T 1860/16 () of 12.3.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T186016.20210312
Datum der Entscheidung: 12 März 2021
Aktenzeichen: T 1860/16
Anmeldenummer: 08001601.7
IPC-Klasse: B06B 1/16
E02D 7/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schwingungserzeuger für ein Vibrationsrammgerät
Name des Anmelders: ABI Anlagentechnik-Baumaschinen-Industriebedarf
Maschinenfabrik und Vertriebsgesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: Bauer Maschinen GmbH
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 101(3)(a)
RPBA2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Patentansprüche - mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. EP2085149 zu widerrufen. Während des erstinstanz­lichen Einspruchsverfahrens wurden die Einspruchs­gründe nach Artikel 100 (a) in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ, nach Artikel 100 (b) und nach Artikel 100 (c) EPÜ diskutiert.

II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin / Patentinhaberin als alleinigen Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis folgender Dokumente zu erteilen:

- Patentansprüche 1-10 gemäß 3. Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer;

- Beschreibung Spalten 1-4 gemäß 3. Hilfsantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2020 und Spalten 5-6 der Patentschrift;

- Zeichnungen Figuren 1-2 der Patentschrift.

Anspruch 1 dieses alleinigen Antrags entspricht Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags im Einspruchsverfahren.

III. Die Beschwerdegegnerin / Einsprechende beantragte am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Es wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:

D2: EP 0 951 949 A1

D9: Fachartikel "Flüssige Leistungsübertragung - Hydraulik an Baumaschinen - Teil 2", Juni 2005

D10: Fachartikel "Flüssige Leistungsübertragung - Hydraulik an Baumaschinen - Teil 1", September 2005

D11: DE 20 2007 005 283 U1

D16: EP 1 722 036 A2

V. In der angefochtenen Entscheidung stellt die Einspruchsabteilung in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des damaligen 3. Hilfsantrags insbesondere fest, dass er nicht erfinderisch in Bezug auf D2 kombiniert mit der Lehre der D11 sei.

VI. Anspruch 1 des alleinigen Antrags hat den folgenden Wortlaut (die Merkmalsbezeichnungen1.1, 1.2 ... wurden von der Kammer in Anlehnung an die angefochtene Entscheidung hinzugefügt):

1.1 Schwingungserzeuger (3) für ein Vibrationsrammgerät,

1.2 umfassend rotierbare Unwuchtmassen (3311, 3321, 3331, 3521, 3521), die auf Wellen (33, 35) angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.3 wenigstens ein hydraulischer Antrieb (38) mit über ein Regelmodul in Abhängigkeit vom jeweiligen Betriebsdrehzahlbereich veränderbarem Schluckvolumen zum Antrieb der Wellen angeordnet ist,

1.4 wobei Mittel zur Verstellung der relativen Drehposition der Unwuchtmassen zueinander angeordnet sind,

1.5 welche Mittel durch einen Schwenkmotor gebildet sind.

VII. Die wesentlichen Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Unzulässige Erweiterung, Artikel 123(2) EPÜ

i) Nur ein Antrieb

Nach Merkmal 1.3 sei der wenigstens eine Antrieb über ein Regelmodul in Abhängigkeit vom jeweiligen Betriebsdrehzahlbereich zum Antrieb der Wellen angeordnet.

Eine Basis für das Regelmodul aus Merkmal 1.3 fände sich nur in Absatz [24] der veröffentlichten Anmeldung. Dort sei Merkmal 1.3 jedoch im Rahmen eines konkreten Ausführungs­beispiels mit 2 Antrieben offenbart. Auch im einleitenden Teil des Patents in Absatz [4] seien immer mehrere Antriebe genannt. Weder Absatz [24] noch der Rest der ursprünglichen Anmeldung biete daher eine Basis für einen Schwingungserzeuger mit einem Regelmodul und nur einem Antrieb, der mehrere Wellen antreibe.

ii) Zwischenverallgemeinerungen

Absatz [24] fordere außerdem, dass die Regelmodule im jeweiligen Antrieb enthalten sein müssten.

Darüber hinaus seien die in Absatz [25] aufgeführten Erläuterungen, wie die Regelung erfolge sowie die in Absatz [22] genannte Kopplung der Wellung über Zahnräder bei der Verwendung von Regelmodulen und mehreren angetriebenen Wellen wesentlich.

Das Fehlen der entsprechenden Merkmale in Anspruch 1 stelle daher jeweils eine Zwischenverallgemeinerung dar.

b) Klarheit, Artikel 84 EPÜ

In Anspruch 1 fehlten die bei der Verwendung von Regelmodulen und mehreren angetriebenen Wellen wesentlichen Merkmale aus den Absätzen [25] und [22], wie die Regelung erfolge und wie die Wellen über Zahnräder gekoppelt seien.

c) Mangelnde Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ

Das Streitpatent lehre den Fachmann nicht, wie das in Anspruch 1 definierte Regelmodul funktionieren solle, insbesondere in Bezug auf die bei Regelungen notwendige Rückkopplung einer Regelgröße.

d) Offenbarung der D2

i) Merkmal 1.3

D2 schlage in Absatz [26] vor, eine Pumpe zu verwenden, die bei konstanter Drehzahl ein einstellbares Fördervolumen aufweist ("pump which can pump an adjustable volume at a constant rotation speed."). Als Alternative könne ein Motor verwendet werden, dessen Drehzahl bei konstantem Volumenstrom eingestellt werden könne ("a motor with a rotation speed which can be adjusted at a constant flow volume.").

Pumpen und hydraulische Motoren arbeiteten nach komplementären, einander ergänzenden Wirkprinzipien, wie zum Beispiel aus Abbildung 60 der D9 hervorgehe. Dabei entspräche das Fördervolumen einer Pumpe dem Schluckvolumen eines Motors.

D2 offenbare ansonsten lediglich Konstantmotoren und -pumpen mit festem Schluck- beziehungsweise Fördervolumen, bei denen die Umdrehungsgeschwindigkeit proportional zum Volumenstrom durch den Motor/die Pumpe sei (siehe Anspruch 8, "displacement motors, the rotation speed of which is proportional to the liquid flow through the motor"). Daher würde der Fachmann den Absatz [26] D2 eindeutig und zweifelsfrei so lesen, dass im letzten Satz im Gegensatz dazu ein Motor mit veränderbarem Schluckvolumen gemeint sei.

Einen Konstantmotor ohne veränderbares Schluckvolumen, bei dem die Anpassung der Umdrehungsgeschwindigkeit durch Aufteilung des Volumenstroms erfolgt wie in dem in Figur 1b der D16 dargestellten Motor, würde der Fachmann der D2 nicht entnehmen.

ii) Merkmal 1.5

Die Pumpe 27, die in Figur 3 der D2 gezeigt sei, leite Hydraulikflüssigkeit entweder zu dem einen Motor 3 oder dem anderen Motor 4, um die relativen Drehpositionen der Unwuchtmassen zueinander einzustellen. Diese Pumpe entspräche den Mitteln zur Verstellung nach Merkmal 1.4 und besitze daher dieselbe Funktionalität wie der in Merkmal 1.5 genannte Schwenkmotor. Die Pumpe 27 der D2 und könne daher als ein Schwenkmotor angesehen werden.

e) Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2

i) Merkmal 1.3

Ein veränderbares Schluckvolumen sei die für den Fachmann offensichtlichste Art, die Umdrehungs­geschwindigkeit eines hydraulischen Motors bei konstantem Volumenstrom zu verändern. Die Verwendung eines Motors mit veränderbarem Schluckvolumen nach Merkmal 1.3 sei daher ausgehend von D2 nahegelegt.

Darüber hinaus verursachten Konstantmotoren, deren Umdrehungsgeschwindigkeit wie in D16 beschrieben durch eine vorherige Aufteilung des Volumenstroms eingestellt werde, einen ständigen Druck- und Hydraulikflüssig­keitsverlust. Da D2 nach Absatz [6] auch eine hohe Effizienz anstrebt, würde der Fachmann einen solchen Motor von vornherein nicht in Betracht ziehen.

ii) Merkmal 1.5

Zusätzlich offenbare D2 in den Absätzen [30] und [25] in Kombination sowie in Figur 1 eine mechanische Kupplung 19 ("clutch") zur Fixierung einer einmal eingestellten Phasendifferenz. Ausgehend von D2 würde der Fachmann daher nach einer Möglichkeit suchen, eine konstante Stellung der Unwuchten zueinander mithilfe einer solchen mechanischen Kupplung zu gewährleisten. Er würde dabei auf D11 stoßen, in der dieses Problem in den Absätzen [12] und [13] genannt werde. Zur Lösung schlage D11 eine mit einem Schwenkmotor verbundene Lamellenbremse vor. Daher würde der Fachmann ausgehend von D2 sowohl die Lamellenbremse, als auch den Schwenkmotor der D11 in den Schwingungserzeuger der D2 integrieren.

Dass er auf diese Weise eine zusätzliche und damit redundante Möglichkeit zur Phasenverstellung erhalte, würde ihn davon nicht abhalten. Im Gegenteil, dies erhöhe die Funktionssicherheit des Schwingungserzeugers im Falle eines Schadens.

Aus diesen Gründen sei die Verwendung eines Schwenkmotors nach Merkmal 1.5 ausgehend von D2 durch D11 nahegelegt.

f) Vorbringen ausgehend von D11

Das Vorbringen ausgehend von D11 sei eine Reaktion der Einsprechenden auf den Zwischenbescheid der Kammer, in dem sie eine andere Ansicht als die Einspruchsabteilung vertrete.

Im vorliegenden Verfahren würden im Wesentlichen nur die 2 unterschiedlichen Dokumente D2 und D11 diskutiert, so dass ein einfacher Tausch des den nächstliegenden Stand der Technik repräsentierenden Dokuments zu keiner wesentlichen Veränderung des Vorbringens der Einsprechenden führe.

Vielmehr sei dieser Tausch des nächstliegenden Standes der Technik eine angemessene Reaktion auf die Veränderung des Schwerpunkts der Erfindung von einem Motor mit einem veränderbaren Schluckvolumen zu der Verwendung eines Schwenkmotors.

Unabhängig davon habe die Einsprechende auch bereits in der Einspruchsbegründung in Bezug auf Anspruch 2 wie erteilt Dokument D11 alleine verwendet und in der Beschwerdeerwiderung auf das erstinstanzliche Einspruchsverfahren verwiesen.

Aus diesen Gründen sei das Vorbringen der Einsprechenden ausgehend von D11 zuzulassen.

VIII. Die wesentlichen Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Unzulässige Erweiterung

i) Nur ein Antrieb

Anspruch 1 wie eingereicht bilde eine Basis dafür, dass nur ein Antrieb, aber mehrere Wellen vorgesehen seien. Im Ausführungsbeispiel nach Absatz [24] seien zwar zwei Antriebe vorhanden, der Fachmann würde aber erkennen, dass ein einziger Antrieb ausreichen würde, da die angetriebenen Wellen mechanisch gekoppelt seien.

ii) Zwischenverallgemeinerungen

In Bezug auf die Regelmodule offenbare die ursprüngliche Anmeldung sowohl eine Integration in den jeweiligen Antrieb als auch eine übergeordnete Anordnung. Eine Integration in die jeweiligen Antriebe sei nicht wesentlich.

Steuerungen, wie sie in den Absätzen [13], [14] und [25] der veröffentlichten Anmeldung beschrieben seien, stellten nur Weiterbildungen der Erfindung dar und seien insbesondere für die Umsetzung des in Absatz [24] beschriebenen Ausführungsbeispiels nicht wesentlich.

Der Fachmann wisse, dass zum Einsatz eines Schwenkmotors eine mechanische Kopplung der Wellen unumgänglich sei, weswegen diese nicht extra aufgeführt werden müsse. Ob diese mechanische Kopplung durch Zahnräder wie im Streitpatent und D11 oder anders ausgeführt würde, sei dabei nicht wesentlich.

b) Klarheit

Der Begriff "Regelmodul" war bereits Teil des erteilten Anspruchs 1 und könne daher nicht auf mangelnde Klarheit geprüft werden.

c) Mangelnde Ausführbarkeit

Der Fachmann entnähme dem Streitpatent in Absatz [6], dass das veränderbare Schluckvolumen eine Anpassung der Leistungskurve an den jeweils erforderlichen Drehzahlbereich ermögliche und dass das Schluckvolumen daher in Abhängigkeit von der Drehzahl einzustellen sei.

d) Offenbarung von D2

i) Merkmal 1.3

D2 schlage allgemein vor, Konstantmotoren zu verwenden, deren Drehzahlen proportional zum effektiven Volumenstrom durch die Motoren seien (siehe zum Beispiel Anspruch 8 und Absatz [7]). Der effektive Volumenstrom sei dabei derjenige, der in die Kolben der Pumpe gelange. Daher sei der in Absatz [26] vorgeschlagene Motor, bei dem die Drehzahl bei konstantem Volumenstrom von der Pumpe eingestellt werden könne, ein Konstantmotor ohne veränderbares Schluckvolumen, bei dem von dem von der Pumpe gelieferten konstanten Volumenstrom ein effektiver Volumenstrom für die Kolben abgeteilt wird. Ein Beispiel sei in D16 in Figur 1b gezeigt und in Absatz [34] beschrieben.

ii) Merkmal 1.5

Der Begriff "Schwenkmotor" stelle eine Gattungsbezeich­nung dar und sei dem Fachmann allgemein bekannt. Der Fachmann würde diesen Begriff nicht rein funktional auffassen. Stattdessen würde er klar zwischen Motoren und Pumpen unterscheiden. Die in D2 offenbarte Pumpe 27 würde er auf keinen Fall als Schwenkmotor auffassen.

e) Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2

i) Merkmal 1.3

D2 ziele auf einen Schwingungserzeuger mit einem besonders einfachen und robusten Aufbau ab. Zu diesem Zweck lehre D2, die mechanische Phasenverstellung der Unwuchtgewichte zu ersetzen. Aus demselben Grund würde der Fachmann keinen anfälligen Motor mit mechanisch verstellbarer Schrägscheibe und damit veränderbarem Schluckvolumen in Betracht ziehen, um den in Absatz [26] genannten Motor zu implementieren, sondern stattdessen einen robusteren Motor mit Bypass vorsehen, wie er in D16 offenbart ist. Er würde auf diese Weise nicht zum Merkmal 1.3 gelangen.

Dabei könnten beide in D2 vorgesehenen Motoren regelbar ausgeführt sein. Hierdurch könnten beide fast immer mit voller Leistung laufen. Nur während der Phasenverstel­lung würde einer der beiden Motoren kurzzeitig mit geringerer Geschwindigkeit laufen. Dadurch wäre eine Phasenverstellung in beide Richtungen möglich, wobei gleichzeitig der durch die Bypass-Leitung verursachte Leistungsverlust minimiert würde.

ii) Merkmal 1.5

Schwenkmotoren als Phasenschieber waren zwar zum Anmeldetag des Streitpatents bereits allgemein, beispielsweise aus D11, bekannt. Um ausgehend von D2 einen solchen Schwenkmotor vorzusehen, hätte der Fachmann aber die in Absatz [5] genannte Grundaufga­benstellung der D2, einen mechanischen Phasenschieber zu vermeiden, verlassen müssen.

Kupplungen zur Arretierung von relativen Drehpositionen waren zum Anmeldetag des Streitpatents ebenfalls allgemein bekannt. Der Fachmann hätte daher ohne weiteres aus seinem Fachwissen heraus die Kupplung 19 in D2 implementieren können, ohne D11 zu konsultieren. In keinem Fall hätte er den Schwenkmotor aus D11 übernommen.

Darüber hinaus sei in D2 mit den drehzahlregelbaren Motoren bereits ein Phasenschieber vorgesehen. Der Fachmann hätte daher keinen Anlass, einen weiteren, dann redundanten, Phasenschieber vorzusehen. Ein zusätzliches Element würde zu einer erhöhten Fehler­anfälligkeit führen.

Ein Ersatz der drehzahlgeregelten Motoren würde hinge­gen eine völlige Umkonstruktion des Schwingungserzeu­gers der D2 erfordern.

f) Vorbringen ausgehend von D11

Unter Punkt 7.1 der Einspruchsbegründung werde nur Be­zug auf die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 2 wie erteilt genommen. Eine Argumentation ausgehend von D11 fände sich dort nicht.

Ein Wechsel des nächstliegenden Standes der Technik von D2 zu D11 entspräche einer komplett anderen Angriffsstrategie, im Rahmen derer beispielsweise ganz andere objektive technische Aufgaben zu diskutieren wären.

Das Vorbringen der Einsprechenden ausgehend von D11 sei daher nicht zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Streitpatent

Das Streitpatent betrifft einen für Vibrationsramm­geräte geeigneten Schwingungserzeuger, bei dem ein hydraulischer Antrieb Wellen mit Unwuchtgewichten antreibt. Ein Phasenunterschied zwischen den Wellen und damit den Unwuchtgewichten wird mechanisch durch einen Schwenkmotor eingestellt.

Ein Betrieb von Schwingungserzeugern in unterschied­lichen Drehzahlbereichen in Abhängigkeit von der Umge­bung ist dabei vorteilhaft (Absatz [4]). Bei hydrau­lischen Antrieben hängt jedoch die Leistung von der Drehzahl ab, so dass je nach Drehzahl unter Umständen nicht die maximal mögliche Leistung genutzt werden kann. Da auch das Schluckvolumen mit der Drehzahl zusammenhängt (siehe Absatz [7]), schlägt das Streit­patent vor, einen hydraulischen Antrieb mit veränder­lichem Schluckvolumen vorzusehen, um über eine An­passung des Schluckvolumens eine Anpassung der Leistung an verschiedene Drehzahlbereiche zu ermöglichen (Absatz [6]).

3. Dokument D2

Das Dokument D2 betrifft ein Vibrationsrammgerät. Dabei werden zwei Wellenpaare von je einem hydraulischen Motor angetrieben. Deren Drehzahlen können individuell eingestellt werden. Auf beiden Wellenpaaren sind Unwuchtgewichte angeordnet. Der Phasenunterschied zwischen den zwei Wellenpaaren wird dadurch eingestellt, dass die Wellenpaare kurzzeitig mit unterschiedlichen Drehzahlen angetrieben werden. Dadurch kann auf einen im Allgemeinen anfälligen mechanischen Phasenschieber verzichtet werden (Absatz [5]).

4. Unzulässige Erweiterung, Artikel 123(2) EPÜ

4.1 Nur ein Antrieb (siehe die Punkte VII. a) i) und VIII. a) i) oben)

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht, werden im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 mehrere Wellen und wenigstens ein hydraulischer Antrieb mit veränderbarem Schluckvolumen definiert. Da nach der Erfindung das Schluckvolumen verändert wird, um die Leistung an die Drehzahl der Wellen anzupassen, würde der Fachmann den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 so verstehen, dass der wenigstens eine hydraulische Antrieb auch tatsächlich zum Antrieb der genannten Wellen verwendet wird.

Der Begriff "Regelmodul" erscheint in der veröffent­lichten Anmeldung lediglich in Absatz [24] und das in Verbindung mit 2 Antrieben, wie von der Einsprechenden vorgebracht. Der Fachmann würde jedoch erkennen, dass einer der beiden Antriebe im Prinzip ausreichend wäre, da die Wellen mechanisch gekoppelt sind, wie von der Patentinhaberin vorgebracht.

Der Fachmann würde Absatz [24] der veröffentlichten Anmeldung daher nicht entnehmen, dass (mindestens) zwei Antriebe vorgesehen sein müssen, falls Regelmodule verwendet werden.

4.2 Zwischenverallgemeinerungen (siehe die Punkte VII. a) ii) und VIII. a) ii) oben)

Die Absätze [8] und [11] der veröffentlichten Anmeldung (Seite 3, Zeilen 14 bis 18 und Seite 4, Zeilen 7 bis 9 der ursprünglichen Anmeldung) offenbaren ein Steuermodul, mit welchem das Schluckvolumen in Abhängigkeit von der Drehzahl eingestellt werden kann und welches im Antrieb selber oder in einem Steuer- und Regelkreis und damit in ein Regelmodul integriert sein kann.

Bei dem in Absatz [11] genannten Steuer- und Regelkreis handelt es sich dabei um den in Absatz [10] der veröffentlichten Anmeldung (Seite 3, Zeile 24 bis Seite 4, Zeile 5 der ursprünglichen Anmeldung) definierten Kreis, welcher eine einfache Einstellung des gesamten Schwingungserzeugers ermöglichen soll. Der Fachmann würde daher die Absätze [8] bis [11] so lesen, dass der dort genannte Steuer- und Regelkreis im Schwingungserzeuger nur einmal vorhanden ist.

Nach Absatz [24] der veröffentlichten Anmeldung (Seite 7, Zeilen 21 bis 27 der ursprünglichen Anmeldung) wiederum sind die Antriebe 38 mit einem Regelmodul verbunden, über welches das Schluckvolumen in Abhängigkeit vom jeweiligen Betriebsdrehzahlbereich einstellbar ist. Das Regelmodul ist dabei im Antrieb integriert und könnte daher auch zweimal vorhanden sein (einmal pro Antrieb).

Die Kammer ist in der Zusammenschau dieser Stellen der ursprünglichen Anmeldung derselben Ansicht wie die Patentinhaberin, dass der Fachmann die ursprüngliche Anmeldung so verstehen würde, dass die Steuermodule mehrerer Antriebe entweder alle in einen zentralen Steuer- und Regelkreis integriert sind oder dass jeder Antrieb mit einem eigenen Regelmodul verbunden ist, welches in den jeweiligen Antrieb integriert ist. Dass die Integration des Regelmoduls in den Antrieb aus dem Absatz [24] der veröffentlichten Anmeldung nicht in das Merkmal 1.3 übernommen wurde, stellt daher keine Zwischenverallgemeinerung dar.

Die Art und Weise, wie die Steuerung/Regelung des Schwingungserzeugers unter Verwendung einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) erfolgt, wird dabei in den Absätzen [13] und [14] als vorteilhaft, das heißt, als Weiterbildung der Erfindung und damit optional bezeichnet, wie von der Patentinhaberin vorgebracht. Der Fachmann hätte also keinen Grund, anzunehmen, dass die in Absatz [25] der veröffentlichten Anmeldung beschriebenen Merkmale notwendig sind, um das in Absatz [24] beschriebene Ausführungsbeispiel in die Tat umzusetzen.

Dass die Erläuterungen zur Art der Regelung aus dem Absatz [25] der veröffentlichten Anmeldung nicht in das Merkmal 1.3 übernommen wurden, stellt daher ebenfalls keine Zwischenverallgemeinerung dar.

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht, ist es bei der Verwendung eines Schwenkmotors zur Verstellung der Phase von zwei Wellen unumgänglich, diese Wellen (nämlich über den Schwenkmotor) mechanisch zu koppeln. Die in Absatz [22] der veröffentlichten Anmeldung beschriebene Zahnradanordnung stellt eine spezielle Möglichkeit dar, eine solche Kopplung umzusetzen. Der Fachmann wüsste aber, dass diese Zahnradanordnung nicht wesentlich für die Verwendung eines Schwenkmotors ist und dass stattdessen die notwendige mechanische Kopplung auch anders realisiert werden könnte.

Auch diesbezüglich liegt daher keine Zwischenverallgemeinerung vor.

4.3 Schlussfolgerung

Die Einwände der Einsprechenden in Bezug auf unzulässige Erweiterung / Artikel 123(2) EPÜ treffen nicht zu.

5. Klarheit, Artikel 84 EPÜ (siehe die Punkte VII. b) und VIII. b) oben)

Mangelnde Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ ist kein Einspruchsgrund. Das "Regelmodul" war in Anspruch 1 wie erteilt jedoch bereits in der jetzt vorliegenden Form definiert. Auch der Antrieb mehrerer Wellen war durch die Formulierung "zum Antrieb wenigstens einer Welle" bereits durch Anspruch 1 wie erteilt umfasst. Die von der Einsprechenden genannten möglichen Unklarheiten können daher im Lichte der Entscheidung G 03/14 nicht geprüft werden, wie von der Patentinhaberin vorgebracht.

6. Mangelnde Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ (siehe die Punkte VII. c) und VIII. c) oben)

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht, geht unter anderem aus Absatz [6] des Streitpatents hervor, dass das Schluckvolumen in Abhängigkeit von der Drehzahl einzustellen ist (siehe auch Punkt 17.2 der angefoch­tenen Entscheidung).

Das Streitpatent enthält daher entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden durchaus eine Lehre, auf welche Weise das Schluckvolumen einzustellen ist. Eine solche Einstellung ist für den Fachmann durch Anwendung seines allgemeinen Fachwissens auch in ein Regelmodul integrierbar, ohne dass notwendigerweise die Rückkopp­lung einer Regelgröße und damit eine Regelung im strengen Sinne erfolgen muss.

Die von der Einsprechenden vorgebrachten Argumente stellen daher die Ausführbarkeit des Anspruchs 1 nach Artikel 83 EPÜ nicht in Frage.

7. Erfinderische Tätigkeit unter Artikel 56 EPÜ ausgehend von D2

7.1 Unstrittig in D2 offenbarte Merkmale

In den Worten des Anspruchs 1 offenbart D2 unstrittig einen

1.1 Schwingungserzeuger ("vibrating device", Absatz [7]) für ein Vibrationsrammgerät ("object for introducing into or removing from the ground", Absatz [1]),

1.2 umfassend rotierbare Unwuchtmassen 5, 6, 7, 8 (eccentric rotatable weights , Absatz [1]), die auf Wellen ("mounted on toothed wheels", Absatz [20] und Figuren) angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.4 wobei Mittel zur Verstellung der relativen Drehposition der Unwuchtmassen zueinander angeordnet sind ("effecting a difference in phase", Absatz [21], letzter Satz)

7.2 Merkmale, deren Offenbarung in D2 strittig ist

7.2.1 Merkmal 1.3 (siehe die Punkte VII. d) i) und VIII. d) i) oben)

D2 offenbart, einen hydraulischen Motor zu verwenden, dessen Drehzahl bei konstantem Volumenstrom eingestellt werden kann ("Another alternative is that at least one of the motors 3, 4 is embodied as a motor with a rotation speed which can be adjusted at a constant flow volume.", Absatz [26], letzter Satz).

D2 offenbart daher einen hydraulischen Antrieb, der in Abhängigkeit vom jeweiligen Betriebsdrehzahlbereich veränderbar ist. Entsprechende Änderungen werden immer über ein, eventuell sehr einfach gehaltenes, "Regelmodul" erfolgen. D2 offenbart daher einen Teil des Merkmals 1.3.

Dabei wird in D2 zwar außer in Absatz [26] immer auf Konstantmotoren Bezug genommen und in Absatz [26] eine Pumpe mit veränderbarem Fördervolumen erwähnt, wie von der Ein­sprechenden vorgebracht. Der Fachmann würde daraus jedoch nicht schließen, dass der ebenfalls in Absatz [26] genannte Motor zwangsweise ein veränder­bares Schluckvolumen aufweisen müsse. Stattdessen verlangt D2 in Absatz [26] lediglich eine bestimmte Eigenschaft des zu verwendenden hydraulischen Motors, nämlich, dass dessen Rotationsgeschwindigkeit bei konstantem Volumenstrom eingestellt werden kann.

Es ist unstreitig, dass ein Motor mit veränderbarem Schluckvolumen diese Eigenschaft aufweist.

Allerdings ist dies auch bei Konstantmotoren (mit nicht veränderbarem Schluckvolumen) der Fall, bei denen nur ein Teil des konstanten Volumenstroms der von einer Pumpe für den Motor geförderten Hydraulikflüssigkeit effektiv, das heißt zur Erzeugung der Rotation, verwendet wird. Bei diesen Motoren wird der andere Teil der Hydraulikflüssigkeit über einen Bypass drucklos abgeführt. Ein solcher Motor wird beispielsweise im Absatz "Etwas Volumenstrom vorher abzweigen" auf Seite 529 der Entgegenhaltung D9 beschrieben.

Beide Parteien sind sich darin einig, dass der in D16, Figur 1b und Absatz [34] beschriebene Motor nicht als ein Motor mit veränderbarem Schluckvolumen anzusehen ist. Nach dem Wortlaut in Absatz [34] der D16 wird der drucklos abgeführte Teil des Volumenstroms zwar im Hydraulikmotor abgeteilt, weswegen dieser Motor rein formal nach der in Absatz [7] der veröffentlichten Anmeldung gegebenen Bedingung ("Das Produkt aus Schluckvolumen und Drehzahl ergibt den Volumenstrom.") ein veränderbares Schluckvolumen aufweist, wie auch von der Einspruchsabteilung festgestellt (Seite 7, 2. Absatz, vorletzter Satz der angefochtenen Entscheidung).

Im Lichte der oben genannten Stelle der Entgegenhaltung D9und der übereinstimmenden Ansichten beider Parteien kommt die Kammer jedoch zu der Schluss, dass der Fachmann den in Figur 1b der Entgegenhaltung D16 gezeigten Motor nicht als Motor mit veränderbarem Schluckvolumen, sondern als Konstantmotor mit veränderbarem effektiven Volumenstrom auffassen würde.

Bei dem in Absatz [26] der Entgegenhaltung D2 genannten Motor könnte es sich also um einen Motor mit veränderbarem Schluckvolumen handeln. Es könnte sich allerdings, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, auch um einen Konstantmotor mit Bypass handeln, dessen Drehzahlverstellung durch eine Aufteilung des zum Motor geförderten Volumenstroms arbeitet, wie er in Absatz [34] der D16 und auf Seite 529 der D9 beschrieben ist.

Der in Absatz [26] der Entgegenhaltung D2 genannte Motor ist also nicht notwendigerweise und damit nicht eindeutig und zweifelsfrei ein Motor mit veränderbarem Schluckvolumen. D2 offenbart daher nicht das Teilmerkmal, dass

1.3' der wenigstens eine hydraulische Antrieb ein veränderbares Schluckvolumen aufweist.

7.2.2 Merkmal 1.5 (siehe die Punkte VII. d) ii) und VIII. d) ii) oben)

Ein Motor ist nach dem Verständnis der Kammer ein Wandler, der eine mechanische Bewegung erzeugt. Dies ist in Übereinstimmung mit der in D10 genannten Definition, dass ein hydraulischer Motor hydraulische Energie in mechanische Energie umwandelt (D10, Seite 366, linke Spalte). Umgekehrt wandelt nach dieser Definition eine Pumpe mechanische Energie in hydrau­lische Energie um. Der Fachmann würde entsprechend, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, klar zwischen Motoren und Pumpen unterscheiden und dabei, anders als von der Einsprechenden vorgebracht, nicht nur deren Funktionalität berücksichtigen.

Die Pumpe 27 der Figur 3 der D2 kann daher nicht als ein Schwenkmotor im Sinne des Merkmals 1.5 angesehen werden, entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden.

7.3 Unterscheidende Merkmale

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von D2 durch die Merkmale 1.3' und 1.5 wie oben definiert.

7.4 Technische Effekte / zu lösende objektive technische Aufgaben

7.4.1 Merkmal 1.3'

Der technische Effekt des unterscheidenden Merkmals 1.3' ausgehend von D2 ist, dass eine bestimmte Art von hydraulischem Motor ausgewählt wird, der die in Absatz [26] definierte Eigenschaft besitzt. Die entsprechende zu lösende objektive technische Aufgabe besteht darin, den in diesem Absatz formulierten Vorschlag, einen Motor zu verwenden, dessen Drehzahl bei konstantem Volumenstrom einstellbar ist, zu implementieren.

7.4.2 Merkmal 1.5

Der technische Effekt des unterscheidenden Merkmals 1.5 ausgehend von D2 ist, dass eine mechanische Phasenver­stellung der Unwuchtgewichte erfolgt. Die entsprechende zu lösende objektive technische Aufgabe besteht darin, dass alternative Mittel zur Verstellung der relativen Drehpositionen / der Phasen der Unwuchtmassen gefunden werden sollen. Dies entspricht der Aufgabe, die die Einspruchsabteilung formuliert hat (angefochtene Entscheidung, Punkt 18.2, Seite 8, 2. Absatz).

7.5 Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

7.5.1 Merkmal 1.3' (siehe die Punkte VII. e) i) und VIII. e) i) oben)

Auf der Suche nach einem Motor, dessen Drehzahl bei konstantem Volumenstrom einstellbar ist, würde der Fachmann die Grundaufgabenstellung der D2, einen Schwingungserzeuger zu schaffen, dessen Schwingungsintensität effizient und zuverlässig kontrollierbar ist (Absatz [6]: "wherein the intensity of the vibration can be controlled in efficient and reliable manner."), weiter verfolgen, wie von der Patentinhaberin vorgebracht.

Dem Fachmann waren zum Anmeldezeitpunkt des Streitpa­tents hydraulische Motoren mit veränderbarem Schluck­volumen in unterschiedlichen Ausführungsformen bereits allgemein bekannt. Dies wird in der veröffentlichten Anmeldung in Absatz [24] anerkannt und geht auch aus D9 (Seiten 527 und 528) und D10 (Seite 366, Abschnitt "Kolbenmaschinen" bis Seite 367, Abschnitt "Flügelzellenmaschinen") hervor.

Dabei repräsentieren D9 und D10 einen Teil des allgemeinen Fachwissens in Bezug auf Hydrauliklösungen für den Tiefbau. Im Tiefbau herrschen häufig rauhe Einsatzbedingungen. Der Fachmann würde daher davon ausgehen, dass Bauelemente, die in allgemein bekannter Weise in diesem Bereich eingesetzt werden, robust sind und zuverlässig funktionieren, auch wenn sie einstell­bare Elemente wie eine verstellbare Schrägscheibe ent­halten.

Ausgehend von D2 würde der Fachmann also auf der Suche nach einem robusten und zuverlässigen Motor, dessen Drehzahl bei konstantem Volumenstrom einstellbar ist, entgegen dem Vorbringen der Patentinhaberin die Verwen­dung eines Motors mit veränderbarem Schluckvolumen aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus grundsätzlich in Betracht ziehen.

Wie von der Patentinhaberin vorgebracht, könnte der Fachmann bei dieser Suche auch D16 konsultieren und diesem Dokument den Vorschlag entnehmen, einen Konstantmotor mit Bypass zu verwenden, bei dem ein Teil des zugeführten Volumenstroms drucklos abgeleitet wird (Absatz [34]).

Der Fachmann würde jedoch erkennen, dass bei einem solchen Motor, auch wenn er zuverlässig arbeiten mag, immer ein Teil des zugeführten Volumenstroms nicht genutzt wird, wie von der Einsprechenden vorgebracht. Dies wäre, eventuell in geringerem Umfang, auch der Fall, wenn beide Motoren 3 und 4 der D2 als Konstantmotoren mit Bypass ausgeführt würden, wie von der Patentinhaberin vorgeschlagen.

Wenn ein Teil des zugeführten Volumenstroms nicht zur Erzeugung von Bewegung genutzt wird, bedeutet dies eine Reduzierung der Leistung und damit eine geringere Effizienz (siehe zum Beispiel auch D9, Seite 529, mittlere Spalte).

Da in D2 nicht nur nach einer zuverlässigen, sondern auch nach einer effizienten Lösung gesucht wird (Absatz [6]), wie von der Einsprechenden vorgebracht, würde der Fachmann einen Motor mit veränderbarem Schluckvolumen daher einem Konstantmotor mit Bypass vorziehen.

Ausgehend von D2 kann auf Basis der Verwendung eines Motors mit veränderbarem Schluckvolumen nach Merkmal 1.3' daher keine erfinderische Tätigkeit anerkannt werden.

7.5.2 Merkmal 1.5 (siehe die Punkte VII. e) ii) und VIII. e) ii) oben)

Schwenkmotoren waren zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents bereits allgemein bekannt. Auch ihr Einsatz als Phasenschieber für Unwuchtgewichte von Schwingungserzeugern war zum Anmeldetag des Streitpatents zumindest aus D11 bereits bekannt, wie von der Einspruchsabteilung argumentiert (Punkt 18.2 der angefochtenen Entscheidung).

Der in D2 offenbarte Schwingungserzeuger weist jedoch bereits einen Phasenschieber in Form der beiden individuell drehzahlverstellbaren Motoren auf. Ein zusätzlicher, redundanter Phasenschieber ist daher ausgehend von D2 nicht notwendig. Er wäre vom Fachmann auch nicht in Erwägung gezogen worden, da ein zusätzliches, insbesondere mechanisches, Bauelement normalerweise eine weitere Fehlerquelle darstellt und damit die Zuverlässigkeit des Schwingungserzeugers reduzieren würde; in dieser Hinsicht ist die Kammer der Ansicht der Patentinhaberin und nicht der Einsprechenden.

Einen Ersatz des Phasenschiebers der Entgegenhaltung D2, das heißt, der individuell drehzahlverstellbaren Motoren, hätte der Fachmann ohne einen eindeutigen Hinweis im Stand der Technik aber auch schon deshalb nicht in Betracht gezogen, da dies eine vollständige Neukonstruktion des Schwingungserzeugers von D2 erfordern würde, wie von der Patentinhaberin vorgebracht. Die Kammer stellt fest, dass ohne drehzahlverstellbare Motoren auch keine Notwendigkeit zu einem veränderbaren Schluckvolumen nach Merkmal 1.3' gegeben wäre.

Unabhängig davon ist der Grundgedanke in D2, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, dass mechanische Mittel zur Verstellung der relativen Drehposition der Unwuchtmassen ("phase shifter" oder Phasenschieber) kompliziert und störungsanfällig sind (Absätze [4] und [5]).

Die Entgegenhaltung D2 verfolgt ausdrücklich das Ziel, solche zu vermeiden. Nur zu diesem Zweck finden die Hydraulikmotoren 3 und 4, deren Umdrehungsgeschwin­digkeit (und damit die Umdrehungsgeschwindigkeit der Unwuchtgewichte) individuell präzise kontrolliert werden kann (Absatz [7]) in D2 überhaupt Verwendung.

Ausgehend von D2 würde der Fachmann also, auf der Suche nach einer Alternative, zusätzlich oder als Ersatz, zu den in D2 offenbarten Mitteln zur Verstellung der relativen Drehpositionen der Unwuchtmassen, gerade keine mechanischen Mittel und damit auch keinen Schwenkmotor nach Merkmal 1.5 in Betracht ziehen, da D2 von dieser Lösung weg lehrt.

Selbst wenn der Fachmann D11 wegen der Kupplung zurate ziehen würde, würde er daher, anders als von der Einsprechenden vorgebracht, den dort vorgeschlagenen Schwenkmotor zur Phasenverstellung der Unwuchtgewichte nicht übernehmen, wie von der Patentinhaberin argumentiert.

Aus dem obigen folgt, dass der Fachmann ausgehend von D2 ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit einen Schwenkmotor nach Merkmal 1.5 nicht in Betracht gezogen hätte. In diesem Punkt kommt die Kammer zu einem anderen Ergebnis als die Einspruchsabteilung (siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 18.2).

7.5.3 Schlussfolgerung

Aus dem Obigen folgt, dass der Fachmann, ausgehend von D2, zwar das Merkmal 1.3', nicht aber das Merkmal 1.5 in den in D2 offenbarten Schwingungserzeuger integrieren würde. Ausgehend von D2 würde der Fachmann daher nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

8. Vorbringen ausgehend von D11 (siehe die Punkte VII. f) und VIII. f) oben)

Anspruch 2 wie erteilt hängt von Anspruch 1 wie erteilt ab. Die von der Einsprechenden vorgebrachten Einwände in Bezug auf Anspruch 2 unter Verwendung von D11 unter Punkt 7.1 in der Einspruchsbegründung beziehen sich lediglich auf die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 2, nicht auf die des Anspruchs 1, wie von der Patent­inhaberin vorgebracht. Anders als von der Einsprechen­den vorgebracht, enthält die Einspruchsbegründung daher keine Argumentation, die ausschließlich auf D11 beruht.

Eine Argumentation ausgehend von D11 war weder Gegenstand des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens, noch war sie in der Beschwerdeerwiderung enthalten. Stattdessen wurde sie zum ersten Mal als Reaktion auf den die mündliche Verhandlung vorbereitenden Bescheid der Kammer vorgebracht.

Zu diesem späten Zeitpunkt des Verfahrens vorgebrachte Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten bleiben nach Artikel 13(2) VOBK 2020 grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Die Frage, ob der Fachmann ausgehend von D2 (zusätz­lich) eine mechanische Verstellung der relativen Drehpositionen der Unwuchtgewichte vorsehen würde, wurde bereits im erstinstanzlichen Verfahren disku­tiert. Dies geht beispielsweise aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung hervor (Punkte 48 und 49). Im Vergleich dazu wurden im Beschwerdeverfahren keine neuen Tatsachen oder Argumente diskutiert. Die Kammer kann auch keine Veränderung des Schwerpunkts des Streitpatents während des Beschwerdeverfahrens erkennen, anders als von der Einsprechenden vorgebracht. Lediglich die Bewertung der bereits vorher diskutier­ten Tatsachen und Argumente durch die Beschwerdekammer weicht von jener der Einspruchsabtei­lung ab.

Hiermit müssen die Parteien aber bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung beziehungsweise Beschwerde­erwiderung rechnen. Eine solche abweichende Bewertung der Beschwerdekammer kann daher nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020 angesehen werden.

Das neue Vorbringen der Einsprechenden ist nicht auf zusätzlichen Stand der Technik, sondern auf einen Wechsel des nächstliegenden Standes der Technik gestützt, wie von der Einsprechenden argumentiert. Das ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei diesem neuen Vorbringen um eine ganz andere als die bisherige Angriffsstrategie handelt, wie von der Patentinhaberin vorgebracht. In keinem Fall kann das Fehlen von zusätzlichem Stand der Technik in einem neuen Vorbringen als ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020 gewertet werden.

Die Einsprechende konnte also keine stichhaltigen Gründe dafür aufzeigen, dass außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020 vorliegen.

Das Vorbringen der Einsprechenden ausgehend von D11 bleibt daher unberücksichtigt.

9. Schlussfolgerung

Die von der Einsprechenden vorgebrachten Einwände können nicht begründen, dass das Streitpatent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, in der von der Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren beantragten Fassung den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens nicht genügt. Das Streitpatent ist daher nach Artikel 101(3)a) EPÜ in dieser Fassung aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1-10 gemäß 3. Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer;

- Beschreibung Spalten 1-4 gemäß 3. Hilfsantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2020 und Spalten 5-6 der Patentschrift;

- Zeichnungen Figuren 1-2 der Patentschrift.

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