T 2480/16 () of 7.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T248016.20200907
Datum der Entscheidung: 07 September 2020
Aktenzeichen: T 2480/16
Anmeldenummer: 13306075.6
IPC-Klasse: H01R4/68
H02G15/34
H01B12/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum elektrisch leitenden Verbinden von zwei supraleitfähigen Kabeln
Name des Anmelders: Nexans
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 13 306 075.6 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen worden ist.

Die Prüfungsabteilung war zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des vor ihr anhängigen Anspruchs 1, eingereicht mit Schreiben vom 29. April 2016, gegenüber einer Zusammenschau der Offenbarungen der Dokumente D1 und D8 (siehe Absatz VII. für Dokumentenverweise) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte zunächst, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund ihres einzigen, gemeinsam mit der Beschwerdebegründung vom 29. September 2016 eingereichten Antrags zu erteilen.

Außer einer Ergänzung im Anspruch 1 von "mechanisch" vor "festgelegt" und einer geänderten zweiteiligen Fassung zur Abgrenzung gegenüber Dokument D1 entspricht der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Anspruchssatz inhaltlich dem Anspruchssatz, über den auch die Prüfungsabteilung entschieden hat.

III. Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche sowie zwei Dokumente und Übersetzungen der Dokumente D1 und D8 ins Englische ein und beantragte, ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche vom 25. Juni 2020 zu erteilen, hilfsweise, die Sache an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

IV. Mit einem am 3. September 2020 eingegangenen Schreiben reichte die Beschwerdeführerin eine Probe eines Supraleiters zur Stützung der Argumentation ihres Schreibens vom 25. Juni 2020 ein. Außerdem erklärte sie sich damit einverstanden, dass der Berichterstatter per Videoschaltug an der für 7. September 2020 anberaumten mündlichen Verhandlung teilnimmt und beantragte, die mündliche Verhandlung insgesamt als Videokonferenz durchzuführen.

V. Die Kammer gab dem Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz statt.

Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 7. September 2020 per Videokonferenz statt.

VI. Während der mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag vom 25. Juni 2020 zurück. Wie vom Vorsitzenden während der mündlichen Verhandlung erwähnt, erübrigte sich damit auch eine Berücksichtigung der beiden mit dem Schreiben vom 25. Juni 2020 eingereichten Dokumente sowie der am 3. September 2020 eingegangenen Probe eines Supraleiters, da diese allesamt zur Stützung der Argumente für die Patentfähigkeit der am 25. Juni 2020 eingereichten Ansprüche dienten.

VII. Die folgenden im Verfahren vor der Prüfungsabteilung genannten Dokumente sind für die Beschwerde relevant:

D1 : JP H09 55241 A

D6 : JP 2008 243699 A

D8 : JP H10 126917 A

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des einzigen Antrags - eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 29. September 2016 - lautet:

"Verfahren zum elektrisch leitenden Verbinden von zwei supraleitfähigen Kabeln (7,8), die jeweils mindestens zwei konzentrisch zueinander angeordnete und jeweils von einem Dielektrikum umgebene supraleitfähige Leiter (2,4,9) sowie einen über dem äußeren Dielektrikum angebrachten, elektrisch wirksamen Schirm (6) aufweisen, mit welchem die zu verbindenden Leiter (2,4,9) und Schirme (6) an den Enden der beiden Kabel (7,8) zunächst von umgebenden Schichten befreit und danach elektrisch leitend miteinander verbunden werden, dadurch gekennzeichnet,

- dass die Enden der beiden Kabel (7,8) derart nebeneinander und parallel zueinander angeordnet werden, dass ihre freien Enden in entgegengesetzter [sic] Richtung weisen und ihre Leiter (2,4,9) zumindest annähernd auf gleicher Höhe nebeneinander liegen,

- dass die Enden der beiden Kabel (7,8) relativ zueinander mechanisch festgelegt werden,

- dass je zwei Leiter der beiden Kabel (7,8) durch sich quer zu ihrer Achsrichtung erstreckende, elektrische Kontaktelemente (10,11,12) elektrisch leitend miteinander verbunden werden,

- dass die Schirme (6) der beiden Kabel (7,8) mittels separater Kontaktelemente (13,14,15) elektrisch leitend durchverbunden werden und

- dass die beiden derart behandelten Kabelenden beim Aufbau einer Übertragungsstrecke für elektrische Energie gemeinsam in einem Gehäuse (16) eines Kryostats angeordnet werden, das beim Betrieb der Übertragungsstrecke von einem fließfähigen Kühlmittel mit elektrisch isolierenden Eigenschaften durchströmt wird."

IX. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Weder aus dem Dokument D1, noch aus dem Dokument D8 sei ein elektrisch wirksamer Schirm als Teil der supraleitfähigen Kabel im Sinne des Anspruchs 1 bekannt, der mittels separater Kontaktelemente elektrisch leitend durchverbunden sei. Jedenfalls stellten die "silver sheaths 19" gemäß D1 keinen elektrisch wirksamen Schirm im Sinne des Anspruchs 1 dar, da sie einerseits struktureller Bestandteil des Supraleiters seien und andererseits nicht leitend mit dem Aluminiumschirm 41 verbunden sein könnten, sodass sie nicht elektrisch durchverbunden seien. Zwar zeige Dokument D6 elektrisch durchverbundene Schirme, die Anordnung gemäß D6 sei jedoch im Gegensatz zur beanspruchten Erfindung nicht kompakt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung des Dokuments D1 ferner durch die beanspruchte, sich quer zur Achsrichtung der Kabel erstreckende Anschlussart. Der Fachmann kombiniere die aus Dokument D8 bekannte Anschlussart nicht mit jener des Dokuments D1 und D6, da sich daraus eine Verbindung des Schirms mit dem innersten Leiter und somit ein Kurzschluss ergäbe. Eine Kombination der Dokumente D1 mit D6 und D8 stelle außerdem eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise dar.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ausreichend substantiiert. Somit ist die Beschwerde zulässig (Artikel 106-108 EPÜ und Regeln 99, 101 EPÜ).

2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

2.1 Das Dokument D1 bildet unstrittig den nächstliegenden Stand der Technik. Ebenso ist unstrittig, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung des Dokuments D1 durch zwei Merkmalsgruppen unterscheidet.

Einerseits unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch von D1, dass die supraleitfähigen Kabel jeweils einen elektrisch wirksamen Schirm aufweisen und dass diese Schirme der supraleitfähigen Kabel mittels separaten Kontaktelementen elektrisch leitend durchverbunden werden. Die Beschwerdeführerin stellte insbesondere darauf ab, dass dem Dokument D1 kein elektrisch wirksamer Schirm im Sinne des Anspruchs 1 zu entnehmen sei.

Andererseits unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch von D1, dass die Enden der beiden Kabel derart nebeneinander und parallel zueinander angeordnet werden, dass ihre freien Enden in entgegengesetzte Richtung weisen und ihre Leiter zumindest annähernd auf gleicher Höhe nebeneinander liegen und dass je zwei Leiter der beiden Kabel durch sich quer zu ihrer Achsrichtung erstreckende, elektrische Kontaktelemente elektrisch leitend miteinander verbunden werden.

Die Beschwerdeführerin hat zwar vorgetragen, dass eine Kombination der Offenbarungen der Dokumente D1, D6 und D8 eine rückschauende Betrachtung darstelle. Die Kammer ist hiervon jedoch nicht überzeugt. Augenscheinlich betreffen die beiden unterscheidenden Merkmalsgruppen unterschiedliche Lösungen unterschiedlicher technischer Probleme. Daher ist die Formulierung zweier objektiver voneinander unabhängiger Teilaufgaben und damit auch die Berücksichtigung verschiedener Dokumente hinsichtlich des Naheliegens der Lösungen geboten und stellt keine rückschauende Betrachtung dar (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage, 2019, I.D.9.2.2).

2.2 Die erste Merkmalsgruppe bewirkt eine verbesserte elektrische Abschirmung der Verbindungsstelle und löst insofern die objektive Aufgabe, die elektrische Abschirmung zu verbessern.

Eine elektrische Abschirmung mit durchverbundenen Schirmen der einzelnen supraleitfähigen Kabel ist jedoch bereits aus der Offenbarung des Dokuments D6 bekannt, siehe insbesondere die Figuren 2 und 3, Bezugszeichen 107, 207 und 360 und die zugehörige Beschreibung in den Absätzen [0028] und [0029]. Insofern kann die Frage, ob D1 durch die "silver sheaths 19" einen elektrisch wirksamen Schirm im Sinne des Anspruchs 1 offenbart, dahinstehen, da ein derartiger Schirm jedenfalls aus Dokument D6 bekannt ist. Der Fachmann hätte zur Lösung der ersten objektiven Aufgabe auch die Lehre von D1 mit jener von D6 kombiniert, da beide Dokumente das selbe Fachgebiet betreffen.

Daher ist die Lösung der ersten Aufgabe für den Fachmann naheliegend.

2.3 Die zweitgenannte Merkmalsgruppe bewirkt eine vereinfachte Verbindung der Innenleiter der supraleitenden Kabel und löst folglich die objektive Aufgabe, eine vereinfachte Anschlussart der Innenleiter bereitzustellen.

Die Kammer ist diesbezüglich nicht von dem Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt, dass die supraleitfähigen Kabel gemäß Dokument D6 nicht mit der Verbindungsart nach D8 kompatibel sind, und dass der Fachmann die zwei Dokumente nicht kombinieren würde weil sonst die Verbindung nicht mehr kompakt wäre. Auf die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Kompaktheit der Verbindungsart kommt es vorliegend nicht an, denn diese ist weder beansprucht, noch in der Offenbarung der Anmeldung als Vorteil der Erfindung dargestellt. Die Erfindung ist gemäß dem ursprünglich eingereichten Absatz [0004] (vgl. EP 2 830 160 A1) der Beschreibung ohnehin nicht auf Kompaktheit, sondern darauf gerichtet, den Aufwand bei der elektrisch leitenden Verbindung zu reduzieren. Genau diesen technischen Effekt hat auch die Verbindungsart, wie sie in den Figuren 7, 8 und 9 von Dokument D8 offenbart ist (vgl. Englische Übersetzung, Absatz [0025]: "By joining the protruding parts of a terminal component, connection between layers becomes easy", übersetzt: Durch das Zusammenfügen der hervorstehenden Teile einer Anschlusskomponente wird die Verbindung zwischen den Schichten einfach). Außerdem kann selbst die Verbindungsart nach D6 durchaus als kompakt bezeichnet werden, sodass konstruktiv keine Hindernisse bestehen, zur elektrischen Verbindung der Kabel anstatt der in D6 verwendeten separaten Leiter in axialer Richtung Verbindungselemente quer zur Achsrichtung der Kabel gemäß Dokument D8 gemeinsam mit den aus Dokument D6 bekannten durchverbundenen Schirmen zu verwenden.

Somit ist auch die Lösung der zweiten objektiven Aufgabe naheliegend.

Da die beiden vorliegenden Merkmalsgruppen unterschiedliche technische Effekte bewirken und unterschiedliche technische Aufgaben lösen, ist eine Berücksichtigung von zwei voneinander unabhängigen Teilaufgaben zulässig. Da die Lösung beider Teilaufgaben für den Fachmann naheliegend ist, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 insgesamt nahegelegt.

Die Kammer ist folglich zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von der Offenbarung des Dokuments D1 in Zusammenschau mit den Offenbarungen der Dokumente D6 und D8 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.

3. Schlussfolgerung

Da kein gewährbarer Antrag der Beschwerdeführerin vorliegt kann die Kammer dem Antrag auf Erteilung eines Patents nicht stattgeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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