European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T254516.20201215 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Dezember 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2545/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10159286.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | E05C9/00 E05C7/04 E05B65/10 E05B63/24 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Treibriegelschloss | ||||||||
Name des Anmelders: | BKS GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ASSA ABLOY Sicherheitstechnik GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 3 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, haben beide Parteien Beschwerde eingelegt.
II. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
III. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1-5, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, wobei Hilfsantrag 1 dem Hilfsantrag entsprach, auf dessen Basis die Einspruchsabteilung das Patent aufrechterhalten hatte.
Außerdem beantragte die Beschwerdeführerin 1, dass die Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und c) EPÜ nicht in das Verfahren zugelassen werden.
Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (Merkmalsgliederung in eckigen Klammern hinzugefügt):
[M1.1] Treibriegelschloss (22) für eine einen Gangflügel (14) aufweisende Tür (10), mit
[M1.2] einem Fallenauswerfer (68),
[M1.3] einem parallel zu einer Stulp (34) verschiebbaren Steuerschieber (36),
[M1.4] einem vom Steuerschieber (36) angetriebenen Fallenauswerferantrieb (44), und
[M1.5] einem Einzugsschieber (94, 98) für eine Treibstange (24, 26),
dadurch gekennzeichnet, dass
[M1.6] beim Betätigen des Steuerschiebers (36) zuerst der Fallenauswerfer (68) verschoben und anschließend der Einzugsschieber (94, 98) angetrieben werden.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs, wonach (Änderungen gegenüber der Anspruchsformulierung des Hauptantrags hervorgehoben)
[M1.6-H3] beim Betätigen des Steuerschiebers (36) zuerst die Falle eines Gangflügelschlosses (20) mittels des Fallenauswerfers (68) aus dem Treibriegelschloss (22) ausgeschoben und anschließend der Einzugsschieber (94, 98) angetrieben werden.
V. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:
D1 |EP 1 947 273 A1 |
D3 |DE 36 36 236 A1 |
D7 |DE 10 2004 009 973 A1|
D10|EP 1 703 051 B1 |
D11|EP 0 858 541 B1 |
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin 1 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag - Neuheit
Anspruch 1 sei im Lichte der Beschreibung und insbesondere unter Berücksichtigung der zu erfüllenden Aufgabe des Patents auszulegen. Daher erfordere Merkmal [M1.6], dass der Fallenauswerfer derart verschoben wird, dass damit der Gangflügel freigegeben wird, dass also die Falle aus dem Treibriegelschloss vollständig ausgeschoben wird. Da weder die D3 noch die D7 oder die D10 eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung hierfür enthalte, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.
Hilfsantrag 1 - Zulassung neuer Einwände in das Verfahren
Bei den erstmals im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwänden unter Artikel 83 und 123 (2) EPÜ handle es sich um neue Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ. Da die Beschwerdeführerin 1 ihre Zustimmung zu deren Einführung in das Verfahren verweigerte, seien sie nicht zu prüfen.
Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung
Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] sei auf die Absätze [0008] und [0025] der Beschreibung gestützt und beinhalte aufgrund der Formulierung "anschließend" zwingend implizit die in Absatz [0008] der Beschreibung erwähnte Bedingung, dass wenn die Falle des Gangflügelschlosses aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben wird, "der Standflügel nach wie vor über die Treibstange oder die Treibstangen verriegelt bleibt".
Hilfsantrag 1 - Ausführbare Offenbarung
Zur Beurteilung der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung seien die gesamten Patentunterlagen heranzuziehen. Insbesondere in den Figuren 1-5 sei detailliert beschrieben, wie die Erfindung ausgeführt werden kann.
Hilfsantrag 1 - Klarheit
Der Bezug auf eine "Falle eines Gangflügelschlosses", die nicht zum beanspruchten Gegenstand zählt, sei zulässig und klar. Auch der Begriff "ausgeschoben" habe eine klare Bedeutung, nämlich "draußen", also nicht mehr im Treibriegelschloss befindlich. Im Übrigen könnten auch Kreuzfallen mittels des Fallenauswerfers aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben werden.
Hilfsantrag 1 - Neuheit
Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] fordere, dass die Falle aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben, also nicht mehr im Treibriegelschloss befindlich ist, bevor der Einzugsschieber angetrieben wird. Dieses Merkmal werde von keiner der Entgegenhaltungen D3, D7 und D10 offenbart.
Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von der Entgegenhaltung D1, die das Merkmal [M1.6-H3] nicht offenbare, würde der Fachmann die Entgegenhaltung D11 nicht in Betracht ziehen, da deren Lehre nicht auf das Treibriegelschloss der D1 übertragbar sei. Ferner sei in der D11 das Unterscheidungsmerkmal nicht gezeigt. Gleiches gelte für die D7, die ebenfalls das Unterscheidungsmerkmal nicht zeige.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin 2 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag - Neuheit
Bei der Beurteilung der Neuheit des Anspruchs 1 sei die zu erfüllenden Aufgabe des Patents nicht heranzuziehen, da diese erst bei der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen sei. Auch Artikel 69 EPÜ böte keine Grundlage dafür, bei der Beurteilung der Neuheit in einen Anspruch Merkmale hineinzulesen, die sich in der Beschreibung finden. Der Anspruchswortlaut erfordere laut Merkmal [M1.6] nur, dass der Fallenauswerfer "verschoben" wird, bevor der Einzugsschieber angetrieben wird. Dies sei in der D3, Figuren 9 und 10, der Fall, da hier die Langloch-Zapfen-Verbindung 57, 56 die Bewegung des Einzugsschiebers 44 gegenüber der Bewegung des Fallenauswerfers 58 verzögere, da der Zapfen das Langloch zunächst durcheilen müsse.
Hilfsantrag 1 - Zulassung neuer Einwände in das Verfahren
Die Einwände unter Artikel 83 und 123 (2) EPÜ seien durch die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung in den Anspruchswortlaut veranlasst und daher gemäß Artikel 101 (3) EPÜ zu prüfen.
Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung
Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] stelle eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar, da die in Absatz [0008] der Beschreibung erwähnte Bedingung, dass wenn die Falle des Gangflügelschlosses aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben wird, "der Standflügel nach wie vor über die Treibstange oder die Treibstangen verriegelt bleibt", nicht in den Anspruch mit aufgenommen wurde.
Hilfsantrag 1 - Ausführbare Offenbarung
Da die Falle des Gangflügelschlosses nicht zum beanspruchten Gegenstand zähle und daher beliebige Gestalt haben könne, sei nicht sichergestellt, dass sie mittels des Fallenauswerfers vollständig aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben werden kann. Die im Streitpatent in Bezug auf die Figuren 1-5 gemachten Angaben seien für die Bestimmung der Ausführbarkeit nicht relevant, da die darin gezeigte Ausführungsform dem Wortlaut des Anspruchs 1 widerspräche.
Hilfsantrag 1 - Klarheit
Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] nehme Bezug auf ein Element, das nicht zum beanspruchten Gegenstand zählt, was im vorliegenden Fall zu einer Unklarheit führe. Ferner gehe aus dem Anspruchswortlaut nicht eindeutig hervor, ob die Falle vollständig oder nur ein bisschen ausgeschoben werden soll, und ob die Stulp Teil des Treibriegelschlosses ist, wobei das Ausschieben bis jenseits der Stulp erfolgen müsste. Darüber hinaus seien Fallentypen denkbar, wie beispielsweise Kreuzfallen, die womöglich nicht vollständig ausgeschoben werden können.
Hilfsantrag 1 - Neuheit
Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] fordere nicht, dass die Falle vollständig aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben ist, bevor der Einzugsschieber angetrieben wird. Daher offenbare jede der Entgegenhaltungen D3, D7 und D10 den Gegenstand des Anspruchs 1, da jeweils eine Langloch-Zapfen Verbindung zwischen Steuerschieber und Einzugsschieber den Antrieb des Einzugsschiebers verzögere.
Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit
Sollte, ausgehend von der Entgegenhaltung D1, das Merkmal [M1.6-H3] als Unterscheidungsmerkmal angesehen werden, würde der Fachmann das darin offenbarte Treibriegelschloss um das in der D11 gelehrte Motorschloss ergänzen und damit in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen. Ferner käme der Fachmann bei einer Kombination der Entgegenhaltungen D1 und D7 in naheliegender Weise zum anspruchsgemäßen Gegenstand.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Die Entgegenhaltung D3 offenbart unstreitig ein (siehe D3, Anspruch 1; Figuren 9 und 10; Bezugnahmen in runden Klammern beziehen sich auf D3)
[M1.1] Treibriegelschloss (11) für eine einen Gangflügel aufweisende Tür, mit
[M1.2] einem Fallenauswerfer (58),
[M1.3] einem parallel zu einer Stulp (16) verschiebbaren Steuerschieber (27),
[M1.4] einem vom Steuerschieber (27) angetriebenen Fallenauswerferantrieb (61, 62), und
[M1.5] einem Einzugsschieber (44) für eine Treibstange.
1.2 Das streitige Merkmal [M1.6] besagt, dass "beim Betätigen des Steuerschiebers (36) zuerst der Fallenauswerfer (68) verschoben und anschließend der Einzugsschieber (94, 98) angetrieben werden". Das beanspruchte Treibriegelschloss muss also derart beschaffen sein, dass beim Betätigen des Steuerschiebers zwei Vorgänge nacheinander ablaufen: Zuerst wird der Fallenauswerfer verschoben, anschließend wird der Einzugsschieber angetrieben.
Der Anspruchswortlaut lässt offen, wann der erste Vorgang abgeschlossen ist, sprich wie weit der Fallenauswerfer verschoben werden soll, bevor der zweite Vorgang beginnt. Folglich ist das Merkmal [M1.6] bereits erfüllt, wenn beim Betätigen des Steuerschiebers der Fallenauswerfer ein Stück weit verschoben wird, bevor der Einzugsschieber angetrieben wird.
1.3 Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte, der Anspruch sei nicht alleine anhand des Wortlauts, sondern im Lichte der Beschreibung und insbesondere unter Berücksichtigung der zu erfüllenden Aufgabe des Patents auszulegen. Daher erfordere es das Merkmal [M1.6], dass der Fallenauswerfer derart verschoben wird, dass damit der Gangflügel freigegeben wird (Patent, Absatz [0006]). Dies sei erst dann der Fall, wenn der Fallenauswerfer die Falle aus dem Treibriegelschloss komplett ausgeschoben hat.
Das Merkmal [M1.6] vermittelt jedoch als solches dem fachmännischen Leser eine klare, glaubhafte technische Lehre. Bei der Auslegung des Merkmals kann daher die Beschreibung nicht verwendet werden, um ihm eine andere Bedeutung zu geben (siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Aufl. 2019, Kapitel II.A.6.3.1).
Es stimmt zwar, wie von der Beschwerdeführerin 1 weiter sinngemäß argumentiert, dass ein Anspruch nicht in einer Weise ausgelegt werden dürfe, die unlogisch oder nicht sinnvoll ist. Es ist jedoch weder unlogisch noch unsinnig, den Einzugsschieber bereits dann anzutreiben, wenn die Falle noch nicht vollständig ausgeworfen ist, da auch bei einer solchen Arbeitsweise am Ende beide Flügel der Tür freigegeben werden (vgl. Patent, Absatz [0006]).
1.4 Merkmal [M1.6] ist bei dem in der D3 offenbarten Treibriegelschloss gegeben. Beim Betätigen des Steuerschiebers 27 wird über die Langloch-Zapfen-Verbindungen 61, 62 unmittelbar der Fallenauswerfer 58 verschoben, während der am Einzugsschieber 44 befindliche Zapfen 56 noch das Langloch 57 im Steuerschieber 27 durchläuft. Erst wenn der Zapfen 56 das Ende des Langlochs 57 erreicht hat, setzt sich auch der Einzugsschieber 44 in Bewegung. Die Langloch-Zapfen-Verbindung 57, 56 zwischen dem Steuerschieber 27 und dem Einzugsschieber 44 bewirkt folglich, dass beim Betätigen des Steuerschiebers 27 zuerst der Fallenauswerfer 58 ein Stück weit verschoben wird, und anschließend der Einzugsschieber 44 angetrieben wird (vgl. D3, Spalte 14, Zeilen 19-34; Figuren 9 und 10). Diese Wirkung entfaltet sich insbesondere dann, wenn die Treibstange auf Schmutz im Türrahmenholm aufstößt und infolgedessen nicht vollständig in die Verriegelungsposition eingefahren ist, wie in der D3, Spalte 14, Zeilen 25-34, beschrieben.
1.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu gegenüber der Offenbarung der D3 (Artikel 100 a), 52 (1), 54 EPÜ).
2. Hilfsantrag 1 - Zulassung neuer Einwände in das Verfahren
2.1 Im Beschwerdeverfahren machte die Beschwerdeführerin 2 erstmalig die Einwände der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) und der unzulässigen Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ) gegen die in der Zwischenentscheidung aufrechterhaltene Fassung (damals Hilfsantrag 3, jetzt Hilfsantrag 1) geltend.
Ferner beanstandete sie im Beschwerdeverfahren erstmalig die mangelnde Klarheit dieser Fassung (Artikel 84 EPÜ).
2.2 Die Beschwerdeführerin 1 sah in den Einwänden unter Artikel 83 und 123 (2) EPÜ neue Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c) EPÜ und verweigerte ihre Zustimmung zu deren Einführung in das Verfahren.
2.3 Der erhobene Einwand unter Artikel 83 EPÜ bezieht sich auf die Frage, ob der Fachmann aufgrund der Lehre des Streitpatents und seines allgemeinen Fachwissens in der Lage ist, ein Treibriegelschloss zu erhalten, bei dem das Merkmal [M1.6-H3] verwirklich ist. Dieser Einwand ist durch die Änderungen des Anspruchswortlauts des in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hilfsantrags 3 (jetzt Hilfsantrag 1) veranlasst. Da die Änderungen in Merkmal [M1.6-H3] aus der Beschreibung stammen und nicht aus erteilten Ansprüchen handelt es sich hierbei nicht um einen neuen Einspruchsgrund im Sinne der Entscheidung G 10/91, sondern um einen neuen Einwand im Sinne des Artikels 101 (3) EPÜ, wonach die Änderungen den Erfordernisses des EPÜ genügen müssen (siehe hierzu auch G 10/91, Gründe 19).
Da der besagte Hilfsantrag erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung und damit sehr spät vorgelegt worden war, ohne eine Entsprechung in den erteilten Ansprüchen oder den vorab am 5. August 2016 eingereichten Hilfsanträgen zu finden, wird der Einwand unter Artikel 83 EPÜ in das Verfahren zugelassen.
2.4 Gleiches gilt für die Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ, soweit sie durch die Änderungen veranlasst sind. Auch diese werden aus den genannten Gründen in das Verfahren zugelassen.
2.5 Der Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ betreffend das "Kopplungsglied" ist hingegen nicht durch die Änderungen veranlasst. Die Beschwerdeführerin 2 argumentierte diesbezüglich, dass in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ein Merkmal betreffend ein Kopplungsglied fehle, da in Absatz [0007] der ursprünglich eingereichten Beschreibung ein Kopplungsglied als "erfindungsgemäß" präsentiert wird. Anspruch 1 stelle daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar. Jedoch trifft dieser Umstand identisch auf Anspruch 1 der erteilten Fassung zu, bei dem ebenfalls kein Merkmal betreffend ein Kopplungsglied enthalten war, und der ebenso die behauptete Diskrepanz gegenüber der Beschreibung aufwies. Der Einwand hätte daher bereits mit dem Einspruch erhoben werden können, weshalb er zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung als neuer Einspruchsgrund gewertet und daher nicht in das Verfahren zugelassen wird.
2.6 Die Beanstandung unter Artikel 84 EPÜ betreffend den in den Anspruch aufgenommenen Fremdbezug auf die "Falle eines Gangflügelschosses" ist ebenfalls durch die Änderung veranlasst und daher einer Überprüfung zugänglich. Die übrigen Einwände unter Artikel 84 EPÜ hingegen beziehen sich auf Merkmale, die bereits im erteilten Anspruch enthalten waren, sodass sie aufgrund der Entscheidung G 3/14 im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht behandelt werden können.
3. Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterung
3.1 Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] ist auf Absatz [0008] der Beschreibung gestützt.
3.2 Die Beschwerdeführerin 2 beanstandete, dass Anspruch 1 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung darstelle, da das Teilmerkmal "so dass der Standflügel nach wie vor über die Treibstange oder die Treibstangen verriegelt bleibt" nicht in den Anspruch mit aufgenommen wurde. Hierzu ist festzustellen, dass das Merkmal [M1.6-H3] eine zeitliche Abfolge zweier Vorgänge beschreibt, wonach zuerst die Falle eines Gangflügelschlosses mittels des Fallenauswerfers aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben und anschließend der Einzugsschieber angetrieben werden. Dies kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Einzugsschieber erst dann angetrieben wird, wenn die Falle des Gangflügelschloss aus dem Treibriegenschloss ausgeschoben worden ist. Folglich beinhaltet Merkmal [M1.6-H3] implizit das als fehlend beanstandete Teilmerkmal, wonach sich am Ende des ersten Vorgangs (Falle ausgeschoben) die Treibstangen noch in ihrer Verriegelungsposition befinden.
3.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 erfüllt folglich die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
4. Hilfsantrag 1 - Ausführbare Offenbarung
4.1 Für die Frage der ausreichenden Offenbarung ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, ob der Fachmann in der Lage ist, ein Treibriegelschloss zu erhalten, bei dem beim Betätigen des Steuerschiebers zuerst die Falle eines Gangflügelschlosses mittels des Fallenauswerfers aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben und anschließend der Einzugsschieber angetrieben werden (Merkmal [M1.6-H3]). Zur Beantwortung dieser Frage sind sowohl der Gesamtinhalt der Patentschrift als auch das allgemeine Fachwissen zu berücksichtigen.
4.2 Beide Ausführungsbeispiele des Patents vermitteln dem Fachmann eine klare Lehre, wie das anspruchsgemäße Treibriegelschloss erhalten werden kann. Im ersten Ausführungsbeispiel, gezeigt in den Figuren 2-5, kämmt der Zahnstangenabschnitt 42 des Steuerschiebers 36 das Zahnrad 90, welches den Einzugsschieber 94 antreibt, erst dann, wenn der Fallenauswerferantrieb 44 vom Steuerschieber 36 mittels der Langloch-Zapfen-Verbindung 56, 86 bereits angetrieben worden ist (Patent, Absätze [0027], [0032]; Figuren 2-5). Im zweiten Ausführungsbeispiel, gezeigt in den Figuren 6-9, kämmt der Zahnstangenabschnitt 42 des Steuerschiebers 36 das Zahnrad 90, welches den Einzugsschieber 94 antreibt, erst nachdem der Zapfen 116, vom Steuerschieber 36 angetrieben, mittels der Steuerkurve 118 den Fallenauswerfer betätigt hat (Patent, Absätze [0035], [0038]; Figuren 6-9).
4.3 Das Argument der Beschwerdeführerin 2, dass die in den Figuren 1-5 gezeigte Ausführungsform nicht unter den Patentanspruch falle, da der Fallenauswerferantrieb nicht vom Steuerschieber 36, sondern von der Drückernuss 80 angetrieben werde, überzeugt nicht. Wie aus den Figuren 1-5 ersichtlich und in den Absätzen [0027] und [0032] erläutert, kann der in den Figuren dargestellte Bewegungsablauf auf zwei Arten erfolgen, nämlich zum einen durch manuelles Betätigen des Drückers 84 und zum anderen durch motorische Verschiebung des Ansatzes 38 des Steuerschiebers 36. In letzterem Fall treibt die Bewegung des Steuerschiebers 36 in Richtung des Pfeils 92 den Fallenauswerferantrieb 44 mittels der Langloch-Zapfen-Verbindung 56, 86 an. Der Arm 60, 62 des Fallenauswerferantriebs 44 verschiebt dabei den Fallenauswerfer 68 (Absätze [0025], [0032]). Folglich wird in letzterem Fall, wie beansprucht, beim Betätigen des Steuerschiebers die Falle eines Gangflügelschlosses mittels des Fallenauswerfers aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben.
4.4 Das weitere Argument der Beschwerdeführerin 2, dass theoretisch Fallen denkbar wären, die mittels des Fallenauswerfers nicht ausgeschoben werden können, überzeugt ebenfalls nicht. Dem von der Beschwerdeführerin 2 konstruierten Fall, dass eine Falle denkbar wäre, die sich in einem Spalt zwischen Stulp und Fallenauswerfer verkeilt, würde der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens dadurch begegnen, dass er einen solchen Spalt verkleinert (siehe auch Patent, Figur 5). Im Übrigen steht es der Ausführbarkeit der Erfindung nicht entgegen, wenn einzelne Fallen mit dem beanspruchten Treibriegelschloss inkompatibel sind, solange der Fachmann in der Lage ist, geeignete Fallen zu identifizieren, mit denen die beanspruchte Wirkung, also das Ausschieben der Falle aus dem Treibriegelschloss mittels des Fallenauswerfers, erzielbar ist. Hieran hat der Vortrag der Beschwerdeführerin 2 keine ausreichenden Zweifel erzeugt.
4.5 Die Erfindung gemäß Hilfsantrag 1 ist folglich ausführbar offenbart (Artikel 83 EPÜ).
5. Hilfsantrag 1 - Klarheit
5.1 Das in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] stammt aus der Beschreibung und ist daher einer Überprüfung unter Artikel 84 EPÜ zugänglich (G 3/14).
5.2 Das Merkmal nimmt Bezug auf "die Falle eines Gangflügelschlosses" und damit auf ein Element, das nicht zum beanspruchten Gegenstand zählt. Dieser Fremdbezug macht den Anspruch jedoch nicht unklar, sondern definiert das beanspruchte Treibriegelschloss in funktionaler Weise. So muss das Treibriegelschloss derart gestaltet sein, dass beim Betätigen des Steuerschiebers zuerst eine Falle eines Gangflügelschlosses mittels des Fallenauswerfers aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben und anschließend der Einzugsschieber angetrieben werden. Diese funktionale Definition stellt für den Fachmann eine klare technische Lehre dar und ist daher unter Artikel 84 EPÜ als solche nicht zu beanstanden.
5.3 Das weitere Argument der Beschwerdeführerin 2, wonach aus dem Anspruch nicht klar hervorginge, ob die Falle vollständig oder nur ein bisschen ausgeworfen werden soll, überzeugt ebenfalls nicht. Die Formulierung "aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben" verlangt - wie oben unter Punkt 3.2 erläutert - unmissverständlich, dass sich die Falle nicht mehr im Treibriegelschloss befindet, wenn der Einzugsschieber angetrieben wird.
5.4 Sofern die Stulp einen Teil des Treibriegelschlosses bildet, muss das Ausschieben bis jenseits der Stulp erfolgen. Der Wortlaut des beanstandeten Merkmals lässt hier keinen Spielraum für eine gegenteilige Interpretation, denn "aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben" umfasst zwangsläufig sämtliche zum Treibriegelschloss gehörenden Elemente.
Offen bleibt die Frage, ob die Stulp dem Treibriegelschloss zuzurechnen ist oder nicht. Die Anspruchsformulierung gibt hierauf keine eindeutige Antwort. Diese Unbestimmtheit kann jedoch im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht auf ihre Klarheit hin überprüft werden, da sie sich bereits im erteilten Anspruch befand.
5.5 Der Verweis der Beschwerdeführerin 2 auf hypothetische Fallentypen, wie beispielsweise Kreuzfallen, die womöglich nicht vollständig aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben werden können, verfängt ebenfalls nicht. Die Beschwerdeführerin 2 hat weder zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass es solche Fallentypen gibt, die von dem Fallenauswerfer nicht aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben werden können, noch hat sie erläutert, wie daraus eine Unklarheit des Anspruchs resultieren könnte.
5.6 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 erfüllt folglich die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
6. Hilfsantrag 1 - Neuheit
6.1 Das in den Anspruch aufgenommene Merkmal [M1.6-H3] fordert, wie bereits dargelegt (siehe obigen Punkt 3.2), dass die Falle aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben, also nicht mehr im Treibriegelschloss befindlich ist, bevor der Einzugsschieber angetrieben wird.
6.2 Die D3 enthält keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung dafür, dass der durch das Langloch bewirkte zeitliche Versatz zwischen der Betätigung des Fallenauswerfers und der Betätigung des Einzugsschiebers dergestalt ist, dass die Falle aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben ist, bevor der Einzugsschieber angetrieben wird (zur Würdigung des Offenbarungsgehalts der D3 siehe obigen Punkt 1.4).
6.3 Gleiches gilt für die D7. In dem darin offenbarten Treibriegelschloss erfolgt die Betätigung des Fallenschiebers 6 gleichzeitig - nämlich gekoppelt über die Lasche 5, die Nuss 3 und die Lasche 10 - mit der Betätigung des zweiten Teilschiebers 11 (D7, Absätze [0015]-[0016]). Die Betätigung des ersten Teilschiebers 17 erfolgt zeitlich versetzt - nämlich gekoppelt über die Stift-Schlitz-Verbindung 19 - mit der Betätigung des zweiten Teilschiebers 11 (D7, Absatz [0017]).
Auch hier fehlt jedoch eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung, dass der durch die Stift-Schlitz-Verbindung 19 bewirkte zeitliche Versatz zwischen der Betätigung des zweiten Teilschiebers 11 und der Betätigung des ersten Teilschiebers 17 dergestalt ist, dass die Falle mittels des Fallenauswerfers, d.h. des Fallenschiebers 6, aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben ist, bevor der Einzugsschieber, d.h. der erste Teilschieber 17, angetrieben wird.
6.4 Gleiches gilt für die D10. Dort erfolgt die Betätigung des Auslösers 13 gleichzeitig mit der Schwenkbewegung der Schlossnuss 4 - nämlich über deren drehstarre Kopplung mittels des Zwischenhebels 23, des zweiten Druckstücks 24 und des oberen Schwenkhebels 25 (D10, Absätze [0014] und [0068]-[0073], Figuren 1 und 2). Die Betätigung des unteren Schwenkhebels 18 erfolgt ebenfalls gleichzeitig mit der Schwenkbewegung der Schlossnuss 4 - nämlich gekoppelt über das Druckstück 17 (D10, Absatz [0065], Figuren 1 und 2). Der untere Schwenkhebel 18 wiederum betätigt über das Koppelelement 19 die untere Treibriegelstange 6. Diese Betätigung der unteren Treibriegelstange 6 erfolgt potentiell zeitlich versetzt von der Betätigung des Schwenkhebels 18, insbesondere bei nicht vollständig abgesenkter Treibriegelstange 6. In diesem Fall nämlich befindet sich der Gegenhaken der unteren Treibriegelstange (D10, Absatz [0066]) irgendwo innerhalb des Freilauffensters 37 (D10, Absatz [0087], Figur 1), sodass der Haken des Koppelelements 19 den besagten Gegenhaken nicht unverzüglich eingreift.
Auch hier fehlt jedoch eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung dafür, dass der durch das Freilauffenster 37 bewirkte zeitliche Versatz dergestalt ist, dass die Falle mittels des Fallenauswerfers, d.h. des Auslösers 13, aus dem Treibriegelschloss ausgeschoben ist, bevor der Einzugsschieber, d.h. der Gegenhaken des Koppelelements 19, angetrieben wird.
6.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher neu gegenüber jeder der Entgegenhaltungen D3, D7 und D10 (Artikel 52 (1), 54 EPÜ).
7. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit
7.1 Das in der Entgegenhaltung D1 offenbarte Treibriegelschloss kann als nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruchs 1 gesehen werden. Die D1 offenbart unstreitig ein (siehe D1, Absätze [0016]-[0019] und [0029]; Figuren 1-4; Bezugnahmen in runden Klammern beziehen sich auf D1)
[M1.1] Treibriegelschloss (6) für eine einen Gangflügel aufweisende Tür mit
[M1.2] einem Fallenauswerfer (64),
[M1.3] einem parallel zu einer Stulp (21) verschiebbaren Steuerschieber (Schieber 25, 26),
[M1.4] einem vom Steuerschieber (25, 26) angetriebenen Fallenauswerferantrieb (Mitnehmer 62), und
[M1.5] einem Einzugsschieber (Kopplungseinrichtung 23, 24) für eine Treibstange (Treibriegel 8, 9).
7.2 Die Entgegenhaltung D1 offenbart unstreitig nicht das Merkmal [M1.6-H3], wonach "beim Betätigen des Steuerschiebers (36) zuerst die Falle eines Gangflügelschlosses (20) mittels des Fallenauswerfers (68) aus dem Treibriegelschloss (22) ausgeschoben und anschließend der Einzugsschieber (94, 98) angetrieben werden".
7.3 Dieses Merkmal bewirkt, dass bei einer einen Gangflügel aufweisenden Tür mit einem erfindungsgemäßen Treibriegelschloss durch eine elektrische Betätigung zuerst der Gangflügel und danach der Standflügel entriegelt werden, sodass je nach Anforderung entweder nur der Gangflügel oder beide Flügel freigegeben werden können (Patent, Absatz [0006]).
Die objektive technische Aufgabe kann folglich darin gesehen werden, ein Treibriegelschloss für eine einen Gangflügel aufweisende Tür bereitzustellen, das elektrisch betätigbar ist, und mit dem je nach Anforderung entweder nur der Gangflügel oder beide Flügel freigegeben werden können (Patent, Absatz [0006]).
7.4 Wie oben unter Punkt 6.3 ausgeführt, enthält die Entgegenhaltung D7 keine Offenbarung des Merkmals [M1.6-H3]. Die anspruchsgemäße Ausgestaltung des Treibriegelschlosses wird daher durch die D7 nicht nahegelegt.
7.5 Die D11 lehrt in den Absätzen [0030]-[0033] und den Figuren 2 und 3, dass unterhalb des Treibriegelschlosses 8 ein elektrisches Motorschloss 14 zum Antrieb der unteren Treibriegelstange 11 angeordnet werden kann. Die untere Treibriegelstange 11 wird hierfür in zwei Treibriegelstangenabschnitte 11' und 11'' unterteilt, denen das Motorschloss 14 zwischengelagert ist (D11, Spalte 7, Zeilen 33-50; Figuren 2 und 3).
7.6 Zentrales Element des Motorschlosses 14 ist ein in Pfeilrichtung 17 bewegbarer Träger 18 (D11, Spalte 7, Zeilen 39-41), der es ermöglicht, dass der untere Treibriegelstangenabschnitt 11'' auf zwei Weisen aus seiner korrespondierenden Öffnung mit Bodenbereich 5 herausgezogen werden kann:
Gemäß einer ersten elektrischen Weise zieht ein an dem bewegbaren Träger 18 befindlicher Elektromotor 22 über ein Betätigungselement 21 einen ebenfalls am Träger 18 angelenkten Hebel 19 und damit den am Hebel 19 angebrachten unteren Treibriegelstangenabschnitt 11'' nach oben (D11, Spalte 7, Zeile 51 - Spalte 8, Zeile 2; Spalte 8, Zeilen 44-50).
Gemäß einer zweiten mechanischen Weise wird mittels des oberen Treibriegelstangenabschnitts 11' der bewegliche Träger 18 samt Elektromotor 22, Betätigungselement 21, Hebel 19 und unterem Treibriegelstangenabschnitt 11'' nach oben gezogen (D11, Spalte 8, Zeilen 24-32).
7.7 Würde der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin 2 vorgetragen, das Motorschloss 14 der D11 zum Antrieb der unteren Treibriegelstange 9 der D1 verwenden, bzw. umgekehrt, das Treibriegelschloss 8 der D11 durch das Treibriegelschloss 6 der D1 ersetzen, käme er in beiden Fällen zu einer Konstruktion, bei der die untere Treibriegelstange in zwei Treibriegelstangenabschnitte 11' und 11'' (bzw. 9' und 9'' gemäß der Bezeichnung in der D1) unterteilt ist, denen das Motorschloss 14 zwischengelagert ist.
Eine mechanische Betätigung des Treibriegelschlosses 6 über die Nuss 50 würde den Fallenauswerfer 64 und zugleich den oberen Treibriegelstangenabschnitt 11' bzw. 9' antreiben (siehe D1, Absätze [0028]-[0032]; Figuren 2-4). Der obere Treibriegelstangenabschnitt 11' bzw. 9' würde unmittelbar den beweglichen Träger 18 samt unterem Treibriegelstangenabschnitt 11'' bzw. 9'' nach oben ziehen. Eine mechanische Betätigung würde daher nicht in einem zweistufigen Vorgang gemäß Merkmal [M1.6-H3] resultieren.
Eine elektrische Betätigung des Motorschlosses würde lediglich den unteren Treibriegelstangenabschnitt 11'' bzw. 9'' nach oben ziehen. Der obere Treibriegelstangenabschnitt 11' bzw. 9' und das Treibriegelschloss 6 wären davon unbeeinflusst. Auch hier ergäbe sich folglich kein zweistufiger Vorgang gemäß Merkmal [M1.6-H3].
7.8 Würde der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin 2 weiter vorgetragen, den Schieber 26 des Treibriegelschlosses 6 der D1 mit einem Motor 22 gemäß der Figur 3 der D11 versehen, so ergäbe sich dasselbe Szenario wie bei einer mechanischen Betätigung. Der vom Motor hochgezogene Schieber 26 würde nicht nur die Treibriegelstange 9 antreiben, sondern gleichzeitig den Fallenauswerfer 64 - und zwar gekoppelt über den Hebel 53, den Schwenkarm 58 und den oberen Schieber 25 (vgl. D1, Absätze [0028]-[0032]; Figuren 2-4). Auch hier ergäbe sich folglich kein zweistufiger Vorgang gemäß Merkmal [M1.6-H3].
7.9 Was die in D11, Spalte 8, Zeilen 37-50, offenbarte zweistufige Schließfolgenregelung anbelangt, ist diese mit einem Treibriegelschloss gemäß der D11 realisierbar, nicht aber mit einem Treibriegelschloss gemäß der D1. Wie oben dargelegt, hat nämlich eine (wie auch immer bewirkte) Bewegung des Fallenauswerfers 64 im Treibriegelschloss 6 gemäß der D1 zwangsläufig eine zeitgleiche Bewegung der unteren Treibriegelstange 9 zur Folge.
7.10 Die anspruchsgemäße Ausgestaltung des Treibriegelschlosses kann daher durch eine Kombination der D1 mit der D11 nicht nahegelegt werden.
7.11 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 in Kombination sowohl mit D7 als auch mit D11 (Artikel 52 (1), 56 EPÜ).
8. Aufnahme eines Arguments in die Niederschrift
8.1 Die Beschwerdeführerin 2 beantragte, die Auslegung des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 von Seiten der Beschwerdeführerin 1 in die Niederschrift der mündlichen Verhandlung aufzunehmen.
8.2 Nach Regel 124 (1) EPÜ soll die Niederschrift den wesentlichen Gang der mündlichen Verhandlung, die rechtserheblichen Erklärungen der Beteiligten, die Aussagen der Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen und das Ergebnis eines Augenscheins enthalten.
8.3 Es liegt in der Verantwortung der Kammer, zu entscheiden, was sie für "wesentlich" oder "rechtserheblich" erachtet und damit in die Niederschrift aufnimmt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht Zweck der Niederschrift ist, Erklärungen wiederzugeben, die einem Beteiligten für ein etwaiges späteres Verfahren vor einem nationalen Gericht von Nutzen erscheinen. Derartige Erklärungen sind nicht im Sinne der Regel 124 (1) EPÜ "rechtserheblich" für die Entscheidung, die die Kammer zu treffen hat (siehe dazu auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Aufl. 2019, Kapitel III.C.7.10.1 und III.C.7.10.2).
8.4 Darüber hinaus geht die Auslegung des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 von Seiten der Beschwerdeführerin 1 aus deren früheren Schriftsätzen und aus dem Sachverhalt und den Anträgen hervor.
8.5 Der entsprechende Antrag der Beschwerdeführerin 2 wird daher abgelehnt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.