen.

Neuheit gegenüber D10

5. Es ist nicht bestritten worden, dass das Beispiel 1 von D10 und das Beispiel 1 von D2 den gleichen Offenbarungsgehalt haben. Da die Beteiligten die gleichen Argumente für beide Einwände der mangelnden Neuheit gegenüber dem Beispiel 1 von D10 und gegenüber dem Beispiel 1 von D2 gelten ließen, gilt daher ebenfalls die Schlussfolgerung, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents neu gegenüber D10 ist.

Ausführbarkeit

6. Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 wurde abhängig von der Auslegung des Dokuments D1 erhoben. Die vorliegende Erfindung sei nach Meinung der Beschwerdeführerin nicht ausführbar, falls der in D1 beschriebene Mischkopf als Teil des Reaktors zu betrachten sei. In diesem Fall würde sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Frage stellen, welche Leitungen auch als Teil des Reaktors zu betrachten seien und wo der Reaktor anfange. Der Einwand der Beschwerdeführerin besteht somit darin, dass der Ausdruck "die Verweilzeit der Mischung zwischen der Zugabe des mindestens einen Vernetzers und dem Eintritt in den Polymerisationsreaktor" in diesem Fall so unklar sei, dass das Patent die Bedingungen der Ausführbarkeit nicht erfüllen könne.

Die Kammer stellt aber zuerst fest, dass die Voraussetzung für den Einwand der Beschwerdeführerin, nicht gegeben ist, da sich der in Beispiel 1 von D1 beschriebenen Mischkopf, wie im obigen Punkt 3 dargelegt, außerhalb des Reaktors befindet. Des weiteren, unabhängig von der Frage, wo der Polymerisationsreaktor in D1 oder im Streitpatent für den Fachmann anfangen soll, ist der Fachmann in der Lage, zum Beispiel durch Änderung des Durchflusses der Polymerisationsmischung, die Verweilzeit dieser Mischung zwischen der Zugabe des mindestens einen Vernetzers und dem Eintritt in den Polymerisationsreaktor ohne erfinderisches Zutun zu variieren, so dass die Verweilzeit im im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Bereich liegt.

Die Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 ist somit gegeben.

Erfinderische Tätigkeit

Anspruch 1

Nächstliegender Stand der Technik

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag betrifft ein Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender vernetzter Polymere, wobei eine Monomerlösung mit mindestens einem Vernetzer vermischt und die erhaltene Mischung polymerisiert wird. Die Druckschrift D4 offenbart bereits unter anderem im Anspruch 1 ein derartiges Verfahren, das nach Meinung sowohl der Einspruchsabteilung, als auch der Beteiligten den nächstliegenden Stand der Technik bildet. Demzufolge nimmt die Kammer dieses in D4 beschriebene Verfahren als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 1. Als Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gelten (i) eine Verweilzeit der Mischung zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt in den Polymerisationsreaktor von mindestens einer Sekunde und weniger als 60 Sekunden und (ii) die Verwendung eines kontinuierlichen Verfahrens. Dies ist ebenfalls nicht streitig.

Aufgabe und Lösung

8. Den Ausführungen der Beschwerdegegnerin nach habe die Aufgabe des Streitpatentes darin bestanden, ausgehend von diesem nächstliegenden Stand der Technik, ein Verfahren, das den Vernetzerumsatz erhöht und den Anteil unvernetzter Polymere senkt, bereitzustellen.

8.1 Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe verweist die Beschwerdegegnerin auf die in der Streitpatentschrift enthaltenen experimentellen Ergebnisse. Sie nimmt Bezug auf die in der Tabelle 1 dargestellten Testversuche, die zeigen sollen, dass der Gehalt an Restvernetzer und Extrahierbaren optimiert wird, wenn die Verweilzeit im beanspruchten Bereich von 1 bis 60 Sekunden liegt.

Die Tabelle 1 zeigt den Gehalt an Restvernetzer und Extrahierbaren in den Polymerpulvern, die durch das Verfahren der Beispiele 1 bis 3 erhalten werden. Die in diesen Beispielen durchgeführten Verfahren unterscheiden sich von einander lediglich dadurch, dass der Zugabeort des Vernetzers vor dem Reaktoreingang variiert wird, womit die Verweilzeit der Monomerlösung zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt in den Polymerisationsreaktor eingestellt wird. In diesen Beispielen werden Verweilzeiten von jeweils 1,5 s, 5,3 s und 3,8 s verwendet, d.h. es wird ein sehr enger Teil des Bereiches 1 bis 60 Sekunden gemäß Anspruch 1 bedeckt. Gemäß Angabe der Beschwerdeführerin stelle eine Verweilzeit von 3,8 s ein Optimum für den Anteil an Extrahierbaren und den Vernetzerumsatz dar.

Die in den Beispielen 1 bis 3 des Streitpatents durchgeführten Polymerisationen werden mit einer 38,8 gew.-%ige Acrylsäure/Natriumacrylatlösung mit einem Neutralisationsgrad von 71,3 mol-%, einer Temperatur der Monomerlösung von 29°C, einem Diacrylat eines Polyethylenglykols mit einem mittleren Molgewicht von 400 g/mol als Vernetzer, einer Einsatzmenge des Vernetzers von 2 kg pro t Monomerlösung, 1 kg 0,25gew.-%igen Wasserstoffperoxid und 3,1 kg 15gew.-%iges wässriges Natriumperoxodisulfat pro t Monomerlösung bei einem Durchsatz der Monomerlösung von 18 t/h durchgeführt.

8.2 Selbst wenn die Kammer zu Gunsten der Beschwerdegegnerin anerkennen würde, dass ein solches Optimum für den Anteil an Extrahierbaren und den Vernetzerumsatz im Rahmen der spezifischen Bedingungen, die im experimentellen Teil des Streitpatents verwendet wurden, erreicht wird, gäbe es keinen Grund davon auszugehen, dass ein derartiges Optimum generell für das im Anspruch 1 sehr allgemein definiertes Verfahren erhalten wird, d.h. unabhängig zum Beispiel von der chemischen Natur des Vernetzers, des Monomers und seines Neutralisationsgrads und der Konzentration dieser Verbindungen.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass es auch plausibel sein sollte, dass dieser Effekt von der Polymerisationschemie und damit von Monomer und Vernetzer unabhängig sei, ist in Ermangelung weiterer unterstützender Erläuterungen oder experimenteller Nachweise, nicht überzeugend. Der Absatz [0012] des Streitpatents gibt an, dass das erfindungsgemäße Verfahren besonders vorteilhaft ist, wenn der Vernetzer nach Art und Menge in der Monomerlösung nicht vollständig löslich ist und in der Monomerlösung zumindest teilweise dispergiert vorliegt. Dies deutet darauf hin, dass der Erfolg der vorliegenden Erfindung zumindest von der chemischen Natur des Monomers und seines Neutralisationsgrads, der Natur des Vernetzers und der Konzentration dieser Verbindungen abhängig ist, welche Merkmale des Verfahrens im vorliegenden Anspruch 1 keiner Einschränkung unterworfen sind.

Folglich gibt es keinen Grund zur Annahme, dass eine Verweilzeit zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt der Mischung in den Polymerisationsreaktor im Bereich von 1 bis 60 Sekunden zwangsläufig mit einer Verbesserung hinsichtlich des Gehalts an Restvernetzer und Extrahierbaren, d.h. unabhängig von Herstellungsbedingungen, koinzidieren muss. Dies gilt auch im Rahmen der in den Beispielen von D4 durchgeführten Verfahren, deren Bedingungen hinsichtlich der Wahl des Monomers, Vernetzers und deren Konzentration anders als in den Beispielen des Streitpatents sind.

8.3 Infolgedessen sind die von der Beschwerdegegnerin herangezogenen Beispiele 1 bis 3 des Streitpatents ungeeignet, um zu belegen, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 eine erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe gegenüber D4 darstellt. Folglich ist die vorstehend in Punkt 8 angeführte Aufgabenstellung umzuformulieren. Ausgehend vom Verfahren gemäß D4 als nächstliegendem Stand der Technik, liegt dem Streitpatent somit lediglich die erfolgreich gelöste Aufgabe zugrunde, ein weiteres Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymere bereitzustellen.

Naheliegen

9. Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte objektive Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens zu lösen. In dieser Hinsicht bezog sich die Beschwerdeführerin lediglich auf die Dokumente D28 und D2.

9.1 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass der Fachmann angesichts der Lehre in Spalte 9, Zeilen 41-44 von D4, nämlich, dass die Reihenfolge der Zugabe der Komponente nicht kritisch sei, im Hinblick auf D28 hinreichenden Grund gehabt hätte, das Verfahren gemäß D4 so abzuändern, dass der Vernetzer kurz vor der Polymerisation zugesetzt wird, wie im Beispiel 1 von D28 (Seite 8, Zeilen 35-47) beschrieben sei.

Die von der Beschwerdeführerin zitierte Passage von D4, in der Spalte 9, Zeilen, 41-44, beschreibt, dass die Reihenfolge des Mischens für das wasserlösliche Monomer, den Vernetzer, den Dispergiermittel und den Initiator unkritisch ist, solange eine gleichmäßige Dispergierung des Vernetzers erreicht wird. Wie von der Beschwerdegegnerin angegeben wird, findet nach dem Mischen der oben zitierten Komponenten, zu denen der Vernetzer gehört, und vor dem Eintritt in den Polymerisationsreaktor ein Neutralisierungsschritt statt (Spalte 9, Zeilen 52 bis 57), entsprechend der Lehre aller Beispiele von D4. Da die Neutralisation exothermisch verläuft, muss diese Reaktion langsam durchgeführt werden, so dass die Polymerisation nicht verfrüht initiiert wird (Spalte 9, Zeilen 46 bis 51; Spalte 11, Zeilen 38 bis 42). Daraus folgt, dass die Lehre von D28 und die aus D4 hinsichtlich des Zeitpunkts für den Zusatz des Vernetzers ohne weiteres, d.h. ohne eine weitere Änderung der Lehre von D4, nicht kompatible sind. Eine weitere, möglicherweise an sich naheliegende Maßnahme im Hinblick auf dem Stand der Technik, die die Kompatibilität der Lehre von D28 und D24 hinsichtlich der Verweilzeit zwischen der Zugabe des Vernetzters und dem Eintritt der Mischung in den Polymerisationsreaktor wiedererstellen ließe, wurde von der Beschwerdeführerin nicht genannt und ist dem ersten Anschein nach nicht ersichtlich.

9.2 Die Beschwerdeführerin brachte ebenfalls vor, dass der Fachmann unter Berücksichtigung der gemeinsamen Lehre in D4 und in D2 in einer naheliegenden Weise zu dem streitpatentgemäßen Verfahren gelangen würde. Insbesondere würden sowohl D4 als auch D2 (Absatz [0048]) beschreiben, dass eine ausreichende Homogenierung der Monomer und Vernetzer enthaltenden Lösung notwendig sei, um eine homogene Zusammensetzung zu erhalten. Gemäß Absatz [0004] von D2 sei des Weiteren notwendig, die Lösung nach Zusatz des Initiators schnell auf den Bandreaktor zu befördern, um die Verstopfung des Rohrs durch eine verfrühte Reaktion innerhalb dieses zu vermeiden. Wie im obigen Punkt 9.1 dargestellt, ist der Zusatz des Vernetzers kurz vor dem Eintritt der Mischung in den Polymerisationsreaktor innerhalb der Lehre von D4 nicht möglich, so dass, wie in Zusammenhang mit der Lehre von D28 im obigen Punkt 9.1 festgestellt wurde, die Lehre von D2 und die aus D4 hinsichtlich des Zeitpunkts für den Zusatz des Vernetzers ohne weiteres, d.h. ohne eine weitere Änderung der Lehre von D4, nicht kompatibel sind. Eine Angabe über eine weitere und möglicherweise vom Stand der Technik nahegelegte Maßnahme, um eine kurze Verweilzeit im Verfahren gemäß D4 zu erreichen, wurde wie oben dargestellt von der Beschwerdeführerin nicht gemacht und ist ohne weiteres nicht ersichtlich.

9.3 Die Begründung der Beschwerdeführerin, warum der Fachmann in Anbetracht der Lehren der Dokumenten D4 und D2 bzw. D28 ohne erfinderisches Zutun zum Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gelangt wäre, kann daher nicht überzeugen.

9.4 Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht erfinderisch sei, kann daher nicht überzeugen, womit die Kammer keinen Grund sieht, die Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich erfinderischer Tätigkeit des Verfahren des erteilten Anspruch 1 zu ändern.

Anspruch 11 - erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik

10. In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass die in D4 verwendete Vorrichtung den nächstliegenden Stand der Technik für die Vorrichtung zur kontinuierlichen Herstellung wasserabsorbierender Polymere gemäß vorliegendem Anspruch 11 bildet. Dies wird von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Die Beteiligten sind sich des Weiteren einig, dass D4 keine Angabe zu einem Venturi-Rohr iii) in der Zuleitung ii) zum Polymerisationsreaktor i) macht. Auf die Nachfrage der Kammer hin während der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdegegnerin, dass der Rückverweis auf das Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 10 kein weiteres Merkmal der Vorrichtung impliziert. Somit unterscheidet sich die Vorrichtung gemäß Anspruch 11 des Streitpatents von der aus D4 lediglich dadurch, dass sich ein Venturi-Rohr iii) in der Zuleitung ii) zum Polymerisationsreaktor i) befindet und, dass mindestens eine Zuleitung iv), die in das Venturi-Rohr iii) mündet, vorhanden ist, wobei die Länge der Zuleitung ii) zwischen Polymerisationsreaktor i) und Zuleitung iv) 0,5 bis 20 m beträgt.

Aufgabe und Lösung

11. Gemäß Ausführungen der Beschwerdegegnerin sei durch die Länge der Zuleitung ii) zwischen Polymerisationsreaktor i) und Zuleitung iv) von 0,5 bis 20 m der Vernetzerumsatz erhöht und der Anteil unvernetzter Polymere gesenkt, entsprechend der im Absatz [0006] des Streitpatents definierten erfindungsgemäßen Aufgabe. Die Verwendung eines Venturi-Rohrs führe nach Ansicht der Beschwerdegegnerin zu einer weiteren Verbesserung, d.h. sie leiste einen zusätzlichen Beitrag zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe. Dies sei nach Meinung der Beschwerdegegnerin durch die Beispiele des Streitpatents belegt.

11.1 Zusätzlich zu den in obigen Punkt 8.1 beschriebenen Beispielen 1 bis 3, die ein spezifisches Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung wasserabsorbierender Polymere beschreiben, werden im Streitpatent auch weitere Beispiele 4 bis 6 beschrieben. Bei diesen wird wie unter Beispiel 1 verfahren (Zugabeort des Vernetzers 2,5 m vor Reaktoreingang, entsprechend einer Verweilzeit des Vernetzers in der Monomerlösung vor dem Polymerisationsreaktor von 3,8 Sekunden), mit der Ausnahme, dass ein Venturi-Rohr mit einer spezifischen Geometrie zur Dosierung des Vernetzers eingesetzt wird. Die Beispielen 5 und 6 entsprechen dem Beispiel 4, mit der Ausnahme, dass der Vernetzer über vier, bzw. acht Rohrleitungen in das Venturi-Rohr dosiert wird.

11.2 Die von der Beschwerdegegnerin erwähnte weitere Verbesserung betrifft, wie in der Tabelle 2 des Streitpatents gezeigt, lediglich Eigenschaften (Restvernetzer und Gehalt an Extrahierbaren) des durch ein spezifisches Verfahren erhaltenen wasserabsorbierenden Polymers. Wie im obigen Punkt 8.2 angegeben, wurde es von der Beschwerdegegnerin nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verweilzeit zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt der Mischung in den Polymerisationsreaktor im Bereich von 1 bis 60 Sekunden (3,8 Sekunden im Fall der Beispielen 4 bis 6) zwangsläufig mit einer Verbesserung des Gehalts an Restvernetzer und Extrahierbaren des hergellten Polymers, d.h. unabhängig von Herstellungsbedingungen, koinzidieren muss. Analog zu dieser Schlussfolgerung kann eine bestimmte Länge der Zuleitung ii) zwischen Polymerisationsreaktor i) und Zuleitung iv) nicht ursächlich für diese Effekte sein, da die Verweilzeit zwischen der Zugabe des Vernetzers und dem Eintritt der Mischung in den Polymerisationsreaktor, wie von der Beschwerdeführerin betont, ebenfalls von der Durchflussrate der Monomerlösung abhängig ist.

Der Anspruch 11 ist lediglich auf eine Vorrichtung gerichtet, die keine Verfahrensmerkmale impliziert. Unter anderem wird mit dem Anspruch 11 weder angegeben welches Fluid (Flüssigkeit oder Gas) durch die Zuleitungen ii) und iv) durchlaufen soll, noch definiert, welche Funktion das Venturi-Rohr iii) haben soll. Allgemeine Vorteile einer Vorrichtung, die durch Verwendung einer Länge der Zuleitung ii) zwischen Polymerisationsreaktor i) und Zuleitung iv) von 0,5 bis 20 m und eines Venturi-Rohrs erhalten werden, wurden nicht angeben.

11.3 Folglich können die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Effekte nicht auf eines der kennzeichnenden Unterscheidungsmerkmale zwischen beanspruchter Vorrichtung und der im nächstliegenden Stand der Technik verwendeten Vorrichtung zurückgeführt werden. Infolgedessen ist die durch die Vorrichtung gemäß dem Anspruch 11 gelöste Aufgabe lediglich darin zu sehen, eine weitere Vorrichtung zur Herstellung wasserabsorbierender Polymere bereitzustellen.

Naheliegen

12. Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung durch den zitierten Stand der Technik nahegelegt ist. Hierzu zog die Beschwerdeführerin die Druckschriften D2 und D5 heran.

12.1 Ungeachtet dessen, ob die Beschreibung im Absatz [0031] von D2 von geeigneten Mischeinrichtungen die Verwendung eines Venturi-Rohrs nahelegt oder, dass D5 kein Venturi-Rohr/Düse, sondern einen Saugstrahler/Wasserstrahlpumpe beschreibt, wie von der Bescherwerdegegnerin argumentiert wird, gehörten Venturi-Rohre zum allgemeinen Fachwissen, was von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten ist.

Es gehörte ebenfalls zum allgemeinen Fachwissen, dass ein Venturi-Rohr geeignet ist, um zwei Fluide zu mischen (die Leitung, in der das Venturi-Rohr angebracht wird, bzw. die in das Venturi-Rohr mündet, wird hier als erste, bzw. zweite, Leitung genannt). Es gehörte nämlich zum allgemeinen Fachwissen, dass die aus dem Venturi-Rohr austretende Flüssigkeit mit hoher Geschwindigkeit in die erste Rohrleitung weiter fließt, womit ein Unterdruck an dem Anschluss mit der zweiten Leitung entsteht und die sich in der zweiten Leitung befindende zweite Flüssigkeit angesaugt und mit der in der ersten Leitung ankommenden Flüssigkeit gemischt wird. Daher hätte der Fachmann, der eine weitere Vorrichtung zur Herstellung wasserabsorbierender Polymer bereitstellen wollte, es als naheliegend gefunden, ein Venturi-Rohr als Mischapparat zu verwenden.

Darüber hinaus war die Verwendung von Venturi-Rohren für Messungen von Strömungsgeschwindigkeit und Volumenstrom dem Fachmann auch bekannt. Da die Funktion eines Venturi-Rohrs im Anspruch 1 nicht auf eine Mischfunktion eingeschränkt ist, da der Begriff Zuleitung im weitesten Sinn eine Leitung, die an den Druckentnahmestellen angebracht ist, nicht ausschließt, hätte der Fachmann es auch im Hinblick auf diese zweite bekannte Funktion eines Venturi-Rohrs als naheliegend gefunden, ein Venturi-Rohr anzuwenden, um eine weitere Vorrichtung zur Herstellung wasserabsorbierender Polymer bereitzustellen.

12.2 Hinsichtlich der Länge der Zuleitung ii) zwischen Polymerisationsreaktor i) und Zuleitung iv) von 0,5 bis 20 m, ist diese Länge, wie im Punkt 11.2 gezeigt, nicht kausal für einen technischen Effekt. Die Wahl dieser Länge der Zuleitung ii) zwischen Polymerisations-reaktor i) und Zuleitung iv), die somit als willkürlich zu betrachten ist, stellt jedoch wegen ihrer Beliebigkeit lediglich eine Routinetätigkeit für den Fachmann dar, die keines erfinderischen Zutuns seinerseits bedarf.

12.3 Die Kammer kommt daher aus den oben angeführten Gründen zu der Schlussfolgerung, dass die Vorrichtung gemäß dem geltenden Anspruch 11 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

13. Infolgedessen ist der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin nicht gewährbar.

Hilfsantrag 1

14. Die Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 1 entsprechen den Verfahrensansprüchen 1 bis 10 des Hauptantrags. Aus den obigen Punkten 2 bis 9.4 ist zu entnehmen, dass die Einwände der Bescherführerin gegen das im Streitpatent definierte Verfahren nicht durchgreifen. Der Hilfsantrag 1 ist somit gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schreiben vom 17. Dezember 2019, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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