T 2650/16 (Verfahren zur gleichmäßigen Dampferzeugung/THYSSENKRUPP) of 6.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T265016.20181106
Datum der Entscheidung: 06 November 2018
Aktenzeichen: T 2650/16
Anmeldenummer: 10714568.2
IPC-Klasse: B01J 8/06
C07C 5/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR GLEICHMÄSSIGEN DAMPFERZEUGUNG AUS DER ABWÄRME EINER ALKANDEHYDRIERUNG
Name des Anmelders: thyssenkrupp Industrial Solutions AG
Name des Einsprechenden: Linde AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das Europäische Patent Nr. 2 406 000 unter Berücksichtigung der Änderungen auf der Grundlage des Hilfsantrags 1 datiert vom 6. September 2016 und der Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ, insbesondere jenen der ausreichenden Offenbarung, der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit, genüge. Das Patent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur gleichmäßigen Dampferzeugung aus der Abwärme einer Alkandehydrierung.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurden u.a. folgende Dokumente zitiert:

D6: DE 32 30 517 A1

F3: Effenberger, H., Abwärme-Dampferzeuger, In: Effenberger, H. (Hrsg.), Dampferzeugung, Berlin/Heidelberg, Springer, 2000, Seiten 598 bis 610.

III. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin folgendes Dokument ein:

F5: Walker, E., und Blaen, R.J., in: Plant Engineer's Handbook, Mobley, K.R. (Hrsg.), Butterworth, Heinemann (2001), Seiten 387 und 389 bis 413.

IV. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) einen als "ersten Hilfsantrag" bezeichneten Hilfsantrag und folgendes Dokument ein:

D10: EP 0 179 322 B1.

V. Der Wortlaut von Anspruch 1 des Hauptantrags ("Hilfsantrag 1" datiert vom 6. September 2016) entspricht demjenigen von Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung und ist wie folgt:

"1. Verfahren zur gleichmäßigen Dampferzeugung aus der Abwärme einer Alkandehydrierung, wobei

• ein Festbettkatalysator in einem oder mehreren Reaktionsrohren untergebracht ist, in welchem eine endotherme Reaktion unter Durchströmung eines zu reagierenden Gasgemisches durchgeführt wird, und

• das oder die Reaktionsrohre von außen durch Verbrennung eines Heizgases in einem Heizraum beheizt werden, durch welchen die Reaktionsrohre zur Durchführung der endothermen Reaktion geführt werden, und

• die Reaktion in dem oder den Reaktionsrohren in einem begrenzten Zeitraum zyklisch durchgeführt wird, wobei der nicht für die Reaktion genutzte Zeitraum für die Regenerierung des Katalysators durch Überleitung eines sauerstoff- oder wasserdampfhaltigen Gases oder einem Gemisch [sic] dieser Gase genutzt wird, und

• der durch die Beheizung der Reaktionsrohre entstehende Rauchgasstrom aus dem Heizraum ausgeführt wird und dieser bei der Ausführung über einen Dampferzeuger zur Erzeugung von Dampf genutzt wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

• sich im Rauchgasfluss hinter den zu beheizenden Reaktionsrohren mindestens ein Hilfsbrenner befindet, durch den ein Rauchgasstrom erzeugt wird, der nicht mit den zu beheizenden Reaktionsrohren in Kontakt kommt und durch den der Rauchgasstrom an den Wärmeaustauschflächen des Dampferzeugers während der Regenerierung in der Menge erhöht wird."

VI. Der Wortlaut von Anspruch 1 des Hilfsantrags entspricht demjenigen von Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei am Ende noch folgendes Merkmal hinzugefügt wurde:

", so dass eine konstante Menge an Dampf über den gesamten Zyklus "Produktion-Regeneration" bereitgestellt wird."

VII. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2018 teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde in der Folge aufgehoben.

VIII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags erfülle nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf eine Kombination aus D6 und dem allgemeinen Fachwissen, welches sich insbesondere aus F3 und F5 ergebe.

IX. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:

F5 sei nicht zum Verfahren zuzulassen. Dieses Dokument sei nicht relevant, weil der dort offenbarte Hilfsbrenner im Falle der zyklisch zueinander verschobenen Reaktoren überflüssig sei. D6 betreffe Reaktoren, welche in ihren Zyklen zueinander verschoben seien, was zu einer Vergleichmäßigung der Summe der Eingangs- und der Ausgangsströme führe, sodass diese konstant blieben. Dabei werde eine zentrale Wärmenutzung gelehrt. Das Merkmal "bei der Ausführung des Rauchgasstromes aus dem Heizraum" in Anspruch 1 spiegle jedoch eine dezentrale Wärmenutzung wider. Das genannte Merkmal sei daher nicht in D6 offenbart. Der Fachmann würde auch nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen, da keines der zitierten Dokumente eine dezentrale Abwärmenutzung lehre und der Fachmann auch keine solche in D6 implementieren würde, da er nicht für jeden einzelnen Reaktor eine eigene Abwärmenutzung vorsehen würde. Die im Stand der Technik offenbarte zentrale Abwärmenutzung bei zyklisch zueinander verschobenen Reaktoren führe bereits zu einer im Wesentlichen konstanten Dampfproduktion wie dies insbesondere aus D10 hervorgehe, weshalb der Fachmann nicht veranlasst sei, die unterschiedlichen Zyklusphasen eines einzelnen Reaktors über einen Hilfsbrenner in der Abwärmenutzung auszugleichen.

X. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags.

Entscheidungsgründe

1. Antrag der Beschwerdegegnerin auf mündliche Verhandlung

Gemäß der ständigen Rechtsprechung ist die Ankündigung der Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung als Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung anzusehen. Deshalb konnte die Entscheidung auch ohne Abhaltung der mündlichen Verhandlung ergehen.

2. Zulassung des Dokuments F5

2.1 Die Beschwerdegegnerin tritt der Zulassung dieses Dokuments entgegen. Dieses sei nicht relevant, weil der dort offenbarte Hilfsbrenner im Falle der zyklisch zueinander verschobenen Reaktoren überflüssig sei.

2.2 Es ist festzustellen, dass F5 als Beleg für allgemeines Fachwissen dienen soll und dass die Beschwerdegegnerin nicht bestreitet, dass F5 dazu geeignet ist, dieses Fachwissen zu belegen. Die Einreichung von F5 kann auch als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung angesehen werden, in der es heißt, das durch F3 belegte allgemeine Fachwissen enthalte keine Lehre dahingehend, bei der Drosselung des Hauptbrenners im Heizraum während der Regeneration einen Hilfsbrenner zum Einsatz kommen zu lassen. Der Einsatz eines Hilfsbrenners bei einer solchen intermittierenden Rauchgasquelle wird jedoch explizit in F5 angesprochen (Abschnitt 23.3.8).

2.3 Aus den genannten Gründen sieht die Kammer keinen Grund, F5 nicht zum Verfahren zuzulassen. Insofern kann auch dahinstehen, ob F5 im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätte eingereicht werden können bzw. sollen (vgl. Artikel 12(4) VOBK).

3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

3.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur gleichmäßigen Dampferzeugung aus der Abwärme einer Alkandehydrierung.

3.2 D6 kann als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.

Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass, abgesehen vom Merkmal "bei der Ausführung", D6 alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 offenbart (vgl. insbesondere Fig. 1 von D6).

3.2.1 Hinsichtlich des Merkmals "bei der Ausführung" trägt die Beschwerdegegnerin vor, dieses impliziere, dass der Dampferzeuger "in der Nähe" des Heizraumes angeordnet sei und insbesondere "innerhalb des ersten Drittels des Rauchgaskanals, also im Eingangsbereich desselbigen oder im Ausgangsbereich des Heizraumes hinter den Reaktionsrohren angeordnet ist" (Seite 6 der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung, letzter vollständiger Absatz)

3.2.2 Was das Verfahren nach D6 betrifft, so entspricht der Ofen 10 mit seinem "beheizte[n] Teil" 17 und dem "Wärmerückgewinnungsteil" 9 dem "Heizraum" gemäß Anspruch 1. Aus diesem wird der Rauchgasstrom über den Wärmerückgewinnungsteil 9 über die Leitung 36 ausgeführt. Der Abhitzekessel für die Dampferzeugung (Dampferzeuger) 13 ist dabei jedenfalls "in der Nähe" des Heizraums, nämlich "innerhalb des Heizraums", anschließend an die Reaktionsrohre, angeordnet. Damit wird auch in D6 der Rauchgasstrom "bei der Ausführung über den Dampferzeuger zur Erzeugung von Dampf genutzt", wie dies in Anspruch 1 gefordert wird. Eine Auslegung, wonach der Dampferzeuger "innerhalb des ersten Drittels des Rauchgaskanals" angeordnet sein soll, lässt sich Anspruch 1 insbesondere deshalb nicht entnehmen, weil in Anspruch 1 nicht von einem "Rauchgaskanal" die Rede ist. Darüber hinaus schließt Anspruch 1 jedenfalls nicht die Anordnung des Dampferzeugers innerhalb des Heizraums und in der Nähe des Bereichs, in dem die Rauchgase aus dem Heizraum abgezogen bzw. ausgeführt werden, aus. Eine solche Anordnung wird jedoch in D6 offenbart. Mithin offenbart D6 alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1.

3.2.3 Es steht außer Streit, dass D6 nicht die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 offenbart.

3.3 Gemäß Absatz [0010] bestand die dem Patent zu Grunde liegende Aufgabe darin, ein Verfahren zur endotherm katalysierten Herstellung eines Alkens bereitzustellen, das eine während der Regenerationsphase möglichst hohe Menge an Rauchgas zum Betrieb eines Dampferzeugers bereitstellt, so dass eine konstante Menge an Dampf über den gesamten Zyklus "Produktion-Regeneration" erzeugt werden kann.

3.4 Gemäß Anspruch 1 wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch ein Verfahren zu lösen, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass sich im Rauchgasfluss hinter den zu beheizenden Reaktionsrohren mindestens ein Hilfsbrenner befindet, durch den ein Rauchgasstrom erzeugt wird, der nicht mit den zu beheizenden Reaktionsrohren in Kontakt kommt und durch den der Rauchgasstrom an den Wärmeaustauschflächen des Dampferzeugers während der Regenerierung in der Menge erhöht wird.

3.5 Was den Erfolg der vorgeschlagenen Lösung betrifft, so wird in D6 in der Regenerationsphase bereits eine im weitesten Sinne "möglichst hohe Dampfmenge" produziert und eine konstante Menge an Dampf über den gesamten Zyklus erzeugt. Diese Ansicht wird auch von der Beschwerdegegnerin u.a. mit Verweis auf D10 vertreten (vgl. auch die angefochtene Entscheidung, Punkt 4.2.6). So wird das Verfahren in D6 kontinuierlich betrieben und die einzelnen Reaktoren kommen zueinander zyklisch versetzt zum Einsatz (vgl. Seite 13, dritter Absatz der Beschwerdeerwiderung). Dies führt dazu, dass im Wesentlichen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens eine gleiche Anzahl an Reaktoren im Reaktionsmodus sind und damit eine im Wesentlichen konstante Menge an Rauchgas mit im Wesentlichen konstanter Enthalpie dem Dampferzeuger zugeführt wird, was zur Erzeugung einer im Wesentlichen konstanten Dampfmenge führt.

Die Aufgabe ist daher umzuformulieren und besteht in der Bereitstellung eines Verfahrens mit erhöhter Menge an erzeugtem Dampf.

3.6 Was das Naheliegen betrifft, so ist es allgemeines Fachwissen, bei Abwärmedampferzeugern eine Zusatzfeuerung, d.h. einen Hilfsbrenner, vorzusehen, um die Erhöhung der maximalen Dampfmenge zu ermöglichen, insbesondere, wenn die eigentliche Rauchgasquelle intermittierend arbeitet (F5, Abschnitt 23.3.8; vgl. auch F3, Seite 600, zweiter vollständiger Absatz). Vor die genannte Aufgabe gestellt würde der Fachmann daher einen Hilfsbrenner in D6 am Ort der Dampferzeugung, d.h. auf der Höhe des Abhitzekessels 13, vorsehen. Bei einer solchen Anordnung befindet sich der Hilfsbrenner somit im Rauchgasfluss hinter den zu beheizenden Reaktionsrohren und erzeugt einen Rauchgasstrom, der nicht mit den zu beheizenden Reaktionsrohren in Kontakt kommt. Dabei würde der Fachmann diesen Hilfsbrenner kontinuierlich betreiben, um die in D6 konstant erzeugte Dampfmenge auf ein höheres Niveau anzuheben und so die gestellte Aufgabe zu lösen. Bei einem kontinuierlichen Betrieb des Hilfsbrenners erhöht dieser zwangsläufig die Dampfmenge auch während der Regenerierung in zumindest einem der Reaktionsrohre. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Anspruch 1 nicht ausschließt, dass der Hilfsbrenner auch zur Erhöhung der Dampfmenge während der Reaktionsphase eingesetzt wird. Somit würde der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach Anspruch 1 auf eine "dezentrale" Dampferzeugung gerichtet sei, bei der am Ausgang eines jeden Reaktionsrohres ein Hilfsbrenner angeordnet sei, und der Fachmann keine Veranlassung gehabt habe, D6 derart abzuwandeln, verfängt nicht. So wird in Anspruch 1 explizit beansprucht, dass bei einer Mehrzahl von Reaktionsrohren lediglich ein Dampferzeuger und nur ein Hilfsbrenner vorhanden sind (vgl. "sich im Rauchgasfluss hinter den (sic) zu beheizenden Reaktionsrohren mindestens ein (sic) Hilfsbrenner befindet... und durch den der Rauchgasstrom an den Wärmeaustauschflächen des (sic) Dampferzeugers... erhöht wird"). Anspruch 1 umfasst daher explizit die von der Beschwerdegegnerin als "zentrale" Dampferzeugung bezeichnete Ausführungsform und beschränkt ist nicht auf sogenannte "dezentrale" Anordnungen beschränkt.

3.7 Es ergibt sich somit, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ erfüllt.

4. Hilfsantrag - erfinderische Tätigkeit

4.1 Das in den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, verglichen mit Anspruch 1 des Hauptantrags, zusätzlich eingefügte Merkmal ist, wie unter Punkt 2.5 oben erwähnt, bereits in D6 offenbart und es wird dort die entsprechende Wirkung erreicht. Daher ist die erfinderische Tätigkeit für diesen Antrag aus denselben Gründen zu verneinen, wie für den Hauptantrag.

4.2 Es ergibt sich somit, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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