T 1782/16 () of 12.9.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T178216.20190912
Datum der Entscheidung: 12 September 2019
Aktenzeichen: T 1782/16
Anmeldenummer: 10785452.3
IPC-Klasse: B29C 45/16
B29C 37/00
B32B 27/40
B32B 27/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON POLYURETHAN-VERBUNDBAUTEILEN SOWIE DIE VERWENDUNG DIESER VERBUNDBAUTEILE
Name des Anmelders: Covestro Deutschland AG
Name des Einsprechenden: SABIC Global Technologies B.V.
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0247/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin II) betreffen die am 6. Juni 2016 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der Aufrechterhaltung des Europäischen Patents Nr. 2 509 764 auf Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht am 23. April 2016 während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung.

II. Anspruch 1 des erteilten Patents hatte folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Herstellung eines Verbundbauteils umfassend

a) einen Träger aus einer thermoplastischen Zusammensetzung, und

b) mindestens eine in direktem Kontakt zum Träger stehende Polyurethanschicht,

in dem

(i) in einem ersten Verfahrensschritt die Schmelze der thermoplastischen Zusammensetzung

in eine erste Werkzeugkavität eingespritzt und nachfolgend abgekühlt wird, wobei die thermoplastische Zusammensetzung

A) 65,0 bis 90,0 Gew.-Teile, bezogen auf die Summe der Komponenten A und B , mindestens eines Polymers ausgewählt aus der Gruppe der aromatischen Polycarbonate, aromatischen Polyestercarbonate und aromatischen Polyester,

B) 10,0 bis 35,0 Gew.-Teile, bezogen auf die Summe der Komponenten A und B, eines gegebenenfalls kautschukmodifizierten Vinyl(co)polymerisats und

C) 0 bis 30,0 Gew.-Teile, bezogen auf die Summe der Komponenten A bis C, mindestens eines handelsüblichen Polymeradditivs, enthält,

(ii) in einem zweiten Verfahrensschritt die Kavität des Spritzgusswerkzeugs vergrößert und dadurch ein Spaltraum erzeugt wird,

(iii) im dritten Verfahrensschritt in den so resultierenden Spaltraum zwischen dem thermoplastischen Bauteil und der Werkzeugoberfläche der vergrößerten Kavität ein reaktives Polyurethanrohstoffgemisch enthaltend

- mindestens eine Polyisocyanat-Komponente,

- mindestens eine poly funktionelle [sic] H-aktive Verbindung, und

- optional mindestens ein Polyurethan- Additiv und/oder Prozesshilfsstoff

gespritzt wird, wobei das Polyurethan­rohstoff­gemisch im Kontakt mit der Oberfläche des thermoplastischen Trägers zu einer kompakten Polyurethanschicht oder zu einer Polyurethanschaumschicht auspolymerisiert,

(iv) im vierten Verfahrensschritt das Verbundbauteil aus der Werkzeugkavität entformt wird, wobei die Verfahrensschritte unmittelbar aufeinander folgen."

Ansprüche 2-9 waren auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gerichtet und Anspruch 10 auf die Verwendung eines gemäß dem Verfahren der Ansprüche 1 bis 9 erhältlichen Verbundbauteils.

III. Es wurde Einspruch unter Geltendmachung der Gründe gemäß Artikel 100(a) EPÜ (fehlende Neuheit, fehlende Erfinderische Tätigkeit) erhoben.

Unter Anderem wurden folgende Dokumente im Einspruchsverfahren von den Parteien zitiert:

D1: WO-A-2006/072366

D2: US-A-2008/0292864

D5: US-A-3 130 177

D6: Dissertation von Mahmood, N. "Investigations on the adhesion of polyurethane foams on thermoplastic systems", 28. Januar 2005, Seiten 15,16,18,19,21-23, 32,33,46

D10: Erklärung hinsichtlich Bayblend T65.

IV. Gemäß der Entscheidung erfülle der Hauptantrag - das Patent in der erteilten Fassung - die Erfordernisse der Neuheit. Jedoch sei im Hinblick auf die Lehren der Dokumente D1 und D6 das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu verneinen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D1 dadurch, dass das Polycarbonat ("PC") aromatisch sei und ferner dadurch, dass das Mengenverhältnis von Polycarbonat und Vinylcopolymerisat - Komponenten (A) und (B) - nicht offenbart worden sei. Aus den Beispielen des Patents gehe hervor, dass die physikalischen Eigenschaften, insbesondere die Haftung der Verbundteile (Kern/Oberschicht), durch die definierten Mengenverhältnisse verbessert worden sei, sodass die gelöste Aufgabe dementsprechend zu formulieren sei. D6 sei jedoch ein Hinweis zu entnehmen, dass eben durch das Erhöhen des Polycarbonatanteils die Haftung auf Polyurethan ("PU") Schichten verbessert werden würde, mit dem Ergebnis, dass der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Anspruchsgegenstand gelangen würde.

Der Hilfsantrag, gemäß dessen Anspruch 1 die im ersten Verfahrensschritt eingesetzte Zusammensetzung ein Gemisch aus mindestens einem aromatischen Polycarbonat und/oder Polycarbonat und mindestens einem aromatischen Polyester darstelle, entspreche den Erfordernissen des EPÜs.

V. Beide Parteien reichten Beschwerde gegen die Entscheidung ein.

Unter anderem reichte die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) mit Brief vom 28. Februar 2017 zwei weitere Dokumente ein:

D19: US-A-2009/0082516

D20: "Covestro Bayblend T88 GF-10 Polycarbonate + SAN Glass filled Impact Grade", datiert 17. Februar 2017.

VI. Die Kammer versandte eine Ladung zu mündlichen Verhandlung und einen Bescheid mit einer vorläufigen Stellungnahme.

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 12. September 2019 statt.

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin I hinsichtlich des Hauptantrags können folgendermaßen zusammengefasst werden:

a) Zulassung von Dokumenten

D19 und D20 seien verspätet und nicht relevant.

Ferner sei D20 nicht vorveröffentlicht. Deshalb seien die Dokumente nicht zuzulassen.

b) Neuheit

Es sei nicht bestritten, dass das in dem Beispiel von D1 verwendete Produkt Bayblend T65 ein aromatisches Polycarbonat enthalte.

Wie jedoch aus D10 hervorgehe, entspreche das Mengenverhältnis der zwei Komponenten von T65 nicht dem gemäß Anspruch 1. Das Argument der Beschwerdeführerin II, wonach sich durch Kombination der Offenbarung von Bayblend T65 mit anderen Stellen des Dokuments und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung betreffend sogenannte Auswahlerfindungen eine Offenbarung der anspruchsgemäßen Komponenten in dem erforderlichen Mengenverhältnis ergeben würde, sei nicht korrekt. Die Offenbarung von Bayblend T65 in D1 stelle eben keine allgemeine oder vergeallgemeinbare Offenbarung von Mengenbereichen dessen Komponenten dar, sondern sei eine Offenbarung eines definierten Produkts mit festgelegten Mengen der zwei Komponenten. Dies sei auch der Fall, wenn, wie aus D10 hervorgehe, die Zusammensetzung über die Zeit variiert worden sei und zu jedem Zeitpunkt Mengenbereiche der zwei Komponenten anstelle von Punktwerten angegeben worden seien. Die Offenbarung von Bayblend T65 in dem bestimmten Beispiel könne nicht mit dem allgemeinen Teil von D1 kombiniert werden, um eine Offenbarung eines Blends mit den Mengen der Komponenten wie im Anspruch definiert zu konstruieren. Der allgemeinen Offenbarung von D1 für sich alleine genommen sei auch keine entsprechende Offenbarung zu entnehmen. Es sei nicht einmal eine allgemeine Offenbarung der Anwesenheit der zwei Komponenten A und B gemäß Anspruch 1 - unabhängig von derer Mengen - dem Dokument D1 direkt und unmittelbar zu entnehmen.

c) Erfinderische Tätigkeit

D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, wobei das unterscheidende Merkmal eben das Mengenverhältnis der zwei Polymere A und B sei.

Aus den Beispielen des Patents gehe hervor, dass dies zu Verbesserungen insbesondere im Hinblick auf die Haftung führen würde. Ferner seien Verbesserungen im Hinblick auf die Schlagzähigkeit bei 23°C, die Vicat Temperaturen und die Schmelzviskosität des Trägers nachgewiesen worden. Dementsprechend sie die technische Aufgabe zu formulieren.

Dem Stand der Technik sei kein Hinweis auf diese Effekte zu entnehmen.

D6 offenbare lediglich in dem Brückenabsatz zwischen Seiten 32 und 33, dass die Haftung zwischen Träger und Polyurethan (PU) Schicht durch die Anwesenheit von Glasfasern verbessert werden könne. Dies sei ein physikalischer Effekt, welcher durch die Oberflächenrauhigkeit hervorgerufen werde. Der letzte Satz dieses Absatzes stelle ein Postulat dar, nämlich dass die OH Gruppe des Polycarbonats durch Reaktion mit dem Isocyanat ebenfalls zur Verbesserung der Haftkraft führen bzw. beitragen könne. Dies sei jedoch nicht erwiesen worden, noch wurde dieser Effekt - sofern der überhaupt auftreten würde - als ausschlaggebend für die Haftung dargestellt.

Das Dokument D5 betreffe ein anderes Fachgebiet, nämlich Mischungen (Blends) aus Polycarbonaten und elastomerischen Pfropfcopolymeren. Verbundbauteile wie im Patent behandelt seien hier nicht offenbart worden.

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin II können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Zulassung von Dokumente

D19 und D20 seien zitiert worden, um das allgemeine Fachwissen zu belegen. Deshalb sei es unerheblich, dass D20 nicht vorveröffentlicht sei. Die Dokumente seien deshalb zuzulassen.

b) Neuheit

Wie durch D10 bewiesen, unterscheide sich die im Anspruch 1 des Streitpatents definierte thermoplastische Zusammensetzung von dem in dem Beispiel von D1 verwendeten Bayblend T65 nur geringfügig durch das Mengenverhältnis der zwei Komponenten A und B. Insofern dass, nachweislich D10, die Zusammensetzung (Mengenverhältnis der Komponenten) das Produkts Bayblend T65 über die Zeit variiert worden sei, ist die Offenbarung dieser Komponenten in D1 als ein Mengenbereich umfassend zu betrachten. Bei der Beurteilung der Neuheit finde somit die Rechtsprechung hinsichtlich sogenannter Auswahlerfindungen Anwendung. Die Offenbarung des bestimmten Beispiels ist ferner im Zusammenhang mit der der Beschreibung zu berücksichtigen. Hieraus ergäben sich mögliche Mengenbereiche für die zwei Komponenten A und B, die denen gemäß dem Anspruch sehr nahe kämen. Im Vergleich dazu sei der beanspruchte Bereich weder eng noch sehr weit von dem bekannten Bereich (wie aus D10 hervorgehe) entfernt, mit dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung von D1 nicht als neu anzusehen sei. Hierbei sei auf die Entscheidung T 247/91 (30. März 1993) Bezug zu nehmen.

Ferner betreffe die allgemeine Offenbarung von D1 verschiedene einsetzbare Polymere, unter anderem Polycarbonat, ABS, SAN usw. Da keine Mengenbereiche offenbart seien, könne jede davon in Mengen von 0-100/100-0 vorhanden sein. Der anspruchsgemäß ausgewählte Bereich des Mengenverhältnisses erfülle jedoch nicht die Erfordernisse der Neuheit unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung hinsichtlich Auswahlerfindungen entwickelten Kriterien.

c) Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik sei das Beispiel von D1, das die Zusammensetzung Bayblend T65 enthalte.

Nachweislich der Beispiele des Patents werde durch das unterscheidende Merkmal - das Verhältnis des Polycarbonats und des Vinylcopolymerisats - eine Verbesserung der Haftfestigkeit auf der PU Schicht erreicht. Dementsprechend sei die technische Aufgabe zu formulieren.

Aus D6 gehe hervor, dass dieses Ziel dadurch erreicht werden könne, dass Glasfasern der Zusammensetzung beigemischt worden seien. Es werde aber auch gelehrt, dass die Reaktion des Isocyanats mit den OH-Gruppen des Polycarbonats einen Beitrag zur Haftung leiste. Somit sei es als Lösung der gestellten Aufgabe naheliegend, den Gehalt an Polycarbonat zu erhöhen.

Es gehe auch aus D5 hervor, dass in Zusammensetzungen aus Polycarbonat und ABS das Erhöhen des PC-Gehalts zu vorteilhaften Ergebnissen im Hinblick auf die Eigenschaften führe.

X. Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs.

XI. Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung von Dokumenten

D19 und D20 wurden mit Schreiben vom 28. Februar 2017 von der Beschwerdeführerin II eingereicht (nach der Beschwerdebegründung und nach der Erwiderung zur Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I). Deren Zulassung unterliegt somit den Vorschriften des Artikels 13 VOBK.

Laut Aussage der Beschwerdeführerin II seien diese Dokumente zitiert worden, um das allgemeine Fachwissen zu belegen. Sie betreffen jedoch nicht Verbundbauteile, somit sind diese Dokumente prima facie für die zu treffende Entscheidung nicht relevant. Darüber hinaus findet die Kammer keine Änderung in dem Verfahren, die eine späte Einreichung begründen könnte; eine dementsprechende Begründung wurde auch von der Beschwerdeführerin II nicht angegeben.

Somit findet die Kammer es angemessen, ihr Ermessen gemäß Artikel 13 VOBK so auszuüben, dass die Dokumente D19 und D20 nicht ins Verfahren zugelassen werden.

2. Neuheit

2.1 Es wurde nicht bestritten, dass die Verfahrensschritte gemäß D1 denen des Anspruchs 1 entsprechen.

2.2 Es stellt sich jedoch die Frage, ob die anspruchsgemäß eingesetzte Zusammensetzung in D1 offenbart ist.

In dem Beispiel von D1 wird das Produkt "Bayblend T65" verwendet. Es ist nicht strittig, dass D1 lediglich offenbart, dass es sich hierbei um eine Polycarbonat/ABS Mischung handelt (Seite 10, Zeilen 11 und 12). Ferner wird nicht bestritten, dass das Polycarbonat aromatisch ist. Die Mengenverhältnisse der zwei Komponenten werden in D1 nicht offenbart.

Dokument D10, welches von der Beschwerdeführerin I - dem Rechtsnachfolger des Herstellers von Bayblend T65 - stammt, zeigt die Zusammensetzung des unter diesem Handelsnamen verkauften Produkts über einen Zeitraum von etwa 5 Jahren:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Hieraus geht hervor, dass, auch wenn die Zusammensetzung von Bayblend T65 innerhalb einer gewissen Spanne variiert wurde, lag sie durchgehend vollständig außerhalb des anspruchsgemäßen Mengenbereiches. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist dann gegenüber der Offenbarung des Beispiels von D1 als solche neu.

Es ist auch nicht der Fall, dass dieses Beispiel mit der allgemeinen Offenbarung von D1 kombiniert werden kann, um hieraus unter Heranziehung der Rechtsprechung bezüglich Auswahlerfindungen eine entsprechende neuheitsschädliche Offenbarung zu konstruieren oder herzuleiten.

Das Beispiel von D1 verwendet ein spezifisches kommerzielles Produkt, ohne jedoch die prozentuale Zusammensetzung der Komponente zu nennen. Auch ist D1 kein allgemeiner Hinweis auf dieses Verhältnis zu entnehmen, weder im Kontext des bestimmten Beispiels, noch allgemein. Es ist nicht einmal gemäß der Lehre von D1 erforderlich, dass zwei Komponenten verwendet werden. Auch ist eine allgemeine Offenbarung einer Mischung der Komponenten der anspruchsgemäßen Gattungen D1 nicht zu entnehmen. Somit ist die Situation nicht vergleichbar mit derjenigen gemäß der von der Beschwerdeführerin II zitierten Entscheidung T 247/91 (siehe Entscheidungsgründe 3.1-3.3), bei der die explizit erwähnten Temperaturbereiche der Beispiele als stellvertretend für die allgemein offenbarten Temperaturbereiche zu betrachten waren, wodurch die Offenbarung des Beispiels entsprechend dieser allgemeinen Offenbarung auszulegen bzw. zu erweitern sei (Absatz 3.3 der Entscheidung).

2.3 Bezogen auf die allgemeine Offenbarung von D1 werden die einsetzbaren Polymere in einer Liste auf Seite 3, Zeilen 14-26 angegeben. Hier wird zwar allgemein "deren Blends" offenbart. Es gibt jedoch keinen Hinweis auf ein Blend aus den Komponenten A und B gemäß Anspruch 1. Ferner gibt es bezüglich der Mengenverhältnisse der Komponenten, sofern Blends verwendet werden, keine allgemeine Offenbarung oder Mengenverhältnisse.

Somit wäre eine mehrfache Auswahl, sowohl hinsichtlich der Komponenten als auch deren Mengen, aus der Offenbarung von D1 erforderlich, um zu dem Anspruchsgegenstand zu gelangen, wobei es keinerlei Hinweise auf eine solchen Kombination in D1 gibt.

2.4 Die Neuheit gegenüber D1 ist somit gegeben.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Nächstliegender Stand der Technik

Das Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Verbundbauteilen aus einem Träger und einer Polyurethanschicht durch Spritzguss (Anspruch 1, Absatz [0018]). Der Träger enthält mindestens ein Polymer aus der Gruppe der aromatischen Polycarbonate, aromatischen Polyestercarbonate und aromatischen Polyester als Komponente A und ein gegebenenfalls kautschukmodifiziertes Vinyl(co)Polymerisat als Komponente B.

Die technische Aufgabe des Streitpatents ist die Herstellung von Verbundbauteilen mit stabiler Verbundhaftung, wobei der Kern eine hohe Zähigkeit und hohe Schmelzfließfähigkeit aufweist. Die Verbundbauteile werden in einem 2-Komponenten evtl. reaktiven, Spritzgussprozess hergestellt (Absätze [0014]-[0016]).

Es war nicht strittig, dass D1 die gleiche Verfahrensweise offenbart, um die gleiche Aufgabe zu lösen. Innerhalb von D1 stellt das Beispiel den nächstliegenden Stand der Technik dar.

3.2 Unterscheidungsmerkmal

Wie aus Abschnitt 2 oben hervorgeht, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung des Beispiels von D1 durch die definierten Mengenverhältnisse der Komponenten A und B (PC und gegebenenfalls kautschukmodifiziertes Vinylpolymerisat).

3.3 Technischer Effekt

Das Patent enthält Beispiele, bei denen das Mengenverhältnis der Komponenten A und B variiert wird. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 1 wie folgt gezeigt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Aus dem Vergleich insbesondere der Beispiele 2(V), 3(V), 4 und 5 geht hervor, dass Zusammensetzungen mit dem anspruchsgemäßen Mengenverhältnis der Komponenten A und B eine verbesserte Haftung des Trägers zur PU-Schicht aufweisen. Bezüglich des Kerns/Substrats geht hervor, dass die Eigenschaften der Schlagzähigkeit bei 23°C und der Vicat Temperatur hierdurch ebenfalls verbessert werden. Diese Ergebnisse wurden von der Beschwerdeführerin II nicht bestritten.

3.4 Objektiv zu lösende technische Aufgabe

Im Hinblick auf das Vorstehende kann die objektiv zu lösende Aufgabe somit als die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Verbundbauteilen mit verbesserter Haftung zwischen Beschichtung und Kern, sowie mit verbesserter Schlagzähigkeit und Vicat Temperatur des Trägers formuliert werden.

3.5 Die Lösung

Anspruchsgemäß wurde diese Aufgabe durch das Einstellen des Mengenverhältnis der Komponenten des Trägers in den anspruchsgemäßen Bereiches gelöst.

3.6 Naheliegen

D1 betont die Verfahrensführung als maßgebend für das Ergebnis und die Qualität der erhaltenen Verbundformteile (vgl. D1, Seite 2, Zeile 26 bis Seite Seite 4, Zeile 28; Seite 5, Zeilen 24-31). Es wird jedoch nicht auf die Bedeutung der Zusammensetzung des Trägers für den Erfolg des Verfahrens hingewiesen.

Die Doktorarbeit D6 befasst sich mit einer Untersuchung der Haftung von PU-Schäumen auf Thermoplasten. Polycarbonat und deren Mischungen mit ABS werden als bekannt dargestellt (Abschnitt 1.3). Bei den Untersuchungen wird kein Spritzgußverfahren eingesetzt, sondern es wird ein Substrat vorgelegt, die PU Zusammensetzung darauf verteilt und in einem geschlossenen "Foaming Tool" zur Reaktion gebracht (Abschnitt 2.2.1 auf Seite 18). In Abschnitt 3.1.2 auf Seiten 32 und 33 werden die Ergebnisse einer Untersuchung von verschiedenen Thermoplasten mit PU Beschichtungen angegeben. Es wird festgestellt, dass die Zusammensetzung PC/ABS-GF (also eine Mischung aus Polycarbonat, ABS und Glasfasern) eine höhere Haftung auf die PU Schicht aufweist als PC/ABS, also ohne Glasfasern. Auf Seite 33, Zeilen 1-4 wird erklärt, dass die bessere Haftung auf die durch die Glasfasern hervorgerufene erhöhte Oberflächenrauheit - also eine physikalische Wechselwirkung - zurückzuführen ist.

In den nächsten zwei Zeilen wird erklärt, dass die OH Gruppe des PC mit der Isocyanatgruppe reagiert und das der Verbundfähigkeit beitragen könnte ("and that could also contribute to the interfacial strength"). Dieser zweite - chemische - Effekt wird also als hypothetisch und, sofern er in der Tat stattfinden würde, nicht als maßgebend für die Haftung mit der PU Oberfläche dargestellt.

Somit geht aus D6 die Lehre hervor, dass die Verbesserung der Haftung des PC/ABS-GF Trägers mit der PU Schicht im Wesentlichen ausschließlich durch physikalische Effekte hervorgerufen wird und dass ein chemischer Beitrag, sofern der überhaupt stattfindet, nicht ausschlaggebend ist.

Somit enthält D6 keine Lehre, eine Verbesserung der Haftung von PU Schichten auf PC/ABS Substraten durch Anpassung bzw. Änderung des PC-Gehaltes zu erreichen.

D5 betrifft die Verbesserung der Thermoplastizität von Polycarbonaten durch Zugabe bestimmter Pfropfcopolymere (Anspruch 1; Spalte 1, Zeilen 15-28). Die mechanischen Eigenschaften des Polycarbonats werden als ausreichend dargestellt, jedoch reicht die Thermoplastizität für die erforderliche Verarbeitung nicht aus (Spalte 1, Zeilen 30-68). Verbundbauteile werden jedoch nicht behandelt und es sind somit dem D5 keine Informationen bezüglich der Verbesserung der Haftung von PU Schichten auf die PC/Pfropfcopolymere Formmassen zu entnehmen. Auch ist D5 keine Lehre bezüglich einer etwaigen Verbesserung der mechanischen Eigenschaften durch die Beimischung des Pfropfcopolymerisats zu entnehmen.

Es ist fraglich, ob der Fachmann im Anbetracht der oben formulierten objektiven Aufgabe D5 überhaupt herangezogen hätte. Auch wenn D5 berücksichtigt werden würde, ist es nicht bewiesen worden, dass dessen Lehre zur Lösung des patentgemäßen Problems geführt hätte.

Aus diesen Gründen ist eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.

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