European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T205016.20190122 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Januar 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2050/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10182390.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60D 1/54 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Anhängekupplung | ||||||||
Name des Anmelders: | Bosal ACPS Holding 2 B.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | WESTFALIA - Automotive GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 12. Juli 2016 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2266820 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.
II. Am 22. Januar 2019 wurde der Fall vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte letztlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 14 des Hilfsantrags II, eingereicht mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 (jetzt Hauptantrag), der Beschreibung: Spalten 1 bis 4, 11, 12, 15 und 16 eingereicht in der mündlichen Verhandlung; Spalten 5 bis 10, 13 und 14, 17 bis 34 der Patentschrift, und der Figuren 1 bis 31 der Patentschrift.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
III. Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag (eingereicht als Hilfsantrag II am 13. Dezember 2018) lautet wie folgt:
Anhängekupplung umfassend einen zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung bewegbaren Kugelhals (10) mit einem an einem ersten Ende angeordneten Schwenklagerkörper (14) und einer an einem zweiten Ende angeordneten Kupplungskugel (18),
eine fahrzeugfest angeordnete Schwenklagereinheit (20), in welcher der Schwenklagerkörper (14) durch eine Schwenkbewegung um eine Schwenkachse (22) zwischen der Arbeitsstellung (A) und der Ruhestellung (R) verschwenkbar aufgenommen ist,
und eine durch einen Antrieb (114, 190) antreibbare Drehblockiereinrichtung (50)
dadurch gekennzeichnet, dass die Drehblockiereinrichtung (50) mindestens einen Drehblockierkörper (54) aufweist, der in einer Führungsrichtung (57) mit mindestens einer Komponente in radialer Richtung zur Schwenkachse (22) bewegbar ist,
dass der Drehblockierkörper (54) durch Bewegung in der Führungsrichtung (57) mit einer Aufnahme (58, 60) in Eingriff und außer Eingriff bringbar ist,
dass ein eine quer zur Führungsrichtung (57) verlaufende Druckfläche (66) aufweisender und in einer Betätigungsrichtung (64) bewegbarer Betätigungskörper (52) vorgesehen ist, durch dessen Bewegung in der Betätigungsrichtung (64) der mindestens eine Drehblockierkörper (54) in der Führungsrichtung (57) bewegbar und beaufschlagbar ist,
dass der Antrieb (114, 190) ein Stellantrieb ist, mit welchem der Betätigungskörper (52) in der Betätigungsrichtung (64) zwischen mindestens einer Drehblockierstellung und einer Freilaufstellung bewegbar ist,
dass der Betätigungskörper (52) in zwei Drehblockierstellungen bewegbar ist, um eine Verriegelung des Schwenklagerkörpers (14) in zwei Drehstellungen zu erreichen und dass der Betätigungskörper (52) durch eine Bewegung in einer einzigen Bewegungsrichtung (72, 73) von einer ersten Drehblockierstellung in eine Freilaufstellung und dann in eine zweite Drehblockierstellung bewegbar ist.
IV. Die Argumente der Beschwerdeführerin - soweit sie für die Entscheidung wesentlich waren - basierten auf Dokument
D10: WO 03/072 375 A1,
und lauteten wie folgt:
Dem Dokument D10 könne das letzte Merkmal des Anspruchs 1 nicht entnommen werden, nämlich dass der Betätigungskörper (in D10 das Zahnrad 68,25) durch eine Bewegung in einer einzigen Bewegungsrichtung von einer ersten über die Freilaufstellung in die zweite Drehblockierstellung bewegbar ist.
So bleibe in D10 im Unklaren, wie die Kinematik des Zahnrades 68,25 zum Zeitpunkt aussehe, wenn das Gehäuse - aus der Betriebsstellung zurückschwenkend - wieder am Anschlag 72 für die Ruhestellung ankomme.
Auf der Seite 26, oben, sei schließlich beschrieben, dass das Zahnrad zum Lösen der Verriegelung in der Betriebsstellung gegen einen nicht dargestellten Anschlag fahre. Dies sei durch eine Drehwinkelbegrenzung realisiert (Seite 26, Zeile 1).
Um aber von dieser Drehwinkelbegrenzung wieder freizukommen, müsse sich folglich das Zahnrad 68,25 wieder in der andere Richtung drehen. Wann das sei, sei nicht offenbart.
Auf jeden Fall aber, sei durch die Drehrichtungsumkehr des Zahnrades (68,25), welches dem anspruchsgemäßen Betätigungskörper entspreche, das letzte Merkmal des Anspruchs 1 sicher nicht offenbart.
Da D10 genau diesen Punkt nicht verständlich offengelegt habe, sei auch nicht zu erkennen, warum der Fachmann - ausgehend von D10 - in Betracht ziehen sollte, den Betätigungskörper in nur einer einzigen Betätigungsrichtung zu bewegen.
Der Gedanke der einzigen Bewegungsrichtung sei in D10 überhaupt nicht angesprochen und nur im Streitpatent diskutiert.
Um eine Konstruktion, wie die in D10, zu verändern, müsse zunächst klar sein, wie diese funktioniere, sonst sei ein sinnvoller Vergleich nicht möglich.
Da aber vorliegend vollkommen unklar sei, wie die Kinematik des Betätigungskörpers aussehe, beruhten die Argumente der Beschwerdegegnerin auf Spekulationen. Letztlich werde die Funktionsweise der Vorrichtung nach D10 rückblickend mit dem Wissen der Erfindung erklärt.
V. Die Beschwerdegegnerin begegnete diesen Argumenten wie folgt:
Die Neuheit gegenüber D10 werde nicht mehr bestritten. So könne das letzte Merkmal des Anspruchs 1 nicht zweifelsfrei und unmittelbar der D10 entnommen werden.
So sei insbesondere nicht klar offenbart, wie die Drehung des Zahnrades 68,25 aussehe beim Anfahren der Ruheposition und der Verriegelung in derselben, da sich gemäß der Beschreibung das Zahnrad noch am nicht dargestellten Anschlag befinde, Seite 26 oben.
Allerdings gebe es für den Fachmann eine Vielzahl von mechanischen Möglichkeiten, die Drehwinkelbegrenzung wieder aufzuheben und die Drehung des Zahnrades in der ursprünglichen Richtung fortzuführen und damit die Verriegelung in der Ruhestellung zu ermöglichen. So könne z.B. ein verschieblicher Stift eine derartige Möglichkeit darstellen. Auf jeden Fall sei es für den Fachmann naheliegend, den Motor in einer einzigen Bewegungsrichtung laufen zu lassen, da andernfalls mit einer aufwendigen Sensorik gearbeitet werden müsse.
Entscheidungsgründe
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Dokument D10, Artikel 56 EPÜ.
1.1 Die Neuheit wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
Auch die Kammer sieht es nicht als unmittelbar und zweifelsfrei offenbart an, dass in D10
der Betätigungskörper ,,durch eine Bewegung in einer einzigen Bewegungsrichtung" von einer ersten über die Freilaufstellung in die zweite Drehblockierstellung bewegbar ist.
1.2 So ist insbesondere nicht offenbart, wie der Bewegungsablauf des Betätigungskörpers - in D10 dargestellt durch das Zahnrad 68,25 - aussieht, wenn die Verriegelung der Zugstange in der Betriebsstellung wieder gelöst, die Zugstange in die Ruhestellung verschenkt und in dieser verriegelt werden soll. Hierzu heißt es auf Seite 25, Zeilen 34 ff., dass zum Lösen der Verriegelungsvorrichtung das Zahnrad rückwärts bewegt werde, bis ein nicht dargestellter Anschlag am Zahnrad (Drehwinkelbegrenzung) erreicht sei und damit die Kulissenführung die Sperrkugeln wieder freigebe.
Es heißt dort weiter (Seite 26, Zeilen 2 ff.), dass in der Anschlagsstellung das Zahnrad wieder als Abstützelement wirke und damit eine Drehung des Gehäuses bewirkt werde, welche dazu führe, dass die Kugelstange in die Ruheposition verschwenke.
Offen bleibt hier nun, wie die Kugelstange in der Ruhestellung wieder verriegelt wird, wenn das Gehäuse mit der Kugelstange am Anschlag 72 für Ruheposition angekommen ist. Beim Verriegeln in der Betriebsstellung hat das Gehäuse im Anschlag 55 den Effekt, dass nunmehr der Antriebsmotor das Zahnrad 68,25 dreht und die Verriegelung und damit die Sperrkugeln mit der Kulisse 71 in die Sperrposition verschiebt. Dies ist aber in der Ruhestellung nicht möglich, da das Zahnrad 68,25 gemäß der Beschreibung noch an der Drehwinkelbegrenzung anliegt.
D10 offenbart nicht, wie das Zahnrad zu bewegen ist, um die Kugelstange in der Ruheposition zu verriegeln, und somit nicht das letzte Merkmal des Anspruchs 1, wonach in der einzigen Bewegungsrichtung auch die zweite Drehblockierstellung erreicht wird.
1.3 Das oben genannte Merkmal begründet eine erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1.
Die Tatsache, dass erfindungsgemäß der Betätigungskörper in einer einzigen Bewegungsrichtung
- die Verriegelung einer Drehblockierstellung (Ruhe- oder Arbeitsstellung) löst,
- eine Freilaufstellung, in der der Kugelkopf verschwenkt wird, anfährt und
- letztlich diesen in der zweiten Drehblockstellung (Arbeits- oder Ruhestellung) verriegelt,
ermöglicht eine einfache Steuerung des Stellantriebs, der lediglich an den Endpunkten umgeschaltet werden muss.
Weiterhin eröffnet dies die Möglichkeit, mit einem einzigen Stellantrieb ohne weitere Sensoren den kompletten Bewegungsablauf mit Entriegeln, Verschwenken und Verriegeln durchzuführen.
Darin sieht die Kammer die prinzipielle erfinderische Idee.
1.4 Die Kammer hält die Ausführungen der Beschwerdegegnerin als auf einer rückschauenden Betrachtungsweise beruhend.
So sind insbesondere die von der Beschwerdegegnerin angeführten Maßnahmen zur Aufhebung der Drehbegrenzung des Zahnrades mit dem Wissen um die strittige Erfindung formuliert. Letztlich hat der Fachmann eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Kugelstange in der Ruheposition sicher zu verriegeln. Selbst wenn er aus D10 die Lehre erhält, dass Sperrkugeln und eine weitere Kulisse 80 zur Arretierung verwendet werden können, so ist es nach Ansicht der Kammer nicht ohne erfinderisch tätig zu werden möglich, beide Drehblockierstellungen über eine Freilaufstellung in einer Bewegung in einer einzigen Richtung zu realisieren.
D10 gibt dazu keinen Hinweis. Wie oben unter Punkt 1.2 erläutert, ist weder explizit ausgeführt noch lässt es sich implizit durch die dort offenbarten Ausführungsbeispiele erschließen, dass sich das Zahnrad (oder der Motor) nur in einer einzigen Bewegungsrichtung dreht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
- Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 14 des Hauptantrags (früher Hilfsantrag II, eingereicht mit Schreiben vom 13. Dezember 2018);
Beschreibung: Spalten 1 bis 4, 11, 12, 15 und 16 eingereicht in der mündlichen Verhandlung;
Spalten 5 bis 10, 13 und 14, 17 bis 34 der Patentschrift;
Figuren 1 bis 31 der Patentschrift.