T 1445/16 () of 12.3.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T144516.20210312
Datum der Entscheidung: 12 März 2021
Aktenzeichen: T 1445/16
Anmeldenummer: 11182491.8
IPC-Klasse: D21B 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Aufbereiten von Hackschnitzeln für die Herstellung von holzhaltigem Faserstoff
Name des Anmelders: SWISS KRONO Tec AG
Name des Einsprechenden: Fritz Egger GmbH & Co. OG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(c)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
RPBA2020 Art 025(2)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Mit der Beschwerdebegründung eingereichte Entgegenhaltungen - zugelassen (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0062/15
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat form- und fristgerecht gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung betreffend das Patent Nr. 2 573 258 Beschwerde eingelegt.

II. Während des Einspruchsverfahrens hat die Einsprechende u.a. auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:

D0: EP 2 573 258 A1 (veröffentlichte Patentanmeldung

des Streitpatents);

D1: WO 97/28305 A1;

D2: Hans-Joachim Deppe, Kurt Ernst - Fachbuch MDF -

Mitteldichte Faserplatten, DRW-Verlag; angeblich

veröffentlicht 1996; Seiten 46 bis 75;

D3: Hansgert Soiné - Fachbuch Holzwerkstoffe;

DRW-Verlag, 1995; Seiten 27 bis 29.

Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende folgende Entgegenhaltungen ein

D8: Thoemen et al. "Wood-Based Panels - An Introduction

for Specialists", 2010;

D9: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1972.

III. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a), b) und c) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit, mangelnde Ausführbarkeit und unzulässige Änderung) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung befand in der angefochtenen Entscheidung, dass:

- die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b) und c)

EPÜ nicht greifen,

- die Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 des Patents

in der erteilten Fassung neu gegenüber der

Offenbarung der D2 seien,

- die Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 des Patents

in der erteilten Fassung eine erfinderische

Tätigkeit gegenüber der Kombination

der Lehre der D2 mit der Lehre der D1 oder

mit dem allgemeinen technischen Fachwissen

aufweisen.

IV. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit, wonach sie keine Erfolgsaussichten für die Beschwerde sah.

V. Am 12. März 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende der Tenor der vorliegenden Entscheidung verkündet wurde. Wegen der Einzelheiten deren Verlaufs, insbesondere zum Gegenstand der Erörterungen und zu den Verfahrenserklärungen der Parteien, wird auf das Protokoll Bezug genommen.

VI. Verfahrensabschließend beantragten

die Einsprechende

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

den Widerruf des Streitpatents;

die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin)

die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet gemäß der im Einspruchsschriftsatz vorgenommenen Merkmalsanalyse wie folgt:

"a) Verfahren zum Aufbereiten von Hackschnitzeln für die Herstellung von holzhaltigem Faserstoff mit den Schritten

b) Waschen der Hackschnitzel

c) Erhitzen der Hackschnitzel und

d) Transportieren der Hackschnitzel von dem Waschbehälter (1) zu einer Übergabevorrichtung (3)

e) Transportieren der Hackschnitzel zu einer Zerfaserungsvorrichtung (8),

dadurch gekennzeichnet, dass

f) das Waschen und das Erhitzen der Hackschnitzel bis auf rund 90°C mit auf bis zu 98°C aufgeheiztem Wasser und

g) der Transport der Hackschnitzel zu der Übergabevorrichtung (3) in dem heißen Wasser erfolgt und

h) in der Übergabevorrichtung die Hackschnitzel von dem heißen Wasser getrennt und an Vorrichtungen (4, 6) zum weiteren Erhitzen mit Dampf übergeben werden."

Der unabhängige Anspruch 7 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet gemäß der im Einspruchsschriftsatz vorgenommenen Merkmalsanalyse wie folgt:

"A) Vorrichtung zum Aufbereiten von Hackschnitzeln zum Herstellen von holzhaltigem Faserstoff, aufweisend

B) einen Waschbehälter (1) für Hackschnitzel

C) eine Transportleitung zum Transportieren der Hackschnitzel von dem Waschbehälter zu einer

D) Übergabevorrichtung (3) für auf bis zu 90°C erhitzte Hackschnitzel,

dadurch gekennzeichnet, dass

E) die Transportleitung zum Transport der Hackschnitzel in bis zu 98°C erhitztem Wasser ausgebildet ist und

F) die Übergabevorrichtung (3) dazu ausgebildet ist, die Hackschnitzel vom Wasser zu trennen und

die Hackschnitzel an Vorrichtungen (4, 6) zum weiteren Erhitzen der Hackschnitzel mit Dampf zu übergeben und

G) der Waschbehälter (1) für Hackschnitzel und die Übergabevorrichtung (3) für auf bis zu 90°C erhitzte Hackschnitzel durch einen geschlossenen Wasserkreislauf (9, 10, 12) für auf bis zu 98°C erhitztes Wasser miteinander verbunden sind".

VIII. Das wesentliche Vorbringen der Parteien wird in den Gründen im Detail diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen, Artikel 100 c) EPÜ - Anspruch 1

1.1 Die Einsprechende trägt vor, dass sich Absatz 8 der D0 durch die einleitende Formulierung "Erfindungsgemäß erfolgt..." auf den Absatz 7 der D0 und den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 beziehe, welche explizit ein "gleichzeitiges" Waschen und Erhitzen fordern. Im Absatz 8 werde also kein anderes Ausführungsbeispiel, sondern lediglich das im Absatz 7 der D0 und im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 bereits als "gleichzeitig" spezifizierte, erfindungsgemäße Waschen und Erhitzen der Hackschnitzel näher erläutert. Durch die Streichung des Wortes "gleichzeitige" im Anspruch 1 gehe daher der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung über den Inhalt der D0 hinaus.

1.2 Die Kammer ist mit der o.g. Argumentation nicht einverstanden und folgt diesbezüglich der Argumentation der Patentinhaberin wonach im ersten Satz des Absatzes 8 der D0 ohne jeglichen Bezug auf den vorangestellten Absatz 7 das Wesen der vorliegenden Erfindung definiert wird. Es ist darin angegeben, dass erfindungsgemäß das Waschen und das Erhitzen der Hackschnitzel bis auf rund 90°C mit bis auf 98°C erhitztem heißem Wasser erfolge. Von einem gleichzeitigen Waschen und Erhitzen ist darin nicht die Rede.

1.3 Es wird daher nach der Überzeugung der Kammer durch die o.g. Textstelle das Waschen und das Erhitzen der Hackschnitzel bis auf rund 90°C mit auf bis zu 98°C erhitztem heißem Wasser, ohne jegliche Einschränkung betreffend die zeitliche Abfolge dieser Behandlungsvorgänge der Hackschnitzel in D0 offenbart.

1.4 Der von der Einsprechenden vorgeschlagene Test, ob nämlich die ursprüngliche Offenbarung (D0) ein "nicht-gleichzeitiges" Waschen und Erhitzen offenbart geht ins Leere. Im vorliegenden Fall ist die zu beantwortende Frage, ob ein Waschen und Erhitzen der Hackschnitzel ohne die "gleichzeitige"-Einschränkung ursprünglich offenbart ist oder nicht. Das ist nach der Überzeugung der Kammer wegen den Absatz 8 offensichtlich der Fall.

1.5 Aus der o.g. Gründen erachtet die Kammer, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (D0) hinausgeht und dass daher der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ nicht greift.

2. Ausführbarkeit - Artikel 100 b) EPÜ

2.1 Betreffend das Merkmal f) des Anspruchs 1 argumentiert die Einsprechende, dass im Verfahren nach Anspruch 1 eine Unsicherheit hinsichtlich der Frage bestehe, wann der Fachmann im Schutzbereich des Streitpatentes arbeite und wann nicht, da die Bedeutung von Hackschnitzeltemperaturen von "rund 90°C", durch das Einstellen eines Temperaturgradients zwischen der Oberfläche und dem Kern eines Hackschnitzels beim Erhitzen mit Wasser, dem Fachmann unklar sei.

2.2 Die Kammer schließt sich der derzeitigen vorherrschenden Meinung in den Beschwerdekammern an, wonach die Frage, ob der Fachmann feststellen kann, ob ein Gegenstand in den beanspruchten Bereich fällt oder nicht, ein Erfordernis der Klarheit und nicht der Ausführbarkeit darstellt, siehe hiezu Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, II.C.8.2. Der o.g. Einwand fällt daher nicht unter den Erfordernissen des Artikel 100 b) EPÜ.

2.3 Außerdem, in Bezug auf das o.g. Merkmal des Anspruchs 1 folgt die Kammer der Argumentation der Patentinhaberin, wonach die Hackschnitzeltemperatur im Anspruch 1 nicht allein für sich steht sondern sie ist mit der Anweisung verknüpft, die Hackschnitzel mit bis zu 98°C heißem Wasser zu waschen. Eine Erfindung ist ausführbar, wenn der Fachmann in der Patentschrift (Beschreibung und Patentansprüche) die wesentlichen technischen Lehren an die Hand gegeben werden, die erforderlich sind, um die Erfindung nachzuarbeiten. Dies ist hier der Fall.

2.4 Die Einsprechende argumentiert weiter, dass dem Fachmann durch das Streitpatent keine Information vermittelt werde, wie gemäß Merkmal E des Anspruchs 7 eine erfindungsgemäße "Transportleitung zum Transport der Hackschnitzel in bis zu 98° C erhitztem Wasser...", ggf. inklusive Verunreinigungen, gemäß Merkmal E des Anspruchs 7, ausgebildet sein müsse.

2.5 Die Kammer ist diesbezüglich der Auffassung, der entsprechenden Argumentation der Patentinhaberin folgend, dass die Auswahl einer geeigneter Transportleitung zur Erfüllung eines definierten technischen Anforderungsprofils im Rahmen der Fähigkeiten des Fachmannes liegt. Anspruch 7 beinhaltet daher eine für den Fachmann nacharbeitbare Anleitung zur Ausführung der im Anspruch 7 definierten Erfindung.

2.6 Die Einsprechende argumentiert anschließend, dass der geschlossene Wasserkreislauf gemäß Merkmal G des Anspruchs 7 verlange, dass kein Austausch von Wasser im Wasserkreislauf stattfände, im Widerspruch zu Absatz 20 des Streitpatents stehe, wonach bevorzugt ein kontinuierlicher Zu- und Abfluss von Wasser zu dem Wasserkreislauf zwischen der Übergabevorrichtung und dem Waschbehälter stattfände. Der Fachmann könne somit nicht erkennen, wann er einen Wasserkreislauf innerhalb des Schutzumfanges von Anspruch 7 betreibe.

2.7 Die Kammer folgt der entsprechenden Argumentation der Patentinhaberin, wonach gemäß Absatz 15, letzter Satz, des Streitpatents das Wasser zwischen Waschbehälter und Übergabevorrichtung zirkuliert und gemäß Absatz 20, Sätze 3 bis 5, das heiße Wasser diskontinuierlich oder kontinuierlich aus dem Wasserkreislauf ausgeschleust bzw. ausgetauscht werden soll. Dies bedeutet, dass der Begriff "geschlossener Wasserkreislauf" im Sinne des Streitpatents keinen hermetisch geschlossenen Wasserkreislauf darstellen muss. Dieser Umstand ist für den Fachmann ohne Weiteres aus der Beschreibung erkennbar und stellt nach Ansicht der Kammer eine für den Fachmann nacharbeitbare Lehre zur Ausführung der im Anspruch 7 definierten Erfindung dar.

2.8 Aus den o.g. Gründen gelangt die Kammer zur Auffassung, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ nicht greift.

3. Zulassung der Entgegenhaltungen D8 und D9 ins Beschwerdeverfahren - Artikel 12 (4) VOBK 2007

3.1 Die Einsprechende hat erstmals mit der Beschwerdebegründung die Entgegenhaltungen D8 und D9 vorgelegt und hierzu im Hinblick auf die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit vorgetragen.

3.2 Die Zulassung dieses neuen Vortrags richtet sich im vorliegenden Verfahren gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Artikel 12 (4) VOBK 2007 steht es im Ermessen einer Beschwerdekammer, neues Vorbringen vom Beschwerdeverfahren auszuschließen, wenn dieses schon im vorhergehenden Einspruchsverfahren hätte vorgebracht werden können und sollen.

3.3 Vorliegend hat die Einspruchsabteilung bereits in ihrer Mitteilung vom 13. Juli 2015 verdeutlicht, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikeln 52 (1), 54 und 56 EPÜ auf der Grundlage der bis zu diesem Zeitpunkt von der Einsprechenden vorgelegten Entgegenhaltungen keinen Erfolg haben würde. Spätestens dann hätte für die Einsprechende Veranlassung bestanden, eine zusätzliche Recherche durchzuführen und weitere Entgegenhaltungen vorzulegen.

3.4 Vor diesem Hintergrund sind im vorliegenden Fall Gründe, die die verspätete Vorlage rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich, zumal es sich bei den vorgelegten Entgegenhaltungen um eines im Jahr 2010 veröffentlichtes Buch handelt (D8) und D9 eine Kopie aus einem Lexikon aus dem Jahr 1972 ist.

3.5 Die Einsprechende hat dabei argumentiert, dass die Entgegenhaltungen D8 und D9 prima facie relevant seien, sodass ihre Zulassung in das Beschwerdeverfahren gerechtfertigt sei. Die Erfordernisse der Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2007 seien jedenfalls durch die frühest mögliche Einreichung der Dokumente D8 und D9 zu Beginn des Beschwerdeverfahrens sowie die zugehörigen Erläuterungen in der Beschwerdebegründung erfüllt. Insbesondere müsse die Komplexität (vorliegend keine) des neuen Vorbringens, der Verfahrensstand sowie die gebotene Verfahrensökonomie (keine Verlegung der mündlichen Verhandlung erforderlich) berücksichtigt werden. Die Ausübung ihrer Befugnis habe die Kammer unter Berücksichtigung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens für beide Parteien anzuwenden.

3.6 Betreffend die o.g. Argumentation der Einsprechenden verweist die Kammer auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.A.4.11.3 a) und z.B. T 62/15, wonach die prima facie Relevanz einer Entgegenhaltung nicht zwingend dazu führt, dass die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausübt, diese in das Verfahren zuzulassen. Wenn - wie vorliegend - keinerlei Gründe für die verspätete Vorlage ersichtlich sind und aufgrund der Mitteilung der Einspruchsabteilung zudem frühzeitig erkennbar war, dass die Patentfähigkeit des Streitpatents durch die im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen nicht in Frage gestellt wird, kann eine Kammer diese Entgegenhaltungen ungeachtet ihrer Relevanz vom Verfahren ausschließen. Entgegen der Ansicht der Einsprechenden widerspricht dieses Ergebnis einem fairen Verfahren nicht. Vielmehr dient es diesem, indem gewährleistet wird, dass die Parteien ihrer Beibringungspflicht im Einspruchsverfahren rechtzeitig nachkommen, so dass das Vorbringen in zwei Instanzen geprüft werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Auffassung der Einsprechenden für die Ermessensentscheidung nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 auch irrelevant, dass die Entgegenhaltungen bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden. Artikel 12 (4) VOBK 2007 soll nämlich in erster Linie die Funktion des Beschwerdeverfahrens als Überprüfungsverfahren absichern und betrifft daher gerade auch solches neues Vorbringen, das bereits mit der Beschwerdebegründung bzw. Beschwerdeerwiderung eingereicht wird.

3.7 Die Einsprechende hat weiter argumentiert, dass die Einspruchsabteilung durch das Erachten der D2, sowohl in ihrer vorläufigen Meinung als auch bei der angefochtenen Entscheidung als nicht neuheitsschädlich gegenüber den Gegenständen der unabhängigen Ansprüche 1 und 7, den Offenbarungsgehalt der D2 beide Male falsch interpretiert habe. Dies sei Anlass genug für die Einsprechende gewesen nach neuen Entgegenhaltungen zu suchen, welche ihr während des Einspruchsverfahrens nicht nur nicht bekannt waren sondern auch schwierig zu recherchieren waren, da es sich bei der D8 um ein Buch handele. Sie konnte daher diese erst zusammen mit der Beschwerdebegründung einreichen.

3.8 Die Kammer merkt diesbezüglich an, dass einem Einspruchsverfahren (inter-partes Verfahren) vor dem EPA immanent ist, dass die Einspruchsabteilung den Argumenten der einen Partei nicht folgt, im vorliegenden Fall den Argumenten der Einsprechenden, und entsprechend gegen sie entscheidet. Dies bedeutet aber keinen Freibrief für die Einsprechende, in jedem beliebigen Zeitpunkt des Verfahrens neue Beweismittel vorzulegen. Zum diesen Zweck ist die Einspruchsfrist vorgesehen. Die im EPÜ vorgesehene Einspruchsfrist räumt der Einsprechenden eine Zeit von 9 Monaten ein um Beweismittel jeglicher Art, d.h. nicht nur Patentliteratur sonder auch Bücher oder Vorbenutzungsunterlagen zu recherchieren und vorzulegen. Zudem stütze sich die Einsprechenden von Anfang an auf Nicht-Patentliteratur, nämlich auf die D2 als Fachliteratur. Der Recherchenaufwand zum ermitteln von Fachliteratur wurde also bereits bei der Vorbereitung des Einspruchs geleistet. Die Tatsache, dass die Einsprechende nicht nur während der Einspruchsfrist sondern auch während des gesamten Einspruchsverfahrens nach den Entgegenhaltungen D8 und D9 nicht gesucht, eventuell diese nicht gefunden und auf jeden Fall diese der Einspruchsabteilung nicht vorgelegt hat, kann nicht eine Zulassung dieser Entgegenhaltungen ins Verfahren zum Nachteil der Patentinhaberin begründen.

3.9 Aus den o.g. Gründen übt die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, D8 und D9 gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 und Artikel 25 (2) VOBK 2020 ins Beschwerdeverfahren nicht zuzulassen.

4. Anspruch 1 - Neuheit, Artikel 100 a) und 54 EPÜ

4.1 Die zu klärende Frage betreffend die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 ist, ob der Verfahrensschritt gemäß Merkmal f, nämlich das Waschen und das Erhitzen der Hackschnitzel bis auf rund 90°C mit auf bis zu 98°C aufgeheiztem Wasser, in D2 offenbart ist.

4.2 Die Einsprechende argumentiert, dass im Vordämpfbehälter der Abbildung 4.1/45 der D2 der Dampf an den aufzuheizenden Hackschnitzeln kondensiere, weshalb bis zu 98°C heißes Wasser an den Hackschnitzeln nach unten laufe, das die Hackschnitzel dabei erhitze und sich unten im Vordämpfbehälter sammele, so dass die Hackschnitzel in heißem Wasser zur Übergabevorrichtung in Form der Stopfschnecke transportiere und dort vom heißen Wasser getrennt werden. Es seien also am unteren Ende des Vorwärmbehälters bis zu 98°C heißes Wasser (kondensierter Dampf) und bis auf rund 90°C erwärmte Hackschnitzel vorhanden. Mithin könne der Vorwärmbehälter als Waschbehälter im Sinne des Streitpatents angesehen werden, in dem die Hackschnitzel gleichzeitig gewaschen und erhitzt werden.

4.3 Die Kammer, in Übereinstimmung mit der entsprechenden Argumentation der Patentinhaberin, erachtet, dass der Vordämpfbehälter in der Abbildung 4.1/45 keinen Waschbehälter im Sinne von Anspruch 1 darstellt. Ein Waschbehälter dient in einschlägigen Verfahren, nämlich jenen zur Aufbereitung von Hackschnitzeln, dem Zweck der Abscheidung von Verunreinigungen. Diese Funktion kann dem Vordämpfbehälter in Abbildung 4.1/45 nicht zugeordnet werden. Vielmehr ist in einem Verfahren nach Abbildung 4.1/45 der Einspeisungsbehälter vom Holzplatz als Waschbehälter zu bezeichnen, der mit dem Reject Container in Verbindung steht und somit erkennbar dem Abscheiden von Verunreinigungen dient.

4.4 Dabei wird in der Abbildung 4.1/45 ein Ablaufschema vorgestellt, bei dem dem Bereich der Hackschnitzelwäsche der Waschtrog, der Hackschnitzelzyklon, die Entwässerungsschnecke, das Bogensieb und der Waschwassertank zugeordnet sind. Dem Bereich der Druckzerfaserung sind andererseits der Vordämpfbehälter, der Vibrationsaustrag, die Stopfschnecke, der Kocher, die Band-Einspeiseschnecke, der Kocheraustrag, der Druckrefeiner und der Druckzyklon zugeordnet. Beim Erreichen des Vorwärmebehälters, bzw. Vordämpfbehälters in der Abbildung 4.1/45 ist das Verfahren gemäß Anspruch 1 bereits abgeschlossen.

4.5 Die Kammer folgert daraus, dass gemäß Abbildung 4.1/45 kein erstes Erhitzen mit heißem (bis zu 98°C erhitztem und somit mit nicht schon verdampftem) Wasser sondern nur das Erhitzen der Hackschnitzel mit Dampf erfolge, und dass der darin abgebildete Vordämpfbehälter keinen Waschbehälter im Sinne von Anspruch 1 darstellt.

4.6 Daraus folgert die Kammer, dass das kennzeichnende Merkmal f des Anspruchs 1 aus D2 nicht bekannt ist. Da die kennzeichnenden Merkmale g und h des Anspruchs 1 festlegen, dass "der Transport der Hackschnitzel zu der Übergabevorrichtung in dem heißen Wasser erfolgt und in der Übergabevorrichtung die Hackschnitzel von dem heißen Wasser getrennt und an Vorrichtungen zum weiteren Erhitzen mit Dampf übergeben werden", sind ebenfalls diese Merkmale aus D2 nicht bekannt.

4.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu.

5. Anspruch 7 - Neuheit, Artikel 100 a) und 54 EPÜ

5.1 Die zu klärende Frage betreffend die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 7 ist, ob zumindest das Vorrichtungsmerkmal G, wonach der Waschebehälter für Hackschnitzel und die Übergabevorrichtung für auf bis zu 90°C erhitzte Hackschnitzel durch einen geschlossenen Wasserkreislauf für auf bis zu 98°C erhitztes Wasser miteinander verbunden sind, in D2 offenbart ist.

5.2 Die Einsprechende argumentiert, dass anhand der Tatsache, dass die zylindrischen Rohrstücke von Waschbehälter und Hackschnitzelzyklon der Abbildung 4.1/45 der D2 mit Pfeilen und mit sich an einer Spitze berührenden Dreiecken versehen seien, diese Abbildung einen geschlossenen Wasserkreislauf zwischen der Übergabevorrichtung an der Entwässerungsschnecke und dem Waschbehälter am Aufgabepunkt vom Holzplatz zeige.

5.3 Die Kammer, in Übereinstimmung mit der entsprechenden Argumentation der Patentinhaberin, erachtet, dass in D2 ein Verfahren zum Aufbereiten von Hackschnitzeln offenbart ist, bei dem die Hackschnitzel zunächst mit kaltem Wasser gewaschen und anschließend mit Dampf erhitzt werden. Die entsprechende Vorrichtung sieht Mittel zum Waschen mit kaltem Wasser und anschließend Mittel zum Einleiten von Dampf in die durch die Entwässerungsschnecke entwässerten Hackschnitzel vor.

5.4 Ausgehend von der Umwälzpumpe unterhalb des Wassertanks zeigen in der Abbildung 4.1/45 Pfeile hin zu verschiedenen Vorrichtungsteilen: zum Waschbehälter, zum Hackschnitzelzyklon und zum Bogensieb. Welchen Weg das Wasser von dort nimmt, ist nur für das Bogensieb verdeutlicht. Das Wasser wird dort vom Bogensieb zum Waschwassertank zurückgeführt.

5.5 Die von der Einsprechenden behauptete Verzweigung der Leitungen zwischen der Umwälzpumpe und dem Waschbehälter kann der schematischen Abbildung 4.1/45 nicht zweifelsfrei entnommen werden. Ein in den einander kreuzenden Linien zwischen dem Waschbehälter und dem Bogensieb angeblich in bestimmter Art geführter Wasserverlauf wird von der Einsprechenden willkürlich festgelegt, ohne dass es in der schematischen Darstellung der Abbildung 4.1/45 selbst oder in der Beschreibung der D2 Hinweise hierfür gibt. Das Argument der Einsprechenden, dass die D2 einen geschlossenen Wasserkreislauf zeige, beruht daher nach Meinung der Kammer auf einer reiner Vermutung, welche die Kammer nicht überzeugt.

5.6 Daraus folgert die Kammer, dass weder der schematischen Abbildung 4.1/45 noch der Beschreibung der D2 zu entnehmen ist, dass das von der Entwässerungsschnecke abgezogene Prozesswasser vom Waschwassertank weiter zum Waschbehälter zur geschlossener Wasserkreislaufbildung zurückgeführt wird und dass daher zumindest das kennzeichnende Merkmal G des Anspruchs 7 aus D2 nicht bekannt ist. Der Gegenstand des Anspruchs 7 ist deswegen ebenfalls neu.

6. Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit, Artikel 100 a) und 56 EPÜ

6.1 Wie unter Punkt 4.6 oben angegeben, sind die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 aus D2 nicht bekannt.

6.2 Ausgehend aus D2, welche ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbart, ist die Wasserdampfmengereduktion als die zu lösende Aufgabe zu sehen, siehe hierzu Absatz 7 des Streitpatents.

D2 in Kombination mit D1

6.3 Die Einsprechende argumentiert, dass ausgehend von dem aus D2 bekannten Verfahren der sich um die Lösung der o.g. Aufgabe bemühende Fachmann die Vorteile der beheizten Hackschnitzelwäsche für die Verringerung der benötigten Dampfmenge zur Aufheizung der Hackschnitzel und des dabei entstehenden Kondensats aus der D1 erkennen könne. Somit gäbe die D1 eine konkrete Anregung zur Lösung des zugrundeliegenden technischen Problems der Wasserdampfmengenreduktion zur Anwendung von heißem Wasser bei der Hackschnitzelwäsche im Verfahren gemäß D2. Der Fachmann gelange daher in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.

6.4 Die Kammer folgt diesbezüglich die Argumentation der Patentinhaberin, wonach D1 das Erstellen von Faserstoff, in dem Hackschnitzel mit heißer Flüssigkeit gekocht und anschließend zerfasert werden, betrifft. Dabei wird das Entfernen von Lignin angestrebt. Das gesamte Verfahren zur Herstellung von Faserstoff nach D1 findet ohne Einsatz von Dampf statt. Weder die in D1 gelehrte Technik noch die Aufgabenstellung der D1 haben Bezug zur Lehre des Streitpatents.

6.5 D1 kann daher keinerlei Anregungen zur Lösung der im Streitpatent in Absatz 7 dargestellten technischen Aufgabe der Erfindung, nämlich die Verringerung der zum Erhitzen von Hackschnitzeln notwendigen Menge an Wasserdampf, geben, da im Verfahren nach der D1 die Hackschnitzel ohne Verwendung von Dampf erwärmt werden. Eine Berücksichtigung der Lehre der D1 zur Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden technischen Aufgabe beruht daher ausgehend von der D2, Abbildung 4.1/45, auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise.

D2 in Kombination mit dem allgemeinen technischen Fachwissen

6.6 Die Einsprechende argumentiert, dass der Fachmann, wenn das Streitpatent im Absatz 5 einen anderen Lösungsweg als unvorteilhaft benennt, zwingend zum Gegenstand des Anspruchs 1 kommen müsse. Sie zeigt aber dabei nicht auf, welche Überlegungen, die dem Fachmann aus seinem allgemeinen technischen Fachwissen vertraut sind, ihn zu der erfindungsgemäßen Lösung führen. Sie legt auch keine Beweismittel als Beleg für ihre o.g. Behauptung vor.

6.7 Tatsächlich, wie von der Patentinhaberin überzeugend argumentiert wurde, stehen dem Fachmann sehr wohl alternative Lösungen zur Verfügung, um eventuell das aus D2 bekannte Verfahren zu optimieren: zum einen die in der D2 beschriebene Verwendung von Mikroorganismen, zum anderen der Einsatz von Chemikalien, die ein Erweichen der Hackschnitzel fördern, auch konstruktive Maßnahmen, die ein besseres Ausnutzen der Wärmeenergie des Dampfes zur Folge haben könnten.

6.8 Aus den o.g. Gründen erachtet die Kammer die o.g. Argumentation der Einsprechenden als eine auf einer unzulässiger rückschauenden Betrachtungsweise basierende Behauptung.

6.9 Die Kammer ist daher der vorläufigen Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 eine erfinderische Tätigkeit aufweist.

7. Anspruch 7 - Erfinderische Tätigkeit, Artikel 100 a) und 56 EPÜ

D2 in Kombination mit dem allgemeinen technischen Fachwissen

7.1 Wie unter Punkt 5.6 oben angegeben ist, ist zumindest das kennzeichnende Merkmal G des Anspruchs 7, wonach

"der Waschbehälter für Hackschnitzel und die Übergabevorrichtung für auf bis zu 90°C erhitzte Hackschnitzel durch einen geschlossenen Wasserkreislauf für auf bis zu 98°C erhitztes Wasser miteinander verbunden sind" aus D2 nicht bekannt.

7.2 Die Einsprechende argumentiert, dass ausgehend aus der aus D2 bekannten Vorrichtung die zu lösende Aufgabe, anders als im Absatz 7 des Streitpatents angegebene Wasserdampfmengereduktion, in der Frischwasserreduktion zu sehen sei und dass daher der Fachmann das Merkmal G des Anspruchs 7 als naheliegendes Merkmal erachten würde.

7.3 Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist bei der objektiven Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe zunächst von der im Streitpatent formulierten Aufgabe auszugehen. Erst wenn die Prüfung ergibt, dass die dort gestellte Aufgabe nicht gelöst ist, oder wenn ein unzutreffender Stand der Technik zur Definition der Aufgabe herangezogen werde, muss untersucht werden, welche andere Aufgabe objektiv bestand, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, I.D.4.3.2. Die Kammer sieht im vorliegenden Fall keinen von den o.g. Ausschließungsgründen als gegeben und es wurde auch kein solcher Grund seitens der Einsprechenden vorgetragen. Die Kammer geht daher weiterhin von der im Streitpatent formulierten Aufgabe, nämlich der Wasserdampfmengereduktion aus.

7.4 Die Einsprechende hat dabei keine Beweismittel als Beleg für ihre Behauptung vorgelegt, dass dem Fachmann, bei seinem Bestreben die aus D2 bekannte Vorrichtung eine Wasserdampfreduktion zu erreicht, durch sein allgemeines technisches Fachwissen das o.g. Unterscheidungsmerkmal G gegenüber der Offenbarung der D2 nahegelegt sei.

7.5 Die Kammer erachtet die o.g. Behauptung der Einsprechenden als eine unsubstantiierte Behauptung, welche bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit außer Acht zu lassen ist.

7.6 Da das o.g. Unterscheidungsmerkmal dem Fachmann, durch sein allgemeines technisches Wissen nicht offenbart ist, könnte auch eine hypothetische Kombination der Lehre der D2 mit dem allgemeinen technischen Fachwissen mangels Vorbilds den Fachmann nicht zum Gegenstand des Anspruchs 7 führen.

7.7 Der Gegenstand des Anspruchs 7 weist daher ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit auf.

8. Ergebnis

Weil es der Einsprechenden nicht gelungen ist, zu einem der vorgetragenen Einspruchsgründen die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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