T 2133/16 () of 28.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T213316.20191128
Datum der Entscheidung: 28 November 2019
Aktenzeichen: T 2133/16
Anmeldenummer: 08801838.7
IPC-Klasse: B21B 1/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KOMPAKTE FLEXIBLE CSP-ANLAGE FÜR ENDLOS-, SEMI-ENDLOS- UND BATCHBETRIEB
Name des Anmelders: SMS group GmbH
Name des Einsprechenden: Primetals Technologies Austria GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag
Neuheit - (nein)
Hilfsantrag 3 - mangelnde Substantiierung - zugelassen (nein)
Hilfsanträge 4 und 5 - zugelassen (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 4 und 5 (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1784/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-2 195 124 (im Folgenden: das Patent) betrifft eine kompakte und flexibel einsetzbare CSP-Anlage (Continuous Strip Production).

Gegen das Patent wurde Einspruch eingelegt, der auf die Gründe des Artikels 100 a) in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ gestützt war.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, den Einspruch zurückzuweisen.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

V. Eine mündliche Verhandlung fand am 28. November 2019 statt. Die vorliegende Entscheidung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

VI. Anträge

Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (die Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise, das Patent in geänderten Umfang auf Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 3 bis 5 aufrechtzuerhalten.

VII. Ansprüche

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag inklusiver einer von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Merkmalsnummerierung lautet:

1 "Kompakte flexible CSP-Anlage (1,101,201,301,401)

2 wahlweise für Endlos-Semi-Endlos- und Batchbetrieb

3 mit einer Gießmaschine (2,102,202), einer

Vorgerüstgruppe (7,111,211) und einer

Fertiggerüstgruppe (12,118,218),

dadurch gekennzeichnet,

4 dass ein Coil-Speider (8, 113, 213, 501) vorhanden ist

und

5 dass für den Batch-Betrieb oder den Semi-Endlos-

Betrieb der Coil-Speicher (8,113,213,501) in einen

Rollgang integriert wird,

6 welcher das von dem Vorgerüst kommende Vorband oder

Bramme speichert,

7 wobei im Falle des Endlosbetriebs der Coil-Speicher

deaktiviert wird."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 18 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Anlage.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruht auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, der um folgende Merkmale gemäß den erteilten Ansprüchen 5 und 10 ergänzt wurde:

"wobei abhängig von der Gießgeschwindigkeit die Anlage im Endlosmodus, Semi-Endlosmodus oder Batchbetrieb betrieben wird,

wobei der Coil-Speicher (8,113,213,501) thermisch isoliert und/oder beheizbar ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3, der um folgendes Merkmal gemäß dem erteilten Anspruch 6 ergänzt wurde:

"und wobei bei deaktiviertem Coil-Speicher (8,113,213,501) eine Rollgangsabdeckung zur besseren thermischen Isolation des Rollgangs eingesetzt wird."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4, der um folgende Merkmale gemäß den erteilten Ansprüchen 3 und 4 ergänzt wurde:

"wobei der Coil-Speicher (8,113,213,501) zur Aufnahme von zwei, drei oder mehr Coils ausgelegt ist und wobei auf einem Coil zwei, drei oder mehr Vorbänder oder Brammen zu Jumbo-Coils aufgewickelt werden."

VIII. Stand der Technik

Die folgenden Dokumente des Einspruchsverfahrens wurden von der Beschwerdeführerin zitiert:

D1: G. Arvedi et al., "Advantages of Arvedi Steel

Technology Product from thge Arvedi Steel Plant in

Cremona Italy", ECCC 2005, 20. bis 22. Juni 2005,

Nizza, Frankreich, Seiten 314 bis 321;

D2: WO 2007/073 841 A1.

IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Das Streitpatent gebe keinen Hinweis darauf, wie sich ein Batchbetrieb von einem Semi-Endlosbetrieb unterscheiden lasse und inwiefern eine Anlage angepasst werden müsse, um zwischen diesen beiden Betriebsarten zu wechseln.

Insbesondere definiere Anspruch 1 nicht, dass die Anlage derart ausgestaltet sein müsse, dass eine völlige Entkopplung der Gießanlage vom Vorwalzwerk ermöglicht werde. Dies werde noch nicht einmal in der Beschreibung des Streitpatents entsprechend dargestellt.

D1 offenbare eine Anlage, die einen Coil-Speicher aufweise und damit sowohl im Batchbetrieb als auch im Semi-Endlosbetrieb betrieben werden könne.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei daher gegenüber D1 nicht neu.

Die Hilfsanträge 3 bis 5 seien im schriftlichen Verfahren nicht substantiiert worden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 sei prima facie nicht neu und daher nicht gewährbar.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 4 und 5 sei zwar neu in Hinblick auf D1, sei aber gegenüber diesem Dokument insbesondere in Kombination mit der Lehre der D2 naheliegend.

X. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

D1 offenbare keine Anlage mit einem Pufferspeicher und einer Schere zwischen Gießanlage und Vorgerüstgruppe gemäß der Lehre in Absatz [0022] des Patents. Daher könne die darin beschriebene Anlage nicht im Batch-Betrieb eingesetzt werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents sei daher neu.

Die Hilfsanträge 3 bis 5 seien auf Ausführungsformen gerichtet, die in den erteilten Ansprüchen bereits definiert seien und die unmittelbar erkennbar neu gegenüber D1 seien. Ferner werde der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 4 und 5 auch nicht durch D1 unter Berücksichtigung der D2 nahegelegt, da insbesondere der Einsatz einer Rollgangabdeckung bei deaktiviertem Coil-Speicher in keinem dieser Dokumente beschrieben werde. Zudem gebe D1 keinen Hinweis darauf, einen Coil-Speicher mit einer in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 definierten großen Aufnahmekapazität einzusetzen.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ - Hauptantrag

1.1 Auslegung des Anspruchs 1

1.1.1 Anspruch 1 definiert eine Anlage

"wahlweise für Endlos-, Semi-Endlos- und Batch-Betrieb".

Die Kammer stimmt der in Punkt 14 der angefochtenen Entscheidung dargelegten Auslegung des Anspruchs 1 zu.

Der Wortlaut verdeutlicht durch die Verwendung des Ausdrucks "wahlweise" zweifelsfrei, dass die Anlage so ausgelegt sein muss, dass sie in jeder der drei genannten Betriebsarten eingesetzt werden kann.

Diese Leseart des Anspruchswortlauts entspricht den Ausführungen in den Absätzen [0007], [0009], [0010] und [0026] des Streitpatents, die ebenfalls lehren, dass die Anlage so ausgelegt ist, dass alle Betriebsarten mit der beanspruchten Anlage ausgeführt werden können.

1.1.2 Das Streitpatent offenbart in Absatz [0054] des Streitpatents in Bezug auf den Batch-Betrieb:

"Beim Batch-Betrieb sind der Gießprozess, die Walzung in der Vorstraße 111 und die Fertigwalzung in der Fertigstraße 118 zum Teil zumindest entkoppelt und finden somit mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bzw. mit unterschiedlichem Massenfluss statt."

Gemäß der Lehre des Patents wird eine Anlage daher bereits im Batch-Betrieb betrieben, wenn eine teilweise Entkopplung zwischen einzelnen Anlagestationen erfolgt.

Weder in Anspruch 1 noch in dem in der Entscheidungs-begründung zitierten Absatz [0054] des Patents wird definiert, dass der Batch-Betrieb insbesondere eine Entkoppelung der Vorgerüstgruppe von der Gießanlage benötigt bzw. zwischen Gießanlage und Vorgerüstgruppe ein Pufferspeicher vorhanden sein muss.

Auch die Lehre in den folgenden Absätzen [0055] bis [0057] des Patents stellt darauf ab, dass lediglich zwischen Vorgerüstgruppe und Fertigwalzgerüst ein Coil-Speicher eingesetzt werden muss, um einen flexiblen Betrieb im Batch-, Semi-Endlos- und Endlosmodus realisieren zu können.

Die Ausführungen in Absatz [0026] des Patents bestätigen diese Auslegung. Dort wird dargelegt, dass der Batch-Betrieb mit den Anlagen gemäß den Figuren 2 und 3 möglich ist. Eine ähnliche Aussage findet sich auch in Absatz [0067], der auf die Figuren 5,7 und 9 des Patents verweist und diesbezüglich angibt, dass sich die darin gezeigte Anlage sowohl für den Batch-Betrieb als auch den Semi-Endlosbetrieb eignet. Ein Pufferspeicher zwischen Gießanlage und Vorgerüstgruppe wird allerdings in keiner der Figuren 2, 3, 5, 7 und 9 dargestellt. Auch eine Schere zwischen Gießanlage und Vorgerüstgruppe wird in den Figuren 5, 7 und 9 nicht dargestellt.

Eine Ausführungsform, bei der die Gießanlage nicht mehr inline bzw. kontinuierlich mit der Vorgerüstgruppe und der Fertigwalzgruppe arbeitet, wird zwar, wie von der Beschwerdegegnerin zurecht argumentiert, in Absatz [0022] des Patents offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird allerdings nicht durch die Merkmale in Absatz [0022] beschränkt. Zudem schließt selbst diese Definition nicht aus, dass ein derartiger Batch-Betrieb durch die Verwendung eines Coil-Speichers und einer Schere zwischen Vorgerüstgruppe und Fertiggerüstgruppe ermöglicht wird, da auch dabei die Gießanlage nicht kontinuierlich mit beiden weiteren Walzgruppen arbeitet.

1.2 Offenbarung der D1

1.3 In Punkt 14.3 der angefochtenen Entscheidung wird argumentiert, dass D1 bis auf Merkmal 2 alle Merkmale gemäß Anspruch 1 des Streitpatents offenbart.

Diese Analyse der Einspruchsabteilung in Hinblick auf die Offenbarung der Merkmale 1 und 3 bis 7 des Anspruchs 1 wird weder von der Beschwerdeführerin noch von der Beschwerdegegnerin in Frage gestellt und im folgenden wiedergegeben:

D1 zeigt eine kompakte Gießwalzanlage (AST: Arvedi Steel Technology), bei der ein Band in einem kontinuierlichen Prozess unter Nutzung der Hitze des Gießvorgangs gewalzt werden kann (siehe Figuren 1 und 2). Gemäß den in Kapitel 2 der D1 beschriebenen Vorteile ist die Anlage flexibel einsetzbar.

Somit ist Merkmal 1 gemäß Anspruch 1 des Patents aus Dokument D1 bekannt.

Die in den Figuren 1 und 2 der D1 jeweils dargestellte Anlage weist eine Gießanlage, eine Vorgerüstgruppe sowie eine Fertiggerüstgruppe gemäß Merkmal 3 des Anspruchs 1 des Patents auf.

Zwischen der Vorgerüstgruppe und der Fertiggerüstgruppe ist ein Cremonaofen angeordnet, der gemäß Punkt 2.5 auf Seite 317 ein Coil zwischenspeichern kann ("buffering a coil") und daher einen beheizbaren Coil-Speicher darstellt. Dieser kann, wie in Punkt 2.7 auf Seite 317 der D1 beschrieben, je nach Betriebsart wahlweise eingesetzt werden. Aufgrund der Speicherfunktion des in der Produktionslinie aktivierbaren Cremonaofens kann die Anlage im Semi-Endlos bzw. Batch- Modus betrieben werden. Mithin sind auch die Merkmale 5 und 6 gemäß Anspruch 1 des Patents aus D1 bekannt.

Gemäß den Ausführungen in Kapitel 2.7 auf Seite 317 der D1 wird im Endlos-Modus der Cremonaofen umgangen. Somit ist Merkmal 7 gemäß Anspruch 1 des Patents ebenfalls aus Dokument D1 bekannt.

1.4 In Bezug auf das strittige Merkmal 2 gemäß Anspruch 1 des Patents stellt die Kammer fest, dass D1 in Kapitel 2.8 auf Seite 318 explizit offenbart, dass die beschriebene AST-Anlage im Batch-Betrieb betrieben werden kann.

Die in D1 beschriebene Anlage ist daher ohne Zweifel dazu geeignet, im Endlos-, Semi-Endlos- und Batch-Betrieb eingesetzt zu werden.

Die Begründung in der angefochtenen Entscheidung und die entsprechende Argumentation der Beschwerdegegnerin basieren auf Merkmalen, die nicht in Anspruch 1 des Patents definiert werden.

Insbesondere die Argumentation basierend auf einem inhärent zu berücksichtigenden Pufferspeicher zwischen Gießanlage und Vorgerüstgruppe ist in Bezug auf den Anspruchswortlaut nicht nachvollziehbar, der diesbezüglich keinerlei einschränkende Merkmale aufweist.

Vielmehr umfasst der Gegenstand des Anspruchs 1, wie in Punkt 1.1.2 oben dargelegt, Anlagen gemäß D1, bei denen ein Batch-Betrieb durch die Verwendung eines Coil-Speichers zwischen Vorgerüstgruppe und Fertiggerüstgruppe ermöglicht wird.

Zudem weist die Anlage der D1 zumindest nach der Vorgerüstgruppe eine Schere auf, die in Figur 1 und 2 der D1 zweifelsfrei symbolisch dargestellt ist.

Die in D1 beschriebene Anlage ist daher ohne weiteres dazu geeignet, in unterschiedlichen Betriebsarten, nämlich im Endlos-, Semi-Endlos- und Batch-Betrieb genutzt zu werden.

1.5 Folglich kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Anspruch 1 des Patents nicht neu gegenüber D1 ist.

2. Hilfsanträge 3 bis 5

2.1 Zulassung der Hilfsanträge 3 bis 5

2.1.1 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag der Beteiligten enthalten. Zweck dieser Bestimmung ist es, ein faires Verfahren für alle Beteiligten sicherzustellen und es der Kammer zu ermöglichen, ihre Arbeit auf der Basis eines vollständigen Vorbringens beider Seiten zu beginnen.

Wenn Hilfsanträge vorgelegt werden, erfordert dies in der Regel auch eine Begründung inwiefern durch diese Anträge die Einwände der Verfahrensgegnerin ausgeräumt werden, sofern dies nicht direkt und offensichtlich erkennbar ist.

Gemäß ständiger Rechtsprechung gelten unsubstantiierte Anträge als nicht wirksam eingelegt, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Auflage, 2019, Kapitel V.A.4.12.5, insbesondere die darin zitierte T1784/14.

2.1.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wurde im Vergleich zur erteilten Fassung durch die beiden folgenden Merkmale ergänzt:

"wobei abhängig von der Gießgeschwindigkeit die Anlage im Endlosmodus, Semi-Endlosmodus oder Batch-Betrieb betrieben wird," und

"wobei der Coil-Speicher (8,113,213,501) thermisch isoliert und/oder beheizbar ist."

In den Punkten 2.5 und 2.7 auf Seite 317 der D1 wird offenbart, dass der Einsatz des Cremonaofens und der Endlosbetrieb auf bestimmte Gießgeschwindigkeiten limitiert ist. Die in D1 beschriebene Anlage ist daher dazu geeignet, abhängig von der Gießgeschwindigkeit im Endlosmodus, Semi-Endlosmodus oder Batch-Betrieb betrieben zu werden.

Ferner stellt der in der Anlage gemäß D1 eingesetzte Cremonaofen einen beheizbaren und thermisch isolierten Coil-Speicher dar, siehe Punkt 2.5 auf Seite 317 der D1.

Die beiden hinzugefügten Merkmale sind daher prima facie ungeeignet, den beanspruchten Gegenstand von der Offenbarung der D1 abzugrenzen.

Die Kammer ließ daher unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 13 (1) VOBK den erst während der Verhandlung verspätet substantiierten Hilfsantrag 3 nicht ins Verfahren zu.

2.1.3 Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 4 und 5 unterscheidet sich, wie von der Beschwerführerin zugestanden, von der Anlage der D1 offensichtlich dadurch, dass bei deaktiviertem Coil-Speicher eine Rollgangabdeckung zur besseren thermischen Isolation des Rollgangs eingesetzt wird.

Die Hilfsanträge 4 und 5 sind daher prima facie geeignet, den beanspruchten Gegenstand von der Offenbarung der D1 abzugrenzen.

Die Kammer ließ daher unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 13 VOBK die erst während der Verhandlung verspätet substantiierten Hilfsanträge 4 und 5 ins Verfahren zu.

2.2 Antrag auf Zurückverweisung zur Prüfung des Einspruchs auf Grundlage der Hilfsanträge 3 bis 5

Beide Verfahrensbeteiligte sahen sich dazu in der Lage, die verspätet substantiierten Hilfsanträge 4 und 5 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer abschließend auch in Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit zu diskutieren.

Die Kammer hielt es daher für verfahrensökonomisch angebracht, über die Angelegenheit selbst zu entscheiden (Artikel 111(1) EPÜ), da der zu berücksichtigende Stand der Technik bereits bei der Diskussion der Neuheit des Hauptantrags erschöpfend diskutiert worden war.

3. Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ - Hilfsantrag 4

D1 beschreibt eine kompakte Gießwalzanlage, die auch in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 adressiert wird. D1 stellt daher unstreitig den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Die Anlage der D1 offenbart, wie in Punkt 1.3 und 1.4 oben dargelegt, die Merkmale 1 bis 7 gemäß Anspruch 1. Ferner offenbart D1 in den Punkten 2.5 und 2.7 auf Seite 317, dass der Coil-Speicher thermisch isoliert und beheizbar ist und dass die Anlage dazu geeignet ist, abhängig von der Gießgeschwindigkeit die Anlage im Endlosmodus, Semi-Endlosmodus oder Batch-Betrieb betrieben zu werden, siehe den obigen Punkt 2.1.2.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von der Anlage gemäß D1 dadurch, dass bei deaktiviertem Coil-Speicher eine Rollgangabdeckung zur besseren thermischen Isolation des Rollgangs eingesetzt wird.

Dieses Merkmal hat den Effekt, dass das Gießgut bei deaktiviertem Coil-Speicher, also folglich im Endlosbetrieb, thermisch isoliert wird und daher weniger auskühlt, siehe Absatz [0038] des Patents.

Die objektive technische Aufgabe kann folglich darin gesehen werden, den Energieverlust der Anlage im Endlosbetrieb zu verringern.

Der Einsatz von Rollgangabdeckungen im Endlosbetrieb, bei dem mit niedrigen Gießgeschwindigkeit gewalzt wird, ist gängige Praxis, um Wärmeverluste zu minimieren. Dies wird beispielsweise in D2, Seite 11, erster Absatz im Hinblick auf eine in Figur 4 der D2 dargestellte Endlosanlage exemplarisch bestätigt.

Die Umsetzung dieser gängigen Praxis in einer Anlage der D1 zur Reduzierung von Wärmeverlusten ist mithin eine naheliegende Abänderung.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ - Hilfsantrag 5

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4, der um folgende Merkmale gemäß den erteilten Ansprüchen 3 und 4 ergänzt wurde:

"wobei der Coil-Speicher (8,113,213,501) zur Aufnahme von zwei, drei oder mehr Coils ausgelegt ist und wobei auf einem Coil zwei, drei oder mehr Vorbänder oder Brammen zu Jumbo-Coils aufgewickelt werden."

Diese Merkmale sind nicht dazu geeignet, den beanspruchten Gegenstand weiter von der Anlage der D1 abzugrenzen.

Der Cremonaofen ist zum einen dazu ausgelegt, zwei Coils aufzunehmen. Dies wird in den Figuren der D1 dadurch verdeutlicht, dass der Cremonaofen mit zwei Coil-Zwischenlagerungsmöglichkeiten dargestellt wird, nämlich jeweils einem Lager unterhalb und oberhalb des Rollgangs.

Hinsichtlich des weiterhin hinzugefügten Merkmals ist festzustellen, dass weder die Abmessungen der Coils, der Vorbänder oder Brammen definiert werden, noch der Begriff "Jumbo-Coils" eine klar definierte und allgemein anerkannte Bedeutung aufweist.

Es ist daher nicht erkennbar, wodurch die Anlage gemäß Anspruch 1 in Bezug auf den Coil-Speicher von der in D1 beschriebenen Anlage weiter abgegrenzt sein soll.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von der Anlage gemäß D1 folglich auch nur dadurch, dass bei deaktiviertem Coil-Speicher eine Rollgangabdeckung zur besseren thermischen Isolation des Rollgangs eingesetzt wird.

Wie im obigen Punkt 3 bereits dargelegt, ist der Einsatz einer Rollgangabdeckung zur Reduzierung von Wärmeverlusten eine naheliegende Abänderung.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5. Die Beschwerde hat daher in vollem Umfang Erfolg.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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