European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T157616.20191001 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 October 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1576/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07006905.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | F04D 29/42 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gehäuse für Radialgebläse | ||||||||
Name des Anmelders: | MAHLE Behr GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | VALEO SYSTEMES THERMIQUES | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - implizite Offenbarung Erfinderische Tätigkeit Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein) Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 6. Juni 2016, das Patent in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 3 aufrecht zu erhalten (Artikel 101 (3) a) EPÜ), weil der Gegenstand dessen Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinausgehe (Artikel 123(2) EPÜ), neu sei (Artikel 54(1), (2) EPÜ) sowie auf erfinderischer Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ).
In der Entscheidung sind insbesondere die folgenden Dokumente erwähnt:
D7: US 5 281 092 A
D9: US 4 448 573
D12: EP 1 106 837 A1.
II. Die Patentinhaberin legte am 6. Juli 2016 Beschwerde ein und entrichtete am gleichen Tag die Beschwerdegebühr. Ihre Beschwerdebegründung folgte am 17. Oktober 2016.
Die Einsprechende legte am 26. Juli 2016 Beschwerde ein und entrichtete am gleichen Tag die Beschwerdegebühr. Ihre Beschwerdebegründung folgte am 5. Oktober 2016.
III. Am 1. Oktober 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in Anwesendheit beider Parteien statt.
IV. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, d.h. die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents wie erteilt, als Hauptantrag,
hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 17 Oktober 2016,
weiter hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents im Umfang des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreichten Hilfsantrags 3,
weiter hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 4 oder 5, eingereicht mit Schriftsatz vom 25 April 2017.
Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents im vollen Umfang.
V. Anspruch 1 hat in den für diese Entscheidung maßgeblichen Anträgen folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (wie erteilt)
"Trommelläufer-Radialgebläse mit axialer Erweiterung des Spiralgehäuses, dadurch gekennzeichnet, dass
mindestens eine Seitenfläche des Spiralgehäuses (3), die senkrecht zu einer Drehachse (A) des Rotors (2) angeordnet ist, mindestens zwei parallel zueinander angeordnete bereiche (7 und 8) aufweist, die in Längsrichtung der Drehachse (A) zueinander um eine konstante Höhe (x) versetzt sind,
wobei der nach außen versetzte Bereich (7) mit einem Übergangsbereich (7') beginnt, der einen Winkelbereich von 0 bis 90°, insbesondere 20 bis 60° einnimmt."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag mit folgender Ergänzung am Ende des Anspruchs:
"..., wobei der nach außen versetzte Bereich (7) mit einem Übergangsbereich (7') beginnt, der einen Winkelbereich von 20 bis 60° einnimmt".
Hilfsantrag 2
Wie im Hilfsantrag 1 mit folgender Ergänzung am Ende des Anspruchs:
"..., wobei das Verhältnis aus axialem Versatz (x) zum Rotorradius (R) zweier benachbarter Bereiche (7 und 8) 0.05 bis 0.7 beträgt".
Hilfsantrag 3
Wie im Hilfsantrag 2 mit folgenden Änderungen (von der Kammer durch Streichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):
"... [deleted: 0.05 bis 0.7] 0.1 bis 0.4 beträgt, wobei der nach außen versetzte Bereich (7) nach einem Winkelbereich bis maximal 120°, ausgehend vom Beginn des Spiralkanals beginnt".
Hilfsantrag 4
Wie im Hilfsantrag 2 mit folgenden Änderungen (von der Kammer durch Streichung bzw. Unterstreichung hervorgehoben):
""... [deleted: 0.05 bis 0.7] 0.1 bis 0.4 beträgt, wobei auf genau einer Seite des Spiralgehäuses (3) ein Versatz von zwei Bereichen (7 und 8) in axialer Richtung vorgesehen ist, während auf der anderen, gegenüberliegenden Seite des Spiralgehäuses (3) eine durchgehende Ebene vorgesehen ist".
VI. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin trägt im wesentlichen folgendes vor:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die Offenbarung der D7.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 sei offensichtlich gewährbar. Deshalb sei Hilfsantrag 3 als legitime Reaktion auf die Entwicklung des Beschwerdeverfahrens zu diesem zuzulassen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 sei ursprünglich offenbart, neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber einer Kombination von D7 mit D12.
VII. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende trägt im wesentlichen folgendes vor:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 sei nicht neu im Hinblick auf die Offenbarung der D7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D7.
Hilfsantrag 3 sei nicht zum Verfahren zuzulassen, da er zum einen verspätet vorgelegt, zum anderen nicht offensichtlich ursprünglich offenbart sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 enthalte eine Merkmalskombination, die so nicht ursprünglich offenbart sei bzw. eine Zwischenverallgemeinerung darstelle. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber einer Kombination von D7 mit D12.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet lediglich, dass D7 eindeutig ein Trommelläufer-Radialgebläse im Sinne des Anspruchs 1 offenbart.
Wie sie während der mündlichen Verhandlung anhand einer Skizze erläutert, erstreckten sich die Rotorblätter eines Trommelläufers im wesentlichen axial bzw. parallel zur Drehachse des Rotors in einem zu dieser konzentrischen Hohlzylinder. Der in D7 verwendete Begriff "centrifugal fan" umfasse aber ebenso Rotoren wie den in D9 (Fig. 2, 8) gezeigten "impeller", dessen Rotorblätter 33 sich ausgehend von der Drehachse bzw. Nabe des Rotors radial nach außen erstreckten.
1.2 Die Kammer stimmt mit dieser Definition insoweit überein, als dass der Begriff "Trommelläufer" aus der zylindrischen Trommelform des Rotors abgeleitet zu sein scheint, die wiederum durch die axiale Erstreckung der Rotorblätter entsteht. Ein propellerartiger oder scheibenförmiger Rotor wie in D9 hat keine solche Trommelform.
1.2.1 In D7 ist zwar der eigentliche Rotor oder "centrifugal fan" bzw. "impeller" nicht gezeigt - trotzdem lässt die Form des ihn aufnehmenden Gehäuses 61, 62 mit den typischen runden und relativ großflächigen Einlassöffnungen 51, 52 einen unmittelbaren und eindeutigen Rückschluss auf seine Hohlzylinder- bzw. Trommelform zu (siehe Fig. 1, 3, 4).
1.2.2 Dabei wird für alle Ausführungsformen betont, dass zwischen den nach innen gewölbten Rändern 79, 80 der kreisförmigen Einlassöffnungen 51, 52 und dem Rotor ein kontinuierlicher gleichförmiger umlaufender Einlassspalt ("continous uniform circumferential inlet gap") vorgesehen ist (z.B. Spalte 6, Zeilen 30-36 für Fig. 1-4). Mit der Rotorblattgeometrie eines Propellers wie in D9 ließe sich ein solcher Spalt nicht erzielen, wohl aber mit einem Trommelläufer, der sogar eine Ringfläche an einer Stirnsite aufweisen kann (wie ebenfalls von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin skizziert).
1.3 Da ein Fachmann somit vernünftigerweise nichts anderes als einen Trommelläufer unter dem "centrifugal fan" oder "impleller" der D7 verstehen würde, die im übrigen unbestritten alle sonstigen Merkmale des erteilten Anspruchs 1 offenbart, ist dessen Gegenstand nicht neu im Sinne von Artikel 54(1), (2) EPÜ.
2. Hilfsantrag 1 - Neuheit
2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist dadurch gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt, dass der Übergangsbereich einen Winkelbereich von 20 bis 60° einnimmt.
2.2 Das Ausführungsbeispiel der D7, Fig. 21, 22 weist einen ersten Bereich 44c mit parallelen Seitenwänden 72c auf, die sich über einen Winkelbereich von 320° bis zu einem (Übergangs)Bereich ("transition zone") Tc erstrecken. Nach diesem Bereich Tc bei 320° und bis zu einem zweiten Bereich 45c bei 360° entfernen sich die Seitenwände 74c zunehmend voneinander ("progressively diverge away from each other"), ähnlich wie in Fig. 5 der D7 gezeigt (Spalte 14, Zeilen 1-19), und bilden somit einen anspruchsgemäßen Übergangsbereich, der sich über einen Winkelbereich von 40° erstreckt.
2.3 Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin bestreitet zum einen, dass sich der Übergangsbereich zwischen Tc und 45c über einen Winkelbereich erstreckt, da er offensichtlich keinen gekrümmten Bereich des Spiralgehäuses, sondern einen linearen Strömungskanal ausbildet.
Zum anderen sei in D7 zwar eine Position eines Übergangsbereichs Tc bei 320° angegeben, jedoch nicht dessen Erstreckung über einen bestimmten Winkelbereich.
2.4 Nach Ansicht der Kammer verlangt Anspruch 1 nicht, dass der Strömungskanal des Spiralgehäuses im Übergangsbereich gekrümmt verläuft. Die Winkelangaben beziehen sich auf eine übliche Skalierung des Spiralgehäuses "ausgehend vom Beginn des Spiralkanals bzw. Ende des Sporns vom Spiralgehäuse" (Absatz [0019] der Patentschrift) bzw. dem "volute tongue or cut-off point 43c" (in D7) bei 0°.
Im übrigen scheinen die oben aus D7 zitierten Winkelangaben für Beginn Tc und Ende 45c des Übergangsbereichs so eindeutig, dass sich daraus der von diesen begrenzte Winkelbereich des Übergangsbereichs unmittelbar entnehmen lässt.
2.5 Da dieser Winkelbereich von 40° in den beanspruchten Winkelbereich von 20° bis 60° fällt, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht neu im Sinne von Artikel 54(1), (2) EPÜ.
3. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist durch folgende zusätzliche Merkmale gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 eingeschränkt:
Das Verhältnis aus axialem Versatz (x) zum Rotorradius (R) zweier benachbarter Bereiche (7 und 8) beträgt 0.05 bis 0.7.
3.2 D7 enthält keinerlei konkrete Zahlenangaben bezüglich der Größe des Rotorradius und des axialen Versatzes. Deshalb kann - entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin-Einsprechenden - auch kein bestimmtes Verhältnis beider Größen unmittelbar und eindeutig aus D7 abgeleitet werden.
Die Figuren der D7 sind schematische Zeichnungen, die nicht dazu verwendet werden können, ein genaues Verhältnis zwischen zwei Größen herzuleiten (RdBK, 9. Auflage 2019, I.C.4.6.).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich somit vom Gebläse der D7 durch den beanspruchten Wertenbereich für das Verhältnis des axialen Versatzes zum Radius.
3.3 Der Fachmann ist vor die Aufgabe gestellt, das Radialgebläse der D7 in die Praxis umzusetzen, wobei insbesondere hohe Effizienz und geringe Geräuschentwicklung durch axiale Aufweitung des Strömungskanals realisiert werden sollen (D7, Spalte 2, Zeilen 25-27 und 46-58).
3.4 Einen Ausgangspunkt für diese Optimierung der Aufweitung in einem Übergangsbereich, die bei 46 in einen axialen Versatz in einem anschließenden zweiten oder Ausgangsbereich 45 übergeht, findet er in der schematischen Darstellung der Fig. 4: Der axiale Versatz der Seitenwände 73, 74 ist auf jeden Fall wesentlich kleiner als der Radius des Trommelläufers, der für gewöhnlich mindestens dem Radius der Einlassöffnungen 51, 52 entspricht. Als möglicher Ausgangswert für eine Optimierung scheint sich ein Verhältnis von etwa 0.5 anzubieten.
Es ist daher anzunehmen, dass der Fachmann im Zuge der Optimierung einen Wert für die maximale axiale Aufweitung und damit den axialen Versatz erhält, der zu einem in den breiten beanspruchten Bereich von 0.05 bis 0.7 fallenden Verhältnis führt. Falls, wie die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin vorträgt, ein größerer Versatz, aus dem sich ein Verhältnis jenseits von 0.7 ergibt, die akustischen Eigenschaften verschlechtert, wird der Fachmann dies ebenfalls bei seiner Optimierung feststellen.
3.5 Weil der Gegenstand des Anspruchs 1 somit bei routinemäßiger Ausübung fachmännischer Tätigkeit im Rahmen der Lehre der D7 erhalten werden könnte und würde, beruht er nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
4. Hilfsantrag 3 - Zulassung zum Verfahren
4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist dadurch gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 eingeschränkt, dass das Verhältnis aus axialem Versatz (x) zum Rotorradius (R) 0.1 bis 0.4 beträgt; sowie durch den Beginn des nach außen versetzten Bereichs (7) innerhalb eines anfänglichen Winkelbereichs des Spiralgehäuses von 120°.
4.2 Hilfsantrag 3 wurde erst in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin als Ersatz für den mit ihrer Beschwerdeerwiderung vorgelegten früheren Hilfsantrag 3 eingereicht. Dieser Antrag ist somit verspätet und seine Zulassung liegt im Ermessen der Kammer unter Artikel 13(1) und (3) VOBK. Demzufolge sind in diesem Fall Änderungen des Vorbringens nicht zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem anderen Beteiligten ohne Verlegung der Verhandlung nicht zuzumuten ist. Nach ständiger Rechtsprechung übt die Kammer bei neuen Anträgen dieses Ermessen so aus, dass - wenn keine Rechtfertigung vorliegt - der neue Antrag eindeutig oder offensichtlich gewährbar sein sollte (RdBK, 9.Auflage 2019, V.A.4.5.1 b).
4.2.1 Nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15(1), auf die die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin mit Schreiben vom 17. April 2019 reagiert hat, hat sich der rechtliche und faktische Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht geändert, so dass die Einreichung eines neuen Antrags nicht dadurch veranlasst war oder erforderlich wurde.
Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin sieht zwar in den während der mündlichen Verhandlung von der Kammer geäußerten Zweifeln an der erfinderischen Tätigkeit des früheren Hilfsantrags 3 eine solche Veranlassung. Ein Hinterfragen der erfinderischer Tätigkeit seitens der Kammer stellt aber keine Änderung des Sachverhalts dar, die bereits an sich eine Änderung des Vorbringens in Form eines neuen Hilfsantrags rechtfertigen könnte. Das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit im Bezug auf den Hilfsantrag 3 wurde durch die Beschwerdeführerin-Einsprechende bereits in dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung geltend gemacht und auch in ihrer Beschwerde weiterverfolgt.
4.2.2 Zudem scheint der Gegenstand des Anspruchs 1 des neuen Hilfsantrags 3 nicht eindeutig auf erfinderischer Tätigkeit zu beruhen. Die Behauptung, dass die geänderten Werte eine besonders gute Akustik und einen besonders guten Wirkungsgrad bewirken, bleibt ohne Nachweis. Selbst das einzige Ausführungsbeispiel fällt nicht unter die beanspruchte Kombination von Parameterwerten und -bereichen: Der Übergangsbereichs 7' ist im Bereich zwischen 120° und 135° ausgehend vom Beginn des Spiralgehäuses angeordnet (Absatz [0019] der Patentschrift), so dass sein Winkelbereich nur 15° beträgt statt der beanspruchten 20° bis 60°.Weil keine technische Aufgabe ersichtlich ist, die durch den Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst wird, scheint die Kombination der beanspruchten Parameterwerte und -bereiche auf willkürlicher Auswahl zu beruhen.
4.3 Da der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 somit nicht eindeutig und offensichtlich gewährbar ist, lässt die Kammer den neuen Hilfsantrag 3 in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) und (3) VOBK nicht zum Beschwerdeverfahren zu.
5. Hilfsantrag 4
5.1 Ursprüngliche Offenbarung
5.1.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ist dadurch gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 eingeschränkt, dass das Verhältnis aus axialem Versatz (x) zum Rotorradius (R) 0.1 bis 0.4 beträgt; sowie dadurch, dass der Versatz nur auf einer Seite des Spiralgehäuses vorgesehen ist, während auf der anderen, gegenüberliegenden Seite eine durchgehende Ebene vorgesehen ist.
5.1.2 Anspruch 1 geht auf die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3 und 6 sowie Absatz [0009] der Offenlegungsschrift zurück, der als Teil der allgemeinen Beschreibung dem ursprünglichen Anspruch 2 zugeordnet ist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht somit nicht über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).
5.1.3 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende bemängelt, der Anspruch sei so breit gefasst, dass er Ausführungsformen umfasse, die nicht ursprünglich offenbart seien. In der Offenlegungsschrift sei nämlich nur ein einziges Ausführungsbeispiel beschrieben, das in untrennbarem Zusammenhang mit der jetzt beanspruchten Kombination von Parameterwerten und -bereichen einen Übergangsbereich zwischen 120° und 135° ausgehend vom Beginn des Spiralkanals aufwiese (Absatz [0019]). Da diese Merkmale in Anspruch 1 fehlten, stelle seine Merkmalskombination eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.
5.1.4 Die Kammer kann dem nicht folgen. Anspruch 1 muss nicht auf das Ausführungsbeispiel als Offenbarungsgrundlage zurückgreifen, da er auf einer Kombination von Ansprüchen und allgemeinem Teil der Beschreibung beruht (siehe oben Punkt 5.1.2). Im vorliegenden Fall kann das Ausführungsbeispiel gar nicht als Offenbarungsgrundlage dienen, da es nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist (siehe oben Punkt 4.2.2).
5.2 Erfinderische Tätigkeit
5.2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich durch den Wertbereich 0.1 bis 0.4 für das Verhältnis Versatz zu Radius und durch einen einseitigen Versatz vom Radialgebläse der D7.
5.2.2 Als zu lösende Aufgabe kann angesehen werden, den für das Radialgebläse der D7 erforderlichen Bauraum insbesondere in der Breite, also in axialer Richtung zu reduzieren. Dies steht in Einklang mit der in Absatz [0008] der Patentschrift erwähnten Wirkung eines Ausgleichs "einer bauraumbedingten Querschnittsverringerung im Bereich des Spiralgehäuses".
5.2.3 Zur Lösung dieser Aufgabe scheint es naheliegend, die Größe des axialen Versatzes eher "nach unten zu optimieren", also den kleinstmöglichen Versatz zu wählen, bei dem noch eine zufriedenstellende Akustik und Effizienz erreicht werden. Auf diesem Wege könnte der Fachmann in naheliegender Weise zu einem axialen Versatz gelangen, aus dem sich ein in den in Anspruch 1 angegebenen Bereich von 0.1 bis 0.4 fallendes Verhältnis zum Rotorradius ergibt.
Die Kammer hält es jedoch nicht für offensichtlich, zur Lösung dieser Aufgabe die völlig symmetrische Bauart des Spiralgehäuses der D7 in eine anspruchsgemäße asymmetrische umzuwandeln. Denn der symmetrische Gehäuseaufbau und die Verbindung von Gehäuseteilen zu einem symmetrischen Ganzen ist ein zentraler Gesichtspunkt der D7, der nie durch Angabe möglicher alternativer Ausführungsformen in Frage gestellt wird. Auch wenn es um die Veränderung der axialen Erstreckung und somit der Gehäuse-Breite geht, lehrt D7, die symmetrische Form beizubehalten und lediglich den Gehäuse-Mittelteil zwischen den Radialebenen R1 und R2 schmäler auszubilden (Spalte 9, Zeilen 17-45, Fig. 3, 4). Da D7 also selbst eine mögliche Lösung für die Aufgabe anbietet, besteht umso weniger Anlass, das Symmetrieprinzip zu verlassen und einen axialen Versatz des Spiralkanals nur auf einer Gehäuseseite vorzusehen.
5.2.4 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende argumentiert, ein Fachmann würde zur Lösung obiger Ausgabe D12 heranziehen, die das gleiche Ziel einer Bauraum-Verringerung verfolgt (Absatz [005]). Die Übertragung der Lehre der D12 (Fig. 1a, 2b, 3a), eine Aufweitung des Spiralkanals 38 nur auf der der Einlassöffnung 50 gegenüberliegenden Gehäuseseite vorzusehen, auf das Radialgebläse der D7 führe unmittelbar und in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
5.2.5 Die Kammer ist nicht überzeugt, dass ein Fachmann in D12, deren Radialgebläse nur einen einseitigen Lufteinlass ermöglicht, nach Hinweisen für eine Bauraumreduzierung des Radialgebläses der D7 mit seinem doppelseitigen Lufteinlass forscht.
Selbst wenn er die D12 näher in Betracht zöge, hielte er sie nicht für relevant für die Lösung der objektiven Aufgabe, denn D12 will eine radiale Verringerung des Bauraums erreichen, nicht eine axiale (D12, Absatz [0009]). Dazu schlägt D12 Maßnahmen vor (Absatz [0010], Anspruch 1, Fig. 1), die in dem in Fig. 21, 22 der D7 gezeigten Radialgebläse bereits grundsätzlich umgesetzt sind, nämlich eine axiale Aufweitung des Strömungskanals im Ausgangsbereich. Falls also überhaupt eine Lehre der D12 in entsprechender Weise auf das Radialgehäuse der D7 übertragen werden könnte, dann die spezifische Geometrie der axialen Aufweitung nach D12. Diese trägt jedoch zum einen nicht zur Lösung der objektiven Aufgabe einer axialen Bauraumverkleinerung bei. Zum anderen fiele einer solchen Übertragung der axiale Versatz nach Ende 45c, 46c der Aufweitung in D7 zum Opfer (siehe D12, Fig. 1a), so dass auch auf diese Weise der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht unmittelbar erhalten würde.
5.2.6 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 ausgehend von D7 auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
6. Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht neu ist, und dass der des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Daher sind diese Anträge nicht gewährbar. Hilfsantrag 3 wird nicht zum Verfahren zugelassen.
Hilfsantrag 4 ist dagegen gewährbar, da der Gegenstand seines Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht, neu gegenüber der Offenbarung der E1 ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 54, 56 und 123(2) EPÜ).
Die Beschreibung ist an den Anspruchssatz des Hilfsantrags 4 angepasst worden.
Da das Patent somit unter Berücksichtigung der in Hilfsantrag 4 vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ genügt, kann es nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in dieser geänderten Fassung aufrechterhalten werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
1 bis 8 des Hilfsantrags 4, eingereicht mit Schreiben vom 25. April 2017
Beschreibung:
Seiten 2 und 3, Spalten 1 bis 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer,
Zeichnungen:
Figuren 1 und 2 der Patentschrift.