T 1514/16 (Stahlbauteil/Thyssen) of 26.7.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T151416.20180726
Datum der Entscheidung: 26 Juli 2018
Aktenzeichen: T 1514/16
Anmeldenummer: 10706201.0
IPC-Klasse: C25D 3/56
C25D 5/48
C25D 5/50
C25D 1/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM HERSTELLEN EINES MIT EINEM METALLISCHEN, VOR KORROSION SCHÜTZENDEN ÜBERZUG VERSEHENEN STAHLBAUTEILS UND STAHLBAUTEIL
Name des Anmelders: ThyssenKrupp Steel Europe AG
Name des Einsprechenden: ArcelorMittal France
Research & Development Intellectual Property
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichter Antrag - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent EP 2 414 562 B1 zurückzuweisen.

Die folgenden, in der angefochtenen Entscheidung zitierten Dokumente sind in der vorliegenden Entscheidung von Relevanz:

D1: EP 1 439 240 A1

D5: EP 2 290 133 B1

II. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) u.a. folgendes Dokument ein:

D6: Noumi, R. et al.; SAE Technical Paper Series;

International Congress & Exposition Detroit,

Michigan, Februar 22-26, 1982

III. Die Mitteilung der Kammer erging am 23. Mai 2018. Darin war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass es fraglich sei, ob der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 des einzigen vorliegenden Antrags (erteilte Ansprüche) auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

IV. Mit Schreiben vom 26. Juni 2018 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) Hilfsantrag I und Hilfsantrag II ein.

V. Die mündliche Verhandlung fand am 26.Juli 2018 statt.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Herstellen eines mit einem metallischen, vor Korrosion schützenden Überzug versehenen Stahlbauteils, umfassend folgende Arbeitsschritte:

a) Zurverfügungstellen eines Stahlflachprodukts, das aus einem 0,3-3 Gew.-% Mangan enthaltenden Stahlwerkstoff erzeugt ist, der eine Streckgrenze von 150-1100 MPa und eine Zugfestigkeit von 300-1200 MPa aufweist;

b) Beschichten des Stahlflachprodukts mit einem Korrosionsschutzüberzug, der einen auf dem Stahlflachprodukt elektrolytisch abgeschiedenen, einphasig aus gamma-ZnNi-Phase bestehenden ZnNi-Legierungsüberzug umfasst, welcher neben Zink und unvermeidbaren Verunreinigungen 7-15 Gew.-% Nickel enthält;

c) Erwärmen einer aus dem Stahlflachprodukt gebildeten Platine auf eine mindestens 800°C betragende Platinentemperatur;

d) Formen des Stahlbauteils aus der Platine in einem Formwerkzeug, und

e) Härten des Stahlbauteils durch Abkühlen von einer Temperatur, bei der sich das Stahlbauteil in einem für die Ausbildung von Vergütungs- oder Härtegefüge geeigneten Zustand befindet, mit einer Abkühlrate, die zur Ausbildung des Vergütungs- oder Härtegefüge ausreicht."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags wie folgt geändert:

Am Ende von Merkmal b) wurde der folgende Text eingefügt:

"wobei die "Art der Strömung am zu beschichtenden Substrat", "Strömungsgeschwindigkeit des Elektrolyten", "Ni/Zn-Verhältnis des Elektrolyten", "Ausrichtung der Elektrolytströmung in Bezug auf das jeweils zu beschichtende Stahlsubstrat", "Stromdichte", "Temperatur des Elektrolyten" und "ph-Wert des Elektrolyten" nach folgender Maßgabe variiert werden können:

- Art der Strömung am zu beschichtenden Substrat:

laminar oder turbulent;

- Strömungsgeschwindigkeit des Elektrolyten:

0,1-6 m/s;

- Ni/Zn-Verhältnis des Elektrolyten: 0,4-4;

- Ausrichtung der Elektrolytströmung in Bezug auf das

jeweils zu beschichtende Stahlsubstrat:

Die Beschichtung des Stahlsubstrats kann sowohl in

vertikal als auch in horizontal ausgerichteten Zellen

erfolgen;

- Stromdichte: 10-140 A/dm**(2);

- Temperatur des Elektrolyten: 30-70°C;

- pH-Wert des Elektrolyten: 1-3,5;"

und in Merkmal c) wurden die folgenden Änderungen gegenüber dem entsprechenden Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags eingefügt (unterstrichen):

"c) Erwärmen einer aus dem Stahlflachprodukt gebildeten Platine auf eine mindestens 800 °C und maximal 920 °C betragende Platinentemperatur im Durchlaufofen über eine Dauer von 3-15 min;"

Anspruch 1 des Hilfsantrags II entspricht Anspruch 14 des Hauptantrags und ist wie folgt:

"1. Stahlbauteil mit einem aus einem 0,3-3 Gew.-% Mangan enthaltenden Stahl bestehenden Stahlsubstrat und einem auf dem Stahlsubstrat aufgetragenen Korrosionsschutzüberzug, der eine zu mindestens 70 Masse-% aus alpha-Fe(Zn,Ni)-Mischkristall und als Rest aus intermetallischen Verbindungen von Zn, Ni und Fe bestehende Überzugsschicht umfasst und an seiner freien Oberfläche eine Mn-haltige Schicht aufweist, in der Mn in metallischer oder oxidischer Form vorliegt."

VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

D1 betreffe das Warmpressformen von Stählen, welche eine Zinkschicht enthalten, die vor Korrosion während des Warmpressformens schütze (Absätze [0016] bis [0018]). Um die Verdampfung dieser Zinkschicht zu vermeiden, sei eine Zinkoxidschicht darauf aufgebracht (Absätze [0020] und [0021]), was auch nicht vom Wortlaut des Anspruchs 1 ausgeschlossen sei. Ausgehend von einem der Beispiele 14, 15 (Tabelle 6) oder 23 bis 26 (Tabelle 5), die bereits eine elektrolytisch abgeschiedene ZnNi-Schicht enthaltend 12 Gew.-% Nickel aufweisen, sei es angesichts der Lehre von D6 naheliegend die ZnNi-Schicht als gamma-ZnNi-Phase auszubilden, da diese in D6 als vorteilhaft für den Korrosionsschutz angesehen werde.

Die Erfindung sei nicht ausführbar, da nicht beschrieben sei, wie und ob ein alpha-Fe(Zn, Ni)-Mischkristall erhalten werde, da das Prioritätsdokument D5 das gleiche Verfahren wie das Streitpatent offenbare, jedoch dort kein solcher Mischkristall erhalten wurde. Dies sei auch im Einklang mit der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass die in D1 angegebenen Bedingungen nicht zwingend zu dem Mischkristall geführt hätten, selbst wenn eine gamma-ZnNi-Phase vorhanden gewesen wäre.

VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

D1 offenbare nicht, dass die Proben 23 bis 26 sowie 14 und 15 gehärtet worden seien. D1 selbst lehre eine durch eine Galvanealing-Behandlung erzeugte Beschichtung zu verwenden, um Haftung und Korrosionsschutz zu optimieren. D6 betreffe Korrosionsschutzüberzüge für Stahlbleche, die für die Erzeugung von Bauteilen durch Kaltumformung bestimmt seien. Dabei bestünden die betreffenden Stahlbleche aus weichen, im kalten Zustand gut verformbaren Stählen. Der Anwendungsbereich, für den solche Stahlbleche vorgesehen seien, unterscheide sich grundsätzlich von den Anwendungen, für die Stahlbleche der gemäß D1 beschaffenen und verarbeiteten Art bestimmt seien. Die jeweilige Beschichtung müsse nicht nur am fertigen Produkt eine gute Haftung und einen guten Korrosionsschutz bieten, sondern sich auch im Wärmebehandlungsprozess bzw. bei der Warmumformung so verhalten, dass der jeweilige Prozess nicht durch verflüssigtes, abfließendes Beschichtungsmaterial behindert werde oder die Beschichtung sich durch den Wärmeeinfluss so verändere, dass ihre Schutzeigenschaften verloren gingen. Diese Probleme lägen bei D6 nicht vor.

Die Abweichung der Offenbarung des Prioritätsdokumentes von jener des Streitpatents sei kein Grund einer unzureichenden Offenbarung. Die Figuren 3 bis 5 seien nicht im Prioritätsdokument enthalten. Deren Beschreibung und vor allem Absätze [0091] bis [0094] lehrten wie die beanspruchte Überzugsschicht erhalten werden könne.

IX. Anträge:

Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis der Hilfsanträge I oder II, eingereicht mit Schreiben vom 26. Juni 2018.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (Patent wie erteilt)

1. Artikel 100(a) in Kombination mit Artikel 56 EPÜ

1.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines mit einem metallischen, vor Korrosion schützenden Überzug versehenen Stahlbauteils durch Formen eines aus einem Mn-Stahl bestehenden Stahlflachproduktes, das vor dem Formen des Stahlbauteils mit einem ZnNi-Legierungsüberzug versehen wird.

1.2 D1 ist nächstliegender Stand der Technik. Es offenbart das Heißpressformen von Stahl, wobei vor dem Formen eine vor Korrosion schützende Zink basierte Schicht aufgetragen wird, auf die eine weitere Schicht aufgetragen wird, um die Verdampfung von Zink einzuschränken (Absätze [0016] bis [0021]). Eine solche Schicht ist auch vom Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht ausgeschlossen und explizit in Anspruch 9 erwähnt. Dabei sind in D1 Stähle wie in Tabelle 1 gezeigt bevorzugt, da sie gute Festigkeit und Härte nach dem Abschrecken aufweisen (Seite 4, Zeilen 53 bis 56). Die in Tabelle 5 gezeigten Proben 23 bis 26, sowie Proben 14 und 15 aus Tabelle 6 stellen jeweils individuelle Stahlflachprodukte dar, die aus Stahl A aus Tabelle 1 hergestellt wurden und somit 1.3 Gew.% Mangan enthalten. Vor dem Formen des Stahlbauteils wurde ein ZnNi-Legierungsüberzug enthaltend 12 Gew.% Ni durch elektrolytisches Abscheiden aufgebracht. Auf diese ZnNi Schicht wird zusätzlich ZnO (Beispiele 23 bis 26 aus Tabelle 5) oder Fe (Beispiele 14 und 15 in Tabelle 6) aufgebracht. Das beschichtete Produkt wird auf 900°C resp. 950°C aufgeheizt (Tabellen 5 und 6). Das pressgeformte Produkt weist jeweils relativ gute Eigenschaften hinsichtlich der Korrosion auf, was in Tabellen 5 und 6 durch "o" angegeben ist (siehe auch Absatz [0127]). Es war letztendlich unstreitig, dass das Stahlflachprodukt aus D1 auch eine Streckgrenze und eine Zugfestigkeit im Einklang mit Anspruch 1, Schritt a) des Streitpatents haben.

1.3 Im Streitpatent wird die zu lösende Aufgabe darin gesehen ein Verfahren bereit zustellen, das es erlaubt, "mit vergleichbar geringem Aufwand ein Stahlbauteil herzustellen, das mit einem gut haftenden und sicher vor Korrosion schützenden metallischen Überzug versehen ist" (Absatz [0016]).

1.4 Als Lösung wird ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen, dadurch gekennzeichnet, dass der elektrolytisch abgeschiedene ZnNi-Legierungsüberzug einphasig aus gamma-ZnNi-Phase besteht.

1.5 Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, ist die Aufgabe erfolgreich gelöst. Dies war unstreitig zwischen den Parteien.

1.6 Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik würde der Fachmann D6 in Betracht ziehen.

D6 betrifft eine Untersuchung der Korrosionseigenschaften eines ZnNi-Legierungsüberzugs auf Stahlblechen, die für die Autoindustrie vorgesehen sind. Dabei wurde gefunden, dass der beste Korrosionsschutz erreicht wird, wenn nur die gamma-ZnNi Phase vorliegt (Seite 2, rechte Spalte, 1. Absatz). D1 zeigt, dass ein pressgeformtes Produkt, das eine ZnNi-Schicht und einen darauf liegenden Überzug von ZnO oder Fe enthält bereits relativ gute Eigenschaften gegen Korrosion aufweist. Ein Fachmann, der davon ausgehend die gestellte Aufgabe lösen will, wird D6 sicherlich in Betracht ziehen, da es sich allgemein mit den Korrosionseigenschaften von ZnNi auf Stahl auseinandersetzt. Unterschiedlichste Stähle, die beispielsweise auch gehärtet werden können, sind für die elektrolytische Abscheidung der ZnNi-Phase geeignet, wie aus der Zusammenfassung in Kombination mit Tabelle 1 hervorgeht. Obwohl D6 keine Angaben über das Heißpressformen macht, lernt der Fachmann aus D6, dass die gamma-ZnNi-Phase als Legierungsüberzug Vorteile gegenüber anderen ZnNi-Phasen hat. Deshalb erhält er einen eindeutigen Hinweis eine solche Phase in dem Verfahren gemäß D1 zumindest zu versuchen, um die Korrosion der ZnNi enthaltenden Stahlbauteile zu verbessern.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann nicht wissen könne wie eine solche Phase sich beim Heißpressformen verhalte, kann nicht durchgreifen, da in D1 das pressgeformte Produkt enthaltend eine ZnNi-Phase bereits dem Heißpressformen unterworfen wurde und relativ gute Korrosionseigenschaften aufwies.

Deshalb ist die vorgeschlagene Lösung anhand der Lehre von D6 nahegelegt.

1.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit angesichts der Kombination von D1 mit D6. Deshalb ist der Hauptantrag nicht gewährbar.

Hilfsantrag I

2. Artikel 13(1) VOBK

Dieser Antrag wurde etwa einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht und entspricht dem Hilfsantrag I, der bereits am 21. Januar 2016 vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde und in welchem "die Parameter der Abscheidung der gamma-ZnNi Beschichtung (Arbeitsschritt b)) und der Erwärmung der Platinentemperatur (Arbeitsschritt c)) des Verfahrens gemäß Anspruch 1" näher definiert werden (siehe Schreiben vom 21. Januar 2016, Seite 12/12, dritter Absatz).

Mit der Beschwerdeerwiderung wurde dieser Antrag jedoch nicht aufrechterhalten (siehe Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 6. Dezember 2016, Punkt I.). Deshalb stellt dieser Antrag eine Änderung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren im Sinne des Artikels 13(1) EPÜ dar, sodass seine Zulassung in das Verfahren im Ermessen der Kammer liegt.

Die Kammer übte das Ermessen dahingehend aus, dass der Antrag aus folgenden Gründen nicht in das Verfahren zugelassen wurde:

Ein Kriterium, das häufig verwendet wird, um die Zulassung eines neuen Antrags zu einem solch späten Zeitpunkt zuzulassen, ist die prima facie Behebung der vorherigen Einwände (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 8.Auflage 2016, IV.E.4.2.5). Wie von der Beschwerdegegnerin bestätigt, wurde im vorliegenden Fall der Wortlaut von Anspruch 1 des Hauptantrags durch weitere aus der Beschreibung stammende Details betreffend die Arbeitsschritte b) und c) eingeschränkt, die vor allem darauf abstellten, die Einwände unter Artikel 100(b) EPÜ auszuräumen. Die eingefügten Schritte betreffen vor allem das Verfahren zur Bildung der gamma-ZnNi-Phase, die, wie vorher beschrieben, aus D6 bekannt ist. Wenn die Bildung der gamma-ZnNi-Phase per se naheliegend ist (siehe oben), kann die Angabe der Verfahrensbedingungen, die zu dieser Phase führen, im Allgemeinen nicht die erfinderische Tätigkeit begründen. Obwohl nicht alle Verfahrensschritte explizit in D6 erwähnt sind, betreffen sie Bedingungen, die der Fachmann je nach Bedarf so wählen würde, um die gewünschte gamma-ZnNi-Phase zu erhalten. Die Spezifizierung der Platinentemperatur im Schritt c) unterscheidet sich nicht von den in Tabellen 5 und 6 der D1 angegebenen Bedingungen. Auch führen diese Bedingungen nicht zwingend zu einem Stahlbauteil gemäß Anspruch 14, denn ansonsten wären die abhängigen Ansprüche 4 und 6 überflüssig.

Deshalb ist nicht prima facie erkennbar, wieso die durchgeführten Änderungen den Einwand der erfinderischen Tätigkeit beheben sollen.

Hilfsantrag II

3. Artikel 13(1) VOBK

Dieser Antrag wurde zusammen mit Hilfsantrag I eingereicht. Im Gegensatz zu Hilfsantrag I behebt er, jedenfalls nach einer prima facie Beurteilung, den Einwand unter Artikel 56 EPÜ betreffend die Verfahrensansprüche durch Streichung derselben. Angesichts der vorläufigen Meinung der Kammer wurde er als zielführend angesehen, weshalb die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausübte ihn in das Verfahren zuzulassen. Allerdings ist wegen der unten angegebenen Gründe (siehe 4.) der Hilfsantrag II jedoch nicht gewährbar.

4. Artikel 100(b) EPÜ

Es stellt sich die Frage, ob das Patent genügend Informationen und Anleitungen enthält, die es dem Fachmann ermöglichen, das Stahlbauteil gemäß Anspruch 1 und vor allem den spezifischen Korrosionsschutzüberzug, der eine zu mindestens 70 Masse-% aus alpha-Fe(Zn,Ni)-Mischkristall und als Rest aus intermetallischen Verbindungen von Zn, Ni und Fe bestehende Überzugsschicht umfasst und an seiner freien Oberfläche eine Mangan-haltige Schicht aufweist, zu erhalten.

Das Patent beschreibt in Absatz [0027] unter welchen Bedingungen die elektrolytische Beschichtung des Stahlflachprodukts zu erfolgen hat. Die anschließende Erwärmung führt gemäß den Ausführungen des Absatzes [0032] zu der Bildung eines zweiphasigen Überzugs, der aus einem alpha-Fe-Mischkristall, in dem Zn und Ni gelöst vorliegen, und einer Misch-Gamma Phase ZnxNi(Fe)y besteht, in der Ni-Atome durch Fe-Atome substituiert sind und umgekehrt (Seite 5, Zeilen 2 bis 4). Die Erwärmung führt auch zur Diffusion von Mangan an die Oberfläche und somit zu der manganhaltigen Schicht (Absätze [0040] und [0041]).

Die Tabelle 1 zeigt die Betriebsparameter für die elektrolytische Beschichtung der Proben A-V2 (Absatz [0069]). In Tabelle 2 ist der kristallographische Aufbau des ZnNi-Überzugs, der unter den in Tabelle 1 angegebenen Bedingungen enthalten wurde, beschrieben (Absatz [0071]). Aus diesen Proben wurden Platinen abgeteilt, die unter unterschiedlichen Temperaturen und/oder Glühzeiten erwärmt und warmpressgeformt wurden und anschließend geprüft und beurteilt wurden (Absätze [0077] und [0078], sowie Tabelle 3). Details über den Aufbau des Korrosionsschutzüberzugs der in Tabelle 3 angegebenen Platinen finden sich in Tabelle 3 nicht wieder. Dort ist nur angegeben, ob die Stahlbauteile als erfindungsgemäß oder nicht erfindungsgemäß gelten.

Um zu überprüfen, wie sich der Überzug bei der Durcherwärmung auf 880°C entwickelt, wurde der Überzug zu bestimmten Zeitpunkten untersucht. Anders ausgedrückt, es wurde versucht zu verstehen, was mit den in Tabelle 3 gezeigten Platinen während der in Tabelle 3 angegebenen Betriebsbedingungen passiert und wie der Schutzüberzug am Ende des Verfahrens aussieht.

Figur 3 spiegelt die dabei gewonnenen Erkenntnisse wieder. Nach der Beschichtung ist der Überzug einphasig, intermetallisch, aus gamma-ZnNi (Absatz [0088] und Figur 3, Bild 1). Bereits bei der Erwärmung bis etwa 750°C bildet sich an der Oberfläche eine Zn/Mn-Oxidschicht aus während darunter gamma-ZnNi(Fe) und ?-FeZn(Ni)-Phasen vorhanden sind (Absatz [0089] und Figur 3, Bild 2). Bei weiterer Erwärmung bildet sich ein alpha-Fe-Mischkristall, in dem Zn und Ni gelöst sind. Am fertigen Bauteil liegt immer ein zweiphasiger Überzug vor, bestehend aus einem alpha-Fe-Mischkristall, in dem Zn und Ni zwangsgelöst vorliegen und einer gamma/?-ZnNi(Fe)-Phase (Absätze [0092] und [0093] und Figur 3, Bild 3).

Aus diesen Angaben ergibt sich für den Fachmann, dass anscheinend die Erwärmung entscheidend ist, um den gewünschten Korrosionsschutzüberzug zu erhalten. Die Lösung von Zn und Ni im Mischkristall hängt mit der Abkühlgeschwindigkeit zusammen (Seite 11, Zeilen 7 und 8).

Die Beschwerdeführerin hat als eine Art Vergleichsversuch das Dokument D5, welches das erteilte Patent der Prioritätsanmeldung ist, eingereicht, aus dem hervorgeht, dass unter den gleichen Bedingungen, wie im Streitpatent ein ZnNi-Legierungsüberzug erhalten wird, der aus gamma-ZnNi und ?-ZnFe besteht. Die Tabellen 1 bis 3 des D5 sind identisch mit den Tabellen 1 bis 3 des Streitpatents, was bedeutet, dass die Verfahrensbedingungen identisch sind und vor allem die in Tabelle 3 angegebenen Platinentemperaturen sowie Glühzeiten die Gleichen sind und somit die in den Absätzen [0088] bis [0093] des Streitpatents aufgestellten Untersuchungen betreffend die Oberfläche eigentlich auch für D5 gelten sollten. Jedoch geht aus D5 eindeutig hervor, dass im dortigen Fall der Überzug beim fertigen Stahlbauteil aus gamma-ZnNi und ?-ZnFe besteht (Absätze [0032], [0050] sowie Ansprüche 4 und 13), während die Zusammensetzung gemäß Streitpatent aus mindestens 70 Masse-% alpha-Fe(Zn,Ni)-Mischkristall und als Rest aus intermetallischen Verbindungen von Zn, Ni und Fe besteht.

Es stellt sich also für den Fachmann die Frage wieso in dem einen Fall die Oberfläche anders aussieht als in dem anderen, obwohl anscheinend die identischen Bedingungen vorlagen.

Die Beschwerdegegnerin wies darauf hin, dass Figuren 3 bis 5 nicht in D5 vorhanden seien und die damit einhergehenden Erklärungen in den Absätzen [0088] bis [0094] dem Fachmann erläutern würden wie das beanspruchte Stahlbauteil mit dem alpha-Fe(Zn,Ni)-Mischkristall erhalten würden. Diese Absätze sind jedoch nur eine Überprüfung dessen was mit den Stahlbauteilen aus Tabelle 3 passierte (Absatz [0087]), die erhaltenen Ergebnisse sollten eigentlich identisch zu jenen der D5 sein. Die Beschwerdegegnerin hat jedoch nicht dargelegt, dass die Ergebnisse aus D5 definitiv falsch seien und die Darstellungen betreffend die Korrosionsschutzüberzüge aus D5 nicht zuträfen, sodass nur geschlussfolgert werden kann, dass unter den identischen offenbarten Bedingungen beide Korrosionsüberschutzüberzüge erreicht werden können, oder anders ausgedrückt, dass die Lehre des Patents es nicht zwingend erlaubt ein beanspruchtes Stahlbauteil zu erhalten.

Die zusätzlichen Angaben, die in Absatz [0094] des Streitpatents vorhanden sind, betreffend die Temperaturen, die Ofenliegezeiten und die Schichtdicken unterscheiden sich auch nicht von D5 (siehe Absätze [0045], [0058] und [0059] des Streitpatents und Absätze [0045], [0057] und [0058] der D5) und beziehen sich auf eine spezifische Ausführungsform, in der die gamma/?-ZnNi(Fe)-Phase im alpha-Fe(Zn,Ni)-Mischkristall dispergiert ist (Absatz [0094] des Streitpatents, sowie Anspruch 2). Aus Absatz [0097] geht hervor, dass vergleichbar niedrige Glühtemperaturen, kurze Ofenliegezeiten oder große Schichtdicken zu dem in Bild 3 der Figur 3 gezeigten erfindungsgemäßen Überzug führen. Diese Bedingungen beziehen sich also auf die in Tabelle 3 gezeigten, welche also auch identisch in D5 offenbart sind.

Die Schlussfolgerung, dass es nicht für den Fachmann eindeutig ist, was getan werden muss, um den gewünschten Überzug zu erhalten scheint auch im Einklang mit der Diskussion betreffend die Offenbarung von D1 und der Frage, ob der Einsatz einer gamma-ZnNi-Phase als ZnNi-Phase unter den in Tabelle 5 aus D1 angegebenen Bedingungen nicht zwingend zu einem Überzug wie in Anspruch 1 hätte führen müssen. Aus der Diskussion ging hervor, dass es, gemäß der Beschwerdegegnerin, nicht eindeutig sei, dass ein erfindungsgemäßer Überzug erhalten werde, obwohl die angegebenen Verfahrensbedingungen im Einklang mit denen des Streitpatents seien, da es mindestens auf die spezifische Kombination von Temperatur, Zeit und Schichtdicke, auch der obersten ZnO oder Fe-Schicht, ankomme.

Angesichts der Lehre des Streitpatents und der Gegenbeispiele der Beschwerdeführerin in Form von D5, ist es also nicht eindeutig, dass das Streitpatent alle Bedingungen offenbart, die es erlauben zu dem Stahlbauteil gemäß Anspruch 1 mit dem spezifischen Korrosionsschutzüberzug zu gelangen. Deshalb muss der Fachmann für jede Platine nach dem Erwärmen, dem Formen und dem Abkühlen z.B. mittels Röntgenspektroskopie überprüfen, ob der gewünschte Korrosionsschutzüberzug erhalten wurde. Falls dies nicht der Fall ist, muss er ohne klare Anleitung diese Parameter variieren und es nochmals versuchen. Neben der Temperatur, den Ofenliegezeiten, den Schichtdicken spielt anscheinend auch die Abkühlgeschwindigkeit eine Rolle (Seite 11, Zeile 7), für die es jedoch auch keine Angaben gibt. Der Fachmann ist also auf Versuch und Irrtum angewiesen bis er dann zufällig zum gewünschten Ergebnis gelangt. Dies stellt einen unzumutbaren Aufwand dar, sodass die Offenbarung nicht als ausreichend angesehen werden kann.

Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass der Einwand unter Artikel 100(b) EPÜ durchgreift, sodass der Hilfsantrag II nicht gewährbar ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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