European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T199216.20180618 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 Juni 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1992/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09709671.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B42D 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sicherheitselement und Verfahren zu seiner Herstellung | ||||||||
Name des Anmelders: | Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG CCL Secure Pty Ltd |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag - Zulassung (nein), weil zu seiner Vorlage bereits im erstinstanzlichen Verfahren Veranlassung bestand | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 254 757 widerrufen worden ist.
II. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Anspruchssatzes, der mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde.
III. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) beantragt die Beschwerde zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) beantragt die Beschwerde aus folgenden Gründen zurückzuweisen:
1) fehlende Substantiierung der Beschwerde mit der Folge, dass die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist (Regel 101 EPÜ);
2) der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Hauptantrag ist verspätet eingereicht (Artikel 12(4) VOBK) und enthält Änderungen, die nicht durch ein Einspruchsgrund verursacht sind (Regel 80 EPÜ) mit der Folge, dass der Hauptantrag nicht zugelassen werden kann;
3) die Ansprüche gemäß Hauptantrag verstoßen gegen Artikel 123(2), Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 56 EPÜ 1973.
IV. Die Beschwerdegegnerinnen I und II vertreten beide die Auffassung, dass der vorliegende einzige Sachantrag nach Artikel 12(4) VOBK nicht zuzulassen ist (Einsprechende 1: Brief vom 10. April 2017, Seite 2, Punkt II.2; Einsprechende 2: Brief 29. März 2017, Seite 1, Punkt 2; Seite 5, Punkt II).
V. Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 wurde die Beschwerdeführerin von der Kammer aufgefordert zu diesem Punkt Stellung zu nehmen und hat auf die Entscheidung T 1705/07 verwiesen. Die Kammer äußerte starke Bedenken, dass der einzige Sachantrag zum Verfahren zugelassen werden kann.
VI. Mit Schreiben vom 27. Juni 2017 vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass der vorliegende einzige Sachantrag nach Artikel 12(4) VOBK zuzulassen sei.
Mit dem Schreiben vom 25. Juli 2017 wiederholte die Beschwerdeführerin ihre Auffassung, dass der Hauptantrag keinen Antrag darstelle, der bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätte vorgebracht werden können und müssen und verwies auf ihr Schreiben vom 27. Juni 2017.
VII. Mit Schreiben vom 7. November 2017 wurden die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung geladen, um die Zulässigkeit des einzigen Sachantrags nach Artikel 12(4) VOBK zu klären. Der Anhang zu Ladung enthielt die für die Beschwerdeführerin negative vorläufige Stellungnahme der Kammer zu den Ausführungen der Schreiben vom 27. Juni 2017 und 25. Juli 2017.
VIII. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2017 kündigte die Beschwerdeführerin an, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde und verwies auf ihre Schreiben vom 27. Juni 2017 und 25. Juli 2017.
IX. Mit Schreiben vom 31. Januar 2018 hat die Kammer die mündliche Verhandlung abgesetzt und im schriftlichen Verfahren entschieden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerdegegnerinnen I und II haben beide die Zulassung des verspäteten und einzigen Antrags nach Artikel 12(4) VOBK in Frage gestellt. Die Kammer wird deshalb zunächst auf diese Argumentation eingehen.
2. In der Mitteilung im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 7. November 2017 hat die Kammer folgendes festgestellt:
"6. Im Ladungszusatz (8. Oktober 2015) der Einspruchs-
abteilung wurde im Punkt 4 auch die Neuheit des damaligen Verfahrensanspruchs 12 in Abrede gestellt. Die Beschwerdeführerin hatte somit schon vor der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eine Veranlassung zur Einreichung eines geänderten Verfahrensanspruchs.
Die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Ansprüche betreffen einen anderen Anspruchsgegenstand, weil die Ansprüche gegenüber der erteilten Fassung auf Basis der Beschreibung geändert wurden: es wurden eine "Trägerfolie" betreffende Verfahrensschritte aus der Beschreibung (Seite 14, Zeilen 8 bis 20 der Anmeldungsunterlagen, auch Absatz [0043] der B1-Schrift) in den Verfahrensanspruch aufgenommen. Diese Anspruchsfassung wurde der Einspruchsabteilung nicht vorgelegt, so dass sich die Einspruchsabteilung nicht damit auseinandersetzen konnte. Eine letzte Gelegenheit zur Einreichung eines geänderten Verfahrensanspruchs in der Einspruchsverhandlung nach der Entscheidung zum Hilfsantrag 2 ist ungenutzt verfallen (Punkt 6 des Protokolls).
Artikel 12 (4) VOBK räumt den Beschwerdekammern die Befugnis ein, Anträge, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, im Beschwerdeverfahren nicht zuzulassen (siehe hierzu auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, IV.E.4.3.1 Allgemeine Grundsätze, Seite 1289).
7. Mit dem Schreiben mit Datum vom 27. Juni 2017
argumentiert die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie folgt:
- Die Beschwerdeführerin fühlt sich von der Einspruchsabteilung in eine Sackgasse geleitet, weil die entsprechend der ursprünglichen Offenbarung erfolgte Ergänzung "vollflächig" letztendlich unklar ist, weil das Merkmal die Reflexionsschicht war vollflächig aufgedampft am fertigen Produkt vom Fachmann nicht mehr nachvollziehbar ist. Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, dass im inter-partes Verfahren die Einspruchsabteilung nicht eine Partei zu ungunsten der anderen Parteien zu einem Erfolg "führen" kann. Zudem ist eine vor der mündlichen Verhandlung geäußerte vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung (Punkt 2.3 des Ladungsbescheids vom 8. Oktober 2015) nicht für diese bindend - ansonsten wäre eine mündliche Verhandlung überflüssig.
Die Beschwerdeführerin schließt daraus, dass deshalb der vorliegende Hauptantrag nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können. Dem kann die Kammer nicht zustimmen, weil laut Protokoll (Punkt 6), die Beschwerdeführerin nach der Besprechung des letzten Hilfsantrags keine weiteren Anträge gestellt hat.
- Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, dass ihr zur Wahrung des rechtlichen Gehörs das Recht zusteht, im Zuge des Beschwerdeverfahrens einen neuen Antrag zu stellen, der die während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung des EPA von der Einspruchsabteilung erhobenen Einwände gemäß Artikel 123 (2) EPÜ und Artikel 84 EPÜ ausräumt.
Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, dass das Beschwerdeverfahren in erster Linie ein Überprüfungsverfahren ist (siehe. z.B. G 9/91, Amtsblatt EPA 1993, 408, Punkt 18). Die Möglichkeit einer beliebigen Fortführung des Einspruchsverfahrens besteht nicht. Das Recht einen neuen Antrag zu stellen hat die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren laut Protokoll (Punkt 6) letztendlich ungenutzt verfallen lassen - ihr rechtliches Gehör wurde dabei gewahrt.
Es ist festzuhalten, dass die vorliegenden Ansprüche lediglich aus dem Grunde bisher noch nicht Gegenstand einer Diskussion und Entscheidung geworden sind, weil die Beschwerdeführerin es versäumt hat, einen entsprechenden, ausschließlich darauf gerichteten Antrag bereits im Einspruchsverfahren einzureichen. Eine Diskussion und Entscheidung dieser Ansprüche im Beschwerdeverfahren gäbe der Beschwerdeführerin die Möglichkeit, dieses selbst herbeigeführte Versäumnis zu ihrem Vorteil nachzuholen. Entsprechend des Rechtsgrundsatzes "nemo auditur propriam turpitudinem allegans" darf jedoch einer Partei, hier der Beschwerdeführerin, aus eigenem Versäumnis kein Vorteil erwachsen, da dies gegenüber den gegnerischen Parteien, hier den Beschwerdegegnerinnen I und II, unbillig wäre.
- "In T 1705/07 reichte der Beschwerdeführer erstmals im Beschwerdeverfahren Anträge ein, welche die Verfahrensansprüche, auf denen die angegriffene Entscheidung basierte, nicht mehr enthielten, sondern nur noch Ansprüche einer anderen Anspruchskategorie aufwiesen, nämlich Sach- und Verwendungsansprüche. Die Kammer stellte fest, dass die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Hilfsanträge einen grundsätzlich unterschiedlichen Anspruchsgegenstand betrafen. Deshalb würde deren Zulassung in das Beschwerdeverfahren einen grundsätzlich anderen sachlichen und patentrechtlichen Streitstoff ergeben, sodass es im Regelfall zu einer Zurückverweisung an die Erstinstanz führen würde. Dadurch würde sowohl die Dauer des Verfahrens verlängert, als auch den Parteien und der Öffentlichkeit die Rechtssicherheit über die Gültigkeit des Streitpatents vorenthalten, was nicht mit dem Grundsatz der Verfahrensökonomie vereinbar wäre. Falls über diese Ansprüche im Beschwerdeverfahren diskutiert und entschieden würde, gäbe es dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, dieses selbst herbeigeführte Versäumnis zu seinem alleinigen Vorteil nachzuholen. Entsprechend dem Rechtsgrundsatz "nemo auditur propriam turpitudinem allegans" darf jedoch einer Partei, hier dem Beschwerdeführer, aus eigenem Versäumnis kein Vorteil erwachsen, da dies gegenüber den gegnerischen Parteien unbillig wäre" (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, IV.E.4.3.2 c), Seiten 1293 und 1294).
Die Beschwerdeführerin sieht einen ersten Unterschied zur Entscheidungslogik der T 1705/07 darin, dass sie den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit als vorhersehbarer ansieht als einen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ. Abgesehen von der Problematik Einwänden unter verschiedenen Artikeln des EPÜs eine "Vorhersehbarkeit" zuordnen zu wollen, geht auch schon aus der voranstehenden Zusammenfassung hervor, dass derartige Überlegungen in der Entscheidungslogik der T 1705/07 keine Rolle spielen.
Die Beschwerdeführerin sieht einen zweiten Unterschied zur Entscheidungslogik der T 1705/07 darin, dass es sich im Fall zu T 1705/07 um Sach- und Verwendungsansprüche ging und nicht wie im vorliegenden Fall um Verfahrensansprüche, wobei die Beschwerdeführerin meint, dass ein auf ein Erzeugnis gerichteter Anspruch eine "breitere Schutzwirkung ausstrahle" als ein Anspruch, der lediglich auf das Verfahren zur Herstellung des Erzeugnisses gerichtet sei. Gleichzeitig vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass die mit der Beschwerdebegründung eingereichten neuen Patentansprüche, die nicht mehr auf ein Sicherheitselement, sondern auf ein Verfahren zum Herstellen eines Sicherheitselements gerichtet sind, keinen grundsätzlich anderen sachlichen und patentrechtlichen Streitstoff ergebe.
Im vorliegenden Fall spielt das Argument der Beschwerdeführerin bezüglich des Kategoriewechsels keine Rolle, weil, wie bereits erörtert, der Verfahrensanspruch durch Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung (siehe Punkt 6 oben) einen anderen Gegenstand betrifft, für den Schutz begehrt wird, so dass sich schon deshalb ein grundsätzlich anderer sachlichen und patentrechtlichen Streitstoff ("fresh case") ergibt.
8. Mit dem Schreiben mit Datum vom 25. Juli 2017
wiederholt die Beschwerdeführerin ihre Stellungnahme, dass der Antrag gemäß Hauptantrag keinen Antrag darstellt, der bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können und müssen.
9. Derzeit ist daher damit zu rechnen, dass die
Beschwerde zurückgewiesen wird. In diesem Zusammenhang wird auf Regel 103(2)a) EPÜ hingewiesen."
3. Nachdem die voranstehende Begründung von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wurde, hat die Kammer keine Veranlassung gehabt davon abzuweichen.
Demzufolge wird aus den in der Mitteilung vom 7. November 2017 genannten Gründen der einzige Antrag nicht zum Verfahren zugelassen (Artikel 12(4) VOBK).
Infolgedessen ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die von den Beschwerdegegnerinnen weiteren aufgeführten Gründen sind demgemäß nicht näher zu erläutern.
4. Die Ankündigung der Beschwerdeführerin, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde (Schreiben vom 20. Dezember 2017), ist nach ständiger Rechtsprechung in der Regel als Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung zu behandeln. Hierbei liegt es im Ermessen der Kammer den Termin der mündlichen Verhandlung zur Verkündigung einer Entscheidung aufrechtzuerhalten oder ihn abzusetzen und wie im vorliegenden Fall im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, Seite 642, III.C.2.3.1).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.