T 1309/16 (Kernschicht aus faserverstärktem thermoplastichem Kunststoff / … of 15.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T130916.20201015
Datum der Entscheidung: 15 October 2020
Aktenzeichen: T 1309/16
Anmeldenummer: 08802022.7
IPC-Klasse: B32B5/18
E04C2/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbundplatte auf Basis von Hochdruck-Schichtpressstoffplatten (HPL-Platten)
Name des Anmelders: Quadrant Plastic Composites AG
Name des Einsprechenden: RESOPAL GMBH
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 100(a) (2007)
European Patent Convention Art 100(b) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
RPBA2020 Art 012(2) (2020)
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
Schlagwörter: Entgegenhaltungen nicht zugelassen von der Einspruchsabteilung : Zum Beschwerdeverfahren nicht zugelassen
Allgemeines Fachwissen eingereicht mit der Beschwerdebegründung und in Erwiderung zur Kammermitteilung : Zum Verfahren zugelassen
Fehlende aktive Beteiligung der Beschwerdegegnerin : kein Grund die Beschwerde stattzugeben
Ausführbarkeit der Erfindung : ja
Neuheit : ja
Erfinderische Tätigkeit : ja
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0936/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1943/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 2 188 117, dessen Anspruch 1 den folgenden Wortlaut hat:

"1. Verbundplatte, umfassend zwei Deckschichten A sowie eine dazwischen angeordnete Kernschicht B, wobei jede Deckschicht A aus einer Mehrzahl von aneinander geschichteten, mit einem Harz imprägnierten Zellulosefaserstoffbahnen gebildet ist und eine Dichte von mindestens 1.4g/cm**(3) aufweist, und wobei die Kernschicht B und die Deckschichten A durch einen wasserfreien Klebstoff miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Kernschicht B aus einem faserverstärkten thermoplastischen Kunststoff mit einem Gehalt an Verstärkungsfasern von 35 bis 80 Gew.-% und einem Gehalt an Luftporen von 20 bis 85 Vol.-% gebildet ist und dass der Klebstoff in den an der Oberfläche der Kernschicht befindlichen Poren mechanisch verankert ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 betreffen besondere Ausgestaltungen der beanspruchten Verbundplatte; Anspruch 6 betrifft ein Verfahren zur Herstellung der Verbundplatte nach einem der Ansprüche 1 bis 5 und Anspruch 7 die Verwendung der Verbundplatte nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Herstellung von Laminatfussböden.

II. In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin Einwände unter Artikel 100(a) und (b) EPÜ vorgebracht. Insbesondere hat sie die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes gegenüber D1 (EP 1 588 814 Al) und die erfinderische Tätigkeit ausgehend aus D1 oder D2 (US 2005/0215698) als nächstliegendem Stand der Technik beanstandet. Zudem hat sie beantragt, die von der Einspruchsabteilung nicht zugelassenen Entgegenhaltungen D18 (DE 20 2007 018 002 U1) und D19 (DE 200 15 621 U1) sowie die mit der Beschwerdebegründung eingereichten D20 (Römpp-Lexikon Chemie, Band 3 H-L, 10. Ausgabe, 1997, Seiten 1687-1688, Stichwort "Harnstoff-Harze"), D21 (Römpp-Lexikon Chemie, Band 5 Pl-S, 10. Ausgabe, 1999, Seiten 3512-3514, Stichwort "Polyurethane") und D22 (Römpp-Lexikon Chemie, Band 3 "H-L"; 10. Ausgabe, 1997, Seiten 1783-1785, Stichwörter "Holz" und "Holzfurniere") zum Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdeführerin hat sich schriftlich auch auf folgende Entgegenhaltungen gestützt:

D3: US 2003/0129361 Al

D4: GB 2 428 993 A

D5: US 2002/0106503 Al

D6: DE 20 2005 012 223 U1

D7: US 4 944 416

D8: WO 02/058944 Al

D9: DE 196 01 438 Al und

D10: WO 01/74605 A2.

III. In Erwiderung auf die Kammermitteilung vom 6. April 2020 hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 14. August 2020 ihre Anträge aufrechterhalten und folgende Anlagen eingereicht:

D23: Römpp-Lexikon Chemie, Band 1 "A-Cl"; 10. Ausgabe, 1996, Seiten 636-638, Stichwort "Cellulose"

D24: Römpp-Lexikon Chemie, Band 3 "H-L"; 10. Ausgabe, 1997, Seite 1785, Stichwort "Holzfasern" und

D25: Römpp-Lexikon Chemie, Band 3 "H-L"; 10. Ausgabe, 1997, Seiten 2410-2411, Stichwort "Lignin".

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat mit Schriftsatz vom 11. September 2020 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und beantragt, die Beschwerde abzuweisen und das strittige Patent aufrecht zu erhalten.

V. In der in Abwesenheit der Beschwerdegegnerin abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurden insbesondere die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes erörtert.

VI. Die endgültigen Anträge der Parteien waren die Folgenden:

Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents beantragt. Außerdem hat sie beantragt, die Entgegenhaltungen D18 bis D25 zum Verfahren zuzulassen und den mit Schreiben vom 11. September 2020 gestellten Antrag der Patentinhaberin nicht zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Entgegenhaltungen D18 bis D25

1.1 Die Entgegenhaltungen D18 und D19 wurden von der Einspruchsabteilung zum Verfahren nicht zugelassen, da sie verspätet eingereicht wurden und prima facie nicht relevanter als die im Verfahren bereits befindlichen Druckschriften waren.

1.1.1 Die Beschwerdeführerin hat weder in Erwiderung zur Kammermitteilung noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer diesbezüglich etwas vorgetragen, sodass die Kammer keinen Grund hat, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen, in der sie die von der Einspruchsabteilung in der Ausübung ihres Ermessens bei der Zulassung von verspätet eingereichten Entgegenhaltungen getroffene Entscheidung geteilt hatte.

1.1.2 Die Kammer hat daher entschieden, die Entgegenhaltungen D18 und D19 unter Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht zum Verfahren zuzulassen.

1.2 Die Entgegenhaltungen D20 bis D25 stellen allgemeines Fachwissen dar, das als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung (D20-D22) bzw. auf ein in ihrer vorläufigen Meinung von der Kammer vorgebrachtes neues Argument (D23-D25) eingereicht wurde.

Daher werden diese Entgegenhaltungen unter Artikel 12(4) VOBK 2007 bzw. Artikel 13(2) VOBK 2020 zum Verfahren zugelassen.

2. Zulässigkeit der Anträge der Parteien

2.1 Die Patentinhaberin hat die Beschwerdebegründung der Einsprechenden nicht erwidert bzw. keine Stellungnahme gegenüber den vorgebrachten Einwänden abgegeben. Nach dem EPÜ ist die Patentinhaberin rechtlich jedoch nicht verpflichtet, sich aktiv am Beschwerdeverfahren zu beteiligen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer des EPA, 9. Auflage 2019, V.A.4.11.3(d), insbesondere T 936/09, Entscheidungsgründe, Punkt 9), somit hat ihre fehlende aktive Beteilung nicht zur Folge, dass der Beschwerde schon aus formalen Gründen stattzugeben ist, wie von der Beschwerdeführerin behauptet.

Zudem ist das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung, in der der Einspruch zurückgewiesen wurde, gerichtlich zu überprüfen (Artikel 12(2) VOBK 2020). Dafür ist jedoch ein Antrag der Patentinhaberin auf Zurückweisung der Beschwerde nicht erforderlich.

2.2 Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin hat erst mit Schriftsatz vom 11. September 2020 schriftlich beantragt, die Beschwerde abzuweisen und das obige Patent aufrecht zu erhalten. Da dieser Antrag ohnedies dem entspricht, was die Kammer aufgrund der Beschwerde der Einsprechenden zu prüfen hat, nämlich, ob dieser stattzugeben oder sie zurückzuweisen ist, kann dahingestellt bleiben, ob dieser Antrag formell gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 zum Verfahren zuzulassen ist.

3. Ausführbarkeit der Erfindung (Artikel 100(b) EPÜ)

3.1 Die Beschwerdeführerin hat weder in ihrer Erwiderung zur Kammermitteilung noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer etwas zu ihrem in der Beschwerdebegründung erörterten Vorbringen hinzugefügt.

Daher hat die Kammer keinen Grund, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen, dass die vorgebrachten Einwände eher die Klarheit als die Ausführbarkeit des Anspruchs 1 betreffen bzw. dass die beanspruchte Erfindung in ihrer gesamten Breite ausführbar ist.

3.2 Wie in der Kammermitteilung festgestellt, offenbart das Streitpatent eindeutig (Absätze [0008] bis [0015]), wie die beanspruchte Verbundplatte hergestellt werden kann bzw. (Absatz [0014]) dass der eingesetzte Klebstoff wasserfrei oder zumindest wasserarm sein soll. Daher ist die Anwesenheit von Wasser im Klebstoff eindeutig unerwünscht. Die Beschreibung listet außerdem unten den geeigneten und bekannten Klebstoffen auch solche die, wie in D20 und D21 gezeigt, durch Polyaddition bei Anwesenheit von Wasser (z.B. Polyurethanschäume) gebildet werden oder beim Aushärten Wasser bilden (z.B. Kondensationsprodukte aus Harnstoff und Formaldehyd) können. Daher kann der Begriff "wasserfrei" im Anspruch 1 auch solche "wasserarme" Klebstoffe umfassen. Diese strittige Frage betrifft jedoch den Umfang des Anspruchs und daher seine Klarheit, aber nicht die Ausführbarkeit der Erfindung.

4. Neuheit (Artikel 100(a) und 54 EPÜ)

4.1 Die Verbundplatte des Anspruchs 1 enthält eine Kernschicht aus einem faserverstärkten thermoplastischen Kunststoff. Für die Kammer ist somit das Material, das die Kernschicht bildet, ein synthetisch hergestelltes Material (Kunststoff) und schließt natürliche Polymere, die synthetisch nicht verändert wurden, nicht ein. Demzufolge kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht zustimmen, dass der Begriff "thermoplastisches Kunststoff" im weitesten Sinne jegliches Material, das aus nicht vernetzten Polymeren besteht, einschließt.

4.2 D1 (Absätze [0048]-[0054]; Beispiele) offenbart eine durch die Vermischung von 100 Teilen Furnierstreifen aus Nadelholz mit 3, 4, 6 oder 10 Teilen eines Klebstoffs (K1-K4) erhaltene Furnierstreifenplatte. Die so erhaltene Platte, die sich wie Holz bearbeiten lässt, kann als Kernschicht für ein HPL-Laminat verwendet werden. Solch eine Furnierstreifenplatte besteht jedoch grundsätzlich aus Furnierholz, das Cellulose und Lignin enthält, die natürliche Polymere und kein synthetisch hergestelltes oder verändertes Material darstellen (D22-D25). Zudem kann die Menge an Klebstoff, der als Bindemittel mit den Furnierstreifen gemischt wird, nicht als Schicht bezeichnet werden. D1 offenbart daher keine Kernschicht aus thermoplastischem Kunststoff.

4.3 Daher kann D1 bereits aus diesem Grund die Neuheit des Anspruchs 1 nicht vorwegnehmen.

5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100(a) und 56 EPÜ)

5.1 Das Streitpatent (siehe auch Anspruch 1) betrifft eine Verbundplatte, umfassend zwei aus einer Mehrzahl voneinander geschichteten und mittels eines Harzes imprägnierten Zellulosefaserstoffbahnen als Deckschichten, die jeweils eine Dichte von mindestens 1.4 g/cm**(3) aufweisen (im Folgenden HPL-Deckschichten), und eine dazwischen angeordnete aus faserverstärktem thermoplastischem Kunststoff gebildete poröse Zwischenschicht, die 35 bis 80 Gew.% an Verstärkungsfasern enthält, wobei die Zwischenschicht und die Deckschichten durch einen wasserfreien Klebstoff miteinander verbunden sind.

5.1.1 Aus der Beschreibung (Absatz [0002] des Streitpatents) ist zu entnehmen, dass die für Fußböden, Möbelteile und Küchenarbeitsplatten verwendeten HPL-Platten (Hochdruck-Schichtpressstoffplatten) mindestens 5 mm dick sein sollten, um eine ausreichende Stabilität und selbsttragende dimensionalstabile Eigenschaften zu erhalten. Dadurch werden sie aber verhältnismäßig schwer.

5.1.2 Das Streitpatent setz sich daher die Aufgabe (Absatz [0006]), leichtere bzw. biegesteifere Verbundplatten auf Basis von HPL-Schichtstoffen bereitzustellen.

5.2 Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung sowohl D2 als auch D1 als möglichen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zitiert.

5.2.1 D1 setzt sich das Ziel (Absatz [0007]), reproduzierbare Formkörper (z.B. Platten) mit hohen Festigkeitswerten herzustellen. Zudem ist aus der Beschreibung der D1 (Absätzen [0048]-[0049]) zu entnehmen, dass diese Formkörper, insbesondere die erfindungsgemäßen Furnierstreifenplatten, ein deutlich niedrigeres Gewicht und eine hohe Biegefestigkeit aufweisen, sodass sie zur Herstellung von Platten oder Halbzeugen für Möbel, Küchenarbeitsplatten und Böden verwendet werden können. Zudem können sie beidseitig mit einem HPL-Laminat beschichtet werden. Daher setzt sich D1 ein ähnliches Ziel als das Streitpatent und ist ein geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

5.2.2 D2 (Absätze [0001], [0003] und [0005]; Anspruch 1) betrifft Verbundplatten, die eine faserverstärkte thermoplastische Kernschicht und zwei Deckschichten aufweisen. D2 setzt sich das Ziel, die Sicherheit dieser Verbundplatten, insbesondere in Bezug auf Brandausbreitung, Rauchdichte und Toxizität zu verbessern. Diese enthalten als Deckschichten eine Metallfolie, einen Film, eine Thermosetbeschichtung, eine anorganische Beschichtung, ein Fasernetz, ein nicht gewebtes ("Non-Woven") oder ein gewebtes Material, die einen bestimmten Sauerstoffbedarf nach ISO 4589 aufweisen; HPL-Deckschichten werden ausdrücklich nicht erwähnt. Obwohl Anspruch 17 der D2 die Verwendung von Phenolharzen als Beschichtung offenbart und Phenolharze zur Imprägnierung von den in HPL-Platten eingesetzten Schichten aus Zellulosefasern verwendet werden (siehe Absatz [0002] des Patents), fehlt in D2 jeglicher Hinweis auf die Verwendung von mehrschichtigen Zellulosefaserstoffbahnen als Deckschicht. Außerdem müssen die Beschichtungen von D2 (Absätze [0019] und [0024]) Herstellungstemperaturen von 200 bis 425ºC aushalten, während die HPL-Platten des Streitpatents bei viel niedrigeren Temperaturen (Streitpatent: Absatz [0015] und Anspruch 6) hergestellt werden. Daher kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht zustimmen, dass die Auflistung von Thermosetbeschichtungen als mögliche Deckschicht (D2: Absatz [0005] und Anspruch 1) eindeutig auf die mögliche Verwendung von HPL-Deckschichten hinweist. Zudem können die Verbundplatten der D2 (Absatz [0029]) zum Beispiel in der Infrastruktur von Gebäuden oder als Seitenwände für Flugzeuge, Züge und Marineschiffe verwendet werden. Eine Verwendung für Fußböden, Möbelteile und Küchenarbeitsplatten ist nicht ausdrücklich erwähnt.

Daher hat D2 eindeutig eine andere Zielsetzung als das Streitpatent.

5.2.3 Daher ist die Kammer der Meinung, dass D1, die eine ähnliche Zielsetzung wie das Streitpatent betrifft, den besseren Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Insbesondere stellt die Furnierstreifenplatte gemäß den Beispielen der D1 (Absätze [0051]-[0060]) den nächstliegenden Stand der Technik dar.

5.3 Wie aus dem Absatz [0007] des Streitpatents zu entnehmen ist wurde die Aufgabe, eine leichtere bzw. biegesteifere Verbundplatte auf Basis von HPL-Schichtstoffen bereitzustellen, durch die Verbundplatte des Anspruchs 1 gelöst.

5.3.1 In Abwesenheit eines Vergleichs zwischen dem beanspruchten Gegenstand und dem nächstliegenden Stand der Technik (D1/Beispiele), der eine ähnliche Aufgabe bereits gelöst hat, kann die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik zugrundeliegende technische Aufgabe nur als die Bereitstellung einer weiteren leichten und biegesteifen Verbundplatte auf Basis von HPL-Schichtstoffen formuliert werden.

5.3.2 Dass diese Aufgabe durch den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 gelöst wurde, ist unbestritten.

5.4 Naheliegen des beanspruchten Gegenstands

5.4.1 Wie bereits in der Diskussion der Neuheit ausgeführt, ist die Kernschicht des nächstliegenden Standes der Technik eine Furnierstreifenplatte und nicht eine faserverstärkte thermoplastische Kernschicht. Obwohl D1 (Absatz [0049]) wohl nahelegt, die offenbarte Furnierstreifenplatte als Kernschicht in einer HPL-Laminat einzusetzen, hätte der Fachmann, ausgehend aus D1, keine Motivation gehabt, die als Kernschicht eingesetzte Furnierstreifenplatte, die in D1 zur Lösung der technischen Aufgabe beiträgt, mit einer kompletten unterschiedlichen Platte aus faserverstärktem thermoplastischem Kunststoff auszutauschen.

5.4.2 D2 offenbart (Absätze [0001], [0003], [0004] und [0012]; Anspruch 1) zwar Verbundplatten, die eine poröse faserverstärkte - enthaltend 20 bis 80 Gew.-% Verstärkungsfasern - thermoplastische Kernschicht und Deckschichten aufweisen, jedoch sind diese letzten keine HPL-Deckschichten (siehe oben). D2 setzt sich jedoch mit einer ganz anderen Aufgabe als D1 auseinander, nämlich die Sicherheit dieser Verbundplatten, insbesondere in Bezug auf Brandausbreitung, Rauchdichte und Toxizität zu verbessern.

Für die Kammer hätte daher der Fachmann ausgehend aus D1 keinen Anlass gehabt, die ein ganz anderes Ziel verfolgende Entgegenhaltung D2 in Betracht zu ziehen und die Kernschicht dieser für einen anderen Zweck entwickelten Verbundplatte zur Lösung der gestellten technischen Aufgabe in Betracht zu ziehen. Daher hätte er D1 nur mit Vorkenntnis der beanspruchten Erfindung mit D2 kombinieren können.

5.4.3 Daraus schließt die Kammer, dass die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Kombination der Entgegenhaltungen D1 und D2 bereits aus den obigen Gründen nicht zum beanspruchten Gegenstand führen kann.

5.4.4 D3 betrifft (Absatz [0016]) die Bereitstellung einer Verbundplatte, die besondere Farbe/Helligkeit aufweist. Da die Aufgabe auch hier ganz anders ist, hätte der Fachmann diese Entgegenhaltung auch nicht in Betracht gezogen, um die Aufgabe des Streitpatents zu lösen. Außerdem besteht die Kernschicht der Verbundplatte der D3 nicht aus einem faserverstärkten thermoplastischen Kunststoff, sondern (Absatz [0021]) aus verschiedenen Schichten von natürlichem Material (Holzfaser, Cellulosefaser), die mit einem Harz als Bindemittel imprägniert sind, d.h. aus einem der Furnierstreifenplatte der D1 ähnlichen Material. Daher würde auch die Berücksichtigung dieses Dokuments nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen können.

5.5 Entgegenhaltungen D4-D10

5.5.1 Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich zusätzlich auf die Entgegenhaltungen D4-D10 hingewiesen.

5.5.2 D4 (Seite 1), D6 (Anspruch 1, Absatz [0019]) und D7 (Ansprüche 7 und 13; Spalte 5, Zeilen 40-42) offenbaren eine aus einer Schicht aus Polystyrolschaum und einer HPL-Schicht bestehende Verbundplatte (D4) oder HPL-Verbundplatten, die eine Kernschicht aus thermoplastischem Polystyrolschaum enthalten (D6 und D7). Alle drei Entgegenhaltungen offenbaren jedoch keine Schicht aus faserverstärktem thermoplastischem Kunststoff, die 35 bis 80 Gew.% an Verstärkungsfasern enthält.

Zudem sind die in diesen Entgegenhaltungen angegebenen Zielsetzungen mit der der D1 nicht vergleichbar. D4 (Seite 1) betrifft die Bereitstellung eines Verbundpaneels zur Auskleidung der Duschwände, um somit die Installationskosten zu senken bzw. die Gefahren einer Installation mit schweren Paneelen zu vermindern. D6 betrifft (Absatz [0003]) ein Formteil zur Herstellung von Möbeln, welches leicht zu formen ist, aber trotzdem einfach und kostengünstig hergestellt werden kann. D7 (Spalte 1, Zeilen 6-10 und Spalte 2, Zeilen 37-40) betrifft die Bereitstellung von leichtgewichtigen und kostengünstigen Merchandising-Ausstellungswänden, insbesondere Nutwänden (slot-walls).

Ausgehend aus D1 ist die Kammer der Meinung, dass der Fachmann die obigen Entgegenhaltungen nicht in Betracht gezogen hätte, um die zugrundeliegende technische Aufgabe zu lösen bzw. er sie nur mit Vorkenntnis der beanspruchten Erfindung berücksichtigt hätte. Auf jeden Fall hätte der Fachmann durch den Inhalt dieser Dokumente keine Veranlassung gehabt, die in den Beispielen der D1 offenbarten Furnierstreifenplatten mit einer faserverstärkten thermoplastischen Kunststoffschicht, die 35 bis 80 Gew.% an Verstärkungsfasern enthält, zu ersetzen.

5.5.3 D5, D8, D9 und D10 wurden von der Beschwerdeführerin nur in Bezug auf die Offenbarung von HPL-Deckschichten zitiert, die bereits in D1 offenbart sind, bzw. um die Verwendung eines wasserfreien Klebstoffs zum Verbinden von Kernschicht und Deckschichten, jedoch nicht um die Verwendung einer faserverstärkten thermoplastischen Kunststoffschicht nahezulegen. Daher kann auch die Berücksichtigung dieser Entgegenhaltungen nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

5.6 Die Kammer schließt daraus, dass der beanspruchte Gegenstand dem Fachmann nicht naheliegend war bzw. auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

5.7 Wie bereits in der vorläufigen Meinung der Kammer ausgeführt, würde der Fachmann, ausgehend aus der Entgegenhaltung D2 als nächstliegendem Stand der Technik, zum gleichen Ergebnis kommen.

6. Das Streitpatent entspricht daher allen Erfordernissen des EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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