T 1999/16 () of 27.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T199916.20181127
Datum der Entscheidung: 27 November 2018
Aktenzeichen: T 1999/16
Anmeldenummer: 11156737.6
IPC-Klasse: F41H 5/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Instandsetzung eines Verbundpanzerungselements sowie Reparatur-Set zur Durchführung der Instandsetzung
Name des Anmelders: Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Europäische Patentanmeldung Nr. 11 156 737.6 zurückgewiesen wurde.

In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der angemeldeten Fassung hinsichtlich EP 2 071 272 (D1) nicht neu sei und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 vom 18. September 2014 hinsichtlich D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

II. Hiergegen hat die Anmelderin (im Folgenden: "Beschwerdeführerin") form- und fristgemäß Beschwerde eingelegt und diese begründet.

III. Folgende Dokumente werden im Europäischen Recherchenbericht zitiert:

D1: EP 2071 272 A2;

D2: FR 1 604 806 A;

D3: WO 2009/009855;

D4: GB 2 219 379 A;

D5: FR 2 930 478 A1;

D6: US 2009/235 507 A1.

IV. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandte die Kammer eine Mitteilung mit ihrer vorläufigen Würdigung der Sach- und Rechtslage gemäß Artikel 15(1) VOBK. Insbesondere wies die Kammer zum Gegenstand des Anspruchs 1 in der angemeldeten Fassung darauf hin, dass die Erfordernisse der Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ wegen des Begriffs "erhöhte Schutzwirkung" nicht erfüllt seien.

V. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 reichte die Beschwerdeführerin neue Hilfsanträge 4* bis 7* ein.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 27. November 2018 statt, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin nach der Erörterung des Hauptantrags diesen und die Hilfsanträge 1 bis 3 durch Hilfsantrag 4* als neuen Hauptantrag ersetzte. Am Ende der Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage von Ansprüchen 1 bis 10 des neuen Hauptantrags (ehemaliger Hilfsantrag 4*) nebst Beschreibungsseiten 1 bis 15, eingereicht mit dem Schreiben vom 5. Oktober 2018, sowie Figuren 1 bis 9 wie angemeldet, zu erteilen.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 27. November 2018 lautet:

"Instandsetzungsverfahren zur Instandsetzung eines Verbundpanzerungselements (30), insbesondere einer Verbundpanzerplatte, mit mehreren Wirkkörpern (2), wobei ein beschädigter Defekt-Wirkkörper (4) herausgenommen wird und an diese Stelle ein unbeschädigter Austausch-Wirkkörper (11, 12, 21, 22) einer gegenüber dem unbeschädigten Defekt-Wirkkörper erhöhten Schutzwirkung eingesetzt wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Austausch-Wirkkörper (11,12,21,22) einer erhöhten Schutzwirkung aus einem anderen Material als der Defekt-Wirkkörper (4) besteht

und

dass der Austausch-Wirkkörper (11,12,21,22) eine höhere Härte aufweist als der Defekt-Wirkkörper (4)."

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des Hauptantrags, Artikel 12(4) VOBK

Der Hauptantrag (ehemaliger Hilfsantrag 4*) ist unverzüglich nach dem Erhalt der vorläufigen Stellungnahme der Kammer, die eine neue Ausgangslage ergeben hatte, engereicht worden. Somit ist der Hauptantrag zulässig.

2. Grundlage des Anspruchs 1 des Hauptantrags, Artikel 123(2) EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag basiert auf einer Kombination der angemeldeten Ansprüche 1,2 und 3. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind damit erfüllt.

3. Klarheit, Artikel 84 EPÜ

Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind erfüllt, weil Anspruch 1 des Hauptantrags nunmehr klarstellt, dass die erhöhte Schutzwirkung durch das härtere Material des Austausch-Wirkkörpers erreicht wird.

4. Bestimmung der nächstliegenden Stand der Technik

4.1 D1 offenbart in Absatz [0042] ein Instandsetzungsverfahren zur Instandsetzung eines Verbundpanzerungselement mit mehreren Wirkkörpern, wobei ein beschädigter Defekt-Wirkkörper herausgenommen wird und an diese Stelle ein unbeschädigter Austausch-Wirkkörper eingesetzt wird. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin dahingehend zu, dass Dl keine Details über die Qualität der Schutzwirkung des Austausch-Wirkkörpers offenbart.

4.2 Die Kammer teilt ebenfalls die Meinung der Beschwerdeführerin, dass der Austausch-Wirkkörper eine erhöhte Schutzwirkung gegenüber dem unbeschädigten Wirkkörper aufweisen soll, wobei die Schutzwirkung des Austausch-Wirkkörpers höher als die des ,,Defekt-Wirkkörpers" (und nicht des ,,beschädigten Defekt-Wirkkörpers") sein soll.

4.3 Bei dem Instandsetzungsverfahren nach D3 kommen keine Austausch-Wirkkörper zum Einsatz. D4 (siehe insbesondere Seite 8, Zeilen 4 bis 21) gibt keinen Hinweis, dass die Ersatzplatte 40 eine höhere Härte haben sollen. Bei D5 handelt es sich nicht um ein Verbundpanzerungselement, sondern eher um eine Schutzhaut zum Schützen gegen Steinschlag oder dgl. von empfindlichen Verbundstrukturen, die in der Luftfahrttechnik zum Einsatz kommen. Bei dem Verfahren gemäß D6 sind keine Wirkkörper vorhanden.

4.4 Daher bildet nach Meinung der Kammer FR 1 604 806 (D2) den nächstliegenden Stand der Technik.

5. Neuheit, Artikel 54 EPÜ

5.1 D2 offenbart ein Instandsetzungsverfahren zur Instandsetzung eines Verbundpanzerungselements (siehe Figur 2) mit mehreren Wirkkörpern ("tiges" oder "tubes" 4), wobei ein beschädigter Defekt-Wirkkörper herausgenommen wird und an diese Stelle ein unbeschädigter Austausch-Wirkkörper einer anderen Schutzwirkung eingesetzt wird (siehe die Figur 2 und die Beschreibung Seite 2, Zeilen 28 bis 32).

5.2 Ausgehend von D2 unterscheidet sich das Instandsetzungsverfahren gemäß Anspruch 1 dadurch, dass der Austausch-Wirkkörper einer erhöhten Schutzwirkung aus:

(i) einem anderen Material als der Defekt-Wirkkörper besteht; und

(ii) dass der Austausch-Wirkkörper eine höhere Härte aufweist als der Defekt-Wirkkörper.

Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

6. Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

6.1 Wie in der veröffentlichten Fassung der Anmeldung dargelegt (siehe Abschnitte [0009] bis [0011]), liegt die technische Auswirkung der bei der Neuheitsprüfung hinsichtlich D2 festgelegten unterscheidenden Merkmale darin, dass die durch die Nachbehandlung auftretende Inhomogenität des Verbundsystems durch die Erhöhung der Schutzwirkung des Austausch-Wirkkörpers ausgeglichen wird, so dass die ursprüngliche Schutzwirkung des Verbundpanzerelementes erhalten bleibt.

6.2 Die zu lösende technische Aufgabe liegt daher darin, ein Instandsetzungsverfahren bereitzustellen, durch welches ein Verbundpanzerungselement, bei dem zumindest ein Wirkkörper durch einen Treffer beschädigt wurde, derart wieder in Stand zu setzen, wobei die ursprüngliche Schutzwirkung des Verbundpanzerungselementes erhalten bleibt.

6.3 Die in D2 angewendeten Austausch-Wirkkörper bestehen wahrscheinlich aus einem anderen Material, weil sie kugelförmig statt stabförmig sind. Kugelförmige Austausch-Wirkkörper werden eher eingesetzt, weil sie relativ einfach in den beschädigten Bereich einzufüllen sind. Sie bewirken jedoch in der Regel keine erhöhte Schutzwirkung, weil sich zwischen den Kugeln typischerweise ein relativ großer Anteil an Luftzwischenräumen befindet.

6.4 Der mit dem oben definierten Aufgabe befasste Fachmann findet jedoch im verfügbaren Stand der Technik keinen Hinweis, die Austausch-Wirkkörper aus einem anderen Material einer höheren Härte einzusetzen. Eine derartige Lösung ist auch nicht bei allgemeinem Fachwissen naheliegend, weil sie auf der Erkenntnis beruht, dass die durch die Instandsetzung auftretende Inhomogenität des Verbundsystems durch die Erhöhung der Härte des Materials des Austausch-Wirkkörpers ausgeglichen werden kann.

6.5 Daher erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf folgender Grundlage zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 10 des Hauptantrags (ehemaliger Hilfsantrag 4*),

- Beschreibungsseiten 1 bis 15, eingereicht mit dem Schreiben vom 5. Oktober 2018,

- Figuren 1 bis 9 wie angemeldet.

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