European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T269316.20191025 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 October 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2693/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09768037.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08F 220/06 C08F 6/06 C08J 3/28 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR ABTRENNUNG METALLISCHER VERUNREINIGUNGEN | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | NIPPON SHOKUBAI KABUSHIKI KAISHA Evonik Degussa GmbH |
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Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) Hauptantrag | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 30. September 2016 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der die Einsprüche gegen das Europäische Patent Nr. 2 376 546 zurückgewiesen wurden.
II. Anspruch 1 des erteilten Patents lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel durch Polymerisation einer Monomerlösung oder -suspension, enthaltend
a) mindestens ein ethylenisch ungesättigtes, säuregruppentragendes Monomer, das zumindest teilweise neutralisiert sein kann,
b) mindestens einen Vernetzer,
c) mindestens einen Initiator,
d) optional ein oder mehrere mit den unter a) genannten Monomeren copolymerisierbare ethylenisch ungesättigte Monomere und
e) optional ein oder mehrere wasserlösliche Polymere,
wobei metallische Verunreinigungen aus einem wasserabsorbierende Polymerpartikel enthaltenden Produktmassenstrom mittels eines Magnetabscheiders abgetrennt werden, dadurch gekennzeichnet, dass der Produktmassenstrom eine Temperatur von 35 bis 90°C aufweist."
Ansprüche 2 bis 14 des Streitpatents waren vom Anspruch 1 abhängige Ansprüche.
III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter Anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: EP 1 422 257
D4: EP 1 118 633
D16: EP 1 754 725
D38: Versuchsprotokoll betreffend PF 61538 (EP 2376546) vom 18. April 2016
IV. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, soweit relevant für die vorliegende Beschwerde, kann wie folgt zusammengefasst werden:
a) Das Verfahren gemäß Hauptantrag unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D1 dadurch, dass die Temperatur des Produktmassenstroms zum Zeitpunkt der Magnetabscheidung 35 bis 90°C betrage.
b) Die Beispiele des Streitpatents seien für die erfinderische Tätigkeit nicht relevant, weil sie sich nicht mit der Magnetabscheidung befassten.
c) Das Versuchsprotokoll D38 zeige jedoch eine verbesserte Magnetabscheidung mit steigender Temperatur des Produktmassenstroms. Die Aussage der Patentinhaberin, nachdem HySorb T9700® wasserabsorbierende Polymerpartikel darstelle, sei glaubhaft.
d) Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe sei, ein Verfahren mit verbesserter Magnetabscheidung bereitzustellen.
e) Der Stand der Technik enthalte keine Lehre, die das Verfahren gemäß Hauptantrag nahelege.
V. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende 1 (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
VI. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) eine Erklärung zum Versuchsprotokoll betreffend PF 61538 (EP 2376546) vom 24. Februar 2017, unterzeichnet durch Herrn Thomas Pfeiffer, ein.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.
VIII. Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2019 teilte die Einsprechende 2 (weitere Verfahrensbeteiligte) mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
IX. Mit Schriftsatz vom 20. August 2019 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
X. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 25. Oktober 2019 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin und der weiteren Verfahrensbeteiligten, wie angekündigt, statt.
XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Anspruch 1 des Streitpatents unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D1 dadurch, dass bei der Abtrennung der metallischen Verunreinigungen die Temperatur des Produktmassenstroms bei 35 bis 90°C liege.
b) Der Versuchsprotokoll D38 sei nicht relevant, weil es nicht nachgewiesen sei, dass HySorb T9700® ein Polymer gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ist.
c) Sowohl in Beispiel 4 der D1 als auch in Beispiel 11 der D16 liege die Abtrennungsrate der metallischen Verunreinigungen bei 100%. Somit könne Anspruch 1 keine Verbesserung gegenüber D1 und D16 zeigen.
d) Die Abtrennung von metallischen Verunreinigungen aus dem Produktmassenstrom mache nur im letzten Verfahrensschritt Sinn. Gemäß Anspruch 1 des Streitpatents sei allerdings die Position des Magnetabscheiders in der Vorrichtung nicht festgelegt. Somit sei eine Verbesserung des Herstellungsverfahrens über die gesamte Anspruchsbreite nicht glaubhaft.
e) Die Aufgabe sei somit die Bereitstellung einer Alternative.
f) Der Betrieb einer Vorrichtung gemäß Streitpatent in einem Temperaturbereich von 35 bis 90°C sei dem Fachmann geläufig. Ein Hinweis darauf sei in D1 selbst gegeben. Der Temperaturbereich von 40 bis 100°C sei außerdem in D4 offenbart. Somit sei der beanspruchte Gegenstand auch im Falle der Anerkennung einer Verbesserung nicht erfinderisch.
XII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Der nächstliegende Stand der Technik D1 offenbare die Verwendung eines Magnetabscheiders zur Abtrennung metallischer Verunreinigungen aus wasserabsorbierenden Polymerpartikeln. Allerdings sei die Temperatur des Produktmassenstroms während der Abtrennung in D1 nicht offenbart.
b) Die Einstellung der Temperatur des Produktmassenstroms im Bereich von 35 bis 90°C resultiere in einer verbesserten Magnetabscheidung. Dies sei durch das Versuchsprotokoll D38 belegt. Die Erklärung zum Versuchsprotokoll vom 24. Februar 2017 belege zusätzlich, dass HySorb T9700® aus wasserabsorbierenden Polymerpartikeln gemäß Streitpatent bestehe. D38 sei daher relevant. Die gelöste Aufgabe sei daher die Verbesserung der Abscheidung von Verunreinigungen.
c) D1 beschreibe nur, dass beim Transport oder bei der Klassierung von Superabsorberpartikeln die Oberfläche der verwendeten Vorrichtung erwärmt sei. Die Temperatur der Superabsorberpartikel sei in D1 nicht offenbart.
d) In D4 sei auch lediglich die Erwärmung der inneren Oberflächen beim Transport von Superabsorberpartikeln gelehrt. Zusätzlich offenbare D4, dass die Superabsorberpartikel auf eine Temperatur von Umgebungstemperatur oder höher eingestellt seien. In D4 sei die Temperatur der Superabsorberpartikel bei der Abtrennung von metallischen Verunreinigungen mit einem Magneten auch nicht gelehrt.
e) Keines der im Einspruchsbeschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente offenbare einen Zusammenhang zwischen Temperatur des Superabsorbers und Magnetabscheidung. Ausgehend von D1, gebe es keine Veranlassung zur Lösung der Aufgabe die Temperatur des Superabsorbers im Bereich von 35 bis 90°C einzustellen. Somit beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 des Patents auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2376546.
XIV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Trotz ordnungsgemäßer Ladung nahmen die Beschwerdeführerin und die weitere Verfahrensbeteiligte, wie angekündigt, nicht an der mündlichen Verhandlung teil. Gemäß Regel 115(2) EPÜ und Artikel 15(3) VOBK wurde das Verfahren in ihrer Abwesenheit fortgesetzt.
Hauptantrag
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Die Einspruchsabteilung ist in ihrer Entscheidung von D1 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. D1 wurde auch im Beschwerdeverfahren als nächstliegender Stand der Technik von der Beschwerdeführerin und von der Beschwerdegegnerin gesehen.
2.2 In diesem Zusammenhang betrifft das Streitpatent ein Verfahren zur Abtrennung metallischen Verunreinigungen aus einem wasserabsorbierende Polymerpartikel enthaltenden Produktmassenstrom (Absatz 1).
2.3 D1 betrifft ebenfalls die Verwendung eines Magnetabscheiders zur Abtrennung metallischer Verunreinigungen aus wasserabsorbierenden Polymerpartikeln (Absatz 8).
2.4 Unter solchen Umständen stimmt die Kammer den Parteien zu, dass D1 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anzusehen ist.
2.5 Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdegegnerin sahen den Unterschied zwischen Anspruch 1 des Hauptantrags und D1, insbesondere dem Beispiel 4 dieses Dokumentes, in der Auswahl der Temperatur des Produktmassenstroms während der Abtrennung der metallischen Verunreinigungen mittels Magnetabscheiders in einem Bereich von 35 bis 90°C an. Die Kammer ist auch damit einverstanden.
2.6 Versuche zur Abscheidung von Eisenspänen an einem Magneten wurden von der Patentinhaberin mit dem Versuchsprotokoll D38 eingereicht. In diesen Versuchen wurde HySorb T9700® mit Eisenspänen vermischt. Die Abtrennung dieser Eisenspänen mittels Magnetabscheider wurde bei Raumtemperatur (20°C-23°C) und bei 40°C, 60°C und 80°C durchgeführt. Diese Versuche zeigen, dass die abgeschiedene Menge der Eisenspänen am Magneten mit der Temperatur steigt. Auf dieser Grundlage erkannte die Einspruchsabteilung eine Verbesserung der Magnetabscheidung gegenüber D1 an (Entscheidung der Einspruchsabteilung, Seite 15, Absatz 5).
2.7 In ihrer Beschwerde machte die Beschwerdeführerin geltend, dass D38 für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant sei, weil in D38 nicht belegt sei, dass das verwendete Material HySorb T9700® ein wasserabsorbierendes Polymermaterial gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei. Die Erklärung vom 24. Februar 2017 von Herrn Thomas Pfeiffer bestätigt allerdings, dass HySorb T9700® aus einer Monomerlösung enthaltend eine teilneutralisierte Acrylsäure, einen Vernetzer und eine Initiatormischung hergestellt wurde und somit als wasserabsorbierendes Polymermaterial gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags zu sehen ist. Diese Erklärung wurde nicht bestritten. Die Kammer sieht auch keinen Grund, Zweifel an dieser Erklärung zu haben. Infolgedessen gibt es keinen Grund, an der Relevanz von D38 und der darin gezeigten Verbesserung der Magnetabscheidung von metallischen Verunreinigungen zu zweifeln.
2.8 Darüber hinaus machte die Beschwerdeführerin geltend, dass eine solche Verbesserung nicht über die gesamte Breite des Anspruchs 1 des Streitpatents glaubhaft sei, da der Magnetabscheider, der gemäß Anspruch 1 nicht zwangsläufig im letzten Schritt des Verfahrens platziert sei, etwaige stromabwärts entstandenen metallischen Verunreinigungen nicht fangen könne.
2.9 Dieses Argument ist allerdings nicht zutreffend denn D38 zeigt, dass eine Verbesserung der Magnetabscheidung von metallischen Verunreinigungen nur durch Einstellung der Temperatur des Produktmassenstroms erreicht werden kann. So wird in D38 gezeigt, dass die Temperatur des Produktmassenstroms beim Durchströmen des Magnetabscheiders alleine kausal für die Verbesserung der Magnetabscheidung ist. Die Erhöhung der Effizienz der Magnetabscheidung ist dann an sich unabhängig von der Platzierung des Magnetabscheiders im Verfahren. Somit ist die Position des Magnets während der Herstellung der wasserabsorbierenden Polymerpartikeln gemäß Anspruch 1 des Streitpatents auch nicht kritisch für die Verbesserung der Magnetabscheidung.
2.10 Die Beschwerdeführerin hat in Bezug auf D38 zusätzlich geltend gemacht, dass eine Verbesserung des Verfahrens des nächstliegenden Stand der Technik gemäß Beispiel 4 der D1 nicht möglich wäre, da in diesem Verfahren die Abtrennungsrate die Maximalrate von 100% betrug. Dies sei auch gemäß Beschwerdeführerin im Beispiel 11 der D16 belegt. Allerdings waren dazu in beiden Verfahren mehrere Magneten notwendig, vier im Beispiel 4 der D1 und drei im Beispiel 11 der D16. Die Tatsache, dass die Abtrennungsrate nicht höher als 100% sein kann bedeutet allerdings nicht, dass die Abscheidung von metallischen Verunreinigungen in diesen Verfahren grundsätzlich nicht verbessert werden kann, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Effizienz der Abscheidung am Magneten, sowie dies durch D38 belegt wird.
2.11 Es bleibt zu klären, ob es für den Fachmann naheliegend ist, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass man zum beanspruchten Gegenstand kommt, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen.
2.12 D1 beschreibt, dass bei der Siebung der wasserabsorbierenden Polymerpartikel, das Sieb vorzugsweise erwärmt wird und dessen Temperatur 40°C bis 100°C betragen soll. Allerdings beschreibt D1 lediglich die Erwärmung der Herstellungsvorrichtung und nicht die Temperatur des Produktmassenstrom. Es kann auch aus D1 nicht entnommen werden, dass die Temperatur des Siebs in der Vorrichtung einen merkbaren Einfluss auf die Temperatur des durchlaufenden Produktmassenstroms hat. Ein Hinweis, die Temperatur des Produktmassenstrom im Bereich von 35°C bis 90°C einzustellen, um die o.g. Aufgabe zu lösen, ist deshalb in D1 nicht zu finden.
2.13 Es ist ferner festzustellen, dass sich keines der zitierten Dokumente D4 und D16 mit der Aufgabe der effizienteren Entfernung metallischer Verunreinigungen durch einen Magnetabscheider beschäftigt. Stattdessen betreffen die von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumente in Bezug auf die Temperatur der Vorrichtungselemente das Problem der Klebrigkeit von wasserabsorbierenden Polymerpartikeln aneinander oder deren Anhaftung an Apparaten (D4, Absätze 5-8, 37 und 45; D16, Absätze 1 und 10). Somit können diese Dokumente keinen Hinweis auf die Auswahl der Temperatur des Produktmassenstroms gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zur Verbesserung der Magnetabscheidung liefern.
2.14 Somit kann die Kammer auf der Basis der Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht zum Schluss kommen, dass sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus dem zitierten Stand der Technik ergibt und dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Streitpatents aufzuheben ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.