European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T155416.20200729 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 Juli 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1554/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08734984.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21B37/72 B21B37/44 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VORRICHTUNG ZUR BEEINFLUSSUNG DER TEMPERATURVERTEILUNG ÜBER DER BREITE | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS group GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Primetals Technologies Austria GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht kurz vor der mündlichen Verhandlung Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja) Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja) Neuheit - Hauptantrag (nein) Neuheit - Hilfsantrag (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein) Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Änderung Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-2 155 411 (im Folgenden: das Streitpatent) betrifft ein Verfahren zur Beeinflussung der Temperaturverteilung über die Breite einer Bramme oder eines Bandes.
Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe der Artikel 100 a), b) und c) EPÜ gestützt.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 2a den Erfordernissen des EPÜ genügt.
III. Gegen diese Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung legte die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
IV. Stand der Technik
Die Beschwerdeführerin zitierte folgendes Dokument des Einspruchsverfahrens:
D2: AT 323 921.
In der Beschwerdebegründung verwies sie zudem erstmals zusätzlich auf folgende weitere Dokumente:
D24: JP 2002 - 45908;
D24': englische Maschinenübersetzung der D24;
D25: DE 1 909 734 A1;
D26: DE 198 50 738 A1;
D27: EP 0 618 020 A1;
D28: EP 0 228 360 A2.
V. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit. Insbesondere machte sie darauf aufmerksam, dass die Antragslage der Patentinhaberin (im Folgenden: die Beschwerdegegnerin) unklar sei.
VI. Mit Schreiben vom 23. Juni 2020 stellte die Beschwerdegegnerin klar, dass als Hauptantrag der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete Hilfsantrag 2a weiterverfolgt werde. Sie reichte eine Kopie dieses Hauptantrags zusammen mit zwei weiteren Hilfsanträgen 1 und 2 ein.
VII. Mit Schreiben vom 2. Juli 2020 reichte die Beschwerdeführerin zusätzlich folgendes Dokument ein:
D24'': Neue Fassung der englischen Maschinen-
übersetzung D24'.
VIII. Mit Schreiben vom 22. Juli 2020 reichte die Beschwerdegegnerin darauf folgendes Dokument ein:
D24''': englische Maschinenübersetzung der D24,
heruntergeladen von www.espacenet.com.
IX. Mit Schreiben vom 27. Juli 2020 reichte die Beschwerdeführerin zudem folgende Patentschrift ein:
D24B: JP4392115 B2
und stellte klar, dass die beiden Dokumente D24' und D24'' maschinelle Übersetzungen der zur Patentanmeldung D24 zugehörigen Patentschrift D24B seien. Sie beantragte weiterhin, die von der Beschwerdegegnerin eingereichte maschinelle Übersetzung D24''' im Verfahren zuzulassen.
X. Eine mündliche Verhandlung fand am 29. Juli 2020 statt.
Zum Ablauf der mündlichen Verhandlung, insbesondere zur Rücknahme der Hilfsanträge 1 und 2 durch die Beschwerdegegnerin und zu ihrem neu eingereichten Hilfsantrag, wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
XI. Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Außerdem beantragte sie, die Beschwerdegebühr zu erstatten.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise das Patent in geändertem Umfang auf Basis des während der Verhandlung eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
XII. Ansprüche
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, inklusive einer von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung, lautet:
M1.1 "Vorrichtung zur Beeinflussung der Temperaturverteilung
über die Breite einer Bramme oder eines Bandes (33),
M1.2 insbesondere in einer ein- oder mehrgerüstigen
Warmwalzanlage,
M1.3 wobei zumindest eine Kühlvorrichtung vorgesehen ist
M1.4 mit Düsen (14) zur Aufbringung eines Kühlmittels auf
die Bramme oder auf das Band (33),
M1.5 wobei die Düsen (14) über die Breite verteilt
angeordnet und/oder angesteuert werden,
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.6 zumindest eine der Düsen (14) in ihrer Position
bezüglich der Breite der Bramme oder des Bandes (33) einstellbar ist, und dass:
M1.7 - die Düsen (14) an dem Ort positioniert werden, an
welchen die höchste Temperatur der Bramme oder des
Bandes (33) messbar ist; oder
M1.8 - abhängig von einem beobachteten Bandplanheitszustand
ein Kühlmittel derart gesteuert appliziert werden
kann, dass die Unplanheit reduziert oder beseitigt
wird; oder
M1.9 - abhängig von einer gemessenen Bandkontur ein
Kühlmittel so gesteuert appliziert werden kann, dass
die Bandkontur einer gewünschten Zielkontur näher
kommt,
M1.10 wobei die Düsen (14) symmetrisch und paarweise
bezüglich der Mitte des Bandes (33) angeordnet sind, und
M1.11 wobei die Breitenverstellung der Düsen oder der
Düsenposition durch eine Befestigung an eine Brammen- oder Bandseitenführung erfolgt."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Vorrichtung.
Anspruch 14 ist auf eine Verwendung der Vorrichtung gerichtet.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag entspricht dem des Hauptantrags, wobei die Merkmale M1.8 und M1.9 gestrichen wurden.
XIII. Das für diese Entscheidung wesentliche schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei unvollständig, da die Einspruchsabteilung nicht genau den in Betracht kommenden Fachmann definiert habe. Dies stelle einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.
Die mit der Beschwerdebegründung erstmalig eingereichten Dokumente D24 bis D28 stellten eine Reaktion auf die im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen der Ansprüche und die darauf basierende Begründung der angefochtenen Entscheidung dar.
D24 zeige in Figur 13 eine Warmwalzanlage mit einer Kühlvorrichtung, die über ihre Breite drei Düsen aufweise, wobei eine Düse in der Mitte des Bandes und zwei weitere Düsen symmetrisch zu der in der Mitte angebrachten Düse an den Seitenführungen befestigt seien. Bei D24' und D24'' handele es sich um maschinelle Übersetzungen der zu der Anmeldeschrift D24 zugehörigen Patentschrift D24B. Der Offenbarungsgehalt der D24B gehe nicht über den der D24 hinaus. D24''' stelle die entsprechende maschinelle Übersetzung der D24 dar und solle daher im Verfahren berücksichtigt werden. Die Vorrichtung der D24 diene dazu, die Bandplanheit zu korrigieren.
Der Hilfsantrag sei verspätet vorgebracht worden und solle daher nicht im Verfahren zugelassen werden.
D24 offenbare bereits implizit oder lege es zumindest nahe, die Kühldüsen an der Stelle zu positionieren, an der das Band am heißesten sei, um eine möglichst gleichmäßige Kühlung zu erzielen.
XIV. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Die Definition des in Betracht kommenden Fachmanns sei unstreitig und nicht entscheidungsrelevant. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei daher nicht unvollständig.
Die mit der Beschwerdebegründung erstmalig eingereichten Dokumente D24 bis D28 hätten bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden können und sollen. Die als D24' und D24" eingereichten Dokumente seien im Gegensatz zu Dokument D24''' keine sinngemäßen maschinellen Übersetzungen der D24. Die Dokumente D24' und D24'' sollen daher im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen zeigten die Inkonsistenzen zwischen den verschiedenen Übersetzungen, dass maschinelle Übersetzungen die Offenbarung eines japanischen Dokuments nicht korrekt wiedergäben.
D24 offenbare zwar eine Warmwalzanlage, bei der Kühldüsen an einer Bandseitenführung befestigt seien. Allerdings werde die Seitenführung abhängig von der Bandbreite an einer bestimmten Stelle fest positioniert. D24 beschreibe keine Regelung oder Möglichkeit, die Kühldüsen mittels der Seitenführung im laufenden Betrieb neu zu positionieren. Ferner offenbare D24 keine Vorrichtung zur Bestimmung der heißesten Stelle des Bandes, des Bandplanheitszustands oder der Bandkontur und damit auch keine Vorrichtung, die in Abhängigkeit eines dieser Parameter die Position der Kühldüsen steuere.
Keines der Dokumente D24 bis D28 gebe einem Fachmann einen Hinweis darauf, dass durch eine Kopplung der Kühldüsen an die Seitenführung deren Breite oder Position durch Verstellen der Seitenführung einfach variiert werden könne und somit eine gleichmäßigere Temperaturverteilung des Bandes erzielt werden könne.
Entscheidungsgründe
1. Anwendbare Verfahrensordnung der Beschwerdekammern
1.1 Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (Artikel 25 VOBK 2020) ist die revidierte Fassung auch auf am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden anwendbar.
1.2 Im vorliegenden Fall wurden die Beschwerdebegründung und die Erwiderung darauf vor dem 1. Januar 2020 eingereicht. Daher ist nicht Artikel 12 (4)-(6) VOBK 2020, sondern Artikel 12 (4) VOBK 2007 sowohl auf die Beschwerdebegründung als auch auf die Erwiderung anzuwenden (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
1.3 Da die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 19. September 2019 und damit vor dem Inkrafttreten der VOBK 2020 zugestellt wurde, war in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2020 gemäß Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020 für Fragen der Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2020 anzuwenden, nicht aber Artikel 13 (2) VOBK 2020. Vielmehr gilt insofern weiterhin Artikel 13 VOBK 2007, vgl. Artikel 25 (3) Satz 2 VOBK 2020.
1.4 Die in Artikel 13 (1) VOBK 2020 enthaltenen Kriterien der Ermessensausübung bei der Zulassung geänderten Vorbringens beruhen im Wesentlichen auf der ständigen Rechtsprechung im Hinblick auf Artikel 13 (1) VOBK 2007.
2. Zulassung der Dokumente D24 bis D28
2.1 Die Dokumente D24 bis D28 wurden erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht.
Artikel 12(4) VOBK 2007 stellt es in das Ermessen der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können. Darauf beruft sich die Beschwerdegegnerin und beantragt, die Dokumente nicht ins Verfahren zuzulassen.
2.2 Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 durch eine Kombination mehrerer Ansprüche und durch Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung geändert. Insbesondere der Hilfsantrag 2a, der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet wurde, wurde sogar erst während der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht.
Auch war es in Hinblick auf die Anlage zur Ladung seitens der Einspruchsabteilung für die Beschwerdeführerin nicht erkennbar, dass das Einreichen weiterer Dokumente erforderlich werden könnte, da die vorläufige Meinung der Abteilung klar zum Ausdruck gebracht hatte, dass Anspruch 1 des Patents nicht aufrechterhalten werden könne.
Die Dokumente D24 bis D28 stellen daher eine angemessene Reaktion auf den Verfahrensverlauf im Einspruchsverfahren dar.
In Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 sieht die Kammer daher keinen Grund dafür, diese Dokumente vom Verfahren auszuschließen.
3. Zulassung des Dokuments D24'''
Während Dokument D24' mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, wurden die Dokumente D24'' und D24B von der Beschwerdeführerin und D24''' von der Beschwerdegegnerin nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren eingereicht.
D24''' stellt, wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, eine maschinelle Übersetzungen der japanischen Patentanmeldung D24 ins Englische dar.
Bei D24B handelt es sich um die zur japanischen Patentanmeldung D24 zugehörige Patentschrift. Diese wurde eingereicht, um zu belegen, dass die beiden Dokumente D24' und D24'' maschinelle Übersetzungen der D24B sind.
Eine japanische Patentschrift enthält üblicherweise keine Lehre, die über den Offenbarungsgehalt der entsprechenden Patentanmeldung hinausgeht.
Auch wenn mit der Beschwerdebegründung daher zunächst die maschinelle Übersetzung D24' der zugehörigen Patentschrift D24B anstelle der Patentanmeldung D24 eingereicht wurde, wird daraus trotzdem bereits deutlich, dass die in D24 beschriebene Ausführungsform in Bezug auf Figur 13 als Ausgangspunkt für die Argumentationslinie der Beschwerdeführerin dienen soll und eine Reaktion auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung darstellt.
Ferner bringt der Offenbarungsgehalt der maschinellen Übersetzung D24''' inhaltlich nichts Neues in Hinblick auf die Übersetzung D24' und hinsichtlich der Argumentation der Beschwerdeführerin.
Die Einreichung der Dokumente D24'', D24''' und D24B stellt daher keine Änderung des Vorbringens gemäß Artikel 13(1) VOBK 2020 dar, sondern vielmehr eine Klarstellung dessen, was in D24 offenbart wird.
Weiterhin kann das späte Einreichen der D24''' die Beschwerdegegnerin nicht überraschen, da sie dieses Dokument selbst eingereicht hat. Auch konnte die Beschwerdegegnerin mangels konkreter Belege keine Zweifel an der Richtigkeit der maschinellen Übersetzung D24''' wecken, insbesondere nicht in Bezug auf die relevanten Textstellen zu der in Figur 13 dargestellten Ausführungsform.
Die Kammer sieht daher unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK 2007 davon ab, das Dokument D24''' vom Verfahren auszuschließen.
4. Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ - Hauptantrag
In Figur 13 der D24 werden Kühlmitteldüsen 9 einer Warmwalzanlage offenbart, die über die Band-/Brammenbreite verteilt angeordnet sind und die gemäß Punkt (10) in Absatz [0006] der D24''' individuell ansteuerbar sind. Daher offenbart D24 eine Kühlvorrichtung, mit der die Temperaturverteilung über die Breite einer Bramme oder eines Bandes gemäß Merkmal M1.1 des Anspruchs 1 beeinflusst werden kann.
In der Ausführungsform gemäß Figur 13 weist die Kühlvorrichtung über ihre Breite drei Düsen auf, wobei eine Düse in der Mitte des Bandes und zwei (ein Paar) weitere Düsen symmetrisch zu der in der Mitte angebrachten Düse an den Seitenführungen befestigt sind, siehe Absätze [0018] und [0043] der D24'''. Gemäß Punkt (7) in Absatz [0006] und Absatz [0007] sind die Seitenführungen entsprechend der Bandbreite einstellbar. Diese Kühlvorrichtung erfüllt daher die Merkmale M1.3, M1.4, M1.5 und M1.10 gemäß Anspruch 1.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definiert weiterhin in Merkmal M1.8 die funktionale Möglichkeit, dass, abhängig von einem beobachteten Bandplanheitszustand, ein Kühlmittel derart gesteuert appliziert werden kann, dass die Unplanheit reduziert oder beseitigt wird.
Dieses Merkmal drückt eine Eignung der Vorrichtung zur Kühlmittelsteuerung aus, die in Folge einer Beobachtung erfolgen kann, und betrifft daher ein Merkmal, das beim Durchführen eines Verfahrens mit der beanspruchten Vorrichtung zum Tragen kommen kann. Allerdings definiert dieses Merkmal nicht, dass die Vorrichtung zwingend selbst eine Messvorrichtung für den Bandplanheitszustand aufweist, oder dass eine spezielle, die Vorrichtung einschränkende Kühlvorrichtung oder Regelung ein essentieller Bestandteil der Vorrichtung selbst ist.
Die Beschwerdegegnerin argumentiert weiterhin, dass eine weitere Positionierung der Kühldüsen zur Bandmitte hin mit der Vorrichtung der D24 nicht möglich sei, da deren Düsen an der Seitenführung fest angeordnet und damit nur im Rahmen des Bewegungsspielsraums der Seitenführung beweglich seien.
Gerade diese Ausführungsform wird allerdings in Figur 6 des Streitpatents gezeigt und zudem in Anspruch 1 durch das Merkmal M1.11
"wobei die Breitenverstellung der Düsen oder der Düsenposition durch eine Befestigung an eine Brammen- oder Bandseitenführung erfolgt"
definiert. Anspruch 1 definiert also gerade keine Vorrichtung, bei der die Seitenführung beliebig über die Breite der Bramme gefahren werden kann und damit die Kühldüsen beliebig über dem Band positioniert werden können. Eine derartige, über die übliche Funktion einer Seitenführung hinausgehende Ausführungsform wird weder im Patent dargestellt noch durch die Verwendung des Begriffs "Seitenführung" verdeutlicht.
Bei der Vorrichtung der D24 ist folglich eine Breitenverstellung der Düsenposition mittels deren Befestigung an der Seitenführung gemäß den Merkmalen M1.6 und M1.11 des Anspruchs 1 möglich.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die in Anspruch 1 definierte Vorrichtung nicht neu gegenüber der in D24 beschriebenen Vorrichtung ist.
5. Zulassung des Hilfsantrags
Der Hilfsantrag wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer als Reaktion auf die Entscheidung über die mangelnde Neuheit des Gegenstands des Hauptantrags eingereicht.
Die Diskussion der Neuheit erfolgte im Rahmen der Verhandlung maßgeblich auf Grundlage der D24 und ihrer Übersetzung D24''', die ebenfalls erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals im Detail diskutiert wurde.
Unter diesen Umständen stellt das späte Einreichen des Hilfsantrags auch nach den Regeln der VOBK 2020 kein beanstandungswürdiges Verhalten der Beschwerdegegnerin dar.
Weiterhin entspricht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wobei lediglich zwei der drei alternativen Merkmale M1.7 bis M1.9 gestrichen wurden. Das Streichen von zwei der drei möglichen Alternativen in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag generiert keinen überraschend neuen Gegenstand, sondern schränkt den Gegenstand lediglich auf eine bereits zuvor definierte Ausführungsform ein.
Der im Anspruch 1 verbleibende Gegenstand stellt mithin keine Änderung dar, auf die die Beschwerdeführerin nicht vorbereitet hätte gewesen sein können. Die Weiterführung der mündlichen Verhandlung auf Grundlage des Hilfsantrags stellte weder für die Kammer noch für die Beschwerdeführerin daher einen unzumutbaren Aufwand dar.
Daher ließ die Kammer den Hilfsantrag unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK 2020 in das Verfahren zu.
6. Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ - Hilfsantrag
Merkmal M1.7 des Anspruchs 1 definiert, dass die Düsen (14) an dem Ort positioniert werden, an welchem die höchste Temperatur der Bramme oder des Bandes (33) messbar ist.
Gemäß Figur 3 der D24 wird die Temperatur des Bandes über seine Breite bestimmt und damit auch indirekt die höchste Temperatur des Bandes ermittelt. Aus dem in Figur 3 dargestellten Temperaturverlauf ist erkennbar, dass das Band etwas zurückgesetzt vom Bandrand die höchsten Temperaturen aufweist. Dieser gemäß D24 gemessene Temperaturverlauf entspricht in etwa dem in Figur 4 des Patents dargestellten Temperaturverlauf.
Aus Figur 13 der D24 ist auch ersichtlich, dass die beiden an der Seitenführung befestigten Kühldüsen so positioniert sind, dass sich diese etwas zurückgesetzt vom Bandrand über dem Band befinden. Es mag daher theoretisch möglich sein, dass sich die beiden in der Seitenführung befestigten Düsen in einem Bereich befinden, in dem die höchste Temperatur des Bandes messbar ist. Allerdings ist eine hypothetische, aber nicht unmittelbar beschriebene Ausführungsform bei der Beurteilung der Neuheit nicht zu berücksichtigen.
In Anbetracht dessen, dass D24''' nicht offenbart, dass die Düsen an der Seitenführung jeweils gerade an der Stelle positioniert sind, an der das Band am heißesten ist, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag neu in Hinblick auf die Offenbarung der D24 ist.
7. Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ - Hilfsantrag
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gingen beide Verfahrensbeteiligte von D24 als dem nächstliegenden Stand der Technik aus.
Die Vorrichtung der D24 dient dazu, die Bandplanheit des fertigen Walzprodukts zu verbessern, siehe Absätze [0005] und [0017]. D24 betrifft daher allgemein die gleiche Problemstellung wie das Patent und stellt daher in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beteiligten einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der D24 wie bereits oben festgestellt dadurch, dass die Düsen an dem Ort positioniert werden, an welchem die höchste Temperatur der Bramme oder des Bandes messbar ist.
Durch diese Maßnahme lässt sich eine gleichmäßigere und effizientere Kühlung erzielen.
Die objektive technische Aufgabe kann folglich darin gesehen werden, eine Vorrichtung bereitzustellen, die eine gleichmäßigere Temperaturverteilung auf dem Band erzeugt.
Um eine gleichmäßige Kühlung des Bandes zu erzielen, ist der Fachmann stets bemüht, Temperaturdifferenzen im Band zu reduzieren. Folglich stellt es eine naheliegende Maßnahme dar, Kühldüsen an einem Seitenrahmen in dem Bereich der Seitenführung oberhalb des Bandes zu positionieren, an dem mit der höchsten Temperatur des Bandes zu rechnen ist, also in den Worten des Anspruchs 1 des Patents in dem Bereich, in dem die höchsten Bandtemperaturen messbar sind.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist daher ausgehend von D24 unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens für einen Fachmann naheliegend und erfüllt nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
8. Rückzahlung der Beschwerdegebühr, Regel 103(1)a) EPÜ
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ angeordnet werden, wenn die Rückzahlung bei erfolgreicher Beschwerde wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
Hierzu hat die Beschwerdeführerin eine mangelnde Begründung der angefochtenen Entscheidung unter dem Gesichtspunkt beanstandet, dass die Einspruchsabteilung den betreffenden Fachmann nicht hinreichend definiert habe.
Dem kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Zum einen war die Frage, welcher Fachmann in Betracht zu ziehen ist, im Rahmen des Einspruchsverfahrens weder streitig, noch bestand in Anbetracht des beanspruchten Gegenstands und der zitierten Dokumente diesbezüglich Klärungsbedarf.
Selbst wenn der in Betracht kommende Fachmann nicht hinreichend definiert wäre, würde es sich dabei allenfalls um die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts und damit höchstens um eine mangelhafte, nicht aber um eine mangelnde Begründung als solche handeln.
Im Übrigen besteht auch keine Kausalität zwischen dem angeblichen Mangel und dem Erfolg der Beschwerde.
Die Kammer sieht daher keine hinreichenden Gründe, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers gemäß Regel 103(1)a) EPÜ rechtfertigen könnten.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.