T 2199/16 (Leistungsmessung / Rohde & Schwarz) of 26.11.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T219916.20201126
Datum der Entscheidung: 26 November 2020
Aktenzeichen: T 2199/16
Anmeldenummer: 08851227.2
IPC-Klasse: G01R27/28
G01R31/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: LEISTUNGSMESSUNG MIT EINEM SIGNALGENERATOR
Name des Anmelders: Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Änderung des Beschwerdevorbringens - rechtfertigende Gründe des Beteiligten (ja)
Änderung des Beschwerdevorbringens - Eignung der Änderung zur Lösung der aufgeworfenen Fragen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Kombinationserfindung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2201/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Patentanmeldung Nr. 08 851 227 zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung hat die Patentanmeldung zurückgewiesen, weil der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags im Hinblick auf die Dokumente

D1: EP-A-689 306 und

D2: US-A-2007/0052505

nicht neu sei. Darüber hinaus beruhe der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 der Hilfsanträge I, II und III angesichts der Lehre des Dokuments D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

III. Nach Auffassung der Prüfungsabteilung erfüllt der Hauptantrag auch nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ, weil das Merkmal im Anspruch 1, dass die Weiterverarbeitung eine Bestimmung von Kennlinien darstellt, keine eindeutige Grundlage in der ursprünglichen Anmeldung habe.

IV. Bezüglich des Hauptantrags und der Hilfsanträge II und III wurde auch die Klarheit der Ansprüche bemängelt (Artikel 84 EPÜ), allerdings nicht als Entscheidungsgrund.

V. Die Anmelderin hat mit der Beschwerdebegründung keine neuen Anträge gestellt, sondern den Hauptantrag und die Hilfsanträge I - III, die der Entscheidung zugrunde liegen, aufrechterhalten.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

Messsystem mit einem Signalgenerator (10) und zumindest einem ersten Leistungsmessgerät (12, 21, 22, 23, 43, 44),

wobei ein Prüfobjekt (11, 30) von dem Signalgenerator (10) mit einem Signal beaufschlagbar ist,

wobei ein von dem Prüfobjekt (11, 30) abgegebenes Signal durch das erste Leistungsmessgerät (12, 21, 22, 23, 43, 44) messbar ist,

wobei der Signalgenerator (10) und das Leistungsmessgerät (12, 21, 22, 23, 43, 44) mittels einer bidirektionalen

Kommunikationsverbindung verbunden sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass das erste Leistungsmessgerät (12, 21, 22, 23, 43, 44) ausgebildet ist, um

Messergebnisse an den Signalgenerator (10) zu übertragen,

dass der Signalgenerator (10) eine Verarbeitungseinrichtung (17) zur Weiterverarbeitung der Messergebnisse des Leistungsmessgeräts (12, 21, 22, 23, 43, 44) und eine Anzeigeeinrichtung (18) beinhaltet,

dass das Leistungsmessgerät (12, 21, 22, 23, 43, 44) keine Verarbeitungseinrichtung zur Weiterverarbeitung der Messergebnisse beinhaltet, und dass die Weiterverarbeitung eine Bestimmung von Kennlinien darstellt.

VII. Mit der Beschwerdebegründung hat die Anmelderin im Wesentlichen die folgenden Argumente geltend gemacht:

- Zum Einwand der unzulässigen Erweiterung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag wurde insbesondere auf die Relevanz der Passagen auf Seite 1, Zeilen 10-29, Seite 4, Zeilen 19-21 und Seite 9, Zeilen 10-34 der ursprünglichen Anmeldung hingewiesen. Der Fachmann habe diesen Passagen zweifelsohne entnommen, dass das beschriebene Messsystem für die Bestimmung von Kennlinien geeignet sei.

- Zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit wurde vorgebracht, dass ein Signalgenerator wohl von einem Leistungsmessgerät zu unterscheiden sei. Im Kontext der Erfindung seien der Signalgenerator und das Leistungsmessgerät eigenständige Einheiten. Die Auffassung der Prüfungsabteilung, dass das, was im Stand der Technik getrennt als Signalgenerator und Verarbeitungseinheit offenbart werde, zusammen als Signalgenerator im Sinne der Erfindung anzusehen sei, entspreche nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch auf dem Fachgebiet der Messsysteme.

VIII. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK wurde die Beschwerdeführerin über die vorläufige Auffassung der Kammer unterrichtet.

- Aus den von der Beschwerdeführerin zitierten Passagen der Beschreibung könne die Kammer keine eindeutige Grundlage für das fragliche Merkmal der Bestimmung von Kennlinien im Anspruch 1 des Hauptantrags erkennen.

- Zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit erklärte sie, weder der Anspruchswortlaut noch der allgemeine Sprachgebrauch verlange, dass ein Signalgenerator aus einem oder aus mehreren in einem separaten Gehäuse angeordneten Komponenten bestehe. Als Signalgenerator zu verstehen sei jede Assoziation von Komponenten, die in Kombination zur Erzeugung von Signalen beitrage.

- Was die Hilfsanträge betreffe, habe sie Bedenken hinsichtlich Klarheit und unzulässiger Erweiterung (Artikel 84 und 123 (2) EPÜ). Die Definition der Erfindung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 stelle eine Zwischenverallgemeinerung des Ausführungsbeispiels der Figur 3 dar.

IX. In ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer reichte die Anmelderin einen weiteren Hilfsantrag IV mit der Begründung ein, dass die Kammer die Bedenken der Prüfungsabteilung im Hinblick auf Hilfsantrag III (Artikel 84 EPÜ) teile.

X. Während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 26. November 2020 reichte die Anmelderin einen Hilfsantrag V ein. Dieser wurde später zusammen mit den Hilfsanträgen I bis IV zurückgezogen und durch einen neuen Hilfsantrag ersetzt. Die Einreichung dieses Hilfsantrags wurde damit begründet, dass es erst im Laufe der Debatte hinsichtlich der bis dato gültigen Hilfsanträge II und III aufgefallen sei, dass deren Anspruch 1 auch aus einem bis dahin nie angesprochenen Grund gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.

XI. Die wesentlichen Argumente der Anmelderin zur erfinderischen Tätigkeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Ein Zirkulator und eine Trigger-Leitung seien weder in D1 noch in D2 offenbart. Obwohl Zirkulatoren als solche bekannt seien, sei ihre Anwendung im Kontext von Messeinrichtungen wie den in D1 und D2 beschriebenen gar nicht naheliegend.

- Als Patentdokumente seien D4 und D9 nicht als Nachweis für das allgemeine Fachwissen geeignet. Außerdem hätten die Zirkulatoren in diesen zwei Dokumenten einen anderen Zweck als in der Erfindung, sodass ihre Heranziehung im Hinblick auf die zu lösende Aufgabe auch nicht gerechtfertigt sei.

- Die Verwendung von Trigger-Leitungen sei im Kontext von Messgeräten zwar bekannt, doch nur für die Triggerung des Signalgenerators und nicht des Messgeräts.

- In Systemen, wie sie z. B. in D2 beschrieben seien, sei es üblich, Richtkoppler zu verwenden. Diese reflektierten aber stets einen Anteil des Signals zum Signalgenerator und zum Leistungsmessgerät. In Kontrast dazu gebe es bei Zirkulatoren keine Reflexionen. Somit werde eine erhöhte Genauigkeit bei der Amplitudenbestimmung erreicht. Mit der Trigger-Leitung werde zusätzlich eine erhöhte Genauigkeit in der Zeitdimension erreicht. Es bestehe also eine Synergie zwischen den beiden Merkmalen, die eine erfinderische Tätigkeit begründe.

XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet:

Messsystem mit einem Signalgenerator (10) und zumindest einem ersten Leistungsmessgerät (43) und einem zweiten Leistungsmessgerät (44),

wobei ein Prüfobjekt (11) von dem Signalgenerator (10) mit einem Signal beaufschlagbar ist,

wobei ein jeweiliges von dem Prüfobjekt (11) abgegebenes Signal durch das erste Leistungsmessgerät (43) und das zweite Leistungsmessgerät (44) messbar ist, und

wobei der Signalgenerator (10) und das erste Leistungsmessgerät (43) und das zweite Leistungsmessgerät mittels einer bidirektionalen Verbindung verbunden sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Prüfobjekt (11) mittels eines Zirkulators (40) an den Signalgenerator (10) angeschlossen ist,

dass das erste Leistungsmessgerät (43) über eine erste Hochfrequenzübertragungsleitung (41) und den Zirkulator (40) an das Prüfobjekt (11) angeschlossen ist,

dass das von dem Prüfobjekt (11) reflektierte Signal von dem ersten Leistungsmessgerät (43) messbar ist, und dass das Prüfobjekt (11) mittels einer zweiten Hochfrequenzübertragungsleitung (42) mit einem zweiten Leistungsmessgerät (44) verbunden ist,

dass die bidirektionale Kommunikationsverbindung über einen Bus-Adapter (20) und einen Bus (45, 46)

zwischen dem Bus-Adapter (20) und den

Leistungsmessgeräten (43, 44) erfolgt, und

dass der Signalgenerator (10) über eine zusätzliche Trigger-Leitung (31) mit dem Bus-Adapter (20) verbunden ist.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Artikel 123 (2) EPÜ

1. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 12 im Hauptantrag definieren eine Weiterverarbeitung der Messergebnisse im Signalgenerator, die eine Bestimmung von Kennlinien darstellt. Eine entsprechende direkte und zweifelsfreie Offenbarung lässt sich der ursprünglichen Offenbarung nicht entnehmen.

2. Der Hinweis auf Seite 1, Zeilen 10-29, der veröffentlichten Anmeldung, dass große eigenständige Verarbeitungskapazitäten notwendig sind, um Kennlinien zu ermitteln und darzustellen, bezieht sich auf einen Nachteil bei bekannten Netzwerkanalysatoren. Aus diesem Bedarf folgt nicht notwendigerweise, dass die Erfindung ebenfalls Kennlinien ermittelt und darstellt.

3. Im Absatz auf Seite 4, Zeilen 19-21, wird festgestellt:

Mit dem Messsystem ist vorteilhafterweise eine AM-AM Kennlinie bestimmbar. So können mit einem einfachen Messaufbau skalare Kennlinien ermittelt werden.

Daraus folgt jedoch nicht notwendigerweise, dass das Messsystem selbst über die entsprechende Funktionalität verfügt.

4. Von besonderer Relevanz ist die von der Beschwerdeführerin unterstrichene Aussage auf Seite 9, Zeilen 32-34 der Beschreibung, dass eine Messung unterschiedlicher Kennlinien und Einzelwerte möglich ist.

5. Diese Aussage darf jedoch nicht isoliert von ihrem Kontext ausgelegt werden. Die Feststellung ist nämlich Teil eines Absatzes, der wie folgt lautet:

Die Erfindung ist nicht auf das dargestellte Ausführungsbeispiel beschränkt. Wie bereits erwähnt, können unterschiedliche Leistungsmessgeräte an dem Signalgenerator angeschlossen werden. Ebenso ist eine Messung unterschiedlicher Kennlinien und Einzelwerte möglich. [...]

6. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Prüfungsabteilung an, dass die hier erwähnten Kennlinien den zuvor genannten Leistungsmessgeräten zuzuordnen sind. Eine eindeutige und zweifelsfreie Grundlage für das fragliche Merkmal ergibt sich somit auch nicht aus dieser Passage der Beschreibung.

7. Aus dem Absatz auf Seite 4, Zeilen 1-4 ergibt sich, dass der Einsatz von preiswerten Leitungsmessgeräten [sic], welche nicht über eine eigene Verarbeitungseinrichtung und eine eigene Anzeigeeinrichtung verfügen, so möglich ist.

8. Hier wiederum ergibt sich nicht zwangsläufig, dass die Messergebnisse, die an den Signalgenerator übertragen werden, als Grundlage für die Ermittlung und Darstellung von Kennlinien dienen.

9. Die Ansprüche 1 und 12 gemäß Hauptantrag wurden also so geändert, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgeht. Der Hauptantrag verstößt somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

Hilfsantrag - Zulässigkeit

10. Der Hilfsantrag wurde erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, d. h. zu einem späten Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren, eingereicht. Er stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne des Artikels 13 (1) VOBK 2020 dar.

11. Die Kammer musste über dessen Zulassung entscheiden.

12. Die Einreichung des Hilfsantrags wurde damit begründet, dass ein weiterer Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den jeweiligen Anspruch 1 der bis dato gültigen Hilfsanträge II und III von der Kammer selbst während der mündlichen Verhandlung erhoben worden sei. Da es der Kammer erst während der mündlichen Verhandlung aufgefallen sei, dass die Verbindung des zweiten Leistungsmessgeräts zur bidirektionalen Kommunikationsverbindung gar nicht definiert sei und dass somit eine Zwischenverallgemeinerung des Ausführungsbeispiels der Figur 3 vorliege, sei es der Beschwerdeführerin erst recht nicht möglich gewesen, dies in ihren vorherigen Anträgen zu berücksichtigen.

13. In den unabhängigen Ansprüchen 1 und 3 des Hilfsantrags wird nun im Sinne der Figur 3 klargestellt, dass die bidirektionale Verbindung über einen Bus-Adapter und einen Bus zwischen dem Bus-Adapter und den Leistungsmessgeräten erfolgt. Der Hilfsantrag dient der Lösung der neu aufgeworfenen Frage.

14. Im Hinblick auf den Hauptantrag wird auch auf das fragliche Merkmal betreffend die Ermittlung und Darstellung von Kennlinien verzichtet. Die Kombination eines Zirkulators und einer Trigger-Leitung führt zu einer Synergie, was die Genauigkeit der Messung betrifft. Somit ist der nun beanspruchte Gegenstand neu und erfinderisch (siehe unten).

15. Die Kammer stellt fest, dass die Änderungen im Wortlaut der Ansprüche 1 und 3 den von der Kammer erhobenen Einwand der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung bezüglich des zweiten Leistungsmessgeräts und der bidirektionalen Verbindung ausräumen. Der beanspruchte Gegenstand ist klar definiert im Sinne des Artikels 84 EPÜ und entspricht dem Ausführungsbeispiel der Figur 3 in seinen wesentlichen Aspekten.

16. Zur erfinderischen Tätigkeit stellt die Kammer weiter fest, dass die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente zumindest prima facie auf das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit hinweisen.

17. Der Hilfsantrag wurde demzufolge ins Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) VOBK).

Hilfsantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Im Hinblick auf D1

18. Die Prüfungsabteilung hatte einen Einwand fehlender Neuheit gegen Anspruch 1 des Hauptantrags auch auf Dokument D1 gestützt. Aufgrund der im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen ist der Einwand nicht mehr stichhaltig.

19. Im Messsystem gemäß D1 werden der Signalgenerator und mehrere Messgeräte (jeweils in Form von eigenständigen Modulen) in einem Steuerrechner eingesetzt und über den Steuerrechner mittels einer bidirektionalen Bus-Verbindung verbunden. Der Steuerrechner ist eine gemeinsame Verarbeitungseinheit zur Verarbeitung der Ergebnisse der verschiedenen Messgeräte.

20. Im Kontext des Dokuments D1 bestehen der Signalgenerator und das Leistungsmessgerät aus separaten eigenständigen Einheiten (Modulen), die in den Steuerrechner eingesteckt werden. Die im Computer eingebaute Verarbeitungseinheit übernimmt somit die Kontrolle und Bearbeitung der Signale, die in den einzelnen Modulen erzeugt werden.

21. Das beanspruchte Messsystem unterscheidet sich nun von der aus D1 bekannten Messeinrichtung dadurch, dass

- das Prüfobjekt mittels eines Zirkulators an den Signalgenerator angeschlossen ist,

- das vom Prüfobjekt (11) reflektierte Signal vom ersten Leistungsmessgerät (43) messbar ist,

- das erste Leistungsmessgerät über den Zirkulator (und die erste Hochfrequenzübertragungsleitung) an das Prüfobjekt angeschlossen ist,

- der Signalgenerator über eine zusätzliche Trigger-Leitung mit dem Bus-Adapter verbunden ist.

Im Hinblick auf D2

22. Dokument D2 beschreibt ein Messsystem mit einem Signalgenerator und einem ersten und zweiten Leistungsmessgerät. Ein Prüfobjekt (MT950B) wird mit einem vom Signalgenerator erzeugten Signal beaufschlagt. Ein erstes, vom Prüfobjekt reflektiertes Signal wird vom ersten Leistungsmessgerät gemessen (Figur 18, "Power Meter" oben links). Ein zweites vom Prüfobjekt abgegebenes Signal wird vom zweiten Leistungsmessgerät gemessen (vgl. Figur 18, "Power Meter" oben rechts; Absatz [0060]). Der Signalgenerator und das erste und zweite Messgerät sind mittels einer bidirektionalen Verbindung angeschlossen (vgl. GPIB-Bus). Die Existenz des GPIB-Busses weist implizit auf zumindest einen Bus-Adapter hin. Beide Leistungsmessgeräte sind mit dem Prüfobjekt mittels einer ersten bzw. einer zweiten Hochfrequenz-Übertragungsleitung verbunden.

23. Das beanspruchte Messsystem unterscheidet sich von der aus D2 bekannten Messeinrichtung dadurch, dass

- das Prüfobjekt mittels eines Zirkulators an den Signalgenerator angeschlossen ist,

- das erste Leistungsmessgerät über den Zirkulator (und die erste Hochfrequenzübertragungsleitung) an das Prüfobjekt angeschlossen ist, und

- der Signalgenerator über eine zusätzliche Trigger-Leitung mit dem Bus-Adapter verbunden ist.

24. Das beanspruchte Messsystem ist dementsprechend neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

Hilfsantrag - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Nächstliegender Stand der Technik

25. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin und der Prüfungsabteilung an, dass D2 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist.

D2 gehört nämlich zum Gebiet der Erfindung und beschreibt ein Messsystem, das sowohl das vom Prüfobjekt reflektierte Signal als auch ein weiteres ausgegebenes Signal misst.

26. Im Hinblick auf die Tatsache, dass in D1 die Kommunikation zwischen dem Computer und den einzelnen austauschbaren Modulen ausschließlich mittels einer Bus-Verbindung, einer Schnittstelle und einem Bus-Controller hergestellt wird (Spalte 2, Zeilen 52-55), ist Dokument D1 weniger relevant. Insbesondere ist das Merkmal eines Zirkulators in diesem Kontext ohne Bedeutung. Es würde nämlich verlangen, dass der Fachmann eine grundsätzlich andere Konfiguration wählt. In Anbetracht des in D1 verfolgten Ziels reicht die Feststellung, dass sich die beanspruchte Erfindung im Kern von der Offenbarung der D1 entfernt, für die Schlussfolgerung aus, dass die beanspruchte Erfindung gegenüber D1 erfinderisch ist (vgl. T 2201/10).

Wirkung der Unterscheidungsmerkmale gegenüber D2 - einzeln und in Kombination - Synergie

27. Die Verwendung eines Zirkulators kann als solche keine erfinderische Tätigkeit begründen. Zirkulatoren stellen bekannte Komponenten auf dem Gebiet der Hochfrequenzmesstechnik dar. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. In dieser Hinsicht schließt sich die Kammer der Auffassung der Prüfungsabteilung an, dass der Fachmann über Vor- und Nachteile von Zirkulatoren Bescheid weiß. Das Ersetzen eines Richtkopplers durch einen Zirkulator verlangt nichts anderes als die Abwägung dieser Vor- und Nachteile im Kontext der D2. Die Tatsache, dass der Stand der Technik (vgl. z. B. D4: US-A-4 028 657) keinen Hinweis liefert, dass Zirkulatoren eingesetzt werden können, um die Messgenauigkeiten von vom Prüfobjekt reflektierten Signalanteilen genauer zu erfassen, ändert nichts an dieser Auffassung. Die vom Zirkulator erwartete Wirkung hängt nämlich nicht vom gemessenen Objekt oder Signal ab, sondern einzig und allein vom Zirkulator selbst.

28. Über die Trigger-Leitung, den Bus-Adapter und den digitalen Bus signalisiert der Signalgenerator den Leistungsmessgeräten den Beginn der Messungen. Eine Synergie zwischen dem eingesetzten Zirkulator und der Trigger-Leitung kann die Kammer nicht erkennen.

29. Wie von der Beschwerdeführerin selbst geschildert, bewirkt der Zirkulator eine Verbesserung der Messungen im Hinblick auf ihre Amplitude. Die Trigger-Leitung ermöglicht ihrerseits eine Verbesserung der Messungen in der Zeitdimension. Eine über diese zwei Wirkungen hinausgehende zusätzliche Wirkung oder eine weitere Verbesserung der ermittelten Amplitude oder eine noch genauere Zeiterfassung ist hier nicht erkennbar. Der Beschwerdeführerin ist es nicht gelungen, die Kammer von der Stichhaltigkeit ihrer Argumente zu überzeugen. Im vorliegenden Fall kann die Kammer aus der Kombination der zwei Komponenten keine Wirkung erkennen, die über den Beitrag der einzelnen Komponenten hinausgeht.

30. Mit anderen Worten wird die durch Einbringung eines Zirkulators verbesserte Erfassung der Amplitude nicht durch eine zusätzliche Trigger-Leitung weiter verbessert. Das gleiche gilt für die Verwendung der Trigger-Leitung: die durch Einbringung einer Trigger-Leitung verbesserte Zeiterfassung der Messsignale wird nicht durch den Zirkulator weiter verbessert.

31. Ausgehend von D2 ist die Verwendung einer Trigger-Leitung jedoch nicht naheliegend. Die bloße Tatsache, dass Trigger-Leitungen auf dem Fachgebiet verwendet werden, reicht für den Fachmann nicht aus, um ausgehend von D2 zu einer gesonderten Trigger-Leitung zwischen dem Signalgenerator und dem Bus-Adapter zu gelangen. Im Stand der Technik ist es nämlich üblich, den ganzen Messprozess zu triggern, indem die Verarbeitungseinheit über eine Trigger-Leitung ein Signal an den Signalgenerator übermittelt.

32. Im Rahmen der Erfindung werden die Daten im Bus-Adapter geordnet, ohne dabei den Signalgenerator zu belasten. So kann gegenüber der GPIB-Verbindung aus D2 (vgl. Seite 2, Zeilen 28-33 der ursprünglichen Anmeldung) eine genauere Triggerung und damit eine erhöhte Messgenauigkeit erreicht werden.

33. Ob eine Triggerung der Leistungsmessgeräte im Sinne der Erfindung im Kontext der D2 stattfindet oder überhaupt sinnvoll wäre, ist D2 nicht zu entnehmen. Eine solche Triggerung ist nämlich nur sinnvoll, wenn die Messgeräte sich auf das ankommende Signal vorbereiten oder sich anpassen müssen. Da D2 jedoch keine Angaben zu den verwendeten Messgeräten und zur Notwendigkeit einer Triggerung enthält, ist die Einfügung einer Trigger-Leitung gar nicht naheliegend.

34. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrags beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und noch anzupassender Beschreibung und Zeichnungen zu erteilen:

Ansprüche: 1 bis 6 des Hilfsantrags (ohne Nummerierung), eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2020.

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