T 2412/16 () of 6.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T241216.20200306
Datum der Entscheidung: 06 März 2020
Aktenzeichen: T 2412/16
Anmeldenummer: 05858608.2
IPC-Klasse: G01F 23/296
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR AUSWERTUNG UND KORREKTUR VON MESSSIGNALEN EINES NACH DEM LAUFZEITVERFAHREN ARBEITENDEN FÜLLSTANDSMESSGERÄTS
Name des Anmelders: Endress+Hauser SE+Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Klarheit und Stützung der Ansprüche durch die Beschreibung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) richtete ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 05858608.2 zurückgewiesen worden ist.

In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Prüfungsabteilung in Bezug auf die damals geltenden Anträge die Auffassung, dass die Ansprüche nicht klar seien (Artikel 84 EPÜ 1973) und dass die beanspruchte Erfindung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ 1973).

II. Mit der Beschwerdeschrift vom 13. September 2016, die auch die Beschwerdebegründung enthielt, reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Anspruchssatz (Ansprüche 1 bis 10) ein. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage dieses Anspruchssatzes zu erteilen.

III. Die Kammer legte in einer mit der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung übersandten Mitteilung ihre vorläufige Auffassung dar.

IV. Mit ihrem Schreiben vom 21. Januar 2020 teilte die Beschwerdeführerin der Kammer mit, dass ihre Vertreterin an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

V. Am 6. März 2020 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.

Der Vorsitzende stellte fest, dass die Beschwerdeführerin schriftlich beantragt hatte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des mit der Beschwerdeschrift vom 13. September 2016 eingereichten Anspruchssatzes zu erteilen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VI. Anspruch 1 gemäß dem geltenden Antrag lautet wie folgt (Merkmalsbezeichnungen "[A]" bis "[J]" von der Kammer hinzugefügt):

"Verfahren zur Auswertung und Korrektur von hochfrequenten Gesamtmesssignalen (GS(n)) eines Messgeräts (1), das nach dem Laufzeitmessverfahren arbeitet und das zur Ermittlung des kontinuierlichen Füllstands (6) eines Mediums (4) in einem Behälter (3) eingesetzt wird, folgende Verfahrensschritte umfassend:

[A] - während eines Messzyklus' (Mzyk(n)) werden Messsignale (MS(n)) in Richtung des Mediums (4) ausgesendet und an einer Oberfläche (5) des Mediums (4) als Nutz-Echosignale (NES(n)) oder an einer Oberfläche (8) eines Störelementes (7) als Stör-Echosignale (SES(n)) reflektiert und empfangen,

[B] - aus dem Gesamtmesssignal (GS(n)), bestehend aus der Überlagerung der ausgesendeten Messsignale (MS(n)), der reflektierten Nutz-Echosignale (NES(n)) und der Stör-Echosignale (SES(n)), wird durch eine sequentielle Abtastung ein niederfrequentes Zwischenfrequenzsignal (ZF(n)) erzeugt,

[C] - aus dem Zwischenfrequenzsignal (ZF(n)) wird zumindest eine von der Laufzeit (t) oder der Laufstrecke (x) abhängige Roh-Echokurve (RE(n)) oder digitalisierte Hüllkurve (HK(n)) ermittelt,

[D] - durch ein Glättungsverfahren wird in jedem Messzyklus aus der Roh-Echokurve (RE(n)) oder der digitalisierten Hüllkurve (HK(n)) eine Bewertungskurve (BK(n)) erzeugt,

[E] - in einer aktuellen statischen Referenzkurve (statRef(n)) werden die Stör-Echosignale (SES(n)) in der Roh-Echokurve (RE(n)) oder der digitalisierten Hüllkurve (HK(n)) ermittelt und abgespeichert,

dadurch gekennzeichnet, dass

[F] - im Falle einer Modifikation zumindest einer prozesstechnischen Bedingung im Behälter und/oder einer Modifikation zumindest einer messtechnischen Bedingung des Messgerätes (1) anhand der aktuellen statischen Referenzkurve (statRef(n)) eine unabhängige Referenzkurve (unRef(n)) ermittelt wird,

[G] - in jedem Messzyklus anhand einer Differenzbildung oder Korrelationsberechnung zwischen der Bewertungskurve (BK(n)) und der statischen Referenzkurve (statRef(n)) eine Differenzkurve (Diff(n)) erzeugt und abgespeichert wird,

[H] - aus einer Addition der Bewertungskurve (BK(n)) und der abgespeicherten Differenzkurve (Diff(n-a)) von einem zurückliegenden Messzyklus Mzyk(n-a) eine aktuelle relative Referenzkurve (relRef(n)) gebildet wird,

[I] - durch eine Filterung der relativen Referenzkurve (relRef(n)) mit den aktuellen Parameterinstellungen [sic] eines Filters, mit der auch die Roh-Echokurve (RE(n)) oder die digitalisierte Hüllkurve (HK(n)) verarbeitet wird, die unabhängige Referenzkurve (unRef(n)) ermittelt wird, und

[J] - die Stör-Echosignale (SES(n)) aus der Roh-Echokurve (RE(n)) anhand eines Ausblendalgorithmus, der die unabhängige Referenzkurve (unRef(n)) verwendet, ausgeblendet werden."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 123 (2) EPÜ

Anspruch 1 erfüllt aus folgenden Gründen nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 und des Artikels 123 (2) EPÜ:

i) Es ist in Merkmal [E] des Anspruchs 1 nicht klar, was mit der "aktuellen" statischen Referenzkurve gemeint ist und wie Stör-Echosignale in der in den ihm vorangehenden Merkmalen [A] bis [D] definierten Roh-Echokurve bzw. digitalisierten Hüllkurve ohne Weiteres "in einer aktuellen statischen Referenzkurve" ermittelt werden können. Außerdem ist das Merkmal [E] nicht durch die Beschreibung gestützt, weil in der Beschreibung erläutert wird, dass

- im Inbetriebnahme- bzw. Initialisierungs-Modus die Stör-Echosignale in einer Leerechokurve oder Teil-Leerechokurve, welche aus der Roh-Echokurve bzw. aus der digitalisierten Hüllkurve im leeren oder teilleeren Behälter ermittelt wird, ermittelt werden und die entsprechende Leerechokurve oder Teil-Leerechokurve dann in einer statischen Referenzkurve abgespeichert wird (vgl. ursprüngliche Beschreibung, Absatz [0032], und Absatz [0038], Zeile 16 auf Seite 10 bis Zeile 1 auf Seite 11), und

- im Betriebs-Modus eine neue statische Referenzkurve ermittelt wird, wenn eine neue Leerechokurve oder Teil-Leerechokurve ermittelt wird (vgl. ursprüngliche Beschreibung, Absatz [0018], Absatz [0026], und Absatz [0039], Zeilen 7 bis 18).

ii) In Merkmal [F] des Anspruchs 1 wird "im Falle einer Modifikation zumindest einer prozesstechnischen Bedingung im Behälter und/oder einer Modifikation zumindest einer messtechnischen Bedingung des Messgerätes" eine "unabhängige Referenzkurve" anhand der "aktuellen statischen Referenzkurve" ermittelt. In einem solchen Fall ist nicht klar, ob die unabhängige Referenzkurve dann wie in den Merkmalen [G] bis [I] spezifiziert ermittelt wird, oder ob die unabhängige Referenzkurve auf eine andere Weise ermittelt wird. In der ersten Alternative würde die erwähnte Bedingung "im Falle [...] einer Modifikation zumindest einer messtechnischen Bedingung des Messgeräts" im Widerspruch zu der Beschreibung stehen, weil laut Beschreibung die in Anspruch 1 erwähnte abgespeicherte Differenzkurve (Diff(n-a)) von einem zurückliegenden Messzyklus (Merkmal [H] des Anspruchs 1) nur dann zu berücksichtigen ist, wenn keine Änderung der Glättungsparameter erfolgt (vgl. Fig. 3, Schritte S7, S8a und S9, und Absatz [0039], Zeilen 18 bis 25 auf Seite 11). In der zweiten Alternative wäre nicht klar, wie die unabhängige Referenzkurve anhand der aktuellen statischen Referenzkurve zu ermitteln wäre und ob diese ermittelte unabhängige Referenzkurve mit der in den Merkmalen [A] bis [F] ermittelten unabhängigen Referenzkurve vereinbar wäre.

iii) Es ist in Merkmal [G] des Anspruchs 1 nicht klar, ob die "statische Referenzkurve (statRef(n))" der in Merkmal [F] definierten "aktuellen statischen Referenzkurve (statRef(n))" entspricht. Sollte sie der "aktuellen" statischen Referenzkurve entsprechen, würde das Merkmal [G] über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehen (Artikel 123 (2) EPÜ) und nicht durch die Beschreibung gestützt sein (Artikel 84 EPÜ 1973), weil gemäß der ursprünglich eingereichten Anmeldung ein solcher Verfahrensschritt nicht - wie beansprucht, siehe Anspruch 1, Merkmal [G] - "in jedem Messzyklus", sondern nur im Falle einer Modifikation einer messtechnischen Bedingung des Messgerätes (siehe Fig. 3, Schritt S7 und S8b, Alternative "Änderung der Glättungsparameter erfolgt? - Ja", und Absatz [0039], Zeilen 18 bis 25 auf Seite 11) durchgeführt wird.

iv) Es ist in Merkmal [H] des Anspruchs 1 nicht klar, ob die Ermittlung der aktuellen relativen Referenzkurve (relRef(n)) aus der Addition der Bewertungskurve (BK(n)) und der Differenzkurve (Diff(n-a)) von einem zurückliegenden Messzyklus in jedem Messzyklus oder - wie in der Beschreibung dargestellt, vgl. Fig. 3, Schritt S7, S8a und S9, Alternative "Änderung der Glättungsparameter erfolgt? - Nein", und Absatz [0039], Zeilen 18 bis 25 auf Seite 11 - nur unter bestimmten Umständen durchgeführt wird.

v) Es ist in Merkmal [J] des Anspruchs 1 nicht klar, ob die Stör-Echosignale aus der gefilterten (vgl. Fig. 3, Schritt S11, "aus der gefilterten Echokurve E(n)", und Seite 12 der Beschreibung, Zeilen 9 bis 11; siehe auch Anspruch 1, Merkmal [I]) oder aus der ungefilterten (siehe z.B. geltender abhängiger Anspruch 7) Roh-Echokurve ausgeblendet werden. Es ist in Merkmal [J] auch nicht klar, ob die Stör-Signale aus der digitalisierten Hüllkurve auszublenden sind, wenn das beanspruchte Verfahren nicht auf der Basis der Roh-Echokurve, sondern auf der Basis der digitalisierten Hüllkurve (siehe "Roh-Echokurve (RE(n)) oder digitalisierte Hüllkurve (HK(n))" in den Merkmalen [C] bis [E] und [I] des Anspruchs 1) durchgeführt wird (vgl. geltender abhängiger Anspruch 10).

Die oben angegebenen Gründe wurden der Beschwerdeführerin bereits in der Mitteilung, die der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, als vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt, und die Beschwerdeführerin hat im weiteren Verfahren diesbezüglich keine Gegenargumente vorgebracht.

3. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Antrag der Beschwerdeführerin, ein Patent auf der Grundlage des vorliegenden Anspruchssatzes zu erteilen, nicht gewährbar ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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