T 2364/16 () of 16.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T236416.20200916
Datum der Entscheidung: 16 September 2020
Aktenzeichen: T 2364/16
Anmeldenummer: 06002096.3
IPC-Klasse: E01H1/04
E01H1/05
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kehrmaschine zum Reinigen von Wegen, Straßen o. dgl. Nutzflächen
Name des Anmelders: Julius Tielbürger GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Alfred Kärcher SE & Co. KG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
RPBA2020 Art 025(2) (2020)
RPBA2020 Art 025(3) (2020)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (nein)
Spät eingereichtes Dokument - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 816 265 (im Folgenden: das Patent) betrifft eine Kehrmaschine zum Reinigen von Wegen, Straßen o. dgl. Nutzflächen.

II. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Einspruchsgrund laut Artikel 100(a) EPÜ der Aufrechterhaltung des europäischen Patents nicht entgegensteht, und hat daher den Einspruch zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 8, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.

V. Erteilter Anspruch 1 (mit hinzugefügter Merkmalsauflistung 1.1 bis 1.6) lautet:

1.1|Kehrmaschine zum Reinigen von Wegen, Straßen o. dgl. Nutzflächen, mit einem zur Betätigung von Hand einen Lenker (3) aufweisenden Fahrgestell (4), |

1.2|an dem zur Längsmittelebene (M) der Kehrmaschine (1) eine jeweilige Querachse (8, 9) definierende Lauf- und/oder Stützräder (5, 6, 7) vorgesehen sind, |

1.3|wobei im Bereich unterhalb einer am Fahrgestell (4) gehaltenen Abdeckung (10) eine im wesentlichen parallel zu den Achsen (8,9) der Räder verlaufende, ein Antriebsorgan (13) aufweisende und Kehrgut von einer Kehrfläche (2) aufnehmende Kehrwalze (11) drehbar ist,|

1.4|dadurch gekennzeichnet, daß das Fahrgestell (4) mit der auf der Kehrfläche (2) auflegbaren Kehrwalze (11) eine durch deren Drehbewegung (A) selbsttätig verlagerbare Funktionsbaugruppe (F) bildet, |

1.5|welche durch die Drehbewegung (A) der Kehrwalze (11) in eine die Arbeitsrichtung vorgebende Fahrtrichtung (V, V', V") selbsttätig verlagerbar ist und |

1.6|mittels des Lenkers (3) von Hand in diese vorgegebene Fahrtrichtung (V, V', V") führbar ist. |

VI. Stand der Technik

Die Beteiligten wiesen auf den folgenden Stand der Technik hin, der rechtzeitig während des Einspruchsverfahrens eingereicht wurde:

D1:|DE 195 05 156 A1|

D3:|EP 0 199 370 A2 |

D4:|DE 299 20 702 U1|

D5:|EP 0 177 452 A2 |

D6:|US 1 964 746 A |

Die Beschwerdeführerin nahm zusätzlich Bezug auf folgenden Dokumente, die mit ihrer Beschwerdebegründung eingereicht wurden:

D9: |US 4 399 577 A |

D10:|US 2 558 590 A |

D11:|DE 1 628 457 A1|

Schließlich hat die Beschwerdeführerin folgendes Dokument mit ihrem Schriftsatz vom 12. August 2020 eingereicht:

D12: Internetauszug, Scheuersaugmaschine

BR 30/4 C Adv, 11. August 2020

VII. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Zulassung der verspätet eingereichten Dokumente D9-D12

Die Dokumente D9 bis D11 seien hochrelevant für die Frage der Neuheit der Erfindung, da sie Kehrmaschinen mit allen Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 offenbarten. Deswegen seien sie in das Verfahren zuzulassen. Insbesondere würden in D9, D10 und D11 Kehrmaschinen offenbart, die durch die Drehbewegung der Kehrwalze in eine die Arbeitsrichtung vorgebende Fahrtrichtung selbsttätig verlagerbar seien, im gleichen Sinne wie in Anspruch 1 des Streitspatents.

Das angegriffene Patent gebe keine Definition der Begriffe "Kehren" oder "Kehrmaschine". Unter diesen Umständen müsse das Merkmal "Kehren" breit ausgelegt werden. Diese breite Auslegung schließe die Reinigung von anhaftendem Schmutz wie etwa Mist auf Rosten in Tierställen in D9, oder auch Teppichreinigungsmaschinen wie die von D10 und D11 mit ein.

Zudem seien die Reinigungsmaschinen von D9, D10 und D11 auch dazu geeignet, losen, nicht anhaftenden Schmutz zu entfernen, und sie würden auch auf Betonböden eingesetzt. Deswegen erfüllten sie sogar die Bedingungen, die die Beschwerdegegnerin als entscheidend für die Definition von Kehren ansehe. Anspruch 1 sei ein Vorrichtungsanspruch und definiere kein Verfahren. Deswegen könne es nicht als begrenzend berücksichtig werden, dass die Kehrmaschine laut Anspruch 1 unter trockenen Bedingungen eingesetzt werden soll.

Der Begriff "Kehrmaschine" werde häufig auch für Reinigungsmaschinen verwendet, die unter Einsatz von Flüssigkeiten ihre Arbeit durchführten, wie dies z.B. bei Kommunalkehrfahrzeugen der Fall sei.

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung enthalte insoweit eine zu enge Auslegung, die sich nicht rechtfertigen ließe. Die verspätete Einreichung der Dokumente, die dies entkräfteten, sei daher gerechtfertigt.

Die Dokumente D9, D10 und D11 seien von verschiedenen Recherchedienste zunächst nicht gefunden worden. Das zeige, dass dieser Stand der Technik nicht leicht zu finden gewesen sei.

Die Beschwerdegegnerin sei durch die verspätete Einreichung auch nicht beeinträchtigt, da ihr D9, D10 und D11 nun seit mehr als drei Jahren bekannt seien. Die Beschwerdegegnerin habe daher genügend Zeit gehabt, den neuen Stand der Technik zu analysieren.

D12 sei zudem keine neue Tatsache, sondern ein Beleg des allgemeinen Fachwissens im Bereich von Reinigungsmaschinen wie in D10 oder D11. D12 zeige, dass verschiedene Walzen in Abhängigkeit von dem zu behandelnden Boden zur Verfügung gestanden haben.

b) Neuheit

Das Merkmal 1.5 sei eindeutig und brauche keine Auslegung im Lichte der Beschreibung des Patents. Das Merkmal 1.5 definiere "eine die Arbeitsrichtung vorgebende Fahrtrichtung". Das heiße, dass die Fahrtrichtung die Arbeitsrichtung bestimme, weil die Arbeitsrichtung eine Konsequenz der Fahrtrichtung sei. Die Drehrichtung der Kehrwalze definiere deshalb die Arbeitsrichtung.

Die Erfindung sei nicht auf eine Kehrmaschine begrenzt, die geschoben werden müsse. Sie umfasse auch die Möglichkeit, die Kehrmaschine zu ziehen. Deswegen sei irrelevant, dass die Kehrmaschinen von D3 und D4 in Richtung auf den Bediener selbsttätig verlagerbar seien.

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei daher nicht neu gegenüber D3 oder D4, da beide Dokumente Kehrmaschinen offenbarten, die alle Merkmale des Anspruchs aufwiesen. Insbesondere sei das Merkmal 1.5 in beiden Dokumenten offenbart, weil die Drehbewegung der Kehrwalze eine Bewegung der jeweiligen Kehrmaschine in eine Fahrtrichtung verursache, die zwangsläufig zu einer selbsttätigen Verlagerung in eine Arbeitsrichtung gemäß Merkmal 1.5 führe.

c) Erfinderische Tätigkeit

D3

Der Fachmann, ausgehend von D3, würde die Federn 23 beiseite lassen, um den Bediener bei einer Bewegung der Kehrmaschine in der entsprechenden Fahrtrichtung zu entlasten. Der Fachmann brauche die Drehbewegung der Kehrwalze nicht zu ändern, um zu der Erfindung zu gelangen, da die Fahrtrichtung die Arbeitsrichtung im Sinne des Merkmals 1.5 definiere.

Figur 5 der D3 offenbare einen Behälter 46 vor der Kehrwalze. Der Fachmann erkenne daher, dass die Kehrmaschine zum Kehren rückwärts fahren könne.

D4

Der Fachmann wisse aus dem zweiten Absatz von D4, dass man sich um eine leichte Bedienbarkeit der Kehrmaschine bemühen solle. Der Fachmann lerne von Seite 3, Zeilen 11 bis 13, dass die Kraft der Kehrwalze gegen den Boden angepasst werden könne, und dass dies einen Effekt auf den Fahrwiderstand habe.

Die Aufgabe für den Fachmann sei daher, eine erleichterte Handhabung der Kehrmaschine zu erreichen.

Die Lösung sei das Anpassen der Kraft der Kehrwalze gegen den Boden, wie der Fachmann aus D4 gelernt habe, um eine selbsttätige Verlagerung der Kehrmaschine zu erreichen. Dafür würde er die Höhenverstellbarkeit der Räder der Kehrmaschine benutzen (wie auf Seite 4, zweiter Satz, offenbart).

D4 in Kombination mit D3

Auch erkenne der Fachmann in D3, dass, wenn die Reibung zwischen der Kehrwalze und dem Boden genügend hoch sei, die Kehrmaschine durch die Drehbewegung der Kehrwalze selbsttätig verlagert werden könne. Der Fachmann würde diese Reibung durch die Höhenverstellung der Räder von D4 anpassen, und ohne weitere Modifikationen zu der Erfindung gelangen.

D5 in Kombination mit D1

Das Dokument D5 sei in der IPC Klasse E01H klassifiziert, genau wie das Streitpatent. Auf Seite 1, Zeilen 1 bis 8, werde offenbart, dass es sich um ein Reinigungsgerät für verschiedene Einsatzzwecke handele. Deswegen sei D5 kein gattungsfremder Stand der Technik.

Wenn der Fachmann das Gerät aus D5 zum Kehren benutzen wolle, müsse er nach einem passenden Werkzeug suchen. Solche Werkzeuge finde er in Dokument D1, das für ein Universalgerät unterschiedliche Werkzeuge offenbare, die für verschiedene Zwecke bestimmt seien, einschließlich für das Kehren. Der Fachmann würde daher eine Kehrwalze aus D1 wählen und auf dem Gerät von D5 montieren, um die Kehrfunktion zu ermöglichen.

D6 in Kombination mit D1

Die gleiche Argumentation wie für D5 gelte für eine Kombination der D6 mit D1.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Zulassung der verspätet eingereichten Dokumente D9-D12

Die Dokumente seien nicht prima facie relevant, da sie keine Kehrmaschinen beträfen. Deswegen seien sie nicht in das Verfahren zuzulassen. Der Begriff "Kehren" habe eine eindeutige Bedeutung, und zwar das Beseitigen von Kehrgut in eine vorgegebene Richtung. Das Kehren werde als mechanischer trockener Prozess durchgeführt und betreffe die Behandlung von losem Kehrgut.

Nicht alle Reinigungssysteme, die rotierende Bürsten enthielten, seien auch als Kehrmaschinen anzusehen.

So offenbare Dokument D9 eine Reinigungsmaschine für einen feucht durchzuführenden Reinigungsvorgang von Rosten in Ställen, der auf Abrasion basiere. Die Dokumente D10 und D11 beträfen jeweils ein nasses Verfahren für die Teppichreinigung. Deswegen könne keines der in diesen Dokumenten beschriebenen Geräte als Kehrmaschine bezeichnet werden. Sie seien nicht prima facie neuheitsschädlich, und der Fachmann würde auch nicht auf sie zurückgreifen, da sie gattungsfremd und fernliegend seien.

Kommunalkehrmaschinen benutzten die Flüssigkeit wiederum nicht für das Beseitigen des Schmutzes auf den Straßen mit Hochdruck, sondern für die Verringerung der Staubentwicklung beim Kehren.

D9, D10 und D11 seien verspätet, nämlich erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden, obwohl sie schon während des Einspruchsverfahrens hätten eingereicht werden können und müssen. Die Beschwerde sei aus Effizienzgründen keine zweite Möglichkeit, neuen Stand der Technik einzureichen.

Das Dokument D12 könne ohnehin nichts beitragen, da es vierzehn Jahre nach dem Anmeldetag datiert sei.

b) Neuheit

Absatz [0005] des Streitpatents erläutere, dass die Arbeitsrichtung jene Richtung sei, in der das Kehrgut entfernt werden solle, d.h. die Richtung, in der man zum Kehren arbeite.

Keines der Dokumente D3 oder D4 offenbare eine Kehrmaschine, die durch die Drehbewegung der Kehrwalze selbsttätig in die Arbeitsrichtung verlagert werde. Die Drehrichtung der Kehrwalze von D3 oder D4 könne allenfalls eine Bewegung entgegen der Arbeitsrichtung erzeugen.

c) Erfinderische Tätigkeit

D3

Abbildung 3 von D3 offenbare, dass die Drehrichtung der Kehrwalze keine Bewegung der Kehrmaschine in Arbeitsrichtung erzeugen könne, sondern nur entgegen dieser Arbeitsrichtung.

In Spalte 4, Zeilen 24 bis 28, werde hierzu sogar offenbart, dass die Bewegung der Kehrmaschine gegen die Arbeitsrichtung aus Sicherheitsgründen vermieden werden müsse, um Verletzungen des Bedieners zu vermeiden. Das Dokument D3 enthalte darum gerade keinen Hinweis darauf, die Drehrichtung der Kehrwalze umzukehren.

D4

Die Kehrwalze von D4 könne allenfalls eine Bewegung entgegen der Arbeitsrichtung der Kehrmaschine motivieren, im Gegensatz zum Merkmal 1.5 des Anspruchs 1.

Der Fachmann würde jedenfalls daraus keine Anregung erhalten, die Reibungskraft zwischen Kehrwalze und Boden zu erhöhen, da das Ziel von D4 gerade umgekehrt eine Verminderung dieser Reibungskraft sei, um den Fahrwiderstand zu reduzieren (Seite 2, Zeile 20 bis 24).

D4 in Kombination mit D3

Da D3 keine Verlagerung der Kehrmaschine in Arbeitsrichtung offenbare, könne eine Kombination von D4 und D3 dem Fachmann das Merkmal 1.5 nicht nahelegen.

D5 in Kombination mit D1

Das Dokument D5 betreffe eine materialabtragende Arbeitsmaschine, die ständig gebremst werden müsse, um die Arbeit durchzuführen. Die Maschine von D5 gehöre deswegen zu einer anderen Maschinengattung als die beanspruchte Kehrmaschine, und man könne sie nicht einmal als Reinigungsmaschine bezeichnen.

Die Kehrwalze der aus D1 bekannten Kehrmaschine drehe in die entgegengesetzte Richtung des Rotors von D5, wie in D1, Spalte 1, Zeile 42, offenbart. Der Fachmann erhalte keinen Hinweis darauf, die Drehrichtung der Kehrwalze umzukehren.

D6 in Kombination mit D1

D6 offenbare eine Maschine zur Bearbeitung eines Betonbodens, die wie D5 gattungsfremd sei.

IX. Die Kammer hat am 18. November 2019 eine Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2007 in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassen.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der Dokumente D9, D10, D11 und D12 in das Verfahren

1.1 Geltende gesetzliche Bestimmungen

Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (Artikel 25 VOBK) ist die revidierte Fassung auch auf am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden anwendbar.

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdebegründung vor dem 1. Januar 2020 und die Erwiderung darauf fristgerecht eingereicht. Daher ist Artikel 12(4) bis (6) VOBK 2020 nicht anzuwenden. Stattdessen ist Artikel 12(4) VOBK 2007 sowohl auf die Beschwerdebegründung als auch auf die Erwiderung anzuwenden (Artikel 25(2) VOBK 2020).

Da die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor Inkrafttreten der revidierten Fassung zugestellt wurde, ist Artikel 13(2) der revidierten Fassung auch nicht anzuwenden. Stattdessen ist weiterhin Artikel 13 VOBK 2007 anzuwenden (Artikel 25(3) VOBK 2020).

1.2 Artikel 12(4) VOBK 2007 gibt den Kammern die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, und die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können. Denn das Beschwerdeverfahren stellt keine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens dar. Dessen Hauptzweck besteht vielmehr in der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren Richtigkeit (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, V.A.4.2.1). Dieser Zweck wäre beeinträchtigt, wenn neuer Stand der Technik, der kein Teil der angefochtenen Entscheidung war, unbeschränkt während des Verfahrens eingereicht werden könnte. Daher trifft die Beteiligten eine Pflicht zur sorgfältigen und förderlichen Verfahrensführung, wozu es gehört, alle relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so früh und vollständig wie möglich vorzulegen. Geschieht dies nicht und werden sie verspätet nachgereicht, kommt in Betracht, dass sie nicht mehr berücksichtigt werden, dies umso mehr, wenn verspätet eingereichte Dokumente schon nicht für das Verfahren relevant sind.

1.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass die nachgereichten Dokumente D9, D10 und D11, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, nicht relevant sind, weil sie keine Kehrmaschinen darstellen, und dass außerdem Anlass bestand, diese schon vor der Einspruchsabteilung einzureichen.

1.4 Merkmalsauslegung: "Kehrmaschine"

Für die Beurteilung der Relevanz der Dokumente muss zunächst die Auslegung der Kammer betreffend das Merkmal "Kehrmaschine" festgestellt werden.

Anspruch 1 betrifft eine "Kehrmaschine zum Reinigen von Wegen, Straßen o.dgl. Nutzflächen". Nach Auffassung der Kammer beinhaltet diese Formulierung keine Definition einer Kehrmaschine, sondern benennt nur Funktionen, für welche die beanspruchte Kehrmaschine geeignet sein muss.

Das Kehren wird im Allgemeinen im Sinne eines reinigenden Sammelns und/oder Beseitigens von Kehrgut verstanden, das so beschaffen ist, dass es ohne weiteres mit einem besen- oder bürstenartigen Gegenstand gesammelt und/oder weggefegt werden kann. Eine Kehrmaschine ist deswegen eine Maschine, die für eine solche Funktion bestimmt ist.

Die Kammer sieht "Kehren" als einen in diesem Sinne eindeutigen Begriff an. Darunter fällt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht jedwedes Reinigen aller möglichen Gegenstände unter allen nur denkbaren Bedingungen, und zwar auch dann nicht, wenn das entsprechende Reinigen mit Hilfe einer Drehwalze durchgeführt wird.

Die Maschinen, die im Allgemeinen unter dem Begriff "Kommunalkehrfahrzeugen" bekannt sind, sind im oben genannten Sinne für das Kehren bestimmt, und zwar unabhängig von der Benutzung von Flüssigkeiten für irgendeinen zusätzlichen Zweck während des Reinigungsverfahrens. Dies bedeutet nicht, dass auch das Gegenteil zutrifft, d.h. dass alle Maschinen, die mit Hilfe einer Flüssigkeit reinigen, eine Kehrfunktion ausüben.

1.5 Nach Auffassung der Kammer betrifft keines der Dokumente D9, D10 oder D11 eine Kehrmaschine im genannten Sinne.

Die Reinigungsmaschine ("cleaner 20") von D9 betrifft eine Vorrichtung, die haftenden oder losen Schmutz beseitigen kann, wobei mithilfe von Wasser (siehe Zufuhrschlauch 51; "supply hose") der Restmist von Tieren auf einem Gitterrost 18 (siehe Spalte 3, Zeile 4 bis 6, und 17 bis 19) während der Reinigung entfernt und verdünnt wird (siehe Spalte 4, Zeile 57 bis 59), um den Gitterrost 18 zu reinigen. In Spalte 6, Zeilen 25 bis 28, wird zwar offenbart, dass die Reinigungsmaschine auch auf einem Betonboden von Ställen für die Beseitigung von Restmist ("residual manure") benutzt werden kann. Der Restmist wird aber nicht durch die Reinigungsmaschine gesammelt, sondern nur vom Boden abgeschrubbt und mit Wasser verdünnt. D9 offenbart daher kein Kehren, und die Vorrichtung dieses Dokuments kann daher nicht als Kehrmaschine berücksichtigt werden.

Die Teppichreinigungsmaschine von D10 löst die Flecken des Teppichs mithilfe von Wasser, Seife und Dampf auf, die vor einer rotierenden Bürste ("brush 42") aufgetragen werden (siehe Spalte 4, Zeilen 23 bis 28, und Figur 3). Das Dokument D10 offenbart nicht, dass die Teppichreinigungsmaschine auch kehren kann.

Gleiches gilt für die Teppichreinigungsmaschine von D11. In diesem Fall wird Schaum durch ein Schaumverteilerrohr 292 auf eine rotierende Bürste B aufgetragen. Von Kehren ist dort keine Rede.

Da D9, D10 und D11 keine Kehrmaschine offenbaren, sind sie nicht prima facie relevant für die Frage der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1.

1.6 Daneben hätten D9, D10 und D11 bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden sollen.

1.6.1 Die Ladung der Einspruchsabteilung zur mündlichen Verhandlung ließ klar erkennen, dass sie die Auslegung der Begriffe "Kehrmaschine" und "Arbeitsrichtung" der Einsprechenden nicht teilte und auch der angeblichen Offenbarung des Merkmals 1.5 in den Dokumenten D3 und D4 nicht zustimmte.

Der Beschwerdeführerin war daher am Tag der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung die Möglichkeit bekannt, dass die Einspruchsabteilung ihrer Auslegung von Anspruch 1 und ihrer entsprechenden Analyse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit nicht zustimmen könnte. Daher bestand schon damals Veranlassung zur rechtzeitigen Vorlage weiterer Dokumente.

Die Beschwerdeführerin hat auch auf keinen wesentlichen Aspekt der angefochtenen Entscheidung hingewiesen, der für die Beschwerdeführerin eine Überraschung darstellen konnte.

Die verspätete Einreichung von D9, D10 und D11 rechtfertigt sich daher auch nicht als legitime Reaktion auf eine Überraschungsbegründung in der angefochtenen Entscheidung.

1.6.2 Die angeblichen Schwierigkeiten, den betroffenen Stand der Technik aufzufinden, sind ebenfalls nicht überzeugend als Begründung für die verspätete Einreichung, da diese angebliche Schwierigkeit verschiedene Gründe haben könnte, z.B. dass die verspätet eingereichten Dokumente eigentlich irrelevant und gattungsfremd sind (siehe obigen Punkt 1.5).

1.7 Unter diesen Umständen ist es auch irrelevant, dass die Beschwerdegegnerin Zeit genug hatte, die verspätet eingereichten Dokumenten zu analysieren, weil dieser Faktor die prima facie Irrelevanz der Dokumente und die Tatsache, dass sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht kompensieren kann.

1.8 Es liegt nach Artikel 13(1) VOBK 2007 im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen, wobei sie insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.

1.9 Das Dokument D12 (Internetauszug), das nach der Einreichung der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, ist nicht datiert, mit Ausnahme des Druckdatums vom 11. August 2020. Einen Nachweis für eine Veröffentlichung vor dem Anmeldetag (oder auch nur in dessen zeitlicher Nähe) hat die Beschwerdeführerin nicht erbracht. Daher ist D12 irrelevant als Stand der Technik und auch als Beleg des allgemeinen Fachwissens vor dem Anmeldetag untauglich.

1.10 Angesichts der obigen Ausführungen werden die Dokumente D9, D10, D11 und D12 nicht in das Verfahren zugelassen (D9, D10, D11: Artikel 12(4) VOBK 2007; D12: Artikel 13(1) VOBK 2007).

2. Neuheit - Artikel 100(a)/54 EPÜ

2.1 Auslegung des Merkmals "Arbeitsrichtung"

Merkmal 1.5 von Anspruch 1 lautet: "welche durch die Drehbewegung der Kehrwalze in eine die Arbeitsrichtung vorgebende Fahrtrichtung selbsttätig verlagerbar ist".

Der Begriff "Arbeitsrichtung" hat in dem Kontext von Anspruch 1 (d.h. bei einer Kehrmaschine) eine eindeutige technische Bedeutung und bedarf keiner besonderen Auslegung. Die Arbeitsrichtung einer Kehrmaschine ist die Richtung, in der das betreffende Kehrgut entfernt werden soll, d.h. die Richtung, in der man zum Kehren arbeitet, um das Kehrgut zu beseitigen und/oder zu sammeln. Die Kammer stimmt in diesem Aspekt der Beschwerdegegnerin zu.

Der Wortlaut "in eine die Arbeitsrichtung vorgebende Fahrtrichtung" kann nicht als eine Unterordnung der Arbeitsrichtung unter die Fahrtrichtung ausgelegt werden, da dies der Bedeutung des Begriffs "Arbeitsrichtung" zuwiderlaufen würde (nämlich dann, wenn aus dieser Auslegung resultieren würde, dass die so definierte "Arbeitsrichtung" gegen die Richtung läuft, in der man zum Kehren arbeitet). Eine derartig abweichende und ungewöhnliche Auslegung des Begriffs "Arbeitsrichtung" würde einen klaren Hinweis im Patent erfordern, der in diesem Fall nicht vorhanden ist.

Auf der anderen Seite stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin zu, dass, selbst wenn die Auslegung des Begriffs "Arbeitsrichtung" wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert akzeptiert wird, dieser Begriff nicht impliziert, dass die Kehrmaschine nur geschoben werden kann. Die Kehrmaschine laut Anspruch 1 könnte auch auf eine andere Weise fortbewegt werden (z.B. gezogen), aber immer in die Richtung, in der man zum Kehren arbeitet, um das Kehrgut fortzubewegen und/oder zu sammeln.

2.2 Neuheit gegenüber D3

Die Kehrmaschine von D3 zeigt eine Arbeitsrichtung, in welcher das Kehrgut verschoben und gesammelt wird, und zwar die Richtung, in der der Bediener die Kehrmaschine schiebt (siehe Abbildungen 1 und 3 von D3, die unten wiedergegeben sind; Arbeitsrichtung nach links). Die Kehrwalze verschiebt das Kehrgut nach vorne (links), und das Kehrgut wird auf diese Weise bis zu einem bestimmten Sammelpunkt transportiert.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die entgegengesetzte Fahrtrichtung (nach rechts) kann keine Arbeitsrichtung darstellen, da es nicht offenbart wird, dass eine Bewegung der Kehrmaschine in dieser Richtung das Verschieben und Sammeln des Kehrguts durchführt. Angesichts der Drehrichtung der Kehrwalze (siehe Pfeile in Abbildung 3) und der Fahrtrichtung der Kehrmaschine in dieser besonderen Situation (nach rechts in den Abbildungen) erscheint es unmöglich, dass die Voraussetzungen des in Punkt 2.1 definierten Begriffs "Arbeitsrichtung" erfüllt werden.

D3 offenbart, dass eine Bewegung einer Funktionsbaugruppe - die durch das Fahrgestell 1 und die Kehrwalze 14 geformt wird - gegen die Arbeitsrichtung (siehe Punkt 2.1 oben) aufgrund der Drehbewegung der Kehrwalze 14 möglich wäre (siehe Spalte 4, Zeilen 22 bis 28), diese Bewegung aber in dem offenbarten Ausführungsbeispiel durch die Federn 23 verhindert wird. D3 offenbart daher nur, dass die Kehrwalze unter ungünstigen Bedingungen die Maschine gegen die Arbeitsrichtung verlagern könnte (siehe Spalte 4, Zeilen 22 bis 28), was dank der Federn 23 vermieden wird, aber keine Verlagerung in eine Fahrtrichtung, die der Arbeitsrichtung entspricht.

Abbildung 5 von D3 offenbart ein Ausführungsbeispiel, in welchem ein Behälter 46 vor der Kehrwalze angeordnet ist, um das Kehrgut zu sammeln. Trotzdem ändert die Anwesenheit des Behälters nichts daran, was als "Arbeitsrichtung" in D3 zu verstehen ist, da die Eignung dieser Behälter für die Sammlung von Schmutz nur für den Fall offenbart wird, dass die Kehrmaschine in Arbeitsrichtung arbeitet (nach links in Abbildung 5, die unten wiedergegeben ist), nicht aber in der entgegensetzten Richtung, da dann die Interaktion zwischen Kehrwalze, Boden und Kehrgut wegen der unterschiedlichen relativen Geschwindigkeit von Bürsten und Boden anders ist als in der Arbeitsrichtung. Es wird daher nicht offenbart, dass die Kehrmaschine von Abbildung 5 kehren kann, wenn sie sich durch die Reibung der Kehrwalze auf dem Boden nach rechts (auf der Abbildung) in Richtung auf den Bediener bewegen würde.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Merkmal 1.5 wird deswegen in D3 nicht offenbart.

2.3 Neuheit gegenüber D4

Die Kehrmaschine von D4 basiert auf dem gleichen Arbeitsprinzip wie die von D3. Die Kehrwalze (Bürstenwalze 2) verschiebt das Kehrgut nach vorn, wenn der Bediener die Kehrmaschine schiebt. Daher können hier die gleichen Argumente angeführt werden, wie im letzten Punkt bezüglich "Arbeitsrichtung" ausgeführt.

D4 offenbart, dass die Reibkräfte zwischen der Bürstenwalze und dem Untergrund zu einem hohen Fahrwiderstand im Stand der Technik führen (siehe Seite 1, letzte Zeile, bis Seite 2, zweite Zeile). Eine Bewegung oder Verlagerung der Kehrmaschine durch diese Reibkräfte ist dort nicht offenbart. Auch die Beschreibung der Lösung von D4 bezüglich des Fahrwiderstands (siehe Seite 2, ab dem vierten Absatz) offenbart keine durch die Reibkräfte veranlasste Verlagerung der Kehrmaschine der Erfindung von D4.

Merkmal 1.4 (Funktionsbaugruppe, die durch die Drehbewegung der Kehrwalze selbsttätig verlagerbar ist) ist daher in D4 nicht offenbart, wie auch die Einspruchsabteilung in Punkt 13.3.4 der angefochtenen Entscheidung entschieden hat.

Sogar wenn man von einer Auslegung ausginge, wonach das Merkmal 1.4 implizit in D4 offenbart ist, wäre die resultierende Fahrtrichtung entgegengesetzt zur Arbeitsrichtung der Kehrmaschine, da die Drehrichtung der Kehrwalze von D4 einen Fahrwiderstand entgegen der Schieberichtung des Bedieners erzeugt (siehe Seite 2, vierter Absatz, und Abbildung 1, die unten wiedergegeben ist).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Daher wäre jedenfalls das Merkmal 1.5 nicht in D4 offenbart, da die resultierende Fahrtrichtung keine Richtung ist, die der Arbeitsrichtung entspricht.

2.4 Angesichts der obigen Ausführungen ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber D3 und D4.

3. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100(a)/56 EPÜ

3.1 Ausgehend von D3

Das Merkmal 1.5 (Funktionsbaugruppe, die in eine die Arbeitsrichtung vorgebende Fahrtrichtung selbsttätig verlagerbar ist) wird nicht durch D3 offenbart.

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass es für den Fachmann offensichtlich sei, die Federn 23 von D3 beiseite zu lassen, um die objektive technische Aufgabe zu lösen, den Bediener bei einer Bewegung der Kehrmaschine in der entsprechenden Fahrtrichtung zu entlasten. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin brauche der Fachmann nicht die Drehbewegung der Kehrwalze zu ändern, um zu der Erfindung zu gelangen, da die Fahrtrichtung die Arbeitsrichtung im Sinne der Merkmals 1.5 definiere.

Selbst wenn die Kammer diese objektive technische Aufgabe als richtig ansehen könnte, wäre die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht überzeugend, da die vorgeschlagene Fahrtrichtung keine Arbeitsrichtung im Sinne von Anspruch 1 darstellt, selbst bei dem Ausführungsbeispiel von Abbildung 5 (siehe Punkte 2.1 und 2.2 oben).

Deswegen würde sich die resultierende Kehrmaschine gegen die Arbeitsrichtung im Sinne von Anspruch 1 bewegen, selbst wenn der Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich der Offensichtlichkeit der Entfernung der Federn 23 gefolgt werden könnte.

Der Fachmann müsste, um zu dem Merkmal 1.5 zu gelangen, eine Umkehrung der Drehrichtung der Kehrwalze von D3 in Betracht ziehen, für welche dort aber keinerlei Hinweis ersichtlich ist.

3.2 Ausgehend von D4

Da das Arbeitsprinzip der Kehrmaschine von D4 das gleiche wie das von D3 ist, kann die Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich einer Anpassung der Kraft der Kehrwalze gegen dem Boden, um eine Verlagerung der Kehrmaschine zu gewährleisten, nur zu der gleichen Schlussfolgerung wie in dem vorherigen Punkt bezüglich der Offensichtlichkeit des Merkmals 1.5 führen.

3.3 D4 in Kombination mit D3

Keines der Dokumente D3 oder D4 offenbart, dass durch die Drehbewegung der Kehrwalze eine Funktionsbaugruppe in eine die Arbeitsrichtung vorgebende Fahrtrichtung selbsttätig verlagerbar ist (Merkmal 1.5; siehe Punkte 2.2, 2.3, 3.1 und 3.3 oben).

Eine Kombination beider Dokumente könnte daher dem Fachmann das Merkmal 1.5 nicht nahelegen.

3.4 D5 in Kombination mit D1

Das Dokument D5 offenbart keine Kehrmaschine, sondern eine materialabtragende Arbeitsmaschine mit einer Fräse, die für das Entrosten von Schiffsdecks, das Aufrauhen und Reinigen von Betonböden sowie das Entfernen von Verkehrszeichen auf Straßen oder das Aufrauhen von Straßenbelägen geeignet ist (siehe Spalte 1, Zeilen 4 bis 8).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist eine identische IPC-Klasse für sich genommen auch kein überzeugendes Argument dafür, dass ein Dokument als geeigneter Ausgangspunkt angesehen werden kann. Der Ausgangspunkt wird vielmehr durch den Zweck und die Wirkung des offenbarten Gegenstands im Vergleich mit der Erfindung bestimmt.

Die Maschine von D5 ist nach ihrer Bestimmung keine gattungsgemäße Vorrichtung im Sinne von Anspruch 1 des angefochtenen Patents. Daher stellt D5 keinen besseren Ausgangspunkt als D3 oder D4 dar, die immerhin Kehrmaschinen betreffen. Daher ist D5 weniger relevant für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

Selbst wenn D5 in Betracht gezogen werden könnte, wäre der Angriff aus den folgenden Gründen nicht überzeugend.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von D5 dadurch, dass die Maschine eine Kehrmaschine ist (Merkmal 1.1), die eine Kehrwalze aufweist (Merkmal 1.3), die die Kehrmaschine durch ihre Drehbewegung verlagern kann (Merkmale 1.4, 1.5).

Selbst wenn die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene technische Aufgabe akzeptiert werden könnte, die Maschine von D5 zum Kehren zu benutzen, enthält D5 keine Offenbarung, die den Fachmann darauf hinweisen könnte, dass die Maschine von D5 überhaupt für einen anderen Zweck benutzt werden könnte. Die Argumentation zu diesem Punkt beruht auf einer ex-post-facto Analyse, und ist daher nicht überzeugend.

Weiterhin würde das Ersetzen der Fräse durch eine Kehrwalze nicht zwangsläufig zu einer Verlagerung der Maschine durch die Drehbewegung der Kehrwalze führen (Merkmale 1.4, 1.5), da die Kehrwalze keine derart starke Reibung wie die Fräse auf den Boden ausüben würde, und da die Maschine von D5 besonders schwer ist (siehe Verbrennungsmotor 10).

Schließlich offenbart D1, dass eine Kehrwalze in Gegenrichtung zur Drehbewegung einer Fräse drehen muss (siehe Spalte 1, Zeilen 42 bis 64, und Spalte 3, Zeilen 38 bis 45). Der Fachmann würde daher entweder die Fräse von D5 nicht durch eine Kehrwalze ersetzen, da das Kehren unter diesen Umständen laut D1 unmöglich wäre, oder die Drehrichtung der Kehrwalze in Bezug auf die Fräse umkehren, und in diesem Fall könnte das Merkmal 1.5 nicht realisiert werden (aus den gleichen Gründen wie in obigen Punkten 2.2 und 2.3 ausgeführt).

3.5 D6 in Kombination mit D1

Das Dokument D6 ist eine Strapaziermaschine, die vergleichbar mit der von D5 ist. Daher gilt hier die gleiche Begründung wie im letzten Punkt bezüglich seiner Ungeeignetheit als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sowie der vorgeschlagenen Kombination mit D1.

3.6 In Anbetracht der obigen Erwägungen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung zutreffend. Daher bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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