T 2389/16 () of 11.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T238916.20180711
Datum der Entscheidung: 11 Juli 2018
Aktenzeichen: T 2389/16
Anmeldenummer: 12151123.2
IPC-Klasse: A47K 3/40
E03F 5/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sanitärwanne
Name des Anmelders: Franz Kaldewei GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 111(2)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 8. Juni 2016 zur Post gegeben wurde und mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 12151123.2 aufgrund des Artikels 97 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist, am 22. Juni 2016 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 5. Oktober 2016 eingegangen.

II. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass die Anmeldung den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ nicht genüge.

III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche:

Nr.: 1-7 eingereicht am 24. Januar 2013 in elektronischer Form

Beschreibung:

Seiten: 1-9 eingereicht am 24. Januar 2013 in elektronischer Form

Zeichnungen:

Blätter: 1/4-4/4 wie ursprünglich eingereicht

Hilfsweise beantragt sie eine mündliche Verhandlung.

IV. Die Fassung des Anspruchs 1 gemäß dem einzigen Antrag lautet wie folgt:

"Sanitärwanne mit einem Wannenkörper (1), insbesondere aus Stahl-Email, einer in einer Vertiefung (2) des Wannenkörpers (1) angeordneten Ablauföffnung (3), einer an die Ablauföffnung (3) angeschlossenen Ablaufgarnitur (4) und einem über der Ablauföffnung (3) angeordneten Deckel (5), der eine an die Vertiefung (2) angepasste Form aufweist und an seiner Unterseite Abschnitte aufweist, die Abstandselemente (7) und/oder Formschlusselemente (8) bilden, wobei der Deckel (5) als massives, einstückiges, und formstabiles Teil aus einem keramischen Material oder Glas besteht, dadurch gekennzeichnet, dass der Deckel (5) mit seiner Unterseite unmittelbar an der Vertiefung (2) und/oder der Ablaufgarnitur (4) anliegt."

V. Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 klar sei und somit die Erfordernisse gemäß Artikel 84 EPÜ erfülle.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hintergrund

Die Erfindung betrifft eine Sanitärwanne, also eine Dusch- oder Badewanne, mit einer in einer Vertiefung des Wannenkörpers angeordneten Ablauföffnung, einer an die Ablauföffnung angeschlossenen Ablaufgarnitur und einem über der Ablaufgarnitur angeordneten Deckel. Der Deckel weist eine an die Vertiefung angepasste Form auf. Ferner weist der Deckel an seiner Unterseite Abschnitte auf, die Abstandselemente und/oder Formschlusselemente bilden. Im Rahmen der Erfindung wird ein massiver, einstückiger und formstabiler Deckel aus keramischem Material oder Glas gebildet. Somit weist der Deckel eine erhöhte Widerstandsfähigkeit sowie eine konstruktiv einfache Ausgestaltung auf, siehe Seite 3, Zeile 24 - Seite 4, Zeile 21 der Beschreibung. Darüber hinaus schreibt der geltende Anspruch 1 vor, dass der Deckel mit seiner Unterseite unmittelbar an der Vertiefung und/oder der Ablaufgarnitur anliegt. Erfindungsgemäß wird somit auf einen zusätzlichen Träger verzichtet. Dies führt zu einer weiteren Vereinfachung bei der Herstellung sowie zum Vermeiden der potenziellen Schwachstelle eines üblicherweise aus Kunststoff gebildeten Trägers, siehe Seite 4, Zeile 23 - Seite 5, Zeile 8 der Beschreibung.

3. Klarheit

3.1 Der angefochtenen Entscheidung zufolge ist Anspruch 1 nicht ausreichend klar. Die Prüfungsabteilung argumentiert, dass es widersprüchlich sei, dass die Unterseite eines Bauteils die Abstandselemente zu einer Auflagefläche aufweise und trotzdem dieselbe Unterseite gleichzeitig in unmittelbarem Kontakt mit dieser Auflagefläche stehe. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen der Unterseite und der Auflagefläche könne nicht erzielt werden, da dies durch die sich an der Unterseite befindenden Abstandselemente verhindert werde.

3.2 In Ansicht der Kammer ist jedoch der Gegenstand des Anspruchs 1 klar. Ausgehend vom Wortlaut des Anspruchs 1 weist der Deckel an seiner Unterseite "Abschnitte" auf, die Abstandselemente und/oder Formschlusselemente bilden. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind Abschnitte Teile eines Ganzen. Der Fachmann würde also diesen Wortlaut, insbesondere aufgrund der gebräuchlichen Bedeutung des Begriffs "Abschnitte", ohne Weiteres so verstehen, dass die Abschnitte - also die Abstandselemente und Formschlusselemente - Teile des Deckels sein können, die als Eigenschaften der Unterseite des Deckels erläutert werden. Somit versteht der Fachmann, dass die Formulierung "an der Unterseite des Deckels" die Lage der Abschnitte als Teile des Deckels angibt.

Somit ist es also durchaus möglich, dass der Deckel über diese Elemente unmittelbar an der Vertiefung und/oder an der Ablaufgarnitur anliegt, weil die Elemente Teil des Deckels sind. Gleichzeitig können andere Teile oder Abschnitte des Deckels durch die Abstandselemente in einem Abstand davon gehalten werden.

Diese Auslegung wird auch von der Beschreibung und der Zeichnungen gestützt. Aus der Beschreibung geht klar und deutlich hervor, dass die vorgeschriebenen Abstandselemente 7 und/oder Formschlusselemente 8 Teil des Deckels 5 sind. Insbesondere ist der "Deckel 5 in den Fig. 3 und Fig. 4 alleine dargestellt", siehe Seite 8, Zeilen 20-21. Das heißt, dass alle in diesen Figuren dargestellten Elemente einschließlich die gezeigten Abstandselemente 7 und Formschlusselemente 8 Teil des Deckels sind. Darüber hinaus wird das unmittelbare Anliegen des Deckels an der Vertiefung und/oder Ablaufgarnitur auf Seite 4, Zeile 23 bis Seite 5, Zeile 8 beschrieben, sowie in Figur 2 dargestellt.

3.3 Dagegen wandte die Prüfungsabteilung Folgendes ein: durch die Formulierung "an der Unterseite des Deckels" in Anspruch 1 sei betont worden, dass es sich bei den Abschnitten um separate, an der Unterseite des Deckels angebrachte Bauteile handele. Auch aus dem Verb "aufweisen" ergebe sich noch nicht, dass die sich an der Unterseite befindenden Elemente Teil des Deckels seien. "A weist B auf" bedeute nicht "B ist Teil von A".

Dem ist zu entgegnen, dass durch das Verb "aufweisen" auch nicht ausgeschlossen wird, dass die Abschnitte Teil des Deckels sein können. Das Verb "aufweisen" ist unter anderem auch in dem Sinne zu verstehen, dass es Eigenschaften einer Entität definiert. Die Eigenschaften - in dem Fall die Abschnitte - können also dann auch solche der Entität selbst - in dem Fall der Unterseite des Deckels - sein.

3.4 Der weiteren Argumentation der Prüfungsabteilung zufolge ist ein unmittelbares Anliegen durch Teilbereiche des Deckels nicht möglich, weil der Anspruch nicht Teilbereiche der Unterseite unterscheide, die in direktem Kontakt mit der Auflagefläche anliege und andere Teilbereiche, die in einem Abstand davon gehalten würden. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, weil der Anspruch auch nicht vorschreibt, dass die ganze Fläche der Unterseite in unmittelbarem Kontakt stehen muss. Ein Deckel, welcher nur mit Teilbereichen oder Abschnitten seiner Unterseite - z.B. den Abstandselementen - unmittelbar an der Auflagefläche anliegt, erfüllt auch ohne Weiteres das letzte Merkmal des Anspruchs 1, wonach "der Deckel mit seiner Unterseite unmittelbar an der Vertiefung und/oder der Ablaufgarnitur anliegt".

3.5 Die abhängigen Ansprüche wurden in der angefochtenen Entscheidung nicht angesprochen, und in dieser Hinsicht hat die Kammer auch keine weiteren Einwände nach Artikel 84 EPÜ.

3.6 Somit kommt die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand der Ansprüche im Lichte der Beschreibung klar ist und die Ansprüche von der Beschreibung gestützt sind. Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind somit erfüllt.

4. Zurückverweisung

Die angefochtene Entscheidung betraf nur die Frage der Klarheit. Zu anderen materiellen Erfordernissen des EPÜ wurde in der Entscheidung der Prüfungsabteilung nicht abschließend Stellung genommen. Unter diesen Umständen hält es die Kammer für geboten, von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen. Die erste Instanz wird darauf hingewiesen, dass sie nur soweit durch die vorliegende Entscheidung gebunden ist, als darin festgestellt wird, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Antrag vom 24. Januar 2013 nicht gegen Artikel 84 EPÜ verstößt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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