T 2249/16 () of 30.4.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T224916.20190430
Datum der Entscheidung: 30 April 2019
Aktenzeichen: T 2249/16
Anmeldenummer: 09711244.5
IPC-Klasse: C09K 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ANORGANISCH-ORGANISCHER KOMPOSITLEUCHTSTOFF
Name des Anmelders: Karlsruher Institut für Technologie
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention R 137(5)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Ausreichende Offenbarung - Stützung durch die Beschreibung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 28. April 2016, die europäische Patentanmeldung Nr. 09711244.5 zurückzuweisen.

II. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags, auf dem die Entscheidung beruht, lautet wie folgt:

Kompositleuchtstoff, umfassend eine anorganische Matrix und einen organischen Fluoreszenzfarbstoff,

wobei die anorganische Matrix aus einer Verbindung, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus MgCO3, CaCO3, SrCO3, BaCO3, MgSO4, CaSO4, SrSO4, BaSO4, Mg3(PO4)2, Ca3(PO4)2, Sr3(PO4)2, Ba3(PO4)2, Mg3(PO4)2, LaPO4, ScPO4, GaPO4, InPO4, ZrO(HPO4), ZrO(H2PO4)2, Zr3(PO4)4, einschließlich Zr(HPO4)2 bzw. Zr(H2PO4)4, und Kombinationen davon, aufgebaut ist,

wobei der organische Fluoreszenzfarbstoff eine oder mehrere funktionelle Gruppen, ausgewählt aus Sulfatgruppen, Phosphatgruppen, Phosphonsäuregruppen, Phosphansäuregruppen oder Carboxylatgruppen, aufweist, über welche der Fluoreszenzfarbstoff mittels ionischer Bindung in die anorganische Matrix eingebaut ist,

wobei der organische Fiuoreszenzfarbstoff aus der Gruppe, bestehend aus 1,1'-Diethyl-2,2'-cyaniniodid, 1,2-Diphenylacetylen, 1,4-Diphenylbutadien, 1,4-Diphenylbutadien, 1,6-Diphenylhexatrien, 2,5-Diphenyloxazol, 2-Methylbenzoxazol, 4',6-Diamidino-2-phenylindol (DAPI), 4-(Dicyanomethylen)-2-methyl-6-(p-dimethylaminostyryl)-4H-pyran (DCM), 4-Dimethylamino-4' nitrostilben, 5,10,15-Triphenylcorrol, 5,10,15-Tris(pentafluorophenyl)corrol, 5,10-Diarylchlorin, 5,10-Diarylkupferchlorin, 5,10-Diarylkupferoxochlorin, 5,10 Diarylmagnesiumoxochlorin, 5,10-Diaryloxochlorin, 5,10-Diarylzinkchlorin, 5,10-Diarylzinkooxochlorin, 7-Benzylamino-4-nitrobenz-2-oxa-1,3-diazol, 7-Methoxycumarin-4-essigsäure, 9,10-Bis(phenylethinyl)anthracen, 9,10-Diphenylanthracen, Acridinorange, Acridingelb, Adenin, Anthracen, Anthrachinon, Auramin O, Azobenzol, Bakteriochlorophyll A, Benzochinon, Betacarotin, Bilirubin, Biliverdindimethylester, Biphenyl, Bis(5-mesityldipyrrinato)zink, Bis(5-phenyldipyrrinato)zink, Borsubphtalocyaninchlorid, Chlorin E6, Chlorophyll A, Chlorophyll B, cis-Stilben, Cumarin sowie dessen Derivaten, Cresylviolettperchlorat, Cryptocyanin, Crystalviolett, Cytosin, Dansylglycin, Diprotonated-tetraphenylporphyrin, Eosin sowie dessen Derivaten, Ethyl-(p-dimethylamino)-benzoat, Ferrocen, Fluorescein sowie dessen Derivaten, Guanin, Hematin, Histidin, Hoechst 33258, Indocarbocyanine sowie dessen Derivaten, Lucifergelb CH, Magnesiumoctaethylporphyrin, Magnesiumphthalocyanin, Magnesiumtetramesitylporphyrin, Magnesiumtetraphenylporphyrin, Malachitgrün, Merocyanin, N,N'-Difluoroboryl-1,9-dimethyl-5-(4-iodophenyl)-dipyrrin, N,N'-Difluoroboryl-1,9-dimethyl-5-[(4-(2-trimethylsilylethinyl), N,N'-Difluoroboryl-1,9 dimethyl-5-phenydipyrrin, Tetraphenylporphyrin, Naphthalin, Nilblau, Nilrot, Octaethylporphyrin, Oxacarbocyanin sowie dessen Derivaten, Oxazin sowie dessen Derivaten, p-Quarterphenyl, p-Terphenyl, Perylen sowie dessen Derivaten, Phenol, Phenylalanin, Phenyldipyrrin, Pheophorbid, Phthalocyanin, Pinacyanoliodid, Piroxicam, Porphin, Proflavin, Protoporphyrin-IX-dimethylester, Pyren, Pyropheophorbid sowie dessen Derivaten, Pyrrol, Chinin, Rhodamin sowie dessen Derivaten, Riboflavin, Bengalrot, Squarylium dye III, TBP-beta octa(COOBu)-Fb, TBP-beta-octa(COOBu)-Pd, TBP-beta-octa(COOBu)-Zn, TBP-meso-tetraphenyl-beta-octa(COOMe)-Fb, TBP-meso-tetraphenyl-beta-octa(COOMe)-Pd, TBP-meso-tetraphenyl-beta-octa(COOMe)-Zn, TCPH-meso-tetra(4-COOMe-phenyl)-Fb, TCPH-meso-tetra(4-COOMe-phenyl)-Pd, TCPH meso-tetra(4-COOMe-phenyl)-Zn, Tetra-t-butylazaporphin, Tetra-t-butylnaphthalocyanin, Tetrakis(2,6-dichlorophenyl)porphyrin, Tetrakis(o-aminophenyl)porphyrin, Tetramesitylporphyrin, Tetraphenylporphyrin, Tetraphenylsapphyrin, Thiacarbocyanin sowie dessen Derivaten, Thymin, trans-Stilben, Tris(2,2'-bipyridyl)ruthenium(II), Tryptophan, Thyrosin, Uracil, Vitamin B12, Zinkoctaethylporphyrin, Phthalocyanin sowie dessen Derivaten, Porphyrin sowie dessen Derivaten und Umbelliferon, ausgewählt ist,

wobei die organischen Fluoreszenzfarbstoffe, die als solche keine Sulfatgruppe, Phosphatgruppe, Phosphonsäuregruppe, Phosphansäuregruppe oder Carboxylatgruppe aufweisen, mit mindestens einer von diesen funktionellen Gruppen modifiziert worden sind.

III. Die Prüfungsabteilung begründete die angefochtene Entscheidung wie folgt:

Die Ansprüche bezögen sich auf eine extrem große Anzahl möglicher Verbindungen/Verfahren. Stütze und Offenbarung im Sinne von Artikel 84 und 83 EPÜ könne jedoch nur für einen sehr kleinen Teil der beanspruchten Verbindungen/Verfahren gefunden werden. Die Recherche sei daher auf eine Kombination der Ansprüche 1, 2 und 6 des Hauptantrags beschränkt worden, desgleichen die Prüfung der Ansprüche.

Von den acht Beispielen in der ursprünglichen Anmeldung fielen nur drei unter die Ansprüche, da die anspruchsgemäße Definition der anorganischen Matrix nicht erfüllt sei. Weiterhin müssten die anspruchsgemäßen Fluoreszenzfarbstoffe eigenständige Phosphatgruppen enthalten, die nichts mit dem anspruchsgemäßen Metallphosphat zu tun haben, was in den Beispielen aber nicht der Fall sei. Diese Diskrepanz zwischen Ansprüchen und Beispielen führe zu mangelnder Stütze durch die Beschreibung und insbesondere der Beispiele im Sinne von Artikel 84 und 83 EPÜ.

Für den Hilfsantrag gälten die gleichen Einwände, da er ebenfalls nicht auf den eingeschränkt recherchierten Gegenstand beschränkt sei.

IV. In der Begründung ihrer Beschwerde argumentierte die Beschwerdeführerin im wesentlichen wie folgt:

Die Anmeldung offenbare ein neues Konzept zur Herstellung von Kompositleuchtstoffen. Die Beispiele der Anmeldung fielen alle unter die Ansprüche, da die Phosphatgruppen der funktionalisierten Fluoreszenzfarbstoffe in die Matrix eingebaut seien. Dieses Konzept sei auch auf andere Anionen übertragbar. Die Ansprüche seien daher von der Beschreibung gestützt und die Erfindung ausreichend offenbart. Die zitierten Druckschriften D1-D3 stellten die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der Ansprüche nicht in Frage. Die im Prüfungsverfahren gemachten Einwände unter Regel 137(5) EPÜ seien nicht gerechtfertigt.

V. Mit Bescheid vom 26. Februar 2019 informierte die Kammer die Beschwerdeführerin von ihrer Absicht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Grundlage des Hauptantrags, hilfsweise auf Grundlage des ersten Hilfsantrags, beide eingereicht im Prüfungsverfahren am 21. Januar 2014, hilfsweise auf Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten zweiten Hilfsantrags.

Der zwischenzeitliche Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung wurde mit Eingabe vom 14. März 2019 zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)

2.1 Artikel 83 EPÜ verlangt, die Erfindung in der Patentanmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

2.2 Die angefochtene Entscheidung moniert, die Ansprüche bezögen sich auf eine extrem große Anzahl möglicher Verbindungen oder Verfahren. Des weiteren seien die Ansprüche breit im Vergleich zu den Beispielen.

Dies alleine begründet keine mangelnde Offenbarung. Die Beschreibung offenbart ein Konzept zur Herstellung von Kompositmaterialien ausgehend von löslichen Metallsalzen und funktionalisierten Fluoreszenzfarbstoffen (siehe etwa Seite 14, Zeilen 15ff der Anmeldung), das auf Seiten 14-19 im Detail erklärt und zumindest durch einige Ausführungsbeispiele illustriert wird (siehe Punkt 3 unten). Dabei wird die funktionelle Gruppe des Fluoreszenzfarbstoffs in die anorganische Matrix eingebaut, siehe Seite 11, Zeilen 11ff.

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern erfordert ein Einwand unter Artikel 83 EPÜ ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung (siehe Rechtsprechung der BK des EPA, 8. Aufl.2016, Kapitel II.C.8). Solche Zweifel müssen nicht experimentell belegt werden, sind aber zumindest technisch nachvollziehbar zu begründen.

Die angefochtene Entscheidung führt keinerlei Gründe oder Argumente an, warum ein Fachmann nicht in der Lage sein sollte, das in Anspruch 11 definierte Verfahren auszuführen und demgemäß die in Anspruch 1 definierten Kompositleuchtstoffe zu erhalten. Ebensowenig werden Gründe oder Argumente angeführt, aus denen hervorginge, dass der Fachmann nicht in der Lage wäre, die in den Beispielen beschriebenen Verfahrensweisen auf andere in den Ansprüchen definierte Metallsalze und andere in den Ansprüchen definierte funktionalisierte Fluoreszenzfarbstoffe anzuwenden, um anspruchsgemäße Kompositleuchtstoffe zu erhalten. Bei den Ausgangsprodukten des beanspruchten Verfahrens handelt es sich um allgemein bekannte Verbindungen, oder solche, die ein Fachmann auf prinzipiell bekannte Weise herstellen kann. Die beschriebenen Verfahrensschritte sind ebenfalls für einen Fachmann ausführbar. In der Entscheidung wird zwar wiederholt darauf verwiesen, die Ansprüche umfassten eine Vielzahl von Verbindungen und seien im Vergleich zu den Beispielen zu breit. Technische Argumente, die gegen die Ausführbarkeit des Herstellungsverfahrens der beanspruchten Kompositleuchtstoffe sprechen würden, werden allerdings nicht vorgebracht.

Auch die Kammer sieht keine offensichtlichen Gründe, aus denen ein Fachmann die beanspruchte Erfindung nicht ausführen könnte.

2.3 Die Erfordernisse des Artikel 83 EPÜ sind daher erfüllt.

3. Stütze in der Beschreibung (Artikel 84 EPÜ)

3.1 Der Großteil der angefochtenen Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob die Ausführungsbeispiele der Beschreibung (und die im Verlauf des Verfahrens zusätzlich eingereichten Beispiele) unter die vorliegenden Ansprüche fallen oder nicht. Die Prüfungsabteilung kam dabei zu dem Schluss, dass von den Beispielen der Beschreibung die Beispiele 3, 5 und 6 unter die Ansprüche fallen, die Beispiele 1, 2, 4, 7 und 8 hingegen nicht.

3.2 Nach Ansicht der Kammer ist diese Frage jedoch für die ausreichenden Stütze der Ansprüche durch die Beschreibung unter Artikel 84 EPÜ zweitrangig.

Selbst wenn man den Ausführungen der Prüfungsabteilung folgen würde und als gegeben annähme, lediglich Beispiele 3, 5 und 6 der Beschreibung seien vom Anspruchsumfang umfasst, so wäre dies allenfalls eine Frage der Klarheit, die etwa durch Streichung der anderen Beispiele, deren Kennzeichnung als Vergleichsbeispiele, oder gegebenenfalls durch Änderung der Ansprüche auszuräumen wäre.

Die Prüfungsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, die Beschreibung, und insbesondere die Beispiele, seien keine ausreichende Stütze für die Ansprüche. Die Ansprüche seien zu breit und beträfen eine Vielzahl möglicher Verbindungen und Verfahren.

Die Kammer hält diese Begründung nicht für stichhaltig. Die beanspruchten Verfahren und Leuchtstoffe sind als solche in der Beschreibung wörtlich wiedergegeben. Das Herstellungsverfahren für die beanspruchten Kompositleuchtstoffe ist auf Seiten 14-19 in technisch nachvollziehbarer Weise beschrieben. Es wurden von der Prüfungsabteilung keine Gründe angeführt, aus denen hervorginge, dass die Beschreibung technisch unvollständig oder unglaubwürdig wäre. Eine mögliche Diskrepanz zwischen den Ansprüchen und einigen der Ausführungsbeispielen würde daran nichts ändern. Im vorliegenden Fall illustrieren ja immer noch zumindest drei Beispiele der Beschreibung den Inhalt der Ansprüche und es wurden keine Gründe vorgebracht, weshalb eine Verallgemeinerung auf den beanspruchten Gegenstand nicht möglich sein sollte.

3.3 Im übrigen teilt die Kammer die Auffassung der Prüfungsabteilung nicht, die Beispiele 1, 2, 4, 7 und 8 fielen nicht unter die Ansprüche.

3.3.1 In den Augen der Prüfungsabteilung definiert Anspruch 1 eine anorganische Matrix, etwa ein Metallphosphat, einerseits, und einen funktionalisierten Fluoreszenzfarbstoff andererseits, wobei allerdings die funktionelle Gruppe des Fluoreszenzfarbstoffs, etwa eine Phosphatgruppe, eine eigenständige Phosphatgruppe sei und nichts mit dem beanspruchten Metallphosphat zu tun habe. Die anorganische Matrix gemäß Anspruch 1 sei nur in den Beispielen 3, 5 und 6 vorhanden, während die anderen Beispiele eine solche Matrix nicht aufwiesen, da dort als Matrix [Zr**(4+)] bzw. [Ca**(2+)] angegeben ist.

3.3.2 Die Beschwerdeführerin hat demgegenüber vorgebracht, in allen Fällen sei eine anorganische Phosphatmatrix vorhanden, da in den Beispielen 1, 2, 4, 7 und 8 die Phosphatgruppe aus der Seitenkette des Fluoreszenzfarbstoffs stammt. Zwischen den Phosphatgruppen des Fluoreszenzfarbstoffs und den Phosphatgruppen der Matrix bestehe kein Unterschied; es ergebe sich eine Mischungsreihe eines Komposits, indem etwa Flavinmonophosphat in beliebigem Verhältnis gegen das Phosphatanion [HPO4]**(2-) ausgetauscht werden könne. Der Festkörper stelle daher insgesamt eine Zirkonphosphat-Matrix dar, wie in Anspruch 1 definiert. Ähnliches gelte für andere Anionen und Fluoreszenzfarbstoffe wie im Anspruch definiert.

3.3.3 Die Kammer folgt im wesentlichen den Argumenten der Beschwerdeführerin.

Anspruch 1 definiert nicht, dass die funktionelle Gruppe des Fluoreszenzfarbstoffs nichts mit der beanspruchten Matrix zu tun hat. Anspruch 1 definiert im Gegenteil, dass der Fluoreszenzfarbstoff über die funktionelle Gruppe mittels ionischer Bindung in die anorganische Matrix eingebaut ist. Dies schließt nicht aus, dass das Anion der Matrix ausschließlich aus den Anionen besteht, die die funktionellen Gruppen der Fluoreszenzfarbstoffe ausmachen.

Die Prüfungsabteilung hat im wesentlichen beanstandet, dass etwa eine Zirkonphosphat-Matrix in so einem Fall mit der in den Ansprüchen verwendeten Formel ZrO[HPO4] nicht genau beschrieben ist, da anstatt des Wasserstoffatoms in der gezeigten Formel der Fluoreszenzfarbstoff an das entsprechende Sauerstoffatom gebunden ist. In den Augen der Kammer ist dies jedoch keine fachmännische, technisch sinnvolle Lesart des Anspruchs. Eine Matrix ist im allgemeinen ein Trägermaterial, das auf verschiedene Weise modifiziert sein kann. Dies ist auch in der vorliegenden Beschreibung ausgeführt, siehe etwa Seite 7, Zeilen 6ff. Im vorliegenden Fall ist die anorganische Matrix durch Fluoreszenzfarbstoffe modifiziert, die an die Matrix angebunden sind, indem deren Anionen in das Matrixmaterial eingebaut werden. Dies ist in Anspruch 1 definiert und im Einklang mit den Beispielen.

Im übrigen wird in den monierten Beispielen nicht [Zr**(4+)] bzw. [Ca**(2+)] als anorganische Matrix angegeben, wie in der angefochtenen Entscheidung behauptet (siehe Seite 6 unten), sondern diese Ionen werden in den Beispielen 1, 2, 4, 7 und 8 ausdrücklich als Matrixbildner bezeichnet. Daraus geht schon hervor, dass der anionische Teil der Matrix aus der funktionellen Gruppe des Fluoreszenzfarbstoffs besteht.

3.4 Die Ansprüche sind daher durch die Beschreibung gestützt.

4. Die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Zurückweisungsgründe unter Artikel 83 und 84 EPÜ sind daher nicht haltbar.

Hilfsanträge

5. Die oben ausgeführten Entscheidungsgründe unter Artikel 83 und 84 EPÜ gelten analog für die vorliegenden Hilfsanträge.

6. Zurückverweisung

Ausweislich der angefochtenen Entscheidung wurden die Ansprüche des vorliegenden Haupt- und Hilfsantrags nicht vollständig recherchiert (siehe Seite 6 oben). Des weiteren wurde die Prüfung der weiteren Patentierungserfordernisse wie etwa Neuheit (Artikel 54 EPÜ) oder erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) gegenüber den im Recherchenbericht zitierten Dokumenten nicht abschließend vorgenommen.

Unter diesen Umständen hält es die Kammer für statthaft, die Angelegenheit unter Artikel 111(1) EPÜ an die Prüfungsabteilung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens zurückzuverweisen.

Die Kammer möchte dabei noch folgendes anmerken:

Im Laufe des Prüfungsverfahrens wurde von der Prüfungsabteilung wiederholt auf Regel 137(5) EPÜ verwiesen, um Anspruchssätze zu beanstanden, die nicht auf die recherchierten Gegenstände beschränkt waren. Regel 137(5) EPÜ verbietet Anspruchsänderungen, die entweder auf unrecherchierte Gegenstände gerichtet sind, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung nicht einheitlich sind, oder aber sich auf Gegenstände richten, die unter Regeln 62a oder 63 EPÜ nicht recherchiert wurden. Hier liegt aber keine dieser beiden Situationen vor. Einheitlichkeit wurde nicht beanstandet. Der zweite Satz der Regel 137(5) EPÜ ist vorliegend aus mehreren Gründen nicht anwendbar. Eine Mitteilung nach Regeln 62a oder 63 EPÜ (oder Regel 164(2)(a) in Verbindung mit 164(3) EPÜ) wurde im Verfahren nicht erlassen. Außerdem gilt Satz 2 der Regel 137(5) nur für europäische Patentanmeldungen, für die der Recherchenbericht ab dem 1. April 2010 erstellt wurde (siehe Abl. EPA 2009, 299, Artikel 2), was vorliegend nicht der Fall ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens zurückverwiesen.

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