T 2446/16 () of 25.2.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T244616.20210225
Datum der Entscheidung: 25 Februar 2021
Aktenzeichen: T 2446/16
Anmeldenummer: 08845306.3
IPC-Klasse: G03H 1/20
B42D 15/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR HERSTELLUNG VON HOLOGRAMMEN MIT INDIVIDUELL BELICHTETER WASSERZEICHENARTIGER STRUKTUR
Name des Anmelders: Bundesdruckerei GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
RPBA2020 Art 011
RPBA2020 Art 012(2)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit - nach Änderung (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja)
Wesentlicher Verfahrensmangel - Obiter Dictum (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1813/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit der Nummer 08845306 zurück­zuweisen. In den Entscheidungsgründen führte die Prüfungs­abteilung Einwände hinsichtlich der Artikel 84, 54 und 56 EPÜ an. In einem Abschnitt "III. Obiter dicta" bezog sich die Prüfungsabteilung weiter auf die Artikel 84 und 123(2) EPÜ.

II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.), die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis eines Hauptantrags mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 - 11 des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hauptantrages,

Beschreibung S. 1 - 3, 3a, 5-22, 26-27 wie mit der Beschwerdebegründung als "Beschreibung Hauptantrag" eingereicht,

Beschreibung S. 4 , 23-25 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.

Zeichnungen Blätter 1/6 bis 6/6 wie veröffentlicht.

Darüber hinaus beantragte die Bf. die Feststellung eines schwerwiegenden Verfahrensmangels.

III. Es wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:

D1: JP 8 123307 A, 17. Mai 1996

D2: US 2006/0289114 A1, 28. Dezember 2006

D3: SCHILLING A ET AL: "Achromatic features for optically variable devices", PROCEEDINGS OF THE SPIE - THE INTERNATIONAL SOCIETY FOR OPTICAL ENGINEERING SPIE-INT.SOC.OPT.ENG USA, Bd. 4677, 2002, Seiten 238-246, XP002515545, ISSN: 0277-786X

IV. Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut (die Merkmalskennzeichnungen a), b) ,... wurden von der Kammer hinzugefügt):

a) Vorrichtung (1) zum Herstellen eines Hologramms (45, 45', 121, 126) als Sicherheitsmerkmal eines Sicherheitsdokuments, umfassend

b) einen Hologrammmaster (2),

c) eine Aufnahme und/oder Führung für ein holografisches Aufzeichnungsmaterial (4) und

d) eine Lichtquelle (5), die kohärentes Licht (8, 11) emittiert,

e) einen Modulator, insbesondere einen Spatial Light Modulator (10), der so angeordnet ist, dass das kohärente Licht (8) örtlich gemäß einem Individualisierungsmuster zum Kodieren von Individualisierungsinformationen modulierbar ist oder moduliert wird,

f) sowie eine Abbildungsoptik zum Führen des kohärenten Lichts (8, 11),

g) so dass das holografische Aufzeichnungsmaterial (4) mit dem kohärenten modulierten Licht (8,11) durchstrahlt wird und zumindest ein Teil des kohärenten modulierten Lichts (11) an dem Hologrammmaster (2) reflektiert oder gebeugt wird, um mit dem das holografische Aufzeichnungsmaterial (4) durchstrahlenden kohärenten Licht (8, 11) zu interferieren und so das Hologramm (45, 45', 121, 126) in das Aufzeichnungsmaterial (4) zu belichten,

h) wobei der Hologrammmaster (2), in einem Bereich, in dem das modulierte kohärente Licht von dem Hologrammmaster (2) reflektiert oder gebeugt wird, so ausgebildet ist, dass dem gebeugten oder reflektierten kohärenten Licht ein Hintergrundmuster (120) aufgeprägt wird, so dass das Hintergrundmuster (120) durch die Individualisierungsinformationen individualisiert bei einer Rekonstruktion des belichteten Hologramms (45, 45', 121, 126) mit den Individualisierungsinformationen wahrnehmbar oder erfassbar ist,

i) dadurch gekennzeichnet, dass der Hologrammmaster (2) ein Masterhologramm ist,

j) das mindestens zwei unterschiedliche Regionen (15, 16, 101-104), die jeweils eine einheitliche Erscheinung aufweisen, umfasst

k) und die mindestens zwei unterschiedlichen Regionen (15, 16, 101-104) eine unterschiedliche Beugungseffizienz unter einem Belichtungseinfallwinkel aufweisen, unter dem Licht, welches zu beugen oder zu reflektieren ist, auf den Hologrammmaster (2) auftrifft, wobei die unterschiedlichen Beugungseffizienzen der unterschiedlichen Regionen (15, 16, 101-104) des Hintergrundmusters (120) alle oberhalb eines vorgegebenen Schwellenwertes liegen,

l) wobei das Masterhologramm und die Individualisierungsinformationen so aufeinander abgestimmt sind, dass mindestens ein Teil einer Kontur einer der mindestens zwei Regionen (15, 16, 101-104) des Hintergrundmusters (120) durch die Individualisierungsinformationen verändert wird und nicht in dem Hologramm (45, 45', 121, 126) abgespeichert wird.

Verfahrensanspruch 5 bezieht sich auf ein Verfahren zum Herstellen eines individualisierten Hologramms mit einer Vorrichtung nach Anspruch 1. Anspruch 6 bezieht sich auf das durch die Vorrichtung nach Anspruch 1 beziehungsweise nach dem Verfahren nach Anspruch 5 hergestellte individualisierte Hologramm. Beide enthalten daher insbesondere die Merkmale des Anspruchs 1, die das Masterhologramm und die Individualisierungsinformation betreffen.

V. Argumente der Bf.

Die wesentlichen Argumente der Bf. hinsichtlich des Vorliegens eines schwerwiegenden Verfahrensmangels lassen sich wie folgt zusammen fassen:

a) Die Bf. habe sich sehr wohl zu den Klarheitseinwänden geäußert, die in den Entscheidungsgründen aufgeführt seien. Diese Einwände seien daher falsch begründet und stellten einen Verfahrensmangel dar. Zu den unter "Obiter dicta" genannten Klarheitseinwänden habe die Beschwerdeführerin gar nicht Stellung nehmen können, was ebenfalls einen Verfahrensmangel darstelle.

Alle diese Klarheitseinwände beeinflussten die Einwände hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit, die in der angefochtenen Entscheidung unter Punkt II.3 zusammengefasst seien. Die Klarheitseinwände seien daher tragend für den Verfahrensausgang. Deswegen lägen wesentliche Verfahrensmängel vor.

b) Generell stellten in einem obiter dictum festgehaltene Einwände, die die Entscheidung trügen und zu denen die Partei keine Gelegenheit hatte, sich zu äußern, einen schwerwiegenden Verfahrens­mangel dar, da sie das rechtliche Gehör im Sinne des Artikels 113(1) EPÜ verletzten.

Die wesentlichen Argumente der Bf. hin­sicht­lich der anderen diskutierten Punkte wurden in den Entschei­dungsgründen berücksichtigt und brauchen hier nicht aufgeführt werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Anmeldung

Die Anmeldung betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung eines Hologramms, das als Sicherheitsmerkmal für Sicherheitsdokumente geeignet sein soll, sowie ein Verfahren zur Herstellung eines Hologramms unter Benutzung dieser Vorrichtung und das damit hergestellte Hologramm.

Als Basis kommt ein an sich bekanntes Kontaktkopier­verfahren für Hologramme zum Einsatz. Bei diesen Verfahren wird ein Masterhologramm mittels Belichtung in das herzu­stellende Hologramm kopiert. In der Anmeldung ist vorgesehen, zusätzlich durch eine Modulation der ver­wendeten Belichtung an Stellen, an denen eine Indivi­dualisierungsinformation vorgesehen ist, das Master­hologramm nicht oder nur schwach in das herzustellende Hologramm zu kopieren, um die Eignung als Sicherheitsmerkmal zu erhöhen.

3. Nächstliegender Stand der Technik

D1 betrifft wie die Anmeldung eine Vorrichtung zum Herstellen von Hologrammen, bei der ein Kontakt­kopier­verfahren in Verbindung mit einem Masterhologramm ver­wendet wird. Auch hier findet eine Modulation des für die Belichtung verwendeten Lichts statt, wobei das Masterhologramm in dem Bereich um eine in das herzu­stellende Hologramm einzubringende Individuali­sierungs­information herum nicht in das herzustellende Hologramm kopiert wird, um die Sicherheit zu erhöhen (siehe Absatz [17]).

D1 betrifft die Herstellung von Hologrammen, die als Sicherheitsmerkmale geeignet sind und hat die viele Merkmale mit der Erfindung gemeinsam. D1 stellt daher einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik dar.

4. Artikel 123(2) EPÜ

4.1 Anspruch 1

Anspruch 1 enthält Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 13, 14, 17 und 18.

Dabei ist das im ursprünglichen Anspruch 14 genannte Teilmerkmal, dass mindestens ein Teil einer Kontur "insbesondere nicht über Reflexion oder Beugung als Aufprägung aufgenommen wird" nicht enthalten. Da dieses Teilmerkmal jedoch, wie von der Prüfungsabteilung unter "Obiter dicta" angemerkt, im ursprünglichen Anspruch 14 als optional definiert war, verstößt sein Weglassen, anders als von der Prüfungsabteilung gefolgert, nicht gegen die Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ.

Zusätzlich enthält Anspruch 1 das Merkmal, dass die zwei unterschiedlichen Regionen "jeweils eine einheitliche Erscheinung aufweisen", welches sich im zweiten Absatz der Seite 4 der ursprünglichen Beschreibung findet.

4.2 Ansprüche 5 und 6

Der Verfahrensanspruch 5 und der auf das Hologramm gerichtete Anspruch 6 beruhen auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 25 und wurden an den vorliegenden Anspruch 1 angepasst.

4.3 Restliche Anmeldeunterlagen

Die übrigen abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 7 bis 11 beruhen auf den ursprünglichen Ansprüchen 15, 16, 21, 24, 28, 31, 33, 34 und 35.

Aus der ursprünglichen Beschreibung wurden lediglich Aspekte gestrichen und die vorliegenden Zeichnungen entsprechen den ursprünglich eingereichten Zeichnungen.

4.4 Schlussfolgerung

Die Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ sind daher erfüllt.

5. Artikel 84 EPÜ

Die Teile der Beschreibung (Seite 14a bis Seite 14g, erster Absatz), die von der Prüfungsabteilung als gegen Artikel 84 EPÜ verstoßend bemängelt wurden, wurden von der Beschwerdeführerin gestrichen. Der unter "Obiter dicta" bemängelte unklare Bezug in Anspruch 5 wurde geändert.

Die Einwände und Bemerkungen der Prüfungsabteilung in Bezug auf Artikel 84 EPÜ treffen also auf die geänderten Anmeldeunterlagen nicht zu und die Kammer ist der Ansicht, dass die vorliegende Anmeldung auch sonst die Anforderungen des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

6. Artikel 54 und 56 EPÜ

6.1 D1

D1 offenbart, in den Worten des vorliegenden Anspruchs 1, eine

a) Vorrichtung (siehe Fig. 5 und Absatz 11-16) zum Herstellen eines Hologramms (9) als Sicherheitsmerkmal eines Sicherheitsdokuments (implizit, siehe auch die PAJ-Zusammenfassung: "enhancing security"),

b) umfassend einen Hologrammmaster (1),

c) eine Aufnahme und/oder Führung ("feeding means" 13 umfassend Rollen 17-22, siehe die PAJ-Zusammenfassung und Absatz 11-12) für ein holografisches Aufzeichnungsmaterial (6, 6a) und

d) eine Lichtquelle ("laser light source" 14), die kohärentes Licht ("laser light" 25) emittiert (siehe Absatz 11 ),

e) einen Modulator (akusto-optischen Modulator 26), der so angeordnet ist, dass das kohärente Licht (25) örtlich gemäß einem Individualisierungsmuster (11) zum Kodieren von Individualisierungsinformationen ("discernment number") modulierbar ist oder moduliert wird (siehe Absatz 10 und Fig. 4),

f) sowie eine Abbildungsoptik (15, umfassend Spiegel 23, 24, siehe Absatz 13) zum Führen des kohärenten Lichts (25),

g) so dass das holografische Aufzeichnungsmaterial (6, 6a) mit dem kohärenten modulierten Licht (25, 7) durchstrahlt wird und zumindest ein Teil (8) des kohärenten modulierten Lichts (7) an dem Hologrammmaster (1) reflektiert oder gebeugt wird, um mit dem das holografische Aufzeichnungsmaterial (6, 6a) durchstrahlenden kohärenten Licht (7, 25) zu interferieren und so das Hologramm (9) in das Aufzeichnungsmaterial (6, 6a) zu belichten (siehe Fig. 2-3 mit Absatz 8-9, und Fig. 5 mit Absatz 15),

h) wobei der Hologrammmaster (1), in einem Bereich, in dem das modulierte kohärente Licht von dem Hologrammmaster (1) reflektiert oder gebeugt wird, so ausgebildet ist, dass dem gebeugten oder reflektierten kohärenten Licht ein Hintergrundmuster (3) aufgeprägt wird, so dass das Hintergrundmuster (3) durch die Individualisierungsinformationen (11) individualisiert bei einer Rekonstruktion des belichteten Hologramms (9) mit den Individualisierungsinformationen (11) wahrnehmbar oder erfassbar ist,

i) wobei der Hologrammmaster (1) ein Masterhologramm ist.

Auch die Prüfungsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung die Merkmale a) bis i) in D1 identifiziert (siehe Punkt II.2.1).

6.2 Geänderte vorliegende Anmeldeunterlagen

Die vorliegenden Anmeldeunterlagen wurden im Vergleich zu den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anmeldeunterlagen verändert.

So präzisiert der nun vorliegende Anspruch 1, dass die zwei unterschiedlichen Regionen jeweils eine einheit­liche Erscheinung aufweisen.

Der Bereich eines Hologramms, der ein dreidimensionales Objekt darstellt oder rekonstruiert, würde vom Fachmann nicht als eine Region einheitlicher Erscheinung angesehen werden.

Darüber hinaus würde der Fachmann den Begriff "Region" in Abwesenheit anders lautender Definitionen als einen flächigen Bereich auffassen, der eine relevante Ausdehnung in zwei Dimensionen aufweist. Die in der ursprünglichen Beschreibung enthaltene Definition, dass "eine Linie, deren Breite der wahrnehmbaren Auflösung entspricht", als Region anzusehen ist, ist in den vorliegenden Anmeldeunterlagen nicht mehr enthalten. Daher würde der Fachmann ein geometrisches Element, das im wesentlichen eindimensional ist, nicht mehr als eine "Region" im Sinne der Anmeldung verstehen. Dies gilt auch für die in D1 gezeigten Winkel im "original background image 3", die zwar geknickte, aber im Wesentlichen eindimensionale Elemente darstellen.

Zusätzlich wurde in der Beschreibung der Anmeldung (Seiten 23 und 25) klargestellt, dass die Beispiele, bei denen eine der zwei Regionen nicht beugend ist, nicht unter die Ansprüche fallen. Der Fachmann würde daher das beanspruchte Merkmal, dass die unterschiedlichen Beugungseffizienzen der unterschiedlichen Regionen des Masterhologramms alle oberhalb eines vorgegebenen Schwellenwertes liegen, so lesen, dass beide Regionen eine von 0 verschiedene Beugungseffizienz aufweisen. Einen unstrukturierten und damit nicht beugenden Bereich würde er demnach nicht als "Region" im Sinne der vorliegenden Anmeldeunterlagen auffassen.

Aus diesen Gründen ist es nicht möglich, in D1 die Winkel des "original background image 3" als eine erste Region und den unstrukturierten Hintergrund als eine zweite Region entsprechend den vorliegenden Anmeldeunterlagen anzusehen. Die Abgrenzungen zwischen den Winkeln und dem unstrukturierten Hintergrund in D1 können daher auch nicht als Konturen im Sinne der Anmeldeunterlagen angesehen werden.

Deshalb können die in der angefochtenen Entscheidung unter II.2.2 bis II.2.5 angeführten Interpretationen und Schlussfolgerungen nicht auf die nunmehr vorliegenden Anmeldeunterlagen übertragen werden.

Im Lichte der nunmehr vorliegenden Anmeldeunterlagen offenbart D1 vielmehr ein Masterhologramm 1, welches nur eine Region 3 mit einem einheitlichen Erscheinungsbild und zusätzlich ein dreidimensionales Bild 2 aufweist (Absatz [8]). Die Individualisierungsinformationen 11 der D1 verändern dabei keine Kontur dieser Region 3 (und auch nicht des Bildes 2), sondern liegen gänzlich im Inneren derselben.

Darüber hinaus wird in D1, anders als in der vorlie­genden Anmeldung, gerade an den Stellen, an denen die Individualisierungsinformation wahrnehmbar und erfassbar sind, das Hintergrundmuster belichtet und damit im herzustellenden Hologramm gespeichert (siehe zum Beispiel Anspruch 5).

6.3 Unterscheidende Merkmale

Der Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung unterscheidet sich von D1 daher dadurch, dass

j) das Masterhologramm mindestens zwei unterschiedliche Regionen, die jeweils eine einheitliche Erscheinung aufweisen, umfasst

k) und die mindestens zwei unterschiedlichen Regionen eine unterschiedliche Beugungseffizienz unter einem Belichtungseinfallwinkel aufweisen, unter dem Licht, welches zu beugen oder zu reflektieren ist, auf den Hologrammmaster auftrifft, wobei die unterschiedlichen Beugungseffizienzen der unterschiedlichen Regionen des Hintergrundmusters alle oberhalb eines vorgegebenen Schwellenwertes liegen,

l) wobei das Masterhologramm und die Individualisierungsinformationen so aufeinander abgestimmt sind, dass mindestens ein Teil einer Kontur einer der mindestens zwei Regionen des Hintergrundmusters durch die Individualisierungsinformationen verändert wird und nicht in dem Hologramm abgespeichert wird.

Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 ist daher neu nach Artikel 54 EPÜ.

6.4 Technische Wirkung

Die unterscheidenden Merkmale j), k) und l) geben zwar unter anderem Rahmenbedingungen für die grafische Gestaltung des herzustellenden Hologramms vor. Die Wirkung dieser Merkmale erschöpft sich darin aber nicht.

Vielmehr erzielen die unterscheidenden Merkmale j), k) und l) die technische Wirkung, dass der Aufwand, der betrieben werden muss, um mit der beanspruchten Vorrichtung hergestellte Hologramme nachzuahmen, erhöht wird.

Die Nachahmung von Hologrammen mit unterschiedlichen Individualisierungsinformationen ist dabei durch Merkmal l) besonders erschwert, da der Teil der Kontur, der nicht abgespeichert wird, ja dann auch jeweils unterschiedlich ist. Er ist daher nur zu erraten, wenn eine Vielzahl von Originalen mit jeweils unterschied­lichen Individualisierungsinformation zur Verfügung steht.

Da die unterscheidenden Merkmale eine technische Wirkung erzielen, können sie bei der Beurteilung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit nicht unberücksichtigt bleiben.

6.5 Zu lösende objektive technische Aufgabe

Die durch die unterscheidenden Merkmale zu lösende objektive technische Aufgabe kann in Anbetracht der oben genannten technische Wirkung dann so formuliert werden, dass die Fälschungssicherheit der herzustellenden Hologramme erhöht werden soll.

6.6 Erfinderische Tätigkeit

Da sich D1 mit der Erhöhung der Sicherheit von Hologrammen beschäftigt, würde sich der Fachmann ausgehend von diesem Dokument durchaus die oben genannte Aufgabe stellen. Nach D1 wird die Sicherheit jedoch durch die bloße Verwendung von Individualisierungs­informationen erhöht (Absatz [17], Punkt 4)). Der Fachmann könnte diesem Dokument selber daher keinen Hinweis auf die unterscheidenden Merkmale j), k) und l) entnehmen.

D2 betrifft ebenfalls die Herstellung von Hologrammen, die als Sicherheitsmerkmale geeignet sind und mit einem individualisierten Kontaktkopierverfahren hergestellt werden (siehe Absatz [20]). Das in D2 verwendete Master­hologramm beziehungsweise Hintergrundmuster weist jedoch gar keine einheitlich erscheinende Region nach den Merkmalen j) und k), sondern lediglich dreidimensionale Objekte auf (Absatz [20], "recurrent information (logos, text, etc.) in three dimensions"). D2 enthält auch keinen Hinweis, die Individuali­sierungs­information (Absatz [20], "unique personali­zation information") mit dem Hintergrundmuster so abzustimmen, dass in Anlehnung an Merkmal l) eine Kontur eines Objekts des Hintergrundmusters davon betroffen wäre. Der Fachmann könnte also auch diesem Dokument keinen Hinweis auf die unterscheidenden Merkmale j), k) und l) entnehmen. Stattdessen würde er durch die Lehre von D2 angeregt, zusätzlich zu den im Hologramm gespeicherten Individualisierungsinformation weitere Identifizierungsinformation (Absatz [20], "identification mark") zum Beispiel mit einem Tintenstrahldrucker auf den das Hologramm enthaltenden Film zu drucken.

D3 schlägt ein Sicherheitsmerkmal mit zwei Regionen, die ein einheitliches Erscheinungsbild aufweisen, vor (siehe zum Beispiel Abbildung 10). In diesem Dokument werden jedoch keine Individualisierungsinformationen erwähnt und entsprechend könnte der Fachmann diesem Dokument keine Anregung zur Abstimmung einer solchen mit den zwei Regionen entnehmen, wie dies in Merkmal l) gefordert wird.

Selbst in der Zusammenschau des gesamten verfügbaren Standes der Technik D1, D2 und D3 würde der Fachmann also nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung gelangen.

Die Kammer bezweifelt dabei nicht, dass der Fachmann ausgehend von einer solchen Zusammenschau oder auch von D1 alleine unter Verwendung seines allgemeinen Fachwissens zum Gegenstand des Anspruchs 1 der Erfindung gelangen könnte. Jedoch kann die Kammer keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass er dies auch tun würde.

6.7 Schlussfolgerung

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit auch der übrigen Ansprüche der vorliegenden Anmeldung im Vergleich zum verfügbaren Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ beruht.

7. Wesentlicher Verfahrensmangel

7.1 Klarheits­einwände (siehe Punkt V. a) oben)

Ein wesentlicher Verfahrensmangel kann nur dann vorliegen, wenn er zu einem anderen Ausgang des Verfahrens führt (Rechtsprechung der Beschwerdekammern der EPA, 9. Ausgabe 2019, Abschnitt V.A.9.5.2). Im vorliegenden Fall wurde die Patentanmeldung jedoch nicht nur wegen mangelnder Klarheit, sondern unter anderem auch wegen mangelnder Neuheit beziehungsweise mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 zurückgewiesen (siehe Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung).

Die Bedenken, die die Prüfungsabteilung unter "Obiter dicta" in Bezug auf Klarheit geäußert hat, betreffen keinen dieser Ansprüche, sondern lediglich Anspruch 5. Diese Bedenken hätten also zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt.

Der Einwand, den die Prüfungsabteilung unter Punkt II.1.1 in den Entscheidungsgründen vorgebracht hat, betrifft lediglich die Aufnahme des Wortlauts der ursprünglichen Ansprüche in die Beschreibung. Die Kammer kann der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, dass dieser Einwand die Schlussfolgerung der Prüfungsabteilung hinsichtlich mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 und damit den Verfahrensausgang beeinflusst hätte.

Die von der Bf. als falsch oder nicht begründet gerügten Klarheits­einwände der Prüfungsab­teilung haben daher nicht zu einem anderen Ausgang des Erteilungsverfahrens geführt. Selbst wenn sie mit einem Verfahrensmangel in Verbindung stehen sollten, wäre dieser also nicht wesentlich und gäbe daher keinen Anlass für die Kammer, das Verfahren aus diesem Grunde beispielsweise an die Vorinstanz zurückzuverweisen oder diesem Mangel in anderer Weise abzuhelfen.

7.2 Obiter dictum

Die Bf. sieht darüber hinaus allein schon in der Abfassung eines obiter dictum in der angefochtenen Entscheidung einen wesentlichen Verfahrensmangel, umso mehr, als die Bf. zu den im obiter dictum angesprochenen Punkten nicht habe Stellung beziehen können.

Die Kammer kann sich dieser Auffassung weder in ihrer Allgemeinheit, noch für den vorliegenden Fall anschließen.

Generell bezeichnet ein obiter dictum ein "nebenbei Gesagtes" und kann, soweit es keinen Einfluss auf die Entscheidung hat, schon an und für sich genommen keine Rechtsverletzung der durch die Entscheidung beschwerten Partei darstellen. Eine Beschwer ist vorliegend nicht nur dadurch ausgeschlossen, dass die Entscheidung durch (andere) Gründe getragen wird, die ihr Ergebnis rechtfertigen, sondern auch dadurch, dass die Bf. bei einer die Patentanmeldung zurückweisenden Entscheidung durch ein obiter dictum nicht noch weniger bekommen kann, als sie durch die angefochtene Entscheidung bereits bekommen hat, nämlich nichts. Das hat auch die Bf. in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingeräumt. Sie ist allerdings der Auffassung, dass durch ein obiter dictum zu Punkten, zu denen sie nicht gehört wurde, Rechtsansichten in den Raum gestellt würden, die möglicherweise einen für sie nachteiligen Einfluss auf das künftige Beschwerdeverfahren haben könnten.

In der juristischen Literatur werden obiter dicta regelmäßig im Zusammenhang mit höchstrichterlichen Entscheidungen diskutiert, insbesondere, welchen faktischen Einfluss sie auf künftige, ähnlich gelagerte Fälle haben könnten (z.B. Rolf Lamprecht, Obiter dictum - Arabeske oder Ballast?, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 1939). Dass ein höchstrichterliches obiter dictum auf den aktuell entschiedenen Fall keinen Einfluss mehr haben kann ist klar, und insoweit für die von der Bf. vorgetragene Problematik auch nicht anwendbar.

Die von anderen als letztinstanzlichen Gerichten verfassten obiter dicta dienen deshalb auch nicht dem Zweck der Rechtsfortbildung in künftigen Fällen, sondern sollen der Berufungsinstanz eine Leitlinie für den Fall an die Hand geben, dass diese den Fall anders bewertet und sich deshalb mit rechtlichen Fragen auseinanderzusetzen hat, die für das vorinstanzliche Urteil keine Rolle gespielt haben. Hierdurch kann eine Zurückverweisung an die Vorinstanz vermieden werden. Die englischen Untergerichte äußern sich in Patentsachen beispielsweise auch dann zur Frage der Patentverletzung, wenn sie das Patent für nichtig erachten, um eine Zurückverweisung für den Fall zu vermeiden, dass die Berufungsinstanz das Patent für gültig erachtet, allerdings nur für den Fall, dass die Patentverletzung tatsächlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Die Entscheidung über eine Verletzung des Patents wird hier zu einem obiter dictum, weil sie für den Ausgang des Verfahrens nicht mehr von Bedeutung ist, es aber bei einer anderen Beurteilung der Gültigkeit des Patents durch die Berufungsinstanz werden könnte.

Eine vergleichbare Fallkonstellation ist auch im Beschwerdeverfahren nicht selten, wenn nämlich die Prüfungsabteilung die Patentanmeldung aus formellen Gründen zurückweist (z. B. wegen mangelnder Klarheit, unzulässiger Zwischenverallgemeinerung, etc.), die Beschwerdekammer aber anderer Auffassung ist oder aber diese Mängel im Beschwerdeverfahren behoben werden. Dies gilt analog für das Einspruchsbeschwerdeverfahren.

Ohne eine Erörterung der sonstigen Patentierungsvoraussetzungen (namentlich Neuheit und erfinderische Tätigkeit) durch die Vorinstanz müsste die Beschwerdekammer die Sache zur weiteren Prüfung zurückverweisen, weil es das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens ist, "die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen" (Art. 12 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in der geltenden Fassung vom 26. Juni 2019, Amtsblatt EPA 2019, A63). Dieses Vorgehen widerspricht allerdings Art. 11 der genannten Verfahrensordnung. Dort nämlich heißt es: "Eine Kammer verweist die Angelegenheit nur dann zur weiteren Entscheidung an das Organ zurück, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wenn besondere Gründe dafür sprechen."

Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre die Erörterung der anderen Patentierungsvoraussetzungen durch die Vorinstanz im Wege eines obiter dictum. Auch ein solches nämlich erlaubt der entscheidenden Beschwerdekammer eine Überprüfung der in dem obiter dictum zum Ausdruck gebrachten Würdigung durch die Vorinstanz. Insoweit heißt es in der Entscheidung T 1813/09 vom 8. April 2014, Punkt 21: "When exercising its discretion under Article 111(1) EPC [to remit the case], the board takes into account that, in respect of the claims directed to DNA markers the issues of sufficiency of disclosure, novelty and inventive step have not been dealt with in the decision under appeal, not even as an obiter dictum" (Hervorhebung durch die Kammer).

Von dieser Warte aus erscheint die Abfassung von obiter dicta durch die Vorinstanz nicht nur frei von rechtlichen Bedenken, sondern sogar sinnvoll, um Konflikte mit der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern zu vermeiden.

Der Bf. ist allerdings darin beizupflichten, dass eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten zu der im obiter dictum zum Ausdruck gebrachten Beurteilung wünschenswert wäre. Ohne eine solche wird der Stellenwert, dem ein solches obiter dictum im Beschwerdeverfahren zukommt, erheblich gemindert und entspricht dann eher dem einer vorläufigen Stellungnahme, die allerdings durchaus von Interesse und Bedeutung sein kann. In jedem Falle wird die Beschwerdekammer bei ihrer Beurteilung der in dem obiter dictum zum Ausdruck gebrachten Würdigung zu berücksichtigen haben, ob die Verfahrensbeteiligte(n) hierzu gehört worden ist oder sind.

Im Ergebnis teilt die Kammer die von der Bf. gegen die Abfassung eines obiter dicti geltend gemachten Bedenken nicht und sieht hierin eher eine wünschenswerte Ergänzung, als einen wesentlichen Verfahrensfehler.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche 1 - 11 des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hauptantrages,

Beschreibung S. 1-3, 3a, 5-22, 26-27 wie mit der Beschwerdebegründung als "Beschreibung Hauptantrag" eingereicht,

Beschreibung S. 4 , 23-25 wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.

Zeichnungen Blätter 1/6 bis 6/6 wie veröffentlicht.

3. Ein wesentlicher Verfahrensfehler kann nicht festgestellt werden.

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