T 2617/16 () of 12.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T261716.20200312
Datum der Entscheidung: 12 März 2020
Aktenzeichen: T 2617/16
Anmeldenummer: 11151046.7
IPC-Klasse: E05B63/20
E05B63/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verriegelungseinrichtung
Name des Anmelders: BKS GmbH
Name des Einsprechenden: ASSA ABLOY Sicherheitstechnik GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
Schlagwörter: Änderungen - Hauptantrag
Änderungen - zulässig (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 10. Oktober 2016 zur Poststelle gegebenen Zwischenentscheidung hatte die Einspruchsabteilung entschieden, das Patent auf Basis des Hilfsantrags B in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.

II. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) und die Einsprechende (Beschwerdeführerin 2) legten jeweils Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

III. Am 12. März 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Am Ende der Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin 1 beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des als "Hilfsantrag A" bezeichneten Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 9. Februar 2017.

Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf der Basis eines der folgenden Anträge aufrecht zu erhalten:

Hilfsantrag B (entspricht der im Einspruchsverfahren für gewährbar erachteten Fassung), eingereicht mit Schreiben vom 9. Februar 2017,

Hilfsantrag C, eingereicht mit Schreiben vom 30. Juni 2017,

Hilfsanträge 1-4, eingereicht mit Schreiben vom 9. Februar 2017.

Die Beschwerdeführerin 2 beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

V. Für diese Entscheidung sind folgende Beweismittel relevant:

D1 US 5,469,723 A

D5 DE 92 078 65 U1

D7 EP 1 669 525 A1

D10 DE 195 46 466

VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag A lautet (Merkmalsreferenzen durch die Kammer eingefügt)

"M1.1

Verriegelungseinrichtung (10) für eine Tür oder ein Fenster mit einem Schließkasten (12)

M1.2

und einem darin verschieblich angeordneten Fallenriegel (14), der eine Offenstellung, eine Schließstellung und eine Verriegelungsstellung einnehmen kann,

M1.3

wobei der Fallenriegel (14) einen Fallenschaft (20) aufweist

M1.4

und mit einem den Fallenriegel (14) von der Schließstellung in die Verriegelungsstellung überführenden Sperrelement versehen ist,

M1.5

und mit einer Zusatzfalle (16),

M1.6

wobei im Schließkasten (12) ein eine Verschiebung des Fallenriegels (14) von der Schließstellung in die Verriegelungsstellung blockierendes Blockierelement (22) vorgesehen ist,

M1.7

der Fallenriegel (14) ein Arretierelement (36) aufweist, an welchem das Blockierelement (22) angreift

M1.8

und das Blockierelement (22) mittels der Zusatzfalle (16) aus dem Weg des Arretierelements (36) herausgeführt wird,

M1.9

dadurch gekennzeichnet, dass das Arretierelement (36) von einem quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels (14) quer zur Verschieberichtung des Blockierelements (22) vorspringenden Zapfen (40) gebildet wird,

M1.10

wobei sich das Blockierelement (22) quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels (14) erstreckt und in Erstreckungsrichtung verschieblich gelagert ist,

M1.11

wobei sich das Blockierelement (22) quer zum Arretierelement (36) erstreckt."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag B unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag A dadurch, dass das Merkmal M1.10 folgendermaßen ergänzt wurde:

"... und in Erstreckungsrichtung, also vertikal, verschieblich gelagert ist,...".

VII. Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Hilfsantrag A - Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Die Änderung in Merkmal 1.9 und die hinzugefügten Merkmale 1.10 und 1.11 beruhten zwar im Wesentlichen auf Absatz [0024] der veröffentlichten Patentanmeldung. Das in Absatz [0024] enthaltene Merkmal, dass das Blockierelement vertikal verschieblich sei, sei jedoch im Anspruch (Merkmal M1.10) in unzulässiger Weise weggelassen worden. Die Formulierung "also vertikal" in der Beschreibung gebe nicht an, dass dieses Merkmal fakultativ sei. Das Wort "also" gebe an, dass das Merkmal tatsächlich vorhanden sei, und sei keine fakultative Angabe. Es gebe in der Patentanmeldung keine Offenbarung für ein Blockierelement, das nicht vertikal, also z.B. horizontal, verschieblich sei. Dies sei jedoch im Umfang des Anspruchs 1 von Hilfsantrag A enthalten.

b) Hilfsantrag B - Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Bereits im schriftlichen Verfahren bemängelte die Beschwerdeführerin 2, dass das Merkmal, wonach das Arretierelement durch einen quer zur Verschieberichtung des Blockierelements (22) vorspringenden Zapfen (40) gebildet werde (Merkmal M1.9), nicht ursprünglich offenbart sei.

Ebenfalls im schriftlichen Verfahren bemängelte die Beschwerdeführerin 2, dass die Aneinanderreihung der Merkmale "quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels" und "quer zur Verschieberichtung des Blockierelements" im kennzeichnenden Teil des Anspruchs (Merkmal M1.9), ohne jede Verknüpfung dieser Merkmale mit einem "und" oder "oder" aneinander gereiht wurden. Es seien also zwei Lesarten, "und" bzw. "oder" möglich, die jedoch nicht beide ursprünglich offenbart seien.

Daher genüge auch der Hilfsantrag B nicht den Erfordernissen des Artikel 123(2) EPÜ.

c) Hilfsantrag B - Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ)

Im Gegensatz zur Meinung der Einspruchsabteilung offenbare D10 ein Schloss, dessen Fallenriegel eine Offenstellung (Fig. 3 und 6), eine Schließstellung (Fig. 2 und 5) sowie eine Verriegelungsstellung (Fig. 1 und 4) einnehmen könne. Der Anspruch fordere nicht, dass die verschiedenen Stellungen auch verschiedenen Lagen des Fallenriegels entsprächen. Selbst bei einer solchen Lesart sei dieses Merkmal aber in D10 offenbart, wie die Figuren zeigten (M1.6).

Die Zusatzfalle (Steuerkeil 15) führe das Blockierelement (Sperrschieber 11) aus dem Weg des Arretierelements (Vorsprung 2d), wodurch der Weg von der Schließstellung ("Freigabestellung" in Fig. 2) in die Verriegelungsstellung ("Sperrstellung" in Fig. 1) frei sei. Die Offenstellung entspreche dem Übergang zwischen der Schließstellung und der Verriegelungsstellung und sei in Fig. 6 zu sehen.

Das Arretierelement (Vorsprung 2d) erstrecke sich auch quer zur Verschiebungsrichtung des Blockierelements (11). Die Auslegung dieses Merkmals durch die Einspruchsabteilung sei zu eng.

Schließlich erstrecke sich das Blockierelement (Sperrschieber 11) auch quer zum Arretierelement (Vorsprung 2d), da dieses dreidimensional sei (M1.11).

d) Hilfsantrag B - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Ausgehend von D10, mit Fachwissen

D10 könne so ausgelegt werden, dass das Arretierelement durch den am Blockierelement befestigten Sperrdorn 11a gebildet wird. Damit offenbare D10 alle Merkmale des Anspruchs 1, mit der Ausnahme, dass sich im Merkmal M1.7 eine umgekehrte Anordnung ergibt, die technisch jedoch gleichbedeutend ist. Diese einfache Umkehrung der Merkmale (Arretierelement/Sperrkontur) sei für den Fachmann offensichtlich.

Ausgehend von D1, mit Fachwissen

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich lediglich durch das Merkmal M1.9 von der Verriegelungseinrichtung gemäß D1, nämlich darin, dass das Arretierelement als vorspringender Zapfen ausgebildet sei, nicht als Ausnehmung wie in der D1. Die zu lösende Aufgabe sei es daher, eine alternative Konstruktion für die Blockierung des Fallenriegels zur Verfügung zu stellen. Es stehe im Belieben des Fachmanns, die Ausnehmung 20 und den Zapfen 4 der D1 zu vertauschen. Es seien keine weiteren Konstruktionsänderungen nötig, wenn der Zapfen im Bereich des flachen Fallenschaftes angeordnet würde. Im Gegensatz zur Auffassung der Einspruchsabteilung könne die alternative Konstruktion ausgeführt werden, ohne dass das Arretierelement im Wege stünde oder gar durch den Stulp geschoben werden müsse.

Ausgehend von D1, mit D5

D5 lehre, einen quer vom Riegelschaft abragenden Zapfen (57, 67) zu verwenden, der mit einem Blockierelement zusammenwirkt, um zu verhindern, dass der Fallenriegel von seiner Schließstellung unbeabsichtigt in eine Verriegelungsstellung gelangt.

Auf der Suche nach einer alternativen Blockierung des Fallenriegels der D1 würde der Fachmann D5 berücksichtigen und zur Erfindung gelangen.

Ausgehend von D1, mit D7

D7 offenbare ein Einsteckschloss, bei dem ein Steuerschieber 8, betätigt durch die Hilfsfalle 3, einen Riegel 1 blockiere bzw. freigebe. Dies geschehe über einen quer vorspringenden Ansatzdorn 13 am Riegelschaft des Riegels 1.

Auf der Suche nach einer alternativen Blockierung des Fallenriegels der D1 würde der Fachmann D7 berücksichtigen und zur Erfindung gelangen.

VIII. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Hilfsantrag A - Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Das Merkmal "also vertikal" sei lediglich zur Erläuterung in der Beschreibung, aber nicht wesentlich für die Erfindung. Es komme auf das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten an, und nicht auf die absolute Ausrichtung der Verriegelungseinsrichtung im Raum. Zum Beispiel sei es möglich, den ganzen Schließkasten zu kippen. Dann sei das Blockierelement nicht mehr vertikal ausgerichtet, aber der Schließkasten sei immer noch derselbe. Daher sei das Merkmal "vertikal" ohne Belang für die Erfindung und brauche nicht in den Anspruch (Merkmal M1.10) aufgenommen zu werden.

b) Hilfsantrag B - Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Das Merkmal "also vertikal" sei eingefügt worden (Merkmal M1.10). Daher bestehe kein Anlass mehr für diesen Einwand.

Das Merkmal, wonach das Arretierelement quer zur Verschieberichtung des Blockierelements (22) verlaufe ergebe sich aus der Beschreibung, Spalte 5, Zeilen 25-28 (Absatz 24).

Die Aneinanderreihung der Merkmale "quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels" und "quer zur Verschieberichtung des Blockierelements" im kennzeichnenden Teil des Anspruchs impliziere, dass beide Merkmale zwingend sein sollen und keine oder-Auswahl gemeint sein könne.

c) Hilfsantrag B - Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ)

Das Streitpatent offenbare klar, dass die drei verschiedenen Stellungen des Fallenriegels auch drei verschiedenen Positionierungen des Fallenriegels entsprechen: Der Anspruch definiere, dass zwischen Schließstellung und Verriegelungsstellung eine Verschiebung des Fallenriegels stattfinde. Gemäß Absatz [0008] des Patents könne der Fallenriegel von der Schließstellung in die Offenstellung eingeschoben werden.

D10 zeige in Fig. 2 und 5 eine Offenstellung, aber keine Schließstellung. Daher fehle in D10 die Schließstellung. Daher könne auch der Sperrschieber 11 eine Verschiebung aus der Schließstellung heraus nicht verhindern.

Der Vorsprung 2d der D10 springe vertikal, also in Verschieberichtung des Sperrschiebers 11 vor, nicht quer dazu. Gleiches gelte für die eingefügte Erstreckung des Blockierelements (Sperrschieber 11) quer zum Arretierelement (bzw. Vorsprung 2d).

d) Hilfsantrag B - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Ausgehend von D10, mit Fachwissen

Die Einsprechende lege nicht dar, was den Fachmann dazu veranlasst hätte, das Arretierelement an einem anderen Bauteil anzuordnen. Dies habe deshalb nicht nahegelegen.

Zusätzlich seien in D10 die Merkmale M1.2, M1.4 und M1.6 nicht offenbart, so dass der Fachmann nicht zum Gegenstand des Anspruchs gelangt wäre.

Ausgehend von D1, mit Fachwissen

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Verriegelungseinrichtung der D1 dadurch, dass das Arretierelement durch einen Zapfen gebildet wird, der sich quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels und quer zur Verschieberichtung des Blockerelements erstreckt. Es gebe für den Fachmann keinen Anlass, die Ausnehmung 20 der D1 durch einen Zapfen zu ersetzen. Dies sei auch ohne weitere Änderungen nicht möglich, weil der die Ausnehmung ersetzende Zapfen mit dem Schlossstulp kollidieren würde. Und selbst wenn der Fachmann diese "einfache Umkehrung" der Anordnung der D1 vornehmen würde, führe sie immer noch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1, weil der die Ausnehmung 20 ersetzende Zapfen sich nicht quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels erstrecken würde.

Das hinzugefügte Merkmal M1.11 (Blockierelement quer zum Arretierelement) sei in der D1 ebenfalls weder offenbart noch nahegelegt.

Ausgehend von D1, mit D5

Der in Merkmal M1.8 definierte Zusammenhang zwischen einem Blockierelement, Zusatzfalle und Fallenriegel sei in der D5 nicht offenbart. Daher könne die D5 nicht die Verwendung eines Zapfens für die Zwecke des Streitpatents nahelegen.

Wie bei der Kombination der D1 mit dem Fachwissen seien außerdem auch hier weitere Konstruktionsänderungen nötig.

Ausgehend von D1, mit D7

Der Mechanismus der D7 unterscheide sich funktionell erheblich von dem der D1. Daher könne der Fachmann der D7 keine Anregung entnehmen, das Merkmal des quer abstehenden Zapfens auf den Gegenstand der D1 zu übertragen. Zum Beispiel gebe es in der Verriegelungseinrichtung der D7 keinen Fallenriegel mit drei Stellungen, bei dem ein Blockierelement eine Verschiebung des Fallenriegels von der Schließstellung in die Verriegelungsstellung verhindern würde.

Wie bei der Kombination der D1 mit dem Fachwissen seien auch hier weitere Konstruktionsänderungen nötig.

Entscheidungsgründe

1. Hilfsantrag A - Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Der Wortlaut des Anspruchs 1 basiert auf den Ansprüchen 1 und 3 wie eingereicht. Aus der Beschreibung wurden zusätzlich die Merkmale hinzugefügt, wonach der Zapfen (40)

(in M1.9)

quer zur Verschieberichtung des Blockierelements (22) vorspringt, und

M1.10

sich das Blockierelement (22) quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels (14) erstreckt und in Erstreckungsrichtung verschieblich gelagert ist,

M1.11

wobei sich das Blockierelement (22) quer zum Arretierelement (36) erstreckt.

Die hinzugefügten Merkmale lassen sich der veröffentlichten Anmeldungsschrift, Absatz [0024], entnehmen: "Am Fallenschaft 20 befindet sich ein Arretierelement 36 in Form eines quer (orthogonal) zur Verschieberichtung abragenden Zapfens 40" (Zeilen 19-21), und "Das Blockierelement 22 erstreckt sich ebenfalls quer zur Verschieberichtung 38 [des Fallenriegels 14] und quer zum Arretierelement 36 und ist in Erstreckungsrichtung, also vertikal verschieblich gelagert" (Zeilen 25-28).

Dies bedeutet zunächst, dass die drei Elemente Fallenriegel, Arretierelement=Zapfen und Blockierelement jeweils quer zueinander stehen und sich damit in drei unterschiedliche Raumrichtungen erstrecken. Zusätzlich ist die Erstreckungsrichtung und Verschiebungsrichtung des Blockierelements angegeben, nämlich "vertikal".

Der Anspruchswortlaut entspricht in Bezug auf die relative Lage und Verschieblichkeit der drei Elemente dieser Beschreibung, mit der Ausnahme, dass die Erstreckungs- und Verschiebungsrichtung des Blockierelements nicht als "vertikal" definiert ist.

Damit umfasst der Anspruchsumfang Anordnungen, bei denen sich das Blockierelement nicht vertikal, sondern z.B. horizontal erstreckt und verschiebt. Eine solche Anordnung ist zwar vorstellbar, ist aber in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart und stellt einen hinzugefügten technischen Informationsgehalt dar.

Das Argument der Beschwerdeführerin 1, dass die vertikale Anordnung des Blockierelements nicht wesentlich sei, überzeugt nicht: Im gegebenen technischen Zusammenhang, d.h. in einem Schließkasten, der normalerweise vertikal in einem Türblatt angeordnet wird, und der eine eingeschränkte Geometrie aufweist, ist die Erstreckungs- und Verschiebungsrichtung der einzelnen Komponenten nicht beliebig wählbar und hängt stark von der Gesamtanordnung der Elemente ab. Die vertikale Erstreckungs- und Verschiebungsrichtung des Blockierelements ist daher eng mit den übrigen in Absatz [0024] angegebenen Anordnungsmerkmalen verknüpft und kann in diesem Zusammenhang nicht vernachlässigt werden.

Anspruch 1 des Hilfsantrags A verletzt daher Artikel 123(2) EPÜ.

2. Hilfsantrag B - Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Im Hilfsantrag B wurde Anspruch 1 dahingehend geändert, dass die Worte "also vertikal" in Merkmal 1.10 eingefügt wurden. Der entsprechende Einwand ist damit behoben.

Das von der Beschwerdeführerin 2 bemängelte Merkmal, wonach das Arretierelement quer zur Verschieberichtung des Blockierelements verläuft (in Merkmal M1.9), ergibt sich in Absatz [0024] der veröffentlichten Anmeldung logisch aus dem Wortlaut, "Das Blockierelement 22 erstreckt sich ebenfalls ... quer zum Arretierelement 36" in Verknüpfung mit "Das Blockierelement 22... ist in Erstreckungsrichtung, also vertikal, verschieblich gelagert".

Die Aneinanderreihung der Merkmale "quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels" und "quer zur Verschieberichtung des Blockierelements" im kennzeichnenden Teil des Anspruchs (Merkmal M1.9) ist eindeutig als eine Und-Verknüpfung zu verstehen, die ursprünglich offenbart ist.

Anspruch 1 des Hilfsantrags B erfüllt daher die Anforderungen von Artikel 123(2) EPÜ.

3. Hilfsantrag B - Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ)

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags B ist neu.

3.2 Merkmal M1.2

Die Beschwerdeführerin 2 war der Ansicht, dass in D10 folgende drei Stellungen des Fallenriegels 2 offenbart seien:

Offenstellung, entsprechend Fig. 3 oder 6, in der sich der Fallenriegel 2 in einer Zwischenlage befindet und frei verschiebbar ist.

Schließstellung, entsprechend Fig. 2 oder 5, in der der Fallenriegel 2 ganz in den Schließkasten eingeschoben ist und dort blockiert ist.

Verriegelungsstellung, entsprechend Fig. 1 oder 4, in der der Fallenriegel voll ausgefahren und ebenfalls blockiert ist.

Tatsächlich nimmt der Fallenriegel 2 der D10 genau zwei definierte Positionen ein: Die als Freigabestellung bezeichnete, in Fig. 2 und 5 gezeigte Stellung, in der der Fallenriegel ganz eingezogen und blockiert ist; und die als Sperrstellung bezeichnete, in Fig. 1 und 4 gezeigte Stellung, in der der Fallenriegel ganz ausgefahren und blockiert ist. Diese zwei "Stellungen" sind in Spalte 3, Zeilen 23-26 und Zeilen 46-47 beschrieben. Die Funktion des Schlosses ist in D10 folgendermaßen beschrieben: Zum Öffnen wird der Fallenriegel von der Sperrstellung (Fig. 1) in die Freigabestellung (Fig. 2) gezogen und dort blockiert (Spalte 3, Zeile 65 - Spalte 4, Zeile 13). Wenn die Tür geöffnet wird, wird die Blockierung gelöst (Fig. 3) und der Fallenriegel mittels Feder 9 wieder in die Sperrstellung (Fig. 4) geschoben und dort blockiert (Spalte 4, Zeilen 14-41). Beim Schließen der Tür wird die Blockierung des Fallenriegels wiederum gelöst, so dass der Fallenriegel durch das Schließblech zurückgedrückt werden kann. Bei geschlossener Tür fällt der Fallenriegel wieder in die in Fig. 1 gezeigte Sperrstellung (Spalte 4, Zeilen 42 - Spalte 5, Zeile 5).

Aus dieser Beschreibung sind keine 3 Stellungen des Fallenriegels herauszulesen. Die Figuren 3 und 6 zeigen jeweils nur Momentaufnahmen, bei denen die Blockierung aufgehoben ist, aber der Fallenriegel 2 keine separate Stellung einnimmt (Fig. 3) bzw. sich lediglich auf dem Weg von einer Stellung zur anderen befindet (Fig. 6).

Die Beschwerdeführerin 2 ist der Auffassung, dass der Fallenriegel selbst nicht bewegt werden müsse, um verschiedene Stellungen im Sinne des Anspruchs einzunehmen. Es ist jedoch gerade der Sinn der Worte "verschiedene Stellungen", dass der Fallenriegel räumlich unterschiedlich positioniert wird. Die Blockierung/Entblockierung durch den Sperrschieber 11 stellt daher keine verschiedenen Stellungen des Fallenriegels selbst dar. Dies sind lediglich verschiedene Stellungen des Sperrschiebers, oder verschiedene Funktionszustände der gesamten Verriegelungseinrichtung. Zum Beispiel zeigt Figur 3, wie durch den Steuerkeil die Blockierung des Fallenriegels gelöst wird. Der Fallenriegel selbst befindet sich jedoch weiterhin in der Sperrstellung.

Dokument D10 zeigt daher das Merkmal M1.2 nicht.

3.3 Merkmal M1.9

Merkmal M1.9 definiert unter anderem, dass das Arretierelement (36) von einem quer zur Verschieberichtung des Blockierelements (22) vorspringenden Zapfen (40) gebildet wird.

Die Beschwerdeführerin 2 trägt vor, dass das Arretierelement gemäß diesem Merkmal von der Verschieberichtung des Blockierelements hervorspringt. Da die Verschieberichtung selbst keine räumliche Ausdehnung habe sondern einem eindimensionalen Vektor entspreche, genüge es, dass der Vorsprung 2d eine Erstreckung quer zu dieser Verschieberichtung habe, um die Definition als Arretierelement zu erfüllen.

Das Merkmal M1.9 definiert jedoch, dass das Arretierelement quer zur Verschieberichtung des Blockierelements vorspringt. M1.9 definiert hingegen nicht wovon das Arretierelement vorspringt. Dies ergibt sich erst aus dem Gesamtzusammenhang des Anspruchs. Dort definiert Merkmal M1.7, dass der Fallenriegel das Arretierelement aufweist. Angesichts der Tatsache, dass das Arretierelement nur von einem Gegenstand vorspringen kann, an dem es angeordnet ist, ist dem Leser klar, dass das Arretierelement von dem Fallenriegel vorspringt und zwar in einer Richtung quer zur Verschieberichtung des Blockierelements. Ein Vorspringen von einem abstrakten Verschiebe-Vektor, wie von der Beschwerdeführerin 2 vorgetragen, ist technisch nicht realistisch.

Da sich in der D10 der Vorsprung 2d (Arretierelement) in Verschiebungsrichtung des Sperrschiebers 11 (Blockierelement), hier vertikal, von dem Fallenriegel 2 erstreckt, ist Merkmal 1.9 in der D10 nicht offenbart.

3.4 Merkmal M1.11

Die Beschwerdeführerin 2 argumentierte, dass in D10 der Vorsprung 2d ein dreidimensionaler Körper sei, und sich daher der Sperrschieber 11 auch quer zu dem Vorsprung erstrecke, was dem Merkmal M1.11 entspreche.

Gemäß dem Anspruch 1 wird das Arretierelement jedoch durch einen Zapfen 40 gebildet, der von dem Fallenriegel vorspringt (siehe oben). Bei dem Begriff "Zapfen" ist klar, dass er eine Haupterstreckungsrichtung bzw. Längsrichtung besitzt. Für den unvoreingenommenen Leser ist auch klar, dass bei dem Zapfen, der von dem Fallenriegel vorspringt, die Richtung des Vorspringens auch diese Längsrichtung des Zapfens ist. Wenn man den Vorsprung 2d der D10 als Zapfen im Sinne des Anspruchs betrachtet, so erstreckt sich dieser daher nicht quer zum Sperrschieber 11.

D10 zeigt daher auch nicht das Merkmal 1.11.

3.5 Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags B neu.

4. Hilfsantrag B - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Ausgehend von D10

Im schriftlichen Verfahren ging die Beschwerdeführerin 2 im Hinblick auf erfinderische Tätigkeit davon aus, dass D10 alle Merkmale des Anspruchs 1, außer M1.7 offenbare, und argumentierte, dass der Anspruch 1 ausgehend von diesem Dokument, in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Nachdem die Kammer während der mündlichen Verhandlung bezüglich Neuheit die Meinung geäußert hatte, dass D10 die Merkmale M1.2, M1.9 und M1.11 nicht offenbare, verwies die Beschwerdeführerin 2 zur erfinderischen Tätigkeit auf die schriftlich vorgebrachten Argumente.

Diese Argumente, die sich auf M1.7 beziehen, sind im Hinblick auf die in der D10 fehlenden Merkmale M1.2, M1.9 und M1.11 nicht zutreffend, um einen Mangel an erfinderischer Tätigkeit zu begründen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags B beruht daher ausgehend von D10, in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.2 Ausgehend von D1

D1 offenbart unstreitig den Oberbegriff des Anspruchs 1, d.h. die Merkmale M1.1 bis M1.8. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Verriegelungseinrichtung der D1 zumindest durch das Merkmal M1.9., nämlich dadurch, dass das Arretierelement (36) von einem quer zur Verschieberichtung des Fallenriegels (14) quer zur Verschieberichtung des Blockierelements (22) vorspringenden Zapfen (40) gebildet wird. Die D1 zeigt dagegen eine Ausnehmung 20 (Arretierelement) im Fallenriegel 15, in die der Zahn 4 des Blockierelements 4' eingreift. Ausgehend von D1 besteht die zu lösende Aufgabe darin, eine alternative Lösung zur Blockierung des Fallenriegels zu finden. Die Formulierung der Aufgabe ist unter den Parteien ebenfalls unstreitig.

4.2.1 Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen

Die Beschwerdeführerin 2 argumentierte, die D1 und das Streitpatent zeigten zwei vollkommen gleichwirkende Anordnungen zur Blockierung des Fallenriegels, die dem Fachmann in gleicher Weise bekannt seien. Bei einem Austausch der beiden Alternativen sei keine weitere Konstruktionsänderung nötig. Zur Illustration legte die Beschwerdeführerin 2 eine Zeichnung basierend auf den Figuren 1 und 4 der D1 vor.

Es ist zwar richtig, dass der Fachmann die vorgeschlagene alternative Lösung realisieren könnte. Diese stellt jedoch keine einfache kinematische Umkehrung der Konstruktion der D1 dar, weil in der Alternativlösung der Zahn 4 beibehalten wird und nur die Ausnehmung 20 durch einen Zapfen ersetzt wird. Zusätzlich wären, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin 2, einige weitere Konstruktionsänderungen nötig. Die Platte 4' müsste vergrößert werden, der Zahn 4 müsste in Richtung Fallenschaft versetzt werden, und das Arretierelement müsste seitlich an dem Fallenschaft angebracht werden statt an dessen Unterseite - dies alles unter den gewöhnlich sehr beengten Bedingungen innerhalb eines Schließkastens.

Es handelt sich hierbei also nicht um ein einfaches Ersetzen bzw. Vertauschen von zwei gleichwertigen und dem Fachmann allgemein bekannten Merkmalen. Zusätzlich ist noch eine Anpassung der konstruktiven Umgebung nötig.

Daher würde der Fachmann diese Änderungen nicht alleine aus seinem Fachwissen heraus vornehmen ohne dabei eine erfinderische Tätigkeit auszuführen.

4.2.2 Kombination mit D5

Die Beschwerdeführerin 2 ist der Meinung dass der Fachmann auf der Suche nach einer alternativen Blockierung des Fallenriegels der D1 die D5 berücksichtigen würde und so zur Erfindung nach Anspruch 1 gelangen würde. D5 beinhalte die Lehre, einen quer vom Riegelschaft vorspringenden Zapfen 57 zu verwenden, der mit einer Haltekralle (des Schließnasenfreigebers 117) zusammenwirkt, um den Fallenriegel zu blockieren.

Der Zapfen 57 und die Haltekralle des Schließnasenfreigebers 117 in D5 stehen in einem anderen funktionellen Zusammenhang als der Zapfen und das Blockierelement des Anspruchs. In D5 wird der Schließnasenfreigeber durch Drehung des Schlüssels angehoben und so der Fallenriegel freigegeben. Erfindungsgemäß erfolgt die Freigabe aber mittels einer Zusatzfalle 16 automatisch beim Schließen der Tür. D5 sagt daher auch nichts darüber aus, wie die Konstruktionselemente Haltekralle und Zapfen in einer Verriegelungseinrichtung gemäß D1 verwendet werden könnten. Der Fachmann hätte also diese beiden Elemente willkürlich aus der D5 isolieren müssen. Dies erscheint nur in einer rückschauenden Betrachtung naheliegend. Zusätzlich hätte der Fachmann noch die oben diskutierte konstruktive Änderung am Blockierelement vornehmen müssen.

Der Fachmann wäre daher ausgehend von der Verriegelungseinrichtung der D1, in Kombination mit D5, nicht ohne erfinderisch tätig zu werden zu einer Verriegelungseinrichtung gemäß Anspruch 1 gelangt.

4.2.3 Kombination mit D7

Die Beschwerdeführerin 2 vertritt die Meinung, dass der Fachmann, ausgehend von der D1, und auf der Suche nach einer alternativen Lösung für die Blockierung des Fallenriegels, unter Berücksichtigung der D7 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde.

Die D7 (Fig. 1 und 9) zeigt ein Einsteckschloss, mit einer Falle 2 und einem Riegel 1. Beim Schließen der Tür wird über eine Hilfsfalle 3 ein Steuerschieber 8 in vertikaler Richtung verschoben, der den Riegel zuvor blockiert hat und nun in die Verriegelungsstellung schiebt (Absätze [0040]-[0042]). Die Blockierung geschieht mittels eines quer zum Riegel und quer zum Steuerschieber vorspringenden Ansatzdorn 13. In D7 übernimmt die Falle nicht gleichzeitig die Funktion des Riegels (Fallenriegel), sondern diese Funktionen sind getrennt. Daher benötigen weder Falle noch Riegel drei verschiedene Stellungen, und der funktionelle Gesamtzusammenhang unterscheidet sich wesentlich von dem der D1.

D7 sagt daher auch nichts darüber aus, mit welcher Funktion die Konstruktionselemente Steuerschieber und Ansatzdorn in einer Verriegelungseinrichtung gemäß D1 verwendet werden könnten. Der Fachmann hätte also diese beiden Elemente willkürlich aus ihrem Funktionszusammenhang in der D7, nämlich der Blockierung des Riegels in seiner Offenstellung, isolieren müssen und auf die Blockierung des Fallenriegels 15 der D1 in seiner Schließstellung übertragen müssen. Hierfür gibt weder die D7 noch die D1 irgendeine Veranlassung. Zusätzlich würde ein Transfer des Steuerschiebers 8 in den Schließkasten der D1 umfangreiche Anpassungen entweder aller anderen Komponenten im Schließkasten oder aber des Steuerschiebers nötig machen.

All diese Schritte zu vollziehen ist nicht naheliegend.

Der Fachmann wäre daher ausgehend von der Verriegelungseinrichtung der D1, in Kombination mit D7, nicht ohne erfinderisch tätig zu werden zu einer Verriegelungseinrichtung gemäß Anspruch 1 gelangt.

4.2.4 Bei Betrachtung von D1 als nächstliegenden Stand der Technik beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags B daher auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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