T 1997/16 () of 6.12.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T199716.20191206
Datum der Entscheidung: 06 Dezember 2019
Aktenzeichen: T 1997/16
Anmeldenummer: 10760727.7
IPC-Klasse: C08F 6/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 374 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR NACHBEFEUCHTUNG OBERFLÄCHENNACHVERNETZTER WASSERABSORBIERENDER POLYMERPARTIKEL
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: NIPPON SHOKUBAI KABUSHIKI KAISHA
Evonik Operations GmbH
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2 richten sich gegen die am 22. Juni 2016 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 2 486 066 in geänderter Fassung auf Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 27. April 2016, sowie einer geänderten Beschreibung aufrecht erhalten wurde.

II. Anspruch 1 dieses Antrags lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel durch Polymerisation einer Monomerlösung oder -suspension, enthaltend a) mindestens ein ethylenisch ungesättigtes, säuregruppentragendes Monomer, das zumindest teilweise neutralisiert sein kann,b) mindestens einen Vernetzer,c) mindestens einen Initiator,d) optional ein oder mehrere mit den unter a) genannten Monomeren copolymerisierbare ethylenisch ungesättigte Monomere unde) optional ein oder mehrere wasserlösliche Polymere, umfassend Trocknung, Mahlung, Klassierung, und Oberflächennachvernetzung, wobei i) die oberflächennachvernetzten Polymerpartikel nachbefeuchtet,ii) optional die nachbefeuchteten Polymerpartikel pneumatisch gefördert undiii) die nachbefeuchteten Polymerpartikel klassiert werden,dadurch gekennzeichnet, dass der zeitliche Abstand der Nachbefeuchtung i) und der Klassierung iii) mindestens 15 Minuten beträgt, zur Klassierung iii) eine Taumelsiebmaschine eingesetzt wird, die Taumelsiebmaschine mindestens zwei Siebe aufweist und die Maschenweite der Siebe im Bereich von 150 bis 850 mym liegt." III. Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Dokumente herangezogen: D3: WO 2006/088115 A1

D7: WO 2008/110524 A1D18: WO 2008/037672 A1

D21: WO 98/49221 A1D43: DE 10 2007 024 080 A1. IV. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die für die vorliegende Beschwerde von Relevanz sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden. Ausgehend von D18 als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe, die durch das beanspruchte Verfahren gelöst worden sei, in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel mit engerer Partikelgrößenverteilung gelegen. Es sei vom Stand der Technik nicht angeregt worden, eine Nachbefeuchtung der oberflächenvernetzten Polymerpartikel und einen zeitlichen Abstand von mindesten 15 Minuten vor der Klassierung zu halten, um diese Aufgabe zu lösen. Das beanspruchte Verfahren sei daher nicht naheliegend ausgehend von D18. Ausgehend von D43 als nächstliegendem Stand der Technik habe die durch das beanspruchte Verfahren gelöste Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens gelegen. Dem Fachmann sei aber nicht bekannt gewesen, dass Taumelsiebmaschinen auch zu Analysezwecken verwendet werden können, so dass der Fachmann keinen Grund gehabt hätte, die in D43 mittels einer Klassierung durchgeführte Analyse der Partikel mit einer Taumelsiebmaschine durchzuführen. Das beanspruchte Verfahren sei somit ebenfalls erfinderisch ausgehend von D43. V. Gegen diese Entscheidung erhoben die Einsprechenden 1 und 2 (Beschwerdeführerinnen 1 und 2) Beschwerde.

VI. In ihrer Stellungnahme zur Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerinnen beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) die Beschwerden zurückzuweisen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis einer der Hilfsanträge 1 bis 7, allesamt eingereicht mit Schreiben vom 27. April 2016, aufrechtzuerhalten. VII. Mit Schreiben vom 5. November 2019 reichte die Beschwerdegegnerin ein Versuchsprotokoll ein. VIII. In der mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 angekündigten Abwesenheit der Beschwerdeführerin 1 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer am 6. Dezember 2019 statt. Während der Verhandlung nahm die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1 bis 7 zurück. IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerinnen sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen brachten die Beschwerdeführerinnen vor, dass der Gegenstand des Anspruch 1 ausgehend von D18 oder D43 als nächstliegendem Stand der Technik nicht erfinderisch sei. X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind aus den unten stehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Im Wesentlichen trug die Beschwerdegegnerin vor, dass D18 nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstelle und, dass eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen sei. XI. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden 1 und 2) beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen. XII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik

1. In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung sind die Beschwerdeführerinnen der Auffassung, dass entweder das Verfahren gemäß Dokument D18 oder das Verfahren gemäß Dokument D43 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden kann. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass D18 als nächstliegender Stand der Technik nicht geeignet sei, da D18 ein Verfahren ohne Nachbefeuchtung der oberflächennachvernetzten Polymerpartikel betreffe.

1.1 Bei der Wahl des nächstliegenden Standes der Technik kommt es im allgemeinen darauf an, dass er zum gleichen Zweck oder mit dem gleichen Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erfordert (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage, Juli 2019, I.D.3.1). Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel (Anspruch 1 und Absatz [0001]). Aufgabe der vorliegenden Erfindung war gemäß Absatz [0010] des Streitpatents die Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel, insbesondere die Vermeidung und/oder eine verbesserte Abtrennung zu kleiner Polymerpartikel.

1.2 Es wurde nicht in Frage gestellt, dass sowohl D18 als auch D43 ein Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel betrifft. Es ist ebenfalls nicht strittig, dass die Vermeidung oder eine bessere Abtrennung von kleinen Polymerpartikeln ein Ziel der in diesen beiden Dokumenten beschriebenen Verfahren darstellt, so dass die Verfahren gemäß D18 und D43 mit dem selben Ziel wie das Verfahren des Streitpatents entwickelt wurden. Insbesondere beschreibt D18 im Beispiel 1 durch einen Verweis auf das Vergleichsbeispiel (Seite 16, Zeilen 35-42; Seite 17, Tabelle) die Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel, bei der die Polymerpartikel 60 Minuten bei 150°C nachvernetzt werden und eine Abtrennung zu kleiner Polymerpartikel durch eine Klassierung der vernetzten Polymerpartikel durchgeführt wird (Seite 15, Zeile 6 bis Seite 16, Zeile 32). Die auf Seite 16, Zeilen 24-27 beschriebene Klassierung erfolgt mittels einer Taumelsiebmaschine mit mindestens 2 Sieben, die eine Maschenweite im Bereich von 150 bis 850 µm besitzen. Die Kammer stellt fest, dass sich der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 vom Verfahren gemäß Beispiel 1 von D18 lediglich dadurch unterscheidet, dass erstens die oberflächennachvernetzten Polymerpartikel vor der Klassierung nachbefeuchtet werden und zweitens der zeitliche Abstand zwischen Nachbefeuchtung und Klassierung mindestens 15 Minuten beträgt.

1.3 Hinsichtlich D43 trägt die Beschwerdegegnerin vor, dass der von der Beschwerdeführerin 2 genannte Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit bereits eine Mehrfachauswahl innerhalb der Lehre von D43 voraussetzt. Die Kammer stellt fest, dass die Beschwerdeführerin 2 den Gegenstand, den sie als Ausgangspunkt für ihre Analyse der erfinderischen Tätigkeit zu Grunde legt, und somit den Gegenstand, der den nächstliegenden Stand der Technik bilden soll, nicht spezifiziert hat. Es wurden lediglich mehrere getrennte Passagen von D43 zitiert, die nicht zwangsläufig Teil eines einzigen in D43 offenbarten Gegenstands sind. Das gleiche gilt für das Vorbringen der Beschwerdeführerin 1, die sich ebenfalls auf mehrere Passagen von D43 bezieht, obwohl nicht gezeigt wurde, dass die genannten Passagen eine einzige Ausführungsform von D43 betreffen. Es wurde des Weiteren nicht gezeigt, dass D43 eine Ausführungsform offenbart, in der oberflächennachvernetzte Polymerpartikel einer Nachbefeuchtung unterworfen werden, so dass ein zeitlicher Abstand zwischen Nachbefeuchtung und Klassierung von mindestens 15 Minuten ein weiteres Unterscheidungsmerkmal des beanspruchten Verfahrens gegenüber D43 darstellt. Die Kammer kommt daher zu der Schlussfolgerung, dass nicht gezeigt wurde, dass ein in D43 offenbartes Verfahren auf Grund struktureller oder funktioneller Merkmale, zumindest ein gleichwertiges Verfahren wie D18, geschweige denn ein dem erfindungsgemäßen Verfahren näher kommendes Verfahren als D18, darstellt.

1.4 Das Fehlen im Verfahren gemäß Beispiel 1 von D18 einer Nachbefeuchtung der oberflächennachvernetzten Polymerpartikel wurde im obigen Punkt 1.2 bei der Analyse der strukturellen Merkmalen dieses Verfahrens von D18 berücksichtigt. Des Weiteren stellt eine solche Nachbefeuchtung kein Ziel der beanspruchten Erfindung dar, wie aus dem obigen Punkt 1.2 zu entnehmen ist, sondern ein Mittel, um dieses zu erreichen, so dass das Fehlen eines solchen Schrittes im Verfahren des Beispiels 1 von D18 alleine keinen Grund darstellt, dieses Beispiel als nicht realistischen Ausgangspunkt zu verwerfen. Ein anderer Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit wurde von der Beschwerdegegnerin nicht vorgeschlagen.

1.5 Demzufolge betrachtet die Kammer das Verfahren gemäß dem Beispiel 1 von D18 als nächstliegenden Stand der Technik und somit als Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit. Die Merkmale, die das Verfahren gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 vom nächstliegenden Stand der Technik unterscheiden, sind im obigen Punkt 1.2 angegeben.

Aufgabe und Lösung

2. Gemäß den Gründen der angefochtene Entscheidung, lag ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik D18 dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel mit engerer Partikelgrößenverteilung bereitzustellen. Die Beschwerdegegnerin ist ihrerseits der Auffassung, dass die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, wie im Absatz [0010] des Streitpatents dargestellt wird, in der verbesserten Abtrennung zu kleiner Polymerpartikel darin bestand. Dem wird von der Beschwerdeführerinnen widersprochen, die der Meinung sind, dass die durch das beanspruchte Verfahren gelöste Aufgabe gegenüber D18 lediglich in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel besteht.

2.1 Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe hat die Beschwerdegegnerin auf die Beispiele 2 und 3 der Streitpatentschrift verwiesen, worin oberflächennachvernetzte Polymerpartikel einer Nachbefeuchtung mit 2,5 Gew.-% oder 5 Gew.-% Wasser unterworfen werden, und die Partikelgrößenverteilung in Abhängigkeit der Verweilzeit zwischen Nachbefeuchtung und Klassierung gemessen wird. Die Ergebnisse werden in den Tabellen 1 und 2 auf Seite 14 der Patentschrift gezeigt. Die Beschwerdegegnerin trägt vor, dass diese Beispiele eine Verbesserung der Abtrennung kleiner Partikel mit zunehmender Wartezeit zwischen Nachbefeuchtung und anschließender Klassierung belege. Gemäß Absatz [0084] des Streitpatents lag der vorliegenden Erfindung die Erkenntnis zugrunde, dass das bei der Nachbefeuchtung eingesetzte Wasser die Glasübergangstemperatur der wasserabsorbierenden Polymerpartikel senke und die Partikeloberfläche klebrig werde. An der Partikeloberfläche sei die Wasserkonzentration aber kurz nach der Nachbefeuchtung am größten. Mit der Zeit diffundiere aber das Wasser langsam von der Partikeloberfläche in das Partikelinnere und die Wasserkonzentration an der Partikeloberfläche falle wieder. Somit durchlaufe die Klebrigkeit der Partikeloberfläche ein Maximum. Die Beschwerdegegnerin gibt des Weiteren an, dass die Oberfläche der kleinen Partikel somit länger klebrig bleibe als die der größeren Partikel. Dies habe den Vorteil, dass die Polymerpartikel fließfähig seien. Da die anklebenden sehr kleinen Partikel nur schwer durch Klassierung abzutrennen seien, sei es vorteilhaft, nach der Nachbefeuchtung noch eine ausreichende Zeit mit der Klassierung zu warten (Absatz [0085] der Patentschrift).

2.2 Gemäß ständiger Rechtssprechung der Beschwerdekammern soll bei Vergleichsversuchen der Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik so angelegt sein, dass die geltend gemachte Wirkung überzeugend und allein auf das kennzeichnende Unterscheidungsmerkmal zwischen beanspruchter Erfindung und nächstliegendem Stand der Technik ursächlich zurückgeführt werden kann. Wie von der Beschwerdegegnerin festgestellt wurde, findet in D18 keine Nachbefeuchtung der oberflächennachvernetzten Polymerpartikel statt, so dass der mit den Ergebnissen der Beispiele 2 und 3 des Streitpatents gezeigte Vergleich, der lediglich die Partikelgrößenverteilung in Abhängigkeit der Verweilzeit zwischen Nachbefeuchtung und Klassierung zeigt, und somit nur nachbefeuchtete Partikel betrifft, eine durch die Nachbefeuchtung verursachte Wirkung nicht belegen können.

2.3 Hinsichtlich des zeitlichen Mindestabstands zwischen der Nachbefeuchtung i) und der Klassierung iii) bestreiten die Beschwerdeführerinnen nicht, dass ein gewisser Zeitabstand nötig ist, um eine Trennung der kleinen Polymerpartikel zu erreichen. Dieser Zeitabstand hängt aber zumindest von der Menge an Wasser ab, die für die Nachbefeuchtung der oberflächennachvernetzten Polymerpartikel verwendet wird. Dies wird nicht nur in den Beispielen 2 und 3 des Streitpatents veranschaulicht, sondern ist auch der Lehre der Absätze [0084] und [0085] des Streitpatents zu entnehmen. Mit zunehmender Menge an Wasser, die für die Nachbefeuchtung verwendet wird, wird der benötigte zeitliche Abstand für eine Trennung der kleinen Polymerpartikel größer. Aus der Tabelle 2 ist im Fall einer Nachbefeuchtung mit 5 Gew.-% Wasser ersichtlich, dass kleine Partikel mit einer Größe von 150-180 µm, die nach 1440 Minuten Wartezeit in einer Menge von 0,3 Gew.-% zu beobachten sind, bei einer Wartezeit bis zu 30 Minuten noch nicht feststellbar sind. Dies bedeutet, dass ein zeitlicher Mindestabstand von 15 Minuten zwischen der Nachbefeuchtung und der Klassierung alleine nicht entscheidend ist, um eine bessere Trennung der kleinen Polymerpartikel zu erzielen, sondern, dass der zeitliche Mindestabstand zwischen der Nachbefeuchtung und der Klassierung, um diesen Effekt zu erzielen, zumindest von der eingesetzten Menge an Wasser für die Nachbefeuchtung abhängig ist. Folglich und in Anbetracht der Tatsache, dass der vorliegende Anspruch 1 die Verwendung einer höheren als 5 Gew.-% Menge an Wasser für die Nachbefeuchtung zulässt, wurde nicht glaubhaft dargelegt, dass die Auswahl eines zeitlichen Abstands von mindestens 15 Minuten zwischen Nachbefeuchtung der oberflächennachvernetzten Polymerpartikel und deren Klassierung eine zusätzliche Wirkung über die gesamte Breite des Anspruchs 1 herbeiführen kann. Das mit Schreiben vom 5. November 2019 eingereichte Versuchsprotokoll zeigt lediglich, dass sich Polymerpartikel, die nach einer Nachbefeuchtung mit der gleichen Menge an Wasser, die in den Beispielen 2 und 3 des Streitpatents verwendet wurde, trocken und nicht klebrig anfühlen. Dieser Versuchsbericht hat daher keine Aussagekraft hinsichtlich der Fähigkeit des vorliegenden Verfahrens eine Trennung der kleinen Polymerpartikel zu ermöglichen, geschweige denn wenn mehr als 5 Gew.-% Wasser zur Nachbefeuchtung verwendet wird.

2.4 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollen Vorteile, die nicht hinreichend belegt sind, bei der Festlegung der objektiven Aufgabenstellung des Streitpatentes und der Beurteilung dessen erfinderischer Qualität unberücksichtigt bleiben. Ausgehend vom Verfahren gemäß D18 als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent somit lediglich die erfolgreich gelöste Aufgabe zugrunde, ein weiteres Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel bereitzustellen. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, das durch die in obigem Punkt 1.2 identifizierten Unterscheidungsmerkmale gekennzeichnet ist.

Naheliegen

3. Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte objektive Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens zu lösen. In dieser Hinsicht bezogen sich die Beschwerdeführerinnen auf die Dokumente D21, D7 und D3.

Nachbefeuchtung

3.1 Auf Seite 10, Zeilen 20-24 von D21 wird gelehrt, dass die Oberflächenvernetzung der Polymerpartikel, die wie in D18 (siehe Punkt 1.2 oben) eine thermische Behandlung benötigt, zu Produkten führen kann, die eine Nachbefeuchtung erforderlich macht. Ein solcher Schritt kann gemäß Seite 1, Zeilen 12-18 von D21, durchgeführt werden, um den Abrieb bzw. die Staubneigung zu reduzieren. D21 gibt zudem in der Einleitung an (Seite 1, erster Absatz), dass die Wärmenachbehandlung von wasserabsorbierenden Polymerpartikeln zu einem fast vollständig trockenen Produkt führt, wodurch sich die Neigung der Polymerpartikel zur statischen Aufladung erhöht.

D7 lehrt ebenfalls die Nachbefeuchtung der oberflächenvernetzten Polymerpartikel mit Wasser (Seite 15, Zeilen 34; Seite 16, Zeilen 28-31). In den beiden letzten Absätzen der Seite 4 von D7 wird gelehrt, dass die Schritte einer Oberflächenvernetzung der wasserabsorbierenden Polymerpartikel und des Nachbefeuchtens der erhaltenen Partikel zu Partikeln mit weniger Staubneigung führt. Entsprechend der Lehre von D21 wird in dem Absatz, der die Seiten 2 und 3 von D7 überbrückt, ausgeführt, dass die wasserabsorbierenden Polymerpartikel, zum Abrieb bzw. Staubneigung tendieren. In derselben Passage wird angegeben, dass die Nachbefeuchtung der wasserabsorbierenden Polymerpartikel nicht nur deren Brüchigkeit sondern auch ihre Neigung zur statischen Aufladung reduziert.

3.2 In D18 werden die nach der Oberflächenvernetzung und anschließenden Trocknung erhaltenen Partikel mittels einer Taumelsiebmaschine klassiert, was einen Transport dieser Partikel zu der Taumelsiebmaschine voraussetzt. Dem Fachmann ist aber bekannt, dass eine mechanische Belastung der wasserabsorbierenden Polymerpartikel, die zum Beispiel durch die Förderung derselben zu einer Taumelsiebmaschine verursacht wird, zu unerwünschtem Abrieb führen kann, wodurch sich der Staubanteil erhöhen kann. Es ist ebenfalls allgemein bekannt, dass eine statischen Aufladung der wasserabsorbierenden Polymerpartikel das Sieben erschweren kann.

3.3 Im Hinblick auf den zitierten Stand der Technik, hatte daher der Fachmann, der lediglich ein weiteres Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel bereitstellen wollte, die Anregung, oberflächenvernetzte Polymerpartikel vor deren Klassierung in D18 einer Nachbefeuchtung zu unterwerfen, um einem eventuellen Abrieb bzw. einer eventuellen statischen Aufladung der Polymerpartikel entgegenzuwirken.

Zeitlicher Abstand zwischen Nachbefeuchtung und Klassierung von mindestens 15 Minuten

3.4 Aus den Dokumenten D3 (Seite 61, Zeilen 6-11) und D21 (Seite 1, Zeilen 6-21; Seite 10; Zeilen 20-30 und Seite 20; Zeilen 2-6) ist dem Fachmann bekannt gewesen, dass eine zu große Menge an Wasser, wie in D21 für die Nachbefeuchtung der Polymerpartikel verwendet wird, zu einem Zusammenkleben der Partikel führen kann, das die weitere Verarbeitung der Partikel erschwert. Für diesen Fall lehrt D21 (Seite 10, Zeilen 28-30), dass gewartet werden soll, bis genügend Wasser in das Partikelinnere diffundiert, so dass die Partikel an der Oberfläche ihre Klebrigkeit verlieren. In diesem Zusammenhang ist eine Rührung der Teilchen während der Wartezeit, zu der auch der Transport bis zur Taumelsiebmaschine zählt, vom Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen

Da die Polymerpartikel gemäß dem Beispiel von D18 im letzten Schritt des Verfahrens klassiert werden, war es für den Fachmann im Hinblick auf die obige Lehre ebenfalls naheliegend, eine Klassierung der Partikel erst durchzuführen, nachdem die Partikel ihre Klebrigkeit verloren haben, so dass sie besser getrennt werden können. Da eine Mindestdauer von 15 Minuten zwischen der Nachbefeuchtung und der Klassierung nicht kausal für einen technischen Effekt ist, ist diese Dauer weder zielgerichtet noch kritisch, sondern als rein willkürlich zu betrachten. Diese willkürliche Wahl einer zweckmäßigen Dauer zwischen Nachbefeuchtung und Klassierung stellt jedoch wegen ihrer Beliebigkeit lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns liegt, ohne dass es eines erfinderischen Zutuns seinerseits bedürfte.

3.5 Die Kammer kommt daher aus den oben angeführten Gründen zu der Schlussfolgerung, dass das Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4. Der Antrag der Beschwerdegegnerin ist folglich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation