T 1242/16 (Halogeniertes Polysilan/Nagarjuna) of 27.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T124216.20180627
Datum der Entscheidung: 27 Juni 2018
Aktenzeichen: T 1242/16
Anmeldenummer: 09753540.5
IPC-Klasse: B01J 12/00
C01B 33/107
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HALOGENIERTES POLYSILAN UND THERMISCHES VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG
Name des Anmelders: Nagarjuna Fertilizers and Chemicals Limited
Name des Einsprechenden: Evonik Degussa GmbH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung das europäische Patent EP 2 296 804 B1 wegen mangelnder Ausführbarkeit zu widerrufen.

Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"1. Halogeniertes Polysilan als reine Verbindung oder Gemisch von Verbindungen mit jeweils mindestens einer direkten Bindung Si-Si, deren Substituenten aus Halogen bestehen und in deren Zusammensetzung das Atomverhältnis Substituent: Silicium mindestens 1:1 beträgt, dadurch gekennzeichnet, dass das Polysilan aus Ringen und Ketten mit einem hohen Anteil Verzweigungsstellen besteht, der bezogen auf das gesamte Produktgemisch > 1 % beträgt, ein RAMAN-Molekülschwingungsspektrum von I100 / I132 < 1 aufweist, wobei I100 die Raman-Intensität bei 100 cm**(-1) und I132 die Raman-Intensität bei 132 cm**(-1) bedeuten, und in **(29)Si-NMR-Spektren seine signifikanten Produktsignale im chemischen Verschiebungsbereich von +23 ppm bis -13 ppm, von -18 ppm bis -33 ppm und von -73 ppm bis -93 ppm besitzt."

Der unabhängige Anspruch 8 des Streitpatents lautet wie folgt:

"8. Verfahren zum Herstellen von halogeniertem Polysilan nach einem der vorangehenden Ansprüche, bei dem Halogensilan mit Silicium bei hohen Temperaturen umgesetzt wird, dadurch gekennzeichnet, dass mit einem Überschuss von Halogensilan in Bezug auf das gebildete Dihalogensilylen (SiX2) gearbeitet wird."

Das folgende in der Entscheidung, im Streitpatent und im Beschwerdeverfahren zitierte Dokument ist hier von Relevanz:

D13: Schmeisser M. und Voss P.; Zeitschrift für

anorganische und allgemeine Chemie, Band 334,

1964, Seiten 50 bis 56

II. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Hilfsantrag ein. Der einzige unabhängige Anspruch dieses Antrags ist wie folgt:

"1. Verfahren zum Herstellen von halogeniertem Polysilan als Gemisch von Verbindungen mit jeweils mindestens einer direkten Bindung Si-Si, deren Substituenten aus Halogen bestehen und in deren Zusammensetzung das Atomverhältnis Substituent: Silicium mindestens 1:1 beträgt, dadurch gekennzeichnet, dass das Polysilan aus Ringen und Ketten mit einem hohen Anteil Verzweigungsstellen besteht, der bezogen auf das gesamte Produktgemisch > 1 % beträgt, ein RAMAN-Molekülschwingungsspektrum von I100 / I132 < 1 aufweist, wobei I100 die Raman-Intensität bei 100 cm**(-1) und I132 die Raman-Intensität bei 132 cm**(-1) bedeuten, und in **(29)Si-NMR-Spektren seine signifikanten Produktsignale im chemischen Verschiebungsbereich von +23 ppm bis -13 ppm, von -18 ppm bis -33 ppm und von -73 ppm bis -93 ppm besitzt, bei dem Halogensilan mit Silicium bei hohen Temperaturen umgesetzt wird, dadurch gekennzeichnet, dass mit einem Überschuss von Halogensilan in Bezug auf das gebildete Dihalogensilylen (SiX2) gearbeitet wird, wobei in einem Druckbereich von 0,1-1000 hPa gearbeitet wird."

III. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass es fraglich sei, ob die Erfindung für den Fachmann ausführbar sei.

IV. Die Beschwerdeführerin teilte in der Folge mit, dass ihr Vertreter nicht an der zwischenzeitlich anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung abgesagt.

V. Die Beschwerdeführerin argumentiert im Wesentlichen wie folgt:

Absatz [0051] gewähre dem Fachmann eine ausreichende Anleitung zur Durchführung des Gegenstandes des Verfahrensanspruchs. Zudem könne der Fachmann auf das Ausführungsbeispiel 1 zurückgreifen und müsse lediglich die Korngröße des Siliciums anpassen, um zum Überschuss an Halogensilan zu gelangen. Über die im Versuchsverlauf gebildete Produktmenge könne die hierfür notwendige Menge an Dihalogensilylen abgeschätzt werden, die pro Zeiteinheit im Reaktorvolumen erzeugt werde und zur Bildung von Polysilanen beitrage. Die Bildung des Dihalogensilylens sei bei ausreichender Menge an Tetrahalogensilan durch die Oberfläche der Siliciumpartikel begrenzt. Auch helfe die Druckeinstellung, das gewünschte Produkt zu erhalten. Die Erfindung sei deshalb ausführbar.

VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Patent enthalte keinerlei Angaben dazu, wie das Zwischenprodukt Dihalogensilylen quantifiziert werden könne, sodass es nicht möglich sei, den Überschuss bei 1200°C zuverlässig einzustellen. Es sei für den Fachmann unzumutbar die Korngröße, die Packungsdichte, die Verweildauer, die Abkühlungsgeschwindigkeit etc. so anzupassen, dass ein Überschuss an Halogensilan vorliege. Angesichts von D13 müssten die Bedingungen in Bezug auf die Einstellung des Überschusses von Halogensilan sehr speziell sein. Es sei nicht eindeutig, ob überhaupt ein Dihalogensilylen erhalten werde.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen, hilfsweise das Patent in geänderter Form auf Basis des Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen. Zudem wird beantragt die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuweisen, falls die Ausführbarkeit anerkannt würde.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag (Patent wie erteilt)

1.1 Artikel 100(b) EPÜ

Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass die Erfindung gemäß Anspruch 8 nicht ausführbar sei, da das Patent keine Informationen dazu enthalte, wie ein Überschuss von Halogensilan zu gebildetem Dihalogensilylen erhalten und nachgewiesen werden könne.

Es stellt sich die Frage, ob die Angaben im Streitpatent für den Fachmann ausreichend sind, um, unter Berücksichtigung des Fachwissens das in Anspruch 8 angegebene Verfahren durchzuführen.

Gemäß Absatz [0051] des Streitpatents kann durch Abstimmen der Verweildauer des Halogensilans in einer verwendeten Siliciumschüttung auf die Korngröße des verwendeten Siliciums der Überschuss von Halogensilan eingestellt werden. Details über das Edukt Silicium, insbesondere über dessen Korngröße, liefert das Patent nicht.

Die Ausführungsbeispiele enthalten keine Angaben zu dem Verhältnis von Halogensilan zu Dihalogensilylen. Vielmehr wird im Patent postuliert, dass ein Überschuss an Halogensilan in Bezug auf das gebildete Dihalogensilylen (SiX2) vorliegt, um den Unterschied gegenüber dem Stand der Technik (D13) zu erklären (Absatz [0034]). Dieser Unterschied stellt das einzige kennzeichnende Merkmal des Verfahrens nach Anspruch 1 dar. Aus den zuvor genannten Passagen des Streitpatents geht hervor, dass dieser Unterschied durch das Zusammenspiel von ausgewählter Temperatur und dem Druck (Absatz [0034]), der Verweildauer des Halogensilans, als auch der Korngröße des Siliciums (Absatz [0051]) bedingt wird. Einen Beleg für diese Hypothese oder einen Anhaltspunkt, wie alle diese Parameter zusammen eingestellt werden können, gibt es nicht.

Wie von der Beschwerdeführerin zugegeben, ist auch in den Beispielen keine Angabe über die Korngröße des verwendeten Siliciums vorhanden. Die vorgeschlagene Anweisung an den Fachmann "lediglich die Korngröße des Siliciums an[zu]passen" muss scheitern, da auch die Verweildauer des Halogensilans auf der Siliciumschüttung nicht beschrieben ist. Dies bedeutet, dass zumindest zwei der genannten Parameter nicht definiert sind.

Auch aus dem Endprodukt kann, in Ermangelung weiterer Angaben, nur bedingt auf die im Rahmen des Verfahrens angewandten bzw. anzuwendenden Parameter geschlossen werden. Die Analyse der Raman- und **(29)Si-NMR-Spektren eines aus einem Herstellungsverfahren resultierenden Produkts lässt deshalb nicht die Schlussfolgerung zu, dass ein Verfahren notwendigerweise gemäß Anspruch 8 durchgeführt wurde. Selbst wenn dies der Fall wäre, bedürfte es umfangreicher Untersuchungen zur Einstellungen der notwendigen Parameter. Somit hat der Fachmann keinerlei Angaben, wie und ob ein Überschuss an Halogensilan in Bezug auf das gebildete Dihalogensilylen erhalten werden kann.

Im vorliegenden Fall obliegt es also dem Fachmann die aufgestellte Hypothese zu überprüfen, um festzustellen, wie ein Verfahren gemäß Anspruch 8 durchzuführen ist. Die Überprüfung von Hypothesen ist in der Chemie jedoch regelmäßig mit einem Forschungsprogramm verbunden. Ein solches stellt einen unzumutbaren Aufwand für den Fachmann dar (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, II.C.5.7), sodass die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt sind.

2. Hilfsantrag

2.1 Die Spezifizierung des Druckbereiches ändert an der Schlussfolgerung des Hauptantrags nichts, da zur Beurteilung der Ausführbarkeit die Offenbarung des gesamten Patents herangezogen wird. Darin war der Druck bereits angegeben (Absatz [0052]). Das Kernproblem, dass der Fachmann keine Anleitung bekommt wie er den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 8 realisieren kann, wird durch die Einschränkung nicht beeinflusst, sodass die Schlussfolgerung für diesen Antrag die gleiche wie für den Hauptantrag ist.

Somit gibt es keinen Grund, von der angefochtenen Entscheidung abzugehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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