T 2456/16 (Oszillierender Injektionsstrom/TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN) of 4.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T245616.20180704
Datum der Entscheidung: 04 Juli 2018
Aktenzeichen: T 2456/16
Anmeldenummer: 11761485.9
IPC-Klasse: B01F 5/04
B01F 15/02
B01F 13/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND MISCHVORRICHTUNG ZUM MISCHEN VON ZWEI FLUIDEN SOWIE DEREN VERWENDUNG
Name des Anmelders: Technische Universität Berlin
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 11 761 485.9 Beschwerde eingelegt.

II. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass die unabhängigen Ansprüche des der Entscheidung zu Grunde liegenden Antrags nicht das Erfordernis nach Artikel 123(2) EPÜ erfülle.

III. Im Laufe des Prüfungsverfahrens wurde u.a. folgendes Dokument zitiert:

D2: US 7 128 082 B1.

IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin neue Hilfsanträge 1 und 2 ein. Es wurde auch eine als Anlage 1 bezeichnete Zeichnung eingereicht.

V. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK erhob die Kammer Einwände hinsichtlich der anhängigen Anträge.

VI. Mit Schreiben vom 20. Juni 2018 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Antrag ein und nahm die zuvor eingereichten Anträge zurück. Auch wurde folgendes Dokument vorgelegt:

D7: Bremhorst, K., Unsteady Subsonic Turbulent Jets,

In: Müller, U. et al. (Hrsg.), Recent Developments

in Theoretical and Experimental Fluid Mechanics,

compressible and Incompressible Flows, 480 bis 500.

VII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte die Beschwerdeführerin nach Diskussion des Hauptantrags einen Hilfsantrag ein.

VIII. Der Wortlaut von Anspruch 1 des Antrags vom 20. Juni 2018 (Hauptantrag) und des Hilfsantrags ist wie folgt (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags durch- bzw. unterstrichen):

Hauptantrag

"1. Verfahren zum Mischen von zwei Fluiden, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:

- Ausbilden eines Stromes eines Fluides entlang eines Strömungskanals (1),

- Bereitstellen eines oszillierenden Injektionsstromes eines weiteren Fluides, indem das weitere Fluid durch eine Hohlraumstruktur einer passiven mikrofluidischen Aktoreinrichtung (2) geführt wird, in denen der oszillierende Injektionsstrom ohne Bewegung von Elementen der Aktoreinrichtung erfolgt, deren Ausgang über eine Injektionseinrichtung an den Strömungskanal (1) koppelt und die konfiguriert ist, den oszillierenden Injektionsstrom mit einer Oszillationsfrequenz selbstinduzierend zu erzeugen, und

- Mischen des Fluides und des weiteren Fluides, indem der oszillierende Injektionsstrom des weiteren Fluides über die Injektionseinrichtung in den Strom des Fluides quer zur Strömungsrichtung des Fluides in dem Strömungskanal (1) eingebracht wird, wobei das weitere Fluid über eine Anordnung von mehreren Ausgangsöffnungen der Injektionseinrichtung in den Strom des Fluides eingebracht wird und sich die Anordnung der mehreren Ausgangsöffnungen im Wesentlichen quer zur Strömungsrichtung des Fluids in dem Strömungskanal (1) erstreckt."

Hilfsantrag

"1. Verfahren zum Mischen von zwei Fluiden, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:

- Ausbilden eines Stromes eines Fluides entlang eines Strömungskanals (1),

- Bereitstellen eines oszillierenden Injektionsstromes eines weiteren Fluides, indem das weitere Fluid durch eine Hohlraumstruktur einer passiven mikrofluidischen Aktoreinrichtung (2) geführt wird, in denen der oszillierende Injektionsstrom ohne Bewegung von Elementen der Aktoreinrichtung [deleted: erfolgt ]erzeugt wird, deren Ausgang über eine Injektionseinrichtung an den Strömungskanal (1) koppelt und die konfiguriert ist, den oszillierenden Injektionsstrom mit einer Oszillationsfrequenz selbstinduzierend zu erzeugen, und

- Mischen des Fluides und des weiteren Fluides, indem der oszillierende Injektionsstrom des weiteren Fluides über die Injektionseinrichtung in den Strom des Fluides quer zur Strömungsrichtung des Fluides in dem Strömungskanal (1) eingebracht wird, wobei das weitere Fluid über eine [deleted: Anordnung von mehreren ]Ausgangsöffnung[deleted: en] (32) der Injektionseinrichtung in den Strom des Fluides eingebracht wird [deleted: und sich die Anordnung der mehreren Ausgangsöffnungen im Wesentlichen quer zur Strömungsrichtung des Fluids in dem Strömungskanal (1) erstreckt]."

IX. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich von dem in D2 gezeigten Verfahren dadurch, dass ein kontinuierlicher oszillierender Injektionsstrom erzeugt werde, wohingegen in D2 lediglich pulsierende Injektionsströme erzeugt würden. Die Stellen in D2, die einen "oszillierenden Strom" erwähnten, seien im Kontext dieses Dokuments zu lesen und bezögen sich auf eine Oszillation zwischen zwei Öffnungen, aus denen jeweils ein pulsierender Strom austrete. Ein kontinuierlicher Strom wie in der gegenständlichen Anmeldung würde so jedoch nicht erzeugt. Der Fachmann würde Ströme, wie sie insbesondere in D2 erzeugt würden, jedoch nicht als oszillierenden Strom ansehen. Dies gehe insbesondere aus D7 hervor. Zudem sei Anspruch 1 des Hauptantrags dahingehend auszulegen, dass der oszillierende Strom bereits innerhalb der Hohlraumstruktur erzeugt werde, was auch nicht in D2 offenbart sei.

Anspruch 1 des Hilfsantrags sei dahingehend präzisiert worden, dass die Oszillation bereits innerhalb der Hohlraumstruktur erzeugt werde und lediglich eine Ausgangsöffnung vorhanden sei. D2 offenbare jedoch nur Ausführungsformen mit mindestens zwei Ausgangsöffnungen.

X. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des mit Schreiben vom 20. Juni 2018 eingereichten Antrags zu erteilen (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei D2 nicht neuheitsschädlich, da es weder einen oszillierenden Injektionsstrom noch dessen Erzeugung innerhalb der Hohlraumstruktur offenbare. Sie bestreitet nicht, dass die weiteren Merkmale von Anspruch 1 in D2 offenbart sind.

1.2 Die Kammer kann der Beschwerdeführerin nicht darin zustimmen, dass das Merkmal "oszillierender Injektionsstrom" so eng auszulegen ist, dass es auf einen Strom beschränkt ist, der durch eine einzige, d.h. nur eine, Austrittsöffnung in ein anderes Fluid eintritt und zu keinem Zeitpunkt eine Unterbrechung erfährt bzw. kontinuierlich ist, wie dies in Fig. 2, 3 und 5 der Anmeldung angedeutet ist und zudem in der der Beschwerdebegründung beigefügten Zeichnung, welche einen simulierten, räumlich oszillierenden Fluidstrom darstellt, illustriert wird.

Zwar ergibt sich aus D7, dass nach dem Verständnis des Autors dieses Dokuments ein "oszillierender Strahl" einen konstanten Massenfluss hat. Es kann dahinstehen, ob dieses Dokument als Nachweis des allgemeinen Fachwissens dienen kann (vgl. "Recent Developments"), da jedenfalls D2 als Nachweis dient, dass in der Fachwelt auch Fluidströme als "oszillierend" bezeichnet werden, welche alternierend aus zwei benachbarten Öffnungen austreten und damit nicht unter die vorgetragene enge Auslegung dieses Begriffs fallen, wie sich dies aus den folgenden Erwägungen ergibt.

In D2 werden durch die einzelnen Öffnungen (Bezugszeichen 22, 24, 42 und 44 in Fig. 2) der Hohlraumstruktur jeweils pulsierende Ströme erzeugt (vgl. Spalte 3, Zeilen 34 bis 36; Spalte 4, Zeile 6), wie dies die Beschwerdeführerin richtig vorträgt. Dabei werden in benachbarten Kanälen alternierende bzw. phasenversetzt pulsierende Ströme erzeugt, welche ausweislich der Spalte 4, Zeile 18 zu einem "oszillierenden Fluidstrom" führen. Auch an anderer Stelle wird in D2 von der "Oszillation des... Fluids" (Spalte 7, Zeilen 47ff: "oscillation of the... fluid") gesprochen. Dieses, dem "weiteren Fluid" in Anspruch 1 entsprechende Fluid wird in den Strom des entlang eines Strömungskanals ausgebildeten Stromes eines (ersten) Fluids eingeblasen und damit injiziert (vgl. Spalte 1, Zeilen 22ff).

Aus den genanten Gründen ist daher das Merkmal des "oszillierenden Injektionsstroms" in D2 offenbart.

1.3 Die Beschwerdeführerin ist auch der Ansicht, dass der Injektionsstrom in D2 nicht in der Aktoreinrichtung erzeugt wird, sondern allenfalls außerhalb. In diesem Zusammenhang trägt die Beschwerdeführerin vor, dass das Merkmal "in denen der oszillierende Injektionsstrom ohne Bewegung von Elementen der Aktoreinrichtung erfolgt" als "in der der oszillierende Injektionsstrom ohne Bewegung von Elementen der Aktoreinrichtung erzeugt wird" (Hervorhebung durch die Kammer) auszulegen sei.

Die Kammer ist aus den folgenden Gründen der Ansicht, dass auch dieses Merkmal in D2 offenbart ist.

In D2 wird der oszillierende Injektionsstrom durch die z.B. in Fig. 2 von D2 dargestellte Aktoreinrichtung erzeugt. Dabei wird aus einem Plenum 52 das zu injizierende Fluid über zwei benachbarte Kanäle 14 und 34 in die Aktoreinrichtung eingespeist. Über die Kanäle 26 und 28 bzw. 46 und 48 wird ein Teil des Fluids in die Feedbackkammern 29 und 31 bzw. 49 und 51 eingespeist und über die Kanäle 16 und 18 bzw. 36 und 38 wieder rückgeführt (Spalte 2, Zeile 36 bis Spalte 3, Zeile 14). Dadurch entsteht in den Kanälen 23 und 25 bzw. 43 und 45 eine jeweils pulsierende Strömung, wobei die Pulse in einer Strömung phasenversetzt zu denen in der anderen Strömung sind, was dazu führt, dass Pulse alternierend und damit oszillierend zwischen den Ausgängen 22 und 24 bzw. 42 und 44 abgegeben werden (Spalte 3, Zeile 14 bis 36). Die Oszillation des Injektionsstroms wird somit durch die spezielle in Figur 2 dargestellte Konstruktion der Aktoreinrichtung erzeugt. Sie hat also ihren Ursprung innerhalb dieser Aktoreinrichtung und wird somit in ihr erzeugt.

Die Beschwerdeführerin ist auch der Ansicht, dass Anspruch 1 so zu verstehen sei, dass bereits innerhalb der Aktoreinrichtung ein oszillierender Injektionsstrom vorhanden sein müsse. Selbst wenn man dieser Ansicht folgte, so ist auch dieses Merkmal in D2 erfüllt, da der Injektionsstrom mit einer bestimmten Frequenz abwechselnd in den Kanälen 23 und 25 bzw. 43 und 45 fließt und somit bereits innerhalb der Aktuatoreinrichtung oszillierend, nämlich alternierend in beiden Kanälen fließend, ist.

1.4 Aus den genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber D2 ist (Artikel 54(1),(2) EPÜ).

2. Hilfsantrag

2.1 Gegenüber dem Hauptantrag wurde in Anspruch 1 "erfolgt" durch "erzeugt wird" ersetzt. Da die Kammer Anspruch 1 des Hauptantrags in diesem Sinne bereits ausgelegt hat (siehe oben Punkt 1.3), ergeben sich diesbezüglich die gleichen Erwägungen wie für den Hauptantrag.

2.2 Gegenüber dem Hauptantrag wurde der Anspruch dahingehend geändert, dass nicht mehr mehrere Ausgangsöffnungen erwähnt sind, sondern nur noch "eine Ausgangsöffnung".

Da der unbestimmte Artikel "eine" vor einem gegebenen Merkmal in Patentansprüchen regelmäßig nicht das Vorhandensein einer Mehrzahl des gleichen Merkmals ausschließt, kann diese Änderung auch keine Neuheit gegenüber D2 herstellen. Mit anderen Worten schließt Anspruch 1 weiterhin nicht aus, dass mehrere Ausgangsöffnungen vorhanden sind, wie dies in D2 der Fall ist.

2.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher ebenfalls nicht neu (Artikel 54(1),(2) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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