T 2682/16 (Wasch- oder Reinigungsmittel mit optischem Aufheller und Farbü … of 12.2.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T268216.20200212
Datum der Entscheidung: 12 Februar 2020
Aktenzeichen: T 2682/16
Anmeldenummer: 08786371.8
IPC-Klasse: C11D 3/37
C11D 3/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Farbschützendes Wasch- oder Reinigungsmittel mit optischem Aufheller
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Zulässigkeit der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Vergleichsversuche : (ja)
Zulässigkeit eines mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Dokuments : (nein)
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag) : (nein)
Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 bis 9 : (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents Nr. 2 176 392 in geändertem Umfang gemäß dem mit Schreiben vom 26. Februar 2015 eingereichten neuen Hauptantrag enthaltend Ansprüche 1 bis 12.

II. Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut:

"1. Wässriges Wasch- oder Reinigungsmittel, enthaltend Tensid(e) sowie weitere übliche Inhaltsstoffe von Wasch- oder Reinigungsmitteln, wobei das Mittel maximal 2 Gew.-% Fettsäureseife, mehr als 3 Gew.-% synthetisches anionisches Tensid, einen optischen Aufheller und einen Farbübertragungsinhibitor enthält, und einen pH-Wert im Bereich von 6,8 bis 7,2 aufweist."

III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) reichte mit ihrer Beschwerdebegründung Vergleichversuche (Annex 1) ein und erhob Einwände unter Artikel 56 EPÜ basierend insbesondere auf die Entgegenhaltungen E5 (EP 0596185 A1) und E1 (US 3,956,198).

IV. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 26. Juni 2017 verteidigte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) das Patent in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung, legte aber Hilfsanträge 1 bis 6 vor und reichte ein neues Dokument ein, nämlich

E6: Günter Wagner: Waschmittel, 4. vollständig überarbeitete Auflage, 2010.

Zudem beantragte sie, Annex 1 nicht zum Verfahren zuzulassen.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern, als das beanspruchte Mittel 5 bis 30 Gew.-% nichtionische Tenside enthält.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass das beanspruchte Mittel mindestens 8 Gew.-% synthetisches anionisches Tensid enthält.

V. Die Beschwerdeführerin reichte mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 weitere Vergleichversuche (Annex 2) ein und erhielt ihre Einwände unter Artikel 56 EPÜ gegen alle Anträge aufrecht.

Zudem beantragte sie, alle Hilfsanträge nicht zum Verfahren zuzulassen.

VI. In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung teilte die Kammer in ihrer Stellungnahme vom 11. November 2019 ihre vorläufige Meinung über die Schwerpunkte der Beschwerde mit, unter anderem die (Nicht) Zulässigkeit von Vergleichversuchen und Hilfsanträgen.

VII. In Erwiderung auf die Stellungnahme der Kammer legte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 27. November 2019 geänderte Hilfsanträge 3 bis 6 und neue Hilfsanträge 7 bis 9 vor. Darüber hinaus beantragte sie, Annex 2 nicht zum Verfahren zuzulassen.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 insofern, als das im beanspruchten Mittel enthaltene synthetische anionische Tensid, bezogen auf das Gesamtgewicht des Mittels, 0,01 bis 5 Gew.-% eines ethoxylierten Fettalkoholsulfats umfasst.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 dadurch, dass das beanspruchte Mittel, bezogen auf das Gesamtgewicht des Mittels, 0,001 bis 0,25 Gew.-% eines optischen Aufhellers und 0,02 bis 0,6 Gew.-% eines Farbübertragungsinhibitors enthält.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 insoweit, als der Farbübertragungsinhibitor aus Copolymeren von Vinylpyrrolidon und Vinylimidazol (PVP/PVI) ausgewählt ist.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 insofern, als der optische Aufheller aus der Substanzklasse der Distyrylbiphenyle ausgewählt ist.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 dadurch, dass das beanspruchte Mittel 0,01 bis 0,12 Gew.-% eines optischen Aufhellers enthält.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 insofern, als der Farbübertragungsinhibitor aus Polyvinylpyrrolidon (PVP), Polyvinylimidazol (PVI) und Copolymeren von Vinylpyrrolidon und Vinylimidazol (PVP/PVI) ausgewählt ist.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 insoweit, als das beanspruchte Mittel 0,01 bis 0,12 Gew.-% eines optischen Aufhellers ausgewählt aus Dinatrium-4,4'-bis-(2-morpholino-4-anilino-s-triazin-6-ylamino)stilbendisulfonat und/oder Dinatrium-2,2'-bis-(phenyl-styryl)disulfonat enthält.

VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 12. Februar 2020 statt. Mit den Parteien wurden insbesondere die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags ausgehend aus E5 als nächstliegendem Stand der Technik und die Zulässigkeit aller Hilfsanträge und Beweismittel erörtert.

IX. Die am Ende der mündlichen Verhandlung endgültigen Anträge der Parteien waren wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis einer der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit Schreiben vom 26. Juni 2017, oder der Hilfsanträge 3 bis 9, eingereicht mit Schreiben vom 27. November 2019.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Vergleichversuche (Annex 1)

1.1 Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Beschwerdebegründung Vergleichsversuche (Annex 1) eingereicht, um zu beweisen, dass der in den Vergleichsversuchen des Streitpatents gezeigte Effekt nicht über die gesamte Anspruchsbreite eintrete. Daher stellt die Einreichung des Annex 1 eine Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung dar, in der, trotz der gegenteiligen Argumentation der Einsprechenden, das Erhalten eines Effekts über die gesamte Anspruchsbreite anerkannt wurde (siehe Seite 10, fünfter und sechster vollständiger Absatz sowie Seite 11, zweiter voller Absatz).

1.1.1 In ihrer Stellungnahme hatte die Kammer mitgeteilt, dass sie dazu neige, Annex 1 zum Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).

1.1.2 Im Bezug darauf hat die Beschwerdegegnerin weder schriftlich in ihrer Erwiderung zur Stellungnahme der Kammer, noch mündlich in der mündlichen Verhandlung, weiteres vorgetragen.

1.1.3 Da für die Kammer kein Grund bestand, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen, hat sie folglich entschieden, Annex 1 zum Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).

2. Zulässigkeit des Dokuments E6

2.1 E6 wurde mit der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin eingereicht, um zu belegen, dass Vollwaschmittel üblicherweise alkalisch sind, also um ihre Stellung zugunsten der erfinderischen Tätigkeit gegenüber E5 zu stützen.

2.2 In ihrer Stellungnahme hatte die Kammer festgestellt, dass E6 ein Auszug aus einem im Jahr 2010 veröffentlichten Fachbuch sei, und dass daher E6 gegenüber dem Streitpatent (mit Prioritätsdatum vom 8. August 2007) keinen Stand der Technik unter Artikel 54 (2) EPÜ darstellte. Zudem bemerkte die Kammer, dass E6 nicht eindeutig offenbart, was genau am Prioritätsdatum des Streitpatents als vorhandenes allgemeines Fachwissen anzusehen sei.

2.3 In ihrer Erwiderung auf die Stellungnahme der Kammer hat die Beschwerdegegnerin erneut ausgeführt, dass E6 eingereicht wurde, um zu belegen, dass Vollwaschmittel üblicherweise alkalisch sind, und daher nicht in den beanspruchten pH-Bereich fallen.

2.4 In der mündlichen Verhandlung wurde von der Kammer die Auffassung vertreten, dass das in E6 wiedergegebene Fachwissen eher feste Wasch- oder Reinigungsmittel betreffe, anstatt flüssige Waschmittel wie in E5 offenbart, so dass E6 für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit keine Relevanz habe.

Im Bezug auf die Zulässigkeit von E6 hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung nichts weiteres vorgetragen.

2.5 Daher bestand für die Kammer kein Grund von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen.

2.6 Folglich hat die Kammer entschieden, E6 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).

3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1

3.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft ein wässriges Wasch- oder Reinigungsmittel, dass Tenside, einen optischen Aufheller und einen Farbübertragungsinhibitor enthält (siehe auch Absatz [0001] des Streitpatents).

Es ist der Beschreibung des Streitpatents (Absätze [0005] und [0006]) auch zu entnehmen, dass optische Aufheller und Farbübertragungsinhibitoren in einer flüssigen, insbesondere wässrigen, Waschmittelmatrix mit herkömmlicher Zusammensetzung nicht kompatibel seien. So führe das gleichzeitige Einarbeiten eines optischen Aufhellers und eines polymeren Farbübertragungsinhibitors in eine flüssige Waschmittelmatrix sofort zu einer starken Trübung und anschließender Phasenseparation. Dies sei insbesondere von Nachteil, wenn die flüssigen Wasch- oder Reinigungsmittel, beispielweise aus ästhetischer Sicht, klar und transparent oder zumindest transluzent sein sollten.

Es wird deshalb mit der Erfindung (siehe Streitpatent Absatz [0007]) die Zielsetzung verfolgt, ein lagerstabiles, wässriges Wasch- oder Reinigungsmittel bereitzustellen, welches einen optischen Aufheller und einen Farbübertragungsinhibitor enthält.

3.2 Es bestand Einigkeit zwischen den Parteien, dass E5 (Seite 2, Zeilen 10-11 und 18-22 sowie Seite 7, Zeilen 33-42) die gleiche Zielsetzung wie die des Streitpatents verfolgt, und daher einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Insbesondere stellt eines der Beispiele I bis IV aus der Tabelle auf Seite 7 der E5 die nächstliegende Ausführungsform dar.

Die Kammer hat keinen Grund zu einer anderen Beurteilung zu kommen.

3.3 Es ist auch unstreitig, dass E5 bereits eine Lösung der im Streitpatent identifizierten technischen Aufgabe bietet, und dass die flüssigen Formulierungen des nächstliegenden Standes der Technik lagerstabil und transluzent sind.

3.3.1 E5 wurde aber in der ursprünglich eingereichten Anmeldung des Streitpatents nicht gewürdigt, also bei der Formulierung der Aufgabe nicht berücksichtigt.

3.3.2 In Bezug auf die im Streitpatent enthaltenen Vergleichversuche ist also anzumerken, dass die getesteten Formulierungen E1, E2 und V1 mit den Waschmitteln des nächstliegenden Standes der Technik E5, die 5 bis 30 Gew.-% nicht-aromatische anionische Tenside enthalten, nicht vergleichbar sind. Daher können diese Versuche weder eine Verbesserung gegenüber den Formulierungen von E5 belegen, noch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant sein.

3.3.3 Folglich kann die zu lösende technische Aufgabe bestenfalls so formuliert werden, als die Bereitstellung eines weiteren flüssigen, lagerstabilen, wässrigen Wasch- oder Reinigungsmittels, welches einen optischen Aufheller und einen Farbübertragungsinhibitor enthält.

3.3.4 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein wässriges Wasch- oder Reinigungsmittel nach Anspruch 1 vor, das Tensid(e) sowie weitere übliche Inhaltsstoffe von Wasch- oder Reinigungsmitteln enthält, wobei das Mittel maximal 2 Gew.-% Fettsäureseife, mehr als 3 Gew.-% synthetisches anionisches Tensid, einen optischen Aufheller und einen Farbübertragungsinhibitor enthält, und einen pH-Wert im Bereich von 6,8 bis 7,2 aufweist.

3.4 Es ist unstreitig, dass die im Annex 1 enthaltenen Vergleichsversuche zeigen, dass einige unter der Breite des Anspruchs 1 fallenden Wasch- oder Reinigungsmittel nicht lagerstabil sind, im Gegensatz zu den im Streitpatent aufgeführten Formulierungen E1 und E2. Jedoch wird die Kammer im Folgenden, zugunsten der Beschwerdegegnerin, annehmen, dass die obige Aufgabe über den gesamten Anspruchsbreite durch das Wasch- oder Reinigungsmittel des Anspruchs 1, gelöst worden ist.

3.5 Die Waschmittel der Bespiele I bis IV der E5 enthalten bereits mehr als 3 Gew.-% synthetisches anionisches Tensid (Alkylsulfate und/oder ethoxylierte Alkylsulfate), einen optischen Aufheller (Brigthener FWA-36) und einen Farbübertragungsinhibitor (Polyvinylpyrrolidon oder Poly(4-vinylpyridine)-N-oxid) sowie weitere übliche Inhaltsstoffe von Wasch- oder Reinigungsmitteln.

3.5.1 E5 offenbart keinen pH-Wert für die Formulierungen I bis IV. Die Kammer stimmt jedoch der Beschwerdegegnerin zu, dass diese Formulierungen höchstwahrscheinlich einen pH-Wert eher im alkalischen Bereich und auf jeden Fall außerhalb des beanspruchten Bereichs aufweisen.

3.5.2 Der Offenbarung der E5 kann zudem nicht eindeutig entnommen werden, ob die in den veranschaulichten Formulierungen aufgelisteten Fettsäure unverseift sind, oder durch die in den Formulierungen verwendeten Monethanolamin mindestens zum Teil verseift worden sind. Die Kammer nimmt jedoch im Folgenden zugunsten der Beschwerdegegnerin an, dass die Formulierungen I bis IV mehr als 2 Gew.-% Fettsäureseife enthalten.

3.5.3 Daher unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag vom nächstliegenden Stand der Technik E5 dadurch, dass er

- maximal 2 Gew.-% Fettsäureseife enthält und

- einen pH-Wert innerhalb des beanspruchten Bereichs von 6,8 bis 7,2 aufweist.

3.5.4 Es bleibt daher zu entscheiden, ob sich der mit der obigen technischen Aufgabe befasste Fachmann die Veranlassung gehabt hätte, die Formulierungen des nächstliegenden Standes der Technik E5 so zu verändern, dass sie nicht mehr als 2 Gew.-% Fettsäureseife enthielten und einen pH-Wert im Bereich von 6,8 bis 7,2 aufwiesen.

3.6 Es ist aus der gesamten Offenbarung der E5 (Seite 2, Zeilen 21-29; Seite 7, Zeilen 36-39 und Anspruch 1) eindeutig zu entnehmen, dass die Anwesenheit von 5 bis 30 Gew.-% an nicht-aromatischen anionischen Tensiden entscheidend ist, um ein einen optischen Aufheller und Farbübertragungsinhibitoren enthaltendes lagerstabiles Waschmittel zu erhalten. Als geeignete nicht-aromatische anionische Tenside werden in E5 (Seite 4, Zeile 52 bis Seite 5, Zeile 23) Fettsäureseife und weitere anionische Tenside aufgelistet, die in den Formulierungen I bis IV bereits enthalten sind (Alkylsulfate und ethoxylierte Alkylsulfate).

Es war daher für den Fachmann naheliegend, jedes der aufgelisteten anionischen Tenside einzusetzen, um ein weiteres flüssiges, wässriges, lagerstabiles Waschmittel bereitzustellen, vorausgesetzt dass die Gesamtmenge an nicht-aromatischen anionischen Tensiden 5 bis 30 Gew.-% beträgt.

Daher war der Fachmann, aufgrund der eindeutigen Lehre der E5, veranlasst, die in den Formulierungen I bis IV enthaltenen Fettsäureseife durch andere genauso geeignete anionische Tenside zu ersetzen, oder ganz auf diese Fettsäureseifen zu verzichten, vorausgesetzt dass die Gesamtmenge der nicht-aromatischen anionischen Tenside in den Formulierungen im Bereich von 5 bis 30 Gew.-% bleibt.

3.6.1 Angesichts der eindeutigen Lehre der E5, dass Waschmittel mit einer Gesamtmenge an nicht-aromatischen anionischen Tenside im Bereich von 5 bis 30 Gew.-%, mit oder ohne Fettsäureseifen, lagerstabil sind, ist die im Streitpatent (Absatz [0016]) erwähnte gegenteilige angebliche Feststellung, dass die Gegenwart von Fettsäureseifen negativ auf die Stabilität der Wasch- oder Reinigungsmittel auswirke, nicht relevant. Zudem, wie bereits in der angefochtenen Entscheidung erkannt wurde (Seite 10, 5. vollständiger Absatz), fehlt im Streitpatent jeglicher Beweis für diese angebliche Feststellung.

3.6.2 Daher lag die Einschränkung auf Waschmittel, die nicht mehr als 2 Gew.-% Fettsäureseife enthalten, gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik E5 nahe.

3.7 Darüber hinaus enthält E5 keinen ausdrücklichen Hinweis, dass die offenbarten Mittel nur Universal- oder Vollwaschmittel und unbedingt alkalisch sein müssen. Daher kann die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht teilen, dass für den Fachmann eindeutig sei, dass E5 sich nur auf solche alkalische Mittel beziehe.

3.7.1 Es war in diesem Zusammenhang dem Dokument E1, das auch flüssige Waschmittel wie E5 betrifft, eindeutig zu entnehmen, dass ein neutraler pH-Wert von circa 7 für das Waschen von empfindlichen Textilien, wie Seide, Wolle und feinem Baumwolle, geeignet sei.

3.7.2 Die Kammer kann sich in diesem Zusammenhang dem Argument der Beschwerdegegnerin nicht anschließen, dass der Fachmann die Lehre der E1 nicht berücksichtigt hätte, da sie für die Einstellung eines neutralen pH-Wertes Aminopolyessigsäure einsetzt, die in den Beispielen der E5 nicht verwendet wird (Spalte 2, Zeilen 27-31; Spalte 3, Zeilen 28-34; Beispiel I und II). In der Tat können Aminopolyessigsäure wie EDTA auch in den Waschmitteln der E5 eingesetzt werden (siehe Seite 6, Zeile 8). Daher war für die Kammer der Fachmann veranlasst, die Lehre der E1 im Bezug auf die besondere Einigung von neutralen pH-Werten für das Waschen von empfindlichen Textilien zu berücksichtigen und gegebenenfalls zu verwenden.

3.7.3 Da nach der Lehre der E5 nur die Menge an nicht-aromatischen anionischen Tensiden und nicht der pH-Wert entscheidend ist, um eine lagerstabile Formulierung zu erhalten, wäre es für den Fachmann naheliegend gewesen, den pH-Wert der Formulierungen I bis IV im neutralen Bereich, zum Beispiel im Bereich von 6,8 bis 7,2, einzustellen um ein weiteres flüssiges, lagerstabiles, wässriges Waschmittel bereitzustellen.

3.7.4 Die Kammer hat also keinen Grund von ihrer mit der vorläufigen Meinung mitgeteilten Stellungnahme abzuweichen, dass E5 keine zwingende Einschränkung bezüglich des Einsatzgebiets und des pH-Wertes der offenbarten Waschmittel enthält. Daher lag es für den Fachmann auch nahe, die Waschmittel der Formulierungen I bis IV der E5 auf einen beliebigen pH-Wert einzustellen, zum Beispiel auf einen neutralen pH-Wertbereich von 6,8 bis 7,2, um gegebenenfalls ein für empfindliche Textilien geeignetes Waschmittel bereitzustellen.

3.7.5 Daher hat die Kammer keinen Grund von ihrer in der Stellungnahme gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 geäußerten vorläufigen Meinung abzuweichen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber E5 nahelag (Artikel 56 EPÜ).

3.8 Die Kammer entschied folglich, dass der Hauptantrag nicht gewährbar ist, weil er nicht mit den Erfordernissen des EPÜ im Einklang steht.

4. Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 und 2

4.1 Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden von der Beschwerdegegnerin erstmals mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat unter anderem ihre Zulässigkeit beanstandet.

4.2 Bezüglich der für die Einreichung dieser Anträge angegebenen Gründe wurde in besagten Erwiderung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit lediglich folgendes angemerkt:

"Die oben für den Hauptantrag vorgebrachte Argumentation zum Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gilt mutatis mutandis für die Hilfsanträge".

Daher enthielt die Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin keinen Sachvortrag warum der geänderte Anspruch 1 dieser Hilfsanträge die Einwände der Beschwerdeführerin in Bezug auf die geltend gemachte mangelnde erfinderische Tätigkeit ausräumen/überwinden würden.

4.3 Gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 muss das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Artikel 12 (1) VOBK 2007 von der Kammer berücksichtigt werden, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse des Artikels 12, Absatz 2 erfüllt sind.

Gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2007 müssen jedoch die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten.

Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung

aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen.

4.4 Auf diese Feststellung kann die im Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 27. November 2019 enthaltene verspätete Ergänzung (nämlich, dass die Hilfsanträge 1 bis 6 in Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin, insbesondere die im Beschwerdeverfahren erstmalig vorgebrachten Vergleichsversuche (Annex 1), eingereicht wurden und das Argument, dass das der Erfindung zugrunde liegende Problem nicht über die gesamte Breite der erteilten Ansprüche gelöst sei, adressieren, indem sie die beanspruchten Formulierungen weiter einschränken, womit, wie in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie den Beispielen des Streitpatents näher kommen) nichts ändern.

4.5 Es ist daher eindeutig, dass im vorliegenden Fall, in Abwesenheit eines Sachvortrags betreffend die erfinderische Tätigkeit, die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK 2007 in Bezug auf die Hilfsanträge 1 und 2 nicht erfüllt worden sind, und dass daher diese Hilfsanträge, wie bereits in der Stellungnahme der Kammer mitgeteilt, nicht zum Verfahren zuzulassen sind.

4.6 Die Kammer entschied daher, die Hilfsanträge 1 und 2 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2007).

5. Zulässigkeit der Hilfsanträge 3 bis 6

5.1 Die mit der Erwiderung zur Stellungnahme der Kammer eingereichten Hilfsanträge 3 bis 6 sind den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträgen 3 bis 6 identisch, mit der Ausnahme einer als Reaktion zur Stellungnahme hinzugefügten Klarstellung ("bezogen auf das Gesamtgewicht des Mittels") im Wortlaut der unabhängigen Ansprüche.

5.2 Da die früheren Hilfsanträge 3 bis 6 aus den gleichen Gründen wie die Hilfsanträge 1 und 2, nicht in das Beschwerdeverfahren hätten zugelassen werden können (siehe 4.4 - 4.5 oben), hat die Kammer entschieden, auch diese im Vergleich zum früheren Hilfsanträgen 3 bis 6 leicht veränderten Hilfsanträge 3 bis 6 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) und 13 VOBK 2007).

6. Zulässigkeit der Hilfsanträge 7 bis 9

6.1 Die in Erwiderung zur Kammermitteilung mit Schreiben vom 27. November 2019 eingereichten Hilfsanträge 7 bis 9 sind Anträge, deren Zulassung im Ermessen der Kammer steht (Artikel 13 VOBK 2007).

6.2 Es ist der Erwiderung zu entnehmen, dass diese Hilfsanträge eingereicht wurden, als bona fide Versuch der Beschwerdegegnerin auf die von der Beschwerdekammer erwähnten potentiellen Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ bzw. die von der Beschwerdeführerin eingereichten Experimente (Annex 2) zu reagieren. Das wurde in der mündlichen Verhandlung auch geltend gemacht.

6.3 Die Kammer merkt jedoch an, dass die Vergleichversuche in Annex 2 von der Beschwerdeführerin bereits mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 eingereicht wurden.

6.4 Im Schreiben vom 27. November 2019 liegt weder eine Begründung vor, warum diese Hilfsanträge erst fast zwei Jahre später vorgelegt worden sind, noch einen vollständigen Sachvortrag, warum die jeweils geänderten Ansprüche 1 prima facie alle Einwände ausräumen würden.

6.5 Die diesbezüglich in der Erwiderung enthaltene pauschale Feststellung "Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Formulierungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1-9 gelöst" kann nicht ausreichend sein.

6.6 Es ist für die Kammer prima facie nicht ersichtlich, dass die geänderten Gegenstände dieser Hilfsanträge alle von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände ausräumen/überwinden können. Zum Beispiel ist es prima facie ersichtlich, dass einige der geänderten Merkmale, wie zum Beispiel die Menge des optischen Aufhellers, bereits von den Formulierungen des nächstliegenden Standes der Technik vorweggenommen werden.

6.7 Die Kammer hat daher entschieden, die verspäteten Hilfsanträge 7 bis 9 nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13 VOBK 2007).

7. Zulässigkeit der weiteren Vergleichversuche (Annex 2)

7.1 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin die Zulässigkeit der mit ihrem Schreiben vom 13. Dezember 2017 eingereichten weiteren Vergleichsversuche (Annex 2) nur für den Fall beantragt, dass die Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin zugelassen werden.

7.2 Da diese Hilfsanträge von der Kammer nicht zum Verfahren zugelassen wurden, erübrigte sich für die Kammer die Notwendigkeit, eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Annex 2 zu treffen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochten Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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