T 1241/16 (Halogeniertes Polysilan/Nagarjuna) of 25.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T124116.20180625
Datum der Entscheidung: 25 Juni 2018
Aktenzeichen: T 1241/16
Anmeldenummer: 09753539.7
IPC-Klasse: B01J 12/00
C01B 33/107
H05H 1/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HALOGENIERTES POLYSILAN UND PLASMACHEMISCHES VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG
Name des Anmelders: Nagarjuna Fertilizers and Chemicals Limited
Name des Einsprechenden: Evonik Degussa GmbH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung das europäische Patent EP 2 296 803 B1 wegen mangelnder Ausführbarkeit zu widerrufen.

Anspruch 1 des erteilten Patents, d.h. des einzigen, der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruchssatzes, lautet wie folgt:

"1. Halogeniertes Polysilan als reine Verbindung oder Gemisch von Verbindungen mit jeweils mindestens einer direkten Bindung Si-Si, deren Substituenten aus Halogen oder aus Halogen und Wasserstoff bestehen und in deren Zusammensetzung das Atomverhältnis Substituent:Silicium mindestens 1:1 beträgt, wobei

a) das Halogen Chlor ist,

b) der Wasserstoff-Gehalt des Polysilans kleiner als 2 Atom-% ist,

c) das Polysilan nahezu keine kurzkettigen verzweigten Ketten und Ringe enthält, wobei der Gehalt an Verzweigungsstellen des kurzkettigen Anteiles bezogen auf das gesamte Produktgemisch kleiner als 1 % beträgt,

d) es ein RAMAN-Molekülschwingungsspektrum von I100 /I132 > 1 aufweist, wobei I100 die Raman-Intensität bei 100 cm**(-1)und I132 die Raman-Intensität bei 132 cm**(-1)bedeuten,

e) es in **(29)Si-NMR-Spektren seine signifikanten Produktsignale im chemischen Verschiebungsbereich von +15 ppm bis -7 ppm aufweist."

Darüber hinaus gibt es weitere unabhängige Produktansprüche 2, 4, 6.

Der unabhängige Verfahrensanspruch 13 lautet wie folgt:

"13. Verfahren zum Herstellen von halogeniertem Polysilan nach einem der vorangehenden Ansprüche durch Umsetzen von Halogensilan mit Wasserstoff unter Erzeugung einer Plasmaentladung, dadurch gekennzeichnet, dass mit einem Mischungsverhältnis Halogensilan:Wasserstoff von 1:0-1:2 und in Bezug auf die Plasmaentladung mit einer Energiedichte von kleiner als 10 Wcm**(-3)gearbeitet wird". (Hervorhebung im Original)

II. Mit der Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin die erteilte Fassung der Ansprüche als einzigen Anspruchssatz aufrecht und reichte folgende Dokumente ein:

E1: R. Bogdanowicz, Acta Physica Polonica A, Vol. 114,

No. 6-A, 2008, A33-A38

E2: M. Sarfaty et al., Review of Scientific

Instruments, Vol. 69, Nr. 9, September 1998,

3176-3180

E3: P. Rajasekaran et al.

E4: B. Du et al., Journal of Physics D: Applied

Physics, IOP Publishing, 2011, 11(25), pp. 252001

III. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass es fraglich sei, ob die Erfindung für den Fachmann ausführbar sei.

IV. Die Beschwerdeführerin teilte in der Folge mit, dass ihr Vertreter nicht an der zwischenzeitlich anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung abgesagt.

V. Die Beschwerdeführerin argumentiert im Wesentlichen wie folgt:

Die Energiedichte sei die Leistung, welche im Augenblick der Gasentladung eingestrahlt werde, dividiert durch das angeregte Gasvolumen (Absatz [0052]). Das Reaktorvolumen bilde die theoretische Obergrenze für das angeregte Gasvolumen. Das im Patent beschriebene Verfahren stelle eine typische Anwendung von technischen Plasmen dar. Es sei möglich, das angeregte Gasvolumen allein aufgrund seiner Leuchterscheinung zu bestimmen, da das angeregte Gasvolumen Licht emittiere. Das photonenemittierende Volumen könne als das Plasmavolumen betrachtet werden, welches die Leistung aufnehme. E1 bis E4 zeigten, dass das Plasmavolumen ermittelt werden könne. Die Erfindung sei deshalb ausführbar.

VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Dokumente E1 bis E4 seien als verspätet zurückzuweisen. Sie bildeten nicht das allgemeine Fachwissen ab. E3 und E4 seien nachveröffentlicht, E1 und E2 beträfen andere Plasmen als das Streitpatent.

In Anspruch 13 sei das Mischungsverhältnis Halogensilan:Wasserstoff nicht klar definiert und der Druck, bei welchem die Energiedichte eingebracht werde, sei nicht angegeben.

Auch lägen keine Informationen zu den verwendeten Reaktoren, dem Elektrodenmaterial, den Dimensionen der Elektroden, der Anordnung der Elektroden an oder im Reaktor sowie den Dimensionen des Quarzglasreaktors vor. Die Einstellung der Energiedichte sei deshalb nicht möglich.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Zudem wird beantragt, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuweisen, falls die Ausführbarkeit anerkannt würde.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 100(b) EPÜ

1.1 Die Einspruchsabteilung kam zum Schluss, dass die Erfindung nicht ausführbar sei, da die Energiedichte, angesichts der Fehlens von Angaben zum Reaktorvolumen, nicht berechnet werden könne.

1.2 Es stellt sich die Frage, ob die Angaben im Streitpatent für den Fachmann ausreichend sind, um, unter Berücksichtigung des Fachwissens, das in Anspruch 13 formulierte Ziel der Herstellung von halogeniertem Silan, gemäß Ansprüchen 1 bis 12, zu erreichen.

1.3 Gemäß den Angaben im Patent zeichnet sich das Verfahren durch "weichere" Plasmabedingungen als der Stand der Technik aus. Dabei soll die Leistung, die im Augenblick der Gasentladung eingestrahlt wird, dividiert durch das angeregte Gasvolumen, kleiner als 10 W/cm**(3) sein (Absätze [0051] und [0052]). Das Kernproblem, das zur Entscheidung der Einspruchsabteilung führte, liegt darin, dass es keine Angaben dazu gibt, wie das angeregte Gasvolumen bestimmt werden kann. Zudem gibt es keine Angaben zum Reaktorvolumen, das die theoretische Obergrenze für das angeregte Gasvolumen bildet und somit eine theoretische Abschätzung der einzustrahlenden Leistung ermöglichen würde.

1.4 E1 bis E4 sind nicht wirklich relevant für die Abschätzung des angeregten Gasvolumens, da mindestens E3 und E4 nicht Stand der Technik sind, während E1 und E2 andere Plasmen als die im Patent beschriebenen betreffen und aus den Darlegungen der Beschwerdeführerin nicht hervorgeht, wieso E1 und E2 allgemeines Fachwissen darstellen sollen, das auf die Plasmen des Streitpatents anwendbar ist. Sowohl E1 als auch E2 sind wissenschaftliche Publikationen, die spezielle Untersuchungsmethoden beschreiben, und es gibt keinen Hinweis, dass diese allgemeingültiges allgemeines Fachwissen darstellen, das jede Art chemischer Reaktion umfasst und damit auch zur Herstellung von halogeniertem Polysilan herangezogen werden kann.

1.5 Die Darlegung des Verfahrens in der Beschreibung lehnt sich sehr stark am Stand der Technik an und spezifisch an DE 10 2005 024 041 (siehe z.B. Absätze [0007], [0054] und [0056] des Streitpatents), sodass der Fachmann sich auch an dem dort beschriebenen Verfahren orientiert hätte. Da aus der Beschreibung hervorgeht, dass dieses Dokument als nächstliegender Stand der Technik für das beanspruchte Herstellungsverfahren erachtet wird, ist es als Teil des Einspruchs(beschwerde)verfahrens anzusehen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, IV.C.1.1.5). Es wird als D34 bezeichnet.

1.6 In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK wurde die Frage aufgeworfen, ob das im Patent beschriebene Verfahren eine typische Anwendung von technischen Plasmen darstellt, das durch die Abänderung der Beispiele des Dokumentes D34 unter Berücksichtigung der im vorliegenden Streitpatent vorhandenen Angaben (unterschiedliches Verhältnis H2/SiCl4; unterschiedliche Leistung; kein Erhitzen) dem Fachmann erlaubt hätte, das gewünschte Produkt zu erhalten.

1.7 Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Ausführungsbeispiele des Patents jedenfalls keine Informationen zum angeregten Gasvolumen oder zu der Reaktorgröße enthalten, sodass der Aufwand die Ausführungsbeispiele nachzuarbeiten sehr hoch sein wird, da mittels NMR und RAMAN-Spektroskopie überprüft werden muss, ob das gewünschte Produkt erhalten wurde und im Falle eines Misserfolgs die Bedingungen ohne klare Anleitung angepasst werden müssen, bis irgendwann das Produkt möglicherweise (zufällig) erhalten wird.

1.8 Die Beschwerdeführerin hat zu diesen Bedenken keine Stellung bezogen. Da der Reaktionsaufbau der Ausführungsbeispiele des Streitpatents offensichtlich sehr verschieden von dem der D34 ist, ist es angesichts fehlender Beweise darüber, dass eine Abänderung der Verfahrensbedingungen gegenüber D34 ausgereicht hätte, die beanspruchten Produkte zu erhalten, nicht glaubhaft, dass dies der Fall ist. Der Reaktoraufbau und der Verfahrensverlauf im Reaktor sind relevant, um die gewünschte Energiedichte einzustellen. Obwohl NMR und Raman-Spektroskopie dem Fachmann bekannt sind, ist er im vorliegenden Fall ohne klare Anleitung auf Versuch und Irrtum angewiesen, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Auch hat die Beschwerdeführerin keine Information darüber vorgelegt, ob das Verfahren in einem für den Fachmann bekannten Reaktor durchgeführt werden könne und somit das gewünschte Produkt erhalten würde.

1.9 Deshalb kann kein triftiger Grund erkannt werden, von der angefochtenen Entscheidung abzugehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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