T 2582/16 () of 23.11.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T258216.20171123
Datum der Entscheidung: 23 November 2017
Aktenzeichen: T 2582/16
Anmeldenummer: 11790897.0
IPC-Klasse: B29C 47/16
B29C 47/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Lichtleitkörpern und deren Verwendung in Beleuchtungseinheit
Name des Anmelders: Evonik Röhm GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Klarheit des Hauptantrags (nein)
Zulässigkeit des neuen ersten Hilfsantrags (ja)
Klarheit des ersten Hilfsantrags (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja: Anspruch 1)
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 11 790 897.0 zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass Anspruch 4 des ihr vorliegenden Hauptantrags sowie des zweiten Hilfsantrags den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ nicht genüge und dass Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags nicht erfinderisch sei gegenüber der Offenbarung der Druckschriften D14 (Informations-broschüre "Plexiglas and Europlex Films Always On Top" der Firma Evonik Röhm GmbH, August 2009), D1 (DE 1504266) und D10 (Spezifikation für Glättkalander und Chill-Roll Typ 136, Dr. Collin GmbH, November 2001).

III. Die Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 23. November 2017 statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche des Hauptantrags, zuletzt eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder des Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer oder der Patentansprüche nach dem Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schreiben vom 14. November 2017 als Hilfsantrag 3.

Alle anderen der Kammer im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Hilfsanträge wurden von der Beschwerdeführerin zurückgenommen.

V. Die beiden unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags lauten wie folgt (die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern angegeben):

"1. [1-1] Verfahren zur Herstellung von Lichtleitkörpern auf Methacrylatbasis mit einer Dicke zwischen 100 mym und 1 mm, dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei dem Verfahren um [1-2] ein Extrusionsverfahren mit anschließender Glättung handelt, und dass das [sic] [1-3] die verwendete Anlage mindestens aus folgenden Komponenten besteht:

[1-4] ein Extruder,

eine optionale Schmelzepumpe,

eine optionale Schmelzefiltration,

ein optionales statisches Mischelement,

[1-5] eine Flachfoliendüse,

[1-6] ein Glättwerk

und optional einen Wickler,

wobei [1-7] die Flachfoliendüse über eine Düsenlippe mit Stellelementen zur Einstellung der Düsenlippenbreite verfügt, und [1-8] die Stellelemente einen Abstand von 11 bis 15 mm zueinander aufweisen,

[1-9] der Düsenkörper eine Außengeometrie aufweist, die, der Form der Glattwalzen angepasst ist,

und [1-10] der Abstand von der Schmelzeaustrittskante zum Glättspalt 80 mm oder kleiner ist, dadurch gekennzeichnet, dass [1-11] der Lichtleitkörper auf Methacrylatbasis zu mindestens 90 Gew% aus PMMA besteht und [1-12] keine Schlagzähmodifizierungsmittel enthält."

"4. [4-1] Beleuchtungseinheit umfassend [4-2] mindestens eine Lichtquelle und mindestens einen Lichtleitkörper, dadurch gekennzeichnet, dass [4-3] der Lichtleitkörper gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 herstellbar ist, [4-4] zu mindestens 90 Gew% aus PMMA besteht und [4-5] keine Schlagzähmodifizierungsmittel enthält, [4-6] eine Dicke zwischen 100 mym und 1 mm aufweist, [4-7] die Differenz zwischen der dünnsten und der dicksten Stelle des Lichtleitkörpers maximal 5 µm beträgt und [4-8] die optische Dämpfung gemessen an einer 0,5 mm dicken Folie bei einer Wellenlänge von 730 nm kleiner 10000 db/km, bevorzugt kleiner 9000 db/km und besonders bevorzugt kleiner 8000 db/km aufweist."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich dadurch von Anspruch 1 des Hauptantrags, dass der Ausdruck "dadurch gekennzeichnet, dass" (zweites Vorkommen) durch den Ausdruck "und wobei" ersetzt wurde.

Anspruch 4 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 4 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal "die optische Dämpfung gemessen an einer 0,5 mm dicken Folie bei einer Wellenlänge von 730 nm kleiner 10000 db/km, bevorzugt kleiner 9000 db/km und besonders bevorzugt kleiner 8000 db/km aufweist" ersetzt wurde durch "die optische Dämpfung gemessen bei einer Wellenlänge von 730 nm an einem Folienstreifen des Materials des Lichtleitkörpers mit einer Dicke von 0,5 mm, einer Breite von 15 mm und einer Länge von bis zu 970 mm einen Wert von kleiner 10000 db/km, bevorzugt kleiner 9000 db/km und besonders bevorzugt kleiner 8000 db/km aufweist, wobei für den Messvorgang der Messstrahl des Spektralphotometers in die Stirnseite des Folienstreifens eingeleitet wird und am gegenüberliegenden Ende des Folienstreifens das optisch gedämpfte Licht in eine Integrationskugel fällt und vom Detektor gemessen wird, und die Messung so erfolgt, dass zuerst ein langer Streifen von 970 mm vermessen wird, der dann anschließend auf 530 mm gekürzt und erneut vermessen wird und wobei als Ergebnis die optische Dämpfung unter Berücksichtigung der Längendifferenz und der ermittelten Intensitäten wie folgt berechnet wird:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

wobei L: optische Dämpfung

l: die Längendifferenz

I0: die rel. Intensität über die kurze Strecke

I die rel. Intensität über die lange Strecke ist".

Der zweite Hilfsantrag unterscheidet vom ersten Hilfsantrag durch die Streichung der Ansprüche 4-10.

VI. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:

a) Hauptantrag

i) Klarheit

Der von der Prüfungsabteilung erhobene Klarheitseinwand sei nicht gerechtfertigt.

Es sei klar, in welcher Beziehung die Folie zur Beleuchtungseinheit stehe. Anspruch 1 beziehe sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Lichtleitkörpern auf Methacrylatbasis einer Dicke zwischen 100 mym und 1 mm. Es handle sich dabei um flexible Folien, die beispielsweise auch auf einer Rolle aufgewickelt werden. Aus Anspruch 1 sei zu entnehmen, dass das Verfahren ein Extrusionsverfahren ist, das mit einer Flachfoliendüse arbeitet, und dass optional auch ein Wickler für die hergestellten Folien vorgesehen ist. Somit seien die Lichtleitkörper, die im Anspruch 4 verwendet werden, unzweifelhaft Folien. Es bestehe kein Widerspruch zwischen diesen Lichtleitkörpern, die als Folie vorliegen, und der Messung der optischen Dämpfung an einer Probe dieses Folienmaterials. Auch in der ursprünglichen Beschreibung seien die Begriffe Lichtleitkörper und Lichtleitfolie synonym verwendet (siehe Seite 7, Zeilen 10 bis 12; Seite 9, zweiter und dritter Absatz; Seite 13, ab Zeile 15 und die Überschrift auf Seite 19).

Bezüglich der Messmethode für die optische Dämpfung führte die Beschwerdeführerin aus, dass das Merkmal, dem zufolge die optische Dämpfung an einer 0,5 mm dicken Folie bei einer Wellenlänge von 730 nm gemessen wird, dem Fachmann genüge, um die Messung durchzuführen. Es handle sich bei der Messung um ein Standard-Prozedere, das dem Fachmann geläufig sei. Das Messergebnis hänge in erster Linie vom Material und von der verwendeten Wellenlänge ab; die anderen auf Seite 19 der Anmeldung erwähnten Parameter (Breite der Probe, Verwendung eines Spektralphotometers, Einstrahlen des Lichts auf der Stirnseite der Folienprobe) seien Standardparameter. Es komme nicht auf die Breite des Materials an, solange sie die Größe der Lichtquelle übersteige. Die Länge der Probe sei irrelevant, weil die optische Dämpfung in db/km bestimmt werde und somit längenunabhängig sei. Man würde an zwei Folienstreifen messen, wenn genauere Ergebnisse benötigt würden; die derart erhaltenen Messwerte wären von Verlusten beim Einkoppeln des Lichts nicht betroffen. Es sei aber auch möglich, die Messung nur an einem Streifen durchzuführen. Der so erhaltene Wert sei nur mit einem größeren Fehler behaftet. Die optische Dämpfung sei eben, abgesehen von den - geringen - Ein- und Auskopplungsverlusten, unabhängig von der Dicke und der Länge der Probe. Sie sei also im Wesentlichen nur abhängig vom Material sowie der entsprechenden Wellenlänge, die für die Messung verwendet wird. Diese Merkmale seien jedoch im Anspruch 4 bereits enthalten; Anspruch 4 enthalte, unter Einbeziehung des Wissens eines Fachmanns über die Messung von optischer Dämpfung bei Lichtleitkörpern, eine klare Lehre, wie die Messung der optischen Dämpfung ausgeführt werden müsse.

Es stelle sich die Frage, ob es erforderlich sei, in den Anspruch das genauere Messverfahren aufzunehmen, oder ob es genüge, das Verfahren mit dem größeren Messfehler anzuführen, das ebenso erlaube, die optische Dämpfung zu messen. Die Messung an nur einem Streifen führe zu einer Fehlerabweichung von etwa 10%. Dies sei noch im Rahmen einer gültigen Messung der optischen Dämpfung, im Gegensatz z.B. zu einer Messung, die zu einer Fehlerabweichung von 50% führen würde. Auf eine Frage der Kammer hin erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie keine Literaturstelle angeben könne, um zu belegen, dass der Messfehler bei der Messung an einem Streifen hinreichend klein sei. Es sei nicht erforderlich, im Anspruch die ideale Form der Messung anzugeben. Die Aufnahme aller Merkmale der Messung, wie sie in der Beschreibung dargestellt ist, würde zu einer stärkeren Beschränkung des Anspruchs führen, da der Spielraum beim Wert der optischen Dämpfung geringer sei. Eine Messung, die eine Fehlerabweichung von 10% aufweist, würde dazu führen, dass der Anspruch auch Materialien mit Werten der optischen Dämpfung, die etwas größer sind als 10000 db/km, umfasst. Der Anmelder solle nicht gezwungen werden, seinen Anspruch so zu formulieren, dass die Messung eine Fehlerabweichung von nur 1% habe. Eine Messung mit einer Abweichung von etwa 10% ergebe noch Sinn.

ii) Erfinderische Tätigkeit

Die Druckschrift D14 sei kein geeigneter Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit. Die in der Anmeldung zitierte Druckschrift DE 10 222 250 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Die Analyse der Prüfungsabteilung beruhe auf ex post facto Überlegungen. Zum Beleg der Behauptung, dass die Prüfungsabteilung die Druckschrift D14 falsch ausgelegt habe, legte die Beschwerdeführerin Produktdatenblätter vor. In diesem Zusammenhang machte die Beschwerdeführerin ein technisches Vorurteil geltend.

b) Hilfsantrag 1: Zulässigkeit

Der Antrag sei erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht worden, weil die Beschwerdeführerin in der Diskussion mit der Kammer erkannt habe, dass die zur Charakterisierung des Messverfahrens verwendeten Parameter nicht ausreichen, um das Verfahren hinreichend zu beschreiben, und weil klar wurde, dass die Kammer erwarte, dass ein Dokument vorgelegt werde, das darlege, dass die Messung auch an einem Streifen vorgenommen werden könne.

c) Zurückverweisung an die erste Instanz

Die Beschwerdeführerin hat sich gegen eine Zurückverweisung ausgesprochen und beantragt, dass die Kammer selbst in der Sache entscheiden möge, zumal es sich um einen älteren Fall handle. Es gebe eine Recherche, die nur wenige Druckschriften zutage gebracht habe, die sich mit Lichtleitern befassen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Klarheit

Die Prüfungsabteilung hat den Hauptantrag wegen mangelnder Klarheit zurückgewiesen. In diesem Zusammenhang hat sie drei Einwände erhoben:

1.1.1 Folie

Wie aus Punkt 1.1 der Entscheidungsgründe hervorgeht, war die Prüfungsabteilung der Auffassung, dass Anspruch 4 zwei Gegenstände definiere, nämlich zum einen eine Beleuchtungseinheit und zum anderen eine Folie mit einer gewissen Dicke und einer bestimmten Dämpfung. Aus dem Wortlaut des Anspruchs gehe nicht hervor, in welcher Beziehung die Folie zur Beleuchtungseinheit stehe und ob die Folie Teil des beanspruchten Gegenstands sei.

Anspruch 4 beansprucht eine Beleuchtungseinheit, die einen Lichtleitkörper umfasst. Dieser Lichtleitkörper muss mit dem Verfahren nach Anspruch 1 herstellbar sein. Darüber hinaus definiert Anspruch 4 mehrere Anforderungen an das Material und die Dicke des Lichtleitkörpers. Die Kammer versteht den Anspruchswortlaut so, dass das Merkmal 4-8, dem zufolge die optische Dämpfung gemessen an einer 0,5 mm dicken Folie bei einer Wellenlänge von 730 nm gewisse Werte annehmen muss, ebenfalls eine Eigenschaft des für den Lichtleitkörper verwendeten Materials definiert. Aus dem Wortlaut von Anspruch 4 selbst geht nicht klar hervor, ob der Lichtleitkörper als Folie vorliegen muss oder nur die Messung der optischen Dämpfung an einer Folie aus dem Material des Lichtleitkörpers durchzuführen ist.

Allerdings verlangt Merkmal 4-3, dass der Lichtleitkörper gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 herstellbar ist. Für den Fachmann, der den Gegenstand von Anspruch 1 in Betracht zieht, ist angesichts der Dicke der anspruchsgemäßen Lichtleitkörper (zwischen 100 mym und 1 mm; Merkmal 1-1) und der Tatsache, dass die Herstellung mittels einer Flachfoliendüse erfolgt (Merkmal 1-5), klar, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 der Herstellung von Lichtleitfolien dient. Der Fachmann würde also verstehen, dass die Beleuchtungseinheit gemäß Anspruch 4 notwendigerweise einen Lichtleitkörper in Form einer Lichtleitfolie umfasst. Daher kann sich die Beschwerdekammer dem ersten Klarheitseinwand der Prüfungsabteilung nicht anschließen.

1.1.2 Messmethode

Nach Auffassung der Prüfungsabteilung führt auch eine Berücksichtigung der Beschreibung der Anmeldung zu keiner Klarstellung des Messverfahrens (Punkt 1.2 der Entscheidungsgründe). Die Prüfungsabteilung hat ausgeführt, Anspruch 4 könne im Hinblick auf die Beschreibung so verstanden werden, dass das für den Lichtleiter verwendete Material, wenn es in einer Folie einer bestimmten Dicke verwendet wird, zu ganz bestimmten Dämpfungswerten in dieser Folie mit der bestimmten Dicke führen könne. Über die Dämpfungswerte in einem Lichtleiter mit einer anderen Dicke (und womöglich mit einem anderen Verfahren hergestellt) sage der Dämpfungswert, der an der besagten Folie mit der Dicke von 0,5 m [sic] gemessen wurde, allerdings nichts Konkretes aus.

Die Kammer versteht das Merkmal 4-8 so, dass es versucht, eine intrinsische Materialeigenschaft zu erfassen, indem es Grenzwerte für die optische Dämpfung vorgibt, wie sie an Folien mit einer Dicke von 0,5 mm gemessen wird.

Die Beschwerdeführerin hat zu Recht auf die Ausführungen zum Verfahren zur Bestimmung der optischen Dämpfung von Lichtleitfolien in der Anmeldung (Seite 19, Zeile 1, bis Seite 20, Zeile 4) hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist allerdings festzustellen, dass dieses Verfahren eine Mehrzahl von Parametern (Dicke, Breite, Länge, Vorrichtung, Lichteinkopplungsfläche etc.) festlegt und sich nicht auf die Dicke der zu messenden Folie beschränkt. Aus der oben genannten Textstelle lässt sich nicht ableiten, dass die Wahl einer bestimmten Probendicke allein genügt, um die optische Dämpfung in eindeutiger Weise zu bestimmen.

Die Argumentation der Beschwerdeführerin beruhte im Wesentlichen auf der Unterscheidung zwischen zwei Messverfahren, nämlich einem ersten Messverfahren, das auf Seite 19 der Anmeldung beschrieben wird und das erlaubt, die optische Dämpfung mit relativ hoher Genauigkeit zu bestimmen, und einem zweiten Messverfahren, in dem an einem einzigen Probenstreifen gemessen wird und das eine weniger genaue, aber immer noch brauchbare Messung der optischen Dämpfung erlauben soll. Anspruch 4 beziehe sich auf dieses zweite Messverfahren. Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen, da sie über die Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht. Die Anmeldung beschreibt nur eine einzige Messmethode und beschäftigt sich nicht mit der Genauigkeit des Messwerts. Insbesondere gibt sie keinen Hinweis darauf, dass diese Messmethode vereinfacht werden kann, ohne die Genauigkeit der Messung in untragbarer Weise zu verschlechtern. Die Tatsache, dass der Anspruch 4 im Zusammenhang mit der Messung der optischen Dämpfung nur die Dicke der Probe erwähnt, ist nicht als Definition einer vereinfachten Messmethode zu sehen; es ist vielmehr anzunehmen, dass sich der Verfasser des Anspruchs auf die diesbezügliche Offenbarung der Beschreibung verließ und der Kürze halber auf die genaue Beschreibung der Messbedingungen verzichtet hat. Damit ist der Anspruch 4 aber unklar, da dem Fachmann nicht vermittelt wird, wie die optische Messung anspruchsgemäß gemessen wird, und da auch sein Fachwissen diese Lücke nicht in eindeutiger Weise füllen kann.

Für ihre Feststellung, dass die Messung der optischen Dämpfung an einer einzigen Probe ein dem Fachmann geläufiges Standard-Prozedere sei, konnte die Beschwerdeführerin keinen Nachweis erbringen; es handelt sich also um eine reine Behauptung, die zu keiner anderen Beurteilung der Lage führen kann.

Die Kammer schließt sich daher dem zweiten Klarheitseinwand der Prüfungsabteilung an.

Die Frage, ob es erforderlich ist, in den Anspruch das genauere Messverfahren aufzunehmen, oder ob es genügt, das Verfahren mit dem größeren Messfehler anzuführen, das aber ebenso erlaube, eine optische Dämpfung zu messen, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, da die ursprüngliche Anmeldung nur ein Messverfahren offenbart.

Die Kammer möchte anmerken, dass das EPÜ keine besonderen Anforderungen an die Genauigkeit von Messmethoden für beanspruchte Parameter stellt. Die Fragen, welche Messmethode zu verwenden ist und welche Anforderungen an die Genauigkeit der Methode gestellt werden, sind von der Anmelderin bei der Definition der Erfindung zu beantworten. Allerdings ist die Wahl, die von der Anmelderin beim Abfassen der Patentanmeldung getroffen wird, bindend für das weitere Verfahren. Eine Anmelderin, die feststellt, dass das in der Anmeldung beschriebene Messverfahren unnötig genaue Werte liefert, kann diesen Mangel nicht nachträglich durch Änderungen der Anmeldung beheben.

Selbst wenn der Fachmann aufgrund seines Fachwissens andere Verfahren als das einzige in der Anmeldung offenbarte Messverfahren kennen würde (was im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen wurde), würde die Aufnahme eines solchen Verfahrens in einen Anspruch in der Regel dazu führen, dass der Gegenstand des Anspruchs über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht.

1.1.3 Anspruch 8

Der dritte Einwand der Prüfungsabteilung beruht auf Anspruch 8, dem zufolge ein Teil der Oberfläche des Lichtleitkörpers Strukturierungen aufweist. Die Prüfungsabteilung hat festgestellt, dass das Merkmal zur Auskopplung von Licht aus dem Lichtleiter führen soll (dies hat sie vermutlich aus dem letzten Absatz auf Seite 16 abgeleitet) und weiters ausgeführt:

"Eine solche Auskopplung, wenn sie denn die für eine Beleuchtung notwendige Intensität erreichen soll, führt dann vollends zu Unklarheiten hinsichtlich der in Anspruch 4 des Hauptantrages definierten Dämpfungswerte für die Folie der Dicke von 0,5 mm und ihrer Bedeutung für den Lichtleiter, i.e. wenn auch nur wenige Prozent des in den Lichtleiter eingekoppelten Lichtes pro Flächeneinheit aus diesem wieder über die Oberfläche ausgekoppelt werden, sind die in Anspruch 4 des Hauptantrages für die Folie der Dicke von 0,5 mm angegebenen Dämpfungswerte für den Lichtleiter, der aus einer ähnlichen Folie hergestellt wird, nicht zu erreichen."

Die Beschwerdeführerin hat darauf hingewiesen, dass es "für einen Fachmann wohl selbstverständlich ist, dass die optische Dämpfung an einer Folie gemessen wird, die keine Strukturierung aufweist", zumal auch die Beschreibung des Messverfahrens keine Strukturierung der Folie erwähne (Beschwerdebegründung, Seite 5, siebter Absatz). Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an; die Messung an der 0,5 mm dicken Folie betrifft das Material an sich und nicht die konkrete Ausformung des Lichtleitkörpers, wie er in der Beleuchtungseinheit zum Einsatz kommt. Daher kann sich die Beschwerdekammer dem dritten Klarheitseinwand der Prüfungsabteilung nicht anschließen.

1.2 Ergebnis

Da der Hauptantrag dem Erfordernis der Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ nicht genügt, kann diesem Antrag nicht stattgegeben werden.

2. Hilfsantrag 1

2.1 Zulässigkeit

Die Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) entschieden, den verspätet vorgebrachten Hilfsantrag in das Verfahren zuzulassen, da das späte Vorbringen erlaubt, den Klarheitseinwand gegenüber dem Hauptantrag auszuräumen und keine Fragen aufwirft, deren Behandlung der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten war.

2.2 Klarheit

Da Anspruch 4 die Lehre der Anmeldung bezüglich des Messverfahrens widerspiegelt und dem Fachmann klar vermittelt, wie die optische Dämpfung zu bestimmen ist, ist der gegenüber dem Hauptantrag erhobene Klarheitseinwand (siehe Punkt 1.1.2) ausgeräumt.

Die Kammer gelangt daher zum Schluss, dass der Hilfsantrag 1 den Erfordernissen von Artikel 84 genügt.

2.3 Erfinderische Tätigkeit (Anspruch 1)

2.3.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass die Druckschrift D14 ein geeigneter Ausgangspunkt zur Prüfung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit ist. Die Beschwerdeführerin hat dies mit dem Hinweis darauf bestritten, dass ein Dokument, das kein Verfahren beschreibt, nicht als Ausgangspunkt geeignet sei, und hat die in der Anmeldung zitierte Druckschrift DE 10 222 250 A1 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen.

Die Druckschrift D14 beschreibt Plexiglas-Materialien (d.h. Polymethylmethacrylate (PMMA)), die für verschiedene Zwecke, unter anderem für Lichtleiter (Seite 3, rechte Spalte, dritter Absatz: "light guides"), verwendet werden können. Die Druckschrift befasst sich nicht mit den Details von Verfahren zur Herstellung von Lichtleitkörpern aus solchen Materialien - ihre diesbezügliche Offenbarung beschränkt sich darauf, dass die Folien kalandriert sein können (Seite 4, "Calendared films"). Daher stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin dahingehend zu, dass die Druckschrift D14 keinen geeigneten Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 darstellt.

2.3.2 Naheliegen

Da die Druckschrift D14 keinen geeigneten Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 darstellt, kann sich die Kammer der Begründung für den von der Prüfungsabteilung erhobenen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nicht anschließen.

Da nicht dargelegt wurde, und für die Kammer auch nicht erkenntlich ist, dass sich die Erfindung in naheliegender Weise aus dem restlichen von der Prüfungsabteilung herangezogenen Stand der Technik ergibt, hat die Erfindung im Sinne von Artikel 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend zu gelten.

3. Zurückverweisung an die erste Instanz

Die Prüfungsabteilung hat Anspruch 4 als unklar befunden und daher die Patentfähigkeit des Gegenstands von Anspruchs 4 nicht geprüft.

Deshalb ist es aus der Sicht der Kammer angemessen, die Angelegenheit in Anwendung von Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Anmeldung schon lange anhängig sei, hat die Kammer insofern Rechnung getragen, als sie die Beschwerde sehr schnell behandelt hat.

4. Obiter dictum

Der Hilfsantrag 2 enthält nur Verfahrensansprüche, von denen die Kammer bereits festgestellt hat, dass sie den Erfordernissen des EPÜ genügen (siehe Punkt 2.3). Diesem Antrag wäre daher stattzugeben, selbst wenn die Prüfungsabteilung zum Schluss gelangen sollte, dass der Gegenstand von Anspruch 4 des Hilfsantrags 1 nicht den Erfordernissen der Artikel 54 oder 56 EPÜ genügt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, zurückverwiesen.

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