T 2472/16 () of 10.3.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T247216.20210310
Datum der Entscheidung: 10 März 2021
Aktenzeichen: T 2472/16
Anmeldenummer: 04027974.7
IPC-Klasse: G01N35/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Analysieren von Proben
Name des Anmelders: Roche Diagnostics GmbH
F. Hoffmann-La Roche AG
Name des Einsprechenden: QIAGEN GmbH
Instrumentation Laboratory Company
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2 - Änderungen - zulässig (nein)
Hilfansanträge 3 bis 6 - Änderungen - refomatio in peius (nein)
Hilfansanträge 3 bis 6 - Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
G 0004/93
G 0001/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einspruchsabteilung hat im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren das europäische Patent Nr. 1 662 261 in geänderter Fassung aufrecht erhalten.

II. Die Einsprechende 1 (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt. Sie beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent im gesamten Umfang zu widerrufen.

Weiter hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

III. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte in ihrer Beschwerdeerwiderung, die Beschwerde zurückzuweisen sowie hilfsweise, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6 (eingereicht mit Schreiben vom 25. April 2016 als Hilfsanträge 2 bis 7 im Rahmen des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens) aufrecht zu erhalten.

Weiter hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

IV. Die Einsprechende 2 aus dem erstinstanzlichen Einspruchsverfahren ist gemäß Artikel 107 EPÜ am Beschwerdeverfahren beteiligt.

V. Mit Schreiben vom 10. Juli 2017 hat die Beschwerdeführerin zu den Hilfsanträgen der Beschwerdegegnerin Stellung genommen.

VI. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer den Beteiligten in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 VOBK ihre vorläufige Meinung mitgeteilt.

VII. Mit Schreiben vom 9. Februar 2021 hat die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin angekündigt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wird und ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen.

VIII. Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 hat die Einsprechende 2 angekündigt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wird.

IX. Mit Schreiben vom 16. Februar 2021 hat die Einsprechende 1 und Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen.

X. In einer Mitteilung vom 23. Februar 2021 teilte die Geschäftsstellenbeamtin der Kammer den Beteiligten mit, dass der für den 4. März 2021 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden sei und über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren entschieden werde.

XI. Die Schlussanträge der Beteiligten lauten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent im gesamten Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen sowie hilfsweise, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6 (eingereicht mit Schreiben vom 25. April 2016 als Hilfsanträge 2 bis 7 im Rahmen des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens) aufrecht zu erhalten.

XII. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:

D5 |WO 02/37078 A2 |

D8 |US 4,781,891 |

D20|DE 698 06 990 T2 |

D23|US 2002/0016683 A1 |

D24|Duden, Eintrag zu "modular" .|

XIII. Anspruch 1 des in geänderter Fassung aufrecht erhaltenen Patents lautet wie folgt.

"1. Vorrichtung zum Analysieren von Proben, die in Probengefässen (2) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet,

dass eine Zentraleinheit (1) mit Reaktionsgefässen,

eine Transporteinheit (6) zum Transportieren der Reaktionsgefässe und

mindestens eine analytische Einheit (7, 8, 9) mit modularem Aufbau vorgesehen sind, dass die Zentraleinheit (1) eine Probenentnahmeeinheit (30) enthält, mit der zumindest ein Teil der Probe aus einem Probengefäss (2) in ein Reaktionsgefäss überführt wird, dass zumindest ein Teil der Reaktionsgefässe über die Transporteinheit (6) an mindestens eine der analytischen Einheiten (7, 8, 9) übertragbar ist,

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens ein Reagenzbehälter (20, ...,23) mit mindestens einem Reagenz vorgesehen ist, das zur Probe im Reaktionsgefäss für eine Reaktion zwischen der Probe und dem Reagenz zuführbar ist, und

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens eine Messeinheit (37, 38, 39) zum Messen der physikalischen Eigenschaften der Probe vorgesehen ist,

wobei in der analytischen Einheit (7, 8, 9) diejenigen Reagenzien bereitgestellt sind, die den Proben zum Messen einer physikalischen Eigenschaft zugeführt werden, zu deren Bestimmung die Messeinheit (37, 38, 39) verwendbar ist."

XIV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt.

"1. Vorrichtung zum Analysieren von Proben, die in Probengefässen (2) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet,

dass eine Zentraleinheit (1) mit Reaktionsgefässen,

eine Transporteinheit (6) zum Transportieren der Reaktionsgefässe und

mindestens eine analytische Einheit (7, 8, 9) mit modularem Aufbau vorgesehen sind,

dass die Zentraleinheit (1) eine Probenentnahmeeinheit (30) enthält, mit der zumindest ein Teil der Probe aus einem Probengefäss (2) in ein Reaktionsgefäss überführt wird,

dass zumindest ein Teil der Reaktionsgefässe über die Transporteinheit (6) an mindestens eine der analytischen Einheiten (7, 8, 9) übertragbar ist,

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens ein Reagenzbehälter (20,...,23) mit mindestens einem Reagenz vorgesehen ist, das zur Probe im Reaktionsgefäss für eine Reaktion zwischen der Probe und dem Reagenz zuführbar ist, und

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens eine Messeinheit (37, 38, 39) zum Messen der physikalischen Eigenschaften der Probe vorgesehen ist,

wobei in der analytischen Einheit (7, 8, 9) diejenigen Reagenzien bereitgestellt sind, die den Proben zum Messen einer physikalischen Eigenschaft zugeführt werden, zu deren Bestimmung die Messeinheit (37, 38, 39) verwendbar ist,

wobei die Reagenzien in einzelnen Reagenzienbehältern (20, ..., 23) oder in Kassetten mit mindestens einem Reagenzienbehälter bereitgestellt sind."

XV. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt.

"1. Vorrichtung zum Analysieren von Proben, die in Probengefässen (2) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet,

dass eine Zentraleinheit (1) mit Reaktionsgefässen,

eine Transporteinheit (6) zum Transportieren der Reaktionsgefässe und

mindestens eine analytische Einheit (7, 8, 9) mit modularem Aufbau vorgesehen sind,

wobei der modulare Aufbau einen Ausbau der Analysekapazität bei Bedarf ermöglicht,

dass die Zentraleinheit (1) eine Probenentnahmeeinheit (30) enthält, mit der zumindest ein Teil der Probe aus einem Probengefäss (2) in ein Reaktionsgefäss überführt wird,

dass zumindest ein Teil der Reaktionsgefässe über die Transporteinheit (6) an mindestens eine der analytischen Einheiten (7, 8, 9) übertragbar ist,

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens ein Reagenzbehälter (20,...,23) mit mindestens einem Reagenz vorgesehen ist, das zur Probe im Reaktionsgefäss für eine Reaktion zwischen der Probe und dem Reagenz zuführbar ist, und

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens eine Messeinheit (37, 38, 39) zum Messen der physikalischen Eigenschaften der Probe vorgesehen ist,

wobei in der analytischen Einheit (7, 8, 9) diejenigen Reagenzien bereitgestellt sind, die den Proben zum Messen einer physikalischen Eigenschaft zugeführt werden, zu deren Bestimmung die Messeinheit (37, 38, 39) verwendbar ist,

wobei die Reagenzien in einzelnen Reagenzienbehältern (20, ..., 23) oder in Kassetten mit mindestens einem Reagenzienbehälter bereitgestellt sind."

XVI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt.

"1. Vorrichtung zum Analysieren von Proben, die in Probengefässen (2) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet,

dass eine Zentraleinheit (1) mit Reaktionsgefässen,

eine Transporteinheit (6) zum Transportieren der Reaktionsgefässe und

mindestens ein Modul in Form einer analytische Einheit (7, 8, 9) vorgesehen sind,

dass die Zentraleinheit (1) eine Probenentnahmeeinheit (30) enthält, mit der zumindest ein Teil der Probe aus einem Probengefäss (2) in ein Reaktionsgefäss überführt wird,

dass zumindest ein Teil der Reaktionsgefässe über die Transporteinheit (6) an mindestens eine der analytischen Einheiten (7, 8, 9) übertragbar ist,

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens ein Reagenzbehälter (20,...,23) mit mindestens einem Reagenz vorgesehen ist, das zur Probe im Reaktionsgefäss für eine Reaktion zwischen der Probe und dem Reagenz zuführbar ist, und

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens eine Messeinheit (37, 38, 39) zum Messen der physikalischen Eigenschaften der Probe vorgesehen ist,

wobei in der analytischen Einheit (7, 8, 9) diejenigen Reagenzien bereitgestellt sind, die den Proben zum Messen einer physikalischen Eigenschaft zugeführt werden, zu deren Bestimmung die Messeinheit (37, 38, 39) verwendbar ist,

wobei die Reagenzien in einzelnen Reagenzienbehältern (20, ..., 23) oder in Kassetten mit mindestens einem Reagenzienbehälter bereitgestellt sind."

XVII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet wie folgt.

"1. Vorrichtung zum Analysieren von Proben, die in Probengefässen (2) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet,

dass eine Zentraleinheit (1) mit Reaktionsgefässen,

eine Transporteinheit (6) zum Transportieren der Reaktionsgefässe und

mindestens eine analytische Einheit (7, 8, 9) vorgesehen sind,

wobei die Vorrichtung zum Analysieren von Proben dazu ausgelegt ist, unter Verwendung von analytischen Einheiten (7, 8, 9) ausgebaut zu werden,

wobei der modulare Aufbau einen Ausbau der Analysekapazität bei Bedarf ermöglicht,

dass die Zentraleinheit (1) eine Probenentnahmeeinheit (30) enthält, mit der zumindest ein Teil der Probe aus einem Probengefäss (2) in ein Reaktionsgefäss überführt wird,

dass zumindest ein Teil der Reaktionsgefässe über die Transporteinheit (6) an mindestens eine der analytischen Einheiten (7, 8, 9) übertragbar ist,

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens ein Reagenzbehälter (20,...,23) mit mindestens einem Reagenz vorgesehen ist, das zur Probe im Reaktionsgefäss für eine Reaktion zwischen der Probe und dem Reagenz zuführbar ist, und

dass in der analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens eine Messeinheit (37, 38, 39) zum Messen der physikalischen Eigenschaften der Probe vorgesehen ist,

wobei in der analytischen Einheit (7, 8, 9) diejenigen Reagenzien bereitgestellt sind, die den Proben zum Messen einer physikalischen Eigenschaft zugeführt werden, zu deren Bestimmung die Messeinheit (37, 38, 39) verwendbar ist,

wobei die Reagenzien in einzelnen Reagenzienbehältern (20, ..., 23) oder in Kassetten mit mindestens einem Reagenzienbehälter bereitgestellt sind."

XVIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 lautet wie folgt.

"1. Vorrichtung zum Analysieren von Proben, die in Probengefässen (2) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet,

dass eine Zentraleinheit (1) mit Reaktionsgefässen,

eine Transporteinheit (6) zum Transportieren der Reaktionsgefässe und

mehrere analytische Einheiten (7, 8, 9),

dass die Zentraleinheit (1) eine Probenentnahmeeinheit (30) enthält, mit der zumindest ein Teil der Probe aus einem Probengefäss (2) in ein Reaktionsgefäss überführt wird,

dass zumindest ein Teil der Reaktionsgefässe über die Transporteinheit (6) an jede der analytischen Einheiten (7, 8, 9) übertragbar ist,

dass in jeder analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens ein Reagenzbehälter (20,...,23) mit mindestens einem Reagenz vorgesehen ist, das zur Probe im Reaktionsgefäss für eine Reaktion zwischen der Probe und dem Reagenz zuführbar ist, und

dass in jeder analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens eine Messeinheit (37, 38, 39) zum Messen der physikalischen Eigenschaften der Probe vorgesehen ist,

wobei in der analytischen Einheit (7, 8, 9) diejenigen Reagenzien bereitgestellt sind, die den Proben zum Messen einer physikalischen Eigenschaft zugeführt werden, zu deren Bestimmung die Messeinheit (37, 38, 39) verwendbar ist,

wobei die Reagenzien in einzelnen Reagenzienbehältern (20, ..., 23) oder in Kassetten mit mindestens einem Reagenzienbehälter bereitgestellt sind."

XIX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 lautet wie folgt.

"1. Vorrichtung zum Analysieren von Proben, die in Probengefässen (2) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet,

dass eine Zentraleinheit (1) mit Reaktionsgefässen,

eine Transporteinheit (6) zum Transportieren der Reaktionsgefässe und

mehrere Module in Form von analytische Einheiten (7, 8, 9) vorgesehen sind,

dass die Zentraleinheit (1) eine Probenentnahmeeinheit (30) enthält, mit der zumindest ein Teil der Probe aus einem Probengefäss (2) in ein Reaktionsgefäss überführt wird,

dass zumindest ein Teil der Reaktionsgefässe über die Transporteinheit (6) an jede der analytischen Einheiten (7, 8, 9) übertragbar ist,

dass in jeder analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens ein Reagenzbehälter (20,...,23) mit mindestens einem Reagenz vorgesehen ist, das zur Probe im Reaktionsgefäss für eine Reaktion zwischen der Probe und dem Reagenz zuführbar ist, und

dass in jeder analytischen Einheit (7, 8, 9) mindestens eine Messeinheit (37, 38, 39) zum Messen der physikalischen Eigenschaften der Probe vorgesehen ist,

wobei in der analytischen Einheit (7, 8, 9) diejenigen Reagenzien bereitgestellt sind, die den Proben zum Messen einer physikalischen Eigenschaft zugeführt werden, zu deren Bestimmung die Messeinheit (37, 38, 39) verwendbar ist,

wobei die Reagenzien in einzelnen Reagenzienbehältern (20, ..., 23) oder in Kassetten mit mindestens einem Reagenzienbehälter bereitgestellt sind."

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Artikel 123(2) EPÜ

1.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass das im Rahmen des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens zu Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal "analytische Einheit (7,8,9) mit modularem Aufbau" (Hervorhebung durch die Kammer) nicht ursprünglich offenbart sei. Die ursprünglich eingereichte Beschreibung (s. Seite 6, Zeilen 12 - 18) offenbare mit dem Merkmal "keine zusätzlichen Module in Form von analytischen Einheiten" lediglich, dass die analytischen Einheiten die Form von Modulen hätten. Die Anmeldung offenbare jedoch an keiner Stelle, dass die analytischen Einheiten selbst einen modularen Aufbau besäßen.

1.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass das Merkmal "analytische Einheit (7,8,9) mit modularem Aufbau" so zu verstehen sei, dass die analytische Einheit ein Modul sei. Sie verweist dazu auf D24, wonach das Adjektiv "modular" die Bedeutung "in Form von Modulen" habe. Da jedoch, auch nach Aussage der Beschwerdeführerin, die ursprünglichen Unterlagen offenbarten, dass die analytische Einheit in Form von Modulen vorlägen, sei das betroffene Merkmal auch ursprünglich offenbart.

1.3 Für die Kammer ist die Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht überzeugend. Das Adjektiv "modular" bezieht sich nicht direkt auf die analytischen Einheiten sondern auf deren Aufbau. Damit ist nach Meinung der Kammer das Merkmal "analytische Einheit (7,8,9) mit modularem Aufbau" so zu interpretieren, dass die analytischen Einheiten aus Modulen bestehen. Ein modularer Aufbau ist nach übereinstimmender Meinung der Beteiligten in der ursprünglich eingereichten Anmeldung jedoch nur für die gesamte Analyseeinheit offenbart (s. Seite 2, Zeilen 6 bis 28). Diese Analyseeinheit, die an anderen Stellen als "Vorrichtung zum Analysieren von Proben" (s. Anspruch 1) bzw. als "Analysegerät" (s. Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 2) bezeichnet wird, ist jedoch von den "analytischen Einheiten" zu unterscheiden.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das Merkmal "analytische Einheit (7,8,9) mit modularem Aufbau" nicht ursprünglich offenbart ist und daher diese Änderung nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt.

2. Hilfsanträge 1 und 2 - Artikel 123(2) EPÜ

Die Hilfsanträge 1 und 2 weisen ebenfalls das Merkmal "analytische Einheit (7,8,9) mit modularem Aufbau" auf.

Daher gelten auch hier die für den Hauptantrag angeführten Argumente zur unzulässigen Erweiterung (siehe Punkt 1 oben).

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das Merkmal "analytische Einheit (7,8,9) mit modularem Aufbau" nicht ursprünglich offenbart ist und daher die in den Hilfsanträgen 1 und 2 gemachten Änderungen nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllen.

3. Hilfsanträge 3 bis 6

3.1 Zulässigkeit der Änderungen - Verschlechterungsverbot

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 3 bis 6 nicht zulässig seien, da sie das Merkmal "mit modularem Aufbau" nicht mehr enthielten. Durch die Streichung dieses Merkmals werde sie als alleinige Beschwerdeführerin schlechter gestellt, was auf Grund des Verschlechterungsverbots (s. G 9/92 und G 4/93 vom 14. Juli 1994, ABl. EPA 1994, 875: Verbot der reformatio in peius) unzulässig sei. Die Beschwerdeführerin argumentiert weiter, dass die Beschwerdegegnerin keinen Gebrauch von der in G 1/99 (ABl. EPA 2001, 381) formulierten Ausnahme von diesem Grundsatz mache, da sie keine weiteren ursprünglich offenbarten Merkmale mit aufnähme, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung beschränkten.

Die Kammer bemerkt zur Zulässigkeit der Änderung im Lichte des Verschlechterungsverbot für die Einsprechende als alleinige Beschwerdeführerin, dass der Leitsatz von G 1/99 wie folgt lautet:

"Grundsätzlich muss ein geänderter Anspruch, durch den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer schlechtergestellt würde als ohne die Beschwerde, zurückgewiesen werden. Von diesem Grundsatz kann jedoch ausnahmsweise abgewichen werden, um einen im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung [hier: "analytische Einheit (7,8,9) mit modularem Aufbau"], die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte. Unter diesen Umständen kann dem Patentinhaber/Beschwerdegegner zur Beseitigung des Mangels gestattet werden, folgendes zu beantragen:

- in erster Linie eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken;

- falls eine solche Beschränkung nicht möglich ist, eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung erweitern, ohne jedoch gegen Artikel 123 (3) EPÜ zu verstoßen;

- erst wenn solche Änderungen nicht möglich sind, die Streichung der unzulässigen Änderung, sofern nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßen wird."

Die beiden ersten Möglichkeiten sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, da sich die unzulässige Erweiterung nicht durch Aufnahme weiterer Merkmale beheben lässt.

Damit steht der Beschwerdegegnerin die dritte Möglichkeit zu, ihr Patent durch Streichen des beanstandeten Merkmals zu ändern.

Da das Merkmal "mit modularem Aufbau" nicht Teil des erteilten Anspruch 1 war, wird durch die Streichung des Merkmals der Schutzbereich des erteilten Patents nicht erweitert (Artikel 123(3) EPÜ). Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Änderung gemäß der Entscheidung G 1/99 als eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot zulässig ist.

3.2 Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ 1973

3.2.1 Im Rahmen der Diskussion des Hauptantrags interpretiert die Beschwerdeführerin (siehe Punkt VI.c der Beschwerdebegründung vom 11. Januar 2017) das Merkmal der analytischen Einheiten "mit modularem Aufbau" auch als analytische Einheiten, die in Form von Modulen vorliegen. Diese Argumente treffen damit auch auf die vorliegenden Hilfsanträge 3 bis 6 zu.

Ausgehend von Dokument D23 als nächstliegendem Stand der Technik (siehe insbesondere Figuren 1 und 2 und Absätze [0016] bis [0034]) sieht die Beschwerdeführerin den Unterschied zum Anspruchgegenstand der Hilfsanträge im Wesentlichen darin, dass die Probenentnahmeeinheit in D23 auf der in Form eines Moduls vorliegenden analytischen Einheit angeordnet ist und nicht, wie beansprucht, in der Zentraleinheit.

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass im Falle einer einzigen analytischen Einheit die Anordnung der Probenentnahmeeinheit frei wählbar sei, ohne Vor- und Nachteile abwägen zu müssen. Daher sei die objektive Aufgabe der Erfindung, eine andere Anordnung für die Probenentnahmeeinheit zu wählen. Die beanspruchte zentrale Anordnung der Probenentnahmeeinheit sei jedoch sowohl aus D8 (s. Figur 5) als auch aus D5 (s. Figuren 2A und 2B: sample pipettor 206) bekannt. Der Fachmann würde daher, gestellt vor die Aufgabe, eine geeignete Anordnung für die Probenentnahmeeinheit zu finden, die aus D8 und D5 bekannte zentral angeordnete Probenentnahmeeinheit bei der aus D23 bekannten Analysevorrichtung mit mehreren analytischen Einheiten einsetzen.

Die Beschwerdeführerin argumentiert zudem, dass im Falle einer Mehrzahl von analytischen Einheiten die Aufgabe darin bestehen könne, den konstruktiven Aufwand zu verringern. Auch in diesem Fall erhielte der Fachmann aus D5 den Hinweis, dass nur eine einzige, zentral angeordnete Probenentnahmeeinheit benötigt werde.

Die Beschwerdeführerin argumentiert in vergleichbarer Weise ausgehend von D20 als nächstliegendem Stand der Technik. Auch hier würde der Fachmann durch die Offenbarung sowohl von D8 als auch D5 dazu angeregt, die Probenentnahmeeinheit auf der Zentraleinheit anzuordnen, um dadurch den Konstruktionsaufwand zu verringern. Da zudem das aus dem erteilten Anspruch 5 hinzugefügte Merkmal (Reagenzien in einzelnen Reagenzienbehältern) ebenfalls sowohl aus D23 (siehe Absatz [0027]) als auch aus D5 (s. Seite 15, Zeilen 9 bis 15) bekannt sei (s. Schreiben vom 10. Juli 2017, Punkt IV), ergäbe sich der beanspruchte Gegenstand ausgehend von D23 oder D20 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination sowohl mit D8 als auch mit D5 ohne erfinderische Tätigkeit.

3.2.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass sowohl D23 als auch D20 lediglich mehrere integrierte Analysatoren offenbarten und der Fachmann keine Motivation habe, diese, wie beansprucht, in modulare Einheiten aufzuspalten.

3.2.3 Für die Kammer ist die Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht überzeugend. D23 (siehe Figur 1 und Zusammenfassung) offenbart die analytischen Einheiten (5 bis 9) explizit als "analysis modules", die unabhängig voneinander arbeiten. Ebenso zeigt D20 (s. Figur 1, 3A bis 3G) voneinander getrennte Analyseeinheiten, so dass die Anzahl dieser Einheiten auf einfache Weise verändert werden kann (s. Seite 3, Zeilen 9 bis 13). Damit liegen nach Auffassung der Kammer auch diese Analyseeinheiten in Form von Modulen vor.

Die Kammer kommt damit zu dem Schluss, dass es dem Gegenstand des jeweiligen unabhängigen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 3 bis 6 an erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 mangelt.

4. Auf die mit dem Vorstehenden im Wesentlichen übereinstimmende vorläufige Meinung der Kammer hin, die sie in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK zum Ausdruck gebracht hat, wurden von den Beteiligten keine Eingaben in der Sache gemacht.

5. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ nicht genügen, Artikel 101 (3) b) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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