T 1601/16 (ZUBEREITUNGSFORMEN VON EXTRAKTEN AUS BOSWELLIA / CATALENT) of 13.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T160116.20190513
Datum der Entscheidung: 13 Mai 2019
Aktenzeichen: T 1601/16
Anmeldenummer: 01967355.7
IPC-Klasse: A61K 9/48
A61K 35/78
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ORALE ZUBEREITUNGSFORMEN VON EXTRAKTEN AUS BOSWELLIA
Name des Anmelders: Catalent Germany Eberbach GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Hauptantrag - Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde der Anmelderin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 01 967 355.7, eingereicht als internationale Patentanmeldung PCT/EP01/10821, zurückzuweisen.

II. Grundlage für die angefochtene Entscheidung war als einziger Antrag ein mit Schreiben vom 29. Januar 2013 eingereichter Hauptantrag mit 2 Ansprüchen.

Der unabhängige Anspruch 1 dieses Antrags lautete wie folgt:

"1. Orale Zubereitungsformen von Extrakten aus Boswellia in fester, zähflüssiger oder flüssiger Form, in Form von einer oder mehrerer Boswelliasäuren, deren Derivaten sowie Gemischen derselben, dadurch gekennzeichnet, dass sie als Weichgelatinekapseln vorliegen und Propylenglykollaurat enthalten."

III. In ihrer Entscheidung kam die Prüfungsabteilung zu dem Ergebnis, dass dieser Anspruch nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genügte. Insbesondere führte sie aus, dass das anspruchsgemäße Merkmal des Propylenglykollaurats lediglich in den Beispielen 1 und 3 der Anmeldung offenbart sei. Da jedoch ein struktureller und funktionaler Zusammenhang zwischen Propylenglykollaurat und den übrigen spezifischen Merkmalen dieser Beispiele bestünde, sei die in Anspruch 1 vorgenommene Verallgemeinerung wegen unzulässiger Erweiterung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ nicht gewährbar.

IV. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Mit ihrer Beschwerdebegründung verteidigte sie den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag und reichte einen ersten Hilfsantrag ein.

V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK erläuterte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung, dass weder der Hauptantrag noch der erste Hilfsantrag die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfülle.

VI. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 reichte die Beschwerdeführerin drei weitere Hilfsanträge ein.

VII. Eine mündliche Verhandlung fand am 13. Mai 2019 statt. In dieser Verhandlung legte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag vor und erklärte, dieser solle alle bisher gestellten Anträge ersetzen. Der einzige Anspruch dieses neuen Hauptantrags lautet:

"Weichgelatinekapsel enthaltend ausschließlich eine Lösung, welche aus einem Trockenextrakt aus Boswellia, in Form von einer oder mehrerer Boswelliasäuren, deren Derivaten sowie Gemischen derselben, in Propylenglykollaurat besteht."

VIII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hauptantrags zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Anspruch 1 - Artikel 123 (2) EPÜ

1.1 Die der vorliegenden Patentanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung (nachfolgend "Anmeldung") zugrundeliegende Erfindung betrifft allgemein Gelatinekapseln mit Extrakten aus Boswellia in fester, zähflüssiger oder flüssiger Form, in Form von einer oder mehrerer Boswelliasäuren, deren Derivaten sowie Gemischen derselben. Diese Kapseln sind vorzugsweise Weichgelatinekapseln und weisen laut der vorliegenden Anmeldung eine deutlich höhere Wirksamkeit auf als handelsübliche Tabletten oder auch andere Tabletten (siehe Seite 2, letzter Absatz und Seite 3, erster Absatz der Beschreibung sowie die Ansprüche 1 und 2 der Anmeldung).

1.2 Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 ist gegenüber dieser allgemeinen technischen Lehre dahingehend eingeschränkt, dass

i) die beanspruchte Weichgelatinekapsel ausschließlich eine Lösung enthält, und

ii) dass diese Lösung aus einem Trockenextrakt aus Boswellia, in Form von einer oder mehrerer Boswelliasäuren, deren Derivaten sowie Gemischen derselben, in Propylenglykollaurat besteht.

1.3 Kapseln, welche ausschließlich eine derartige Lösung enthalten, werden in Beispiel 4 in Zusammenschau mit Beispiel 3 der Anmeldung offenbart. Jedoch weisen diese Kapseln gegenüber den Kapseln gemäß Anspruch 1 folgende

Unterschiede auf:

(i) ihr Kapselmaterial wird nicht näher definiert, während Anspruch 1 auf Weichgelatinekapseln eingeschränkt ist,

(ii) die in den beispielhaften Kapseln befindliche Lösung ist im Gegensatz zu Anspruch 1 auf einen bestimmten Trockenextrakt aus Boswellia serrata beschränkt und sie weist zudem eine bestimmte Menge an Propylenglykollaurat und an Boswellia-Trockenextrakt auf. Demgegenüber enthält Anspruch 1 keine diesbezüglichen Mengenangaben.

1.4 Nach Auffassung der Kammer führen die unter Punkt (i) aufgeführte Einschränkung bzw. die unter Punkt (ii) erwähnten Verallgemeinerungen in Anspruch 1 nicht zu einem Gegenstand, der über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht.

1.4.1 Insbesondere würde der Fachmann die in Beispiel 4 offenbarten Kapseln im Kontext der in der Anmeldung allgemein beschriebenen Erfindung lesen. Diese betrifft Gelatinekapseln und vorzugsweise Weichgelatinekapseln (siehe oben unter Punkt 1.1). Folglich liegt hinsichtlich der in Anspruch 1 vorgenommenen Einschränkung auf Weichgelatinekapseln kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.

1.4.2 Das gleiche gilt für die in Anspruch 1 vorgenommen Verallgemeinerungen (siehe oben unter Punkt (ii)). Hierzu stellt die Kammer insbesondere folgendes fest:

Beispiel 3 der vorliegenden Anmeldung lehrt, dass eine erfindungsgemäße Propylenglykollauratlösung im Gegensatz zu einer Vergleichstablette enthaltend eine identische Dosis von 11-keto-ß-Boswelliasäure einen ödemreduzierenden Effekt in einem carrageenininduzierten Rattenpfotenödemtest bewirkt. Des Weiteren zeigt Figur 2 der Anmeldung, dass Kapseln gemäß Beispiel 4 eine bessere Bioverfügbarkeit (ausgedrückt als AUC-Wert bezogen auf den Blutspiegel von 11-keto-ß-Boswelliasäure) aufweisen als entsprechende Vergleichstabletten gemäß Beispiel 3.

Ausgehend von diesen Versuchsergebnissen und unter Berücksichtigung der Gesamtoffenbarung der Anmeldung würde der Fachmann folglich zu dem Schluss gelangen, dass die erfindungsgemäße Zubereitungsform, das heißt die Verabreichung in Kapseln, bevorzugt Weichgelatinekapseln, enthaltend ausschließlich eine Lösung bestehend aus einem Boswellia-Trockenextrakt in Propylenglykollaurat, wesentlich für die festgestellten technischen Wirkungen ist. Die in Beispiel 3 offenbarten qualitativen Eigenschaften des dort beschriebenen Boswellia-Trockenextrakts sowie die in diesem Beispiel angegebenen Mengen an Propylenglykollaurat und an Boswellia-Trockenextrakt würde er hingegen für nicht ausschlaggebend ansehen.

1.4.3 Dementsprechend gelangt die Kammer zu dem Schluss, dass Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genügt.

2. Zurückverweisung

2.1 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, die Sache selbst zu entscheiden oder sie an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Einen

absoluten Anspruch auf Entscheidung einer Frage in zwei Instanzen gibt es nicht, vielmehr dient die Beschwerde dazu, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit der

gerichtlichen Überprüfung zu bieten, ob die angefochtene Entscheidung richtig war. Außerdem sind bei der Entscheidung über eine Zurückverweisung noch weitere Faktoren zu berücksichtigen, so die Anträge der Beteiligten, das allgemeine Interesse daran, das Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, oder die Frage, ob die Sache im Verfahren vor der Prüfungsabteilung erschöpfend behandelt worden ist.

2.2 Da sich die Prüfungsabteilung ausschließlich mit der Frage befasst hat, ob der ihrer Entscheidung zugrundeliegende Hauptantrag den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genügt, hält es die Kammer für angebracht, die Sache auf der Grundlage des nunmehr vorliegenden Hauptantrags zur weiteren Verhandlung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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